14 | v i e r z e h n
[that bitch - bea miller]
AM NÄCHSTEN MORGEN geht es mir richtig scheiße. Mein Kopf schmerzt und ich habe einen heftigen Kater. Außerdem ist meine Laune im Keller. Ich bereue, dass ich abgebrochen habe.
Ich meine, jetzt habe ich alles was ich will und trotzdem bin ich so verdammt unzufrieden! Dabei sollte ich endlich — und zwar mit Freude — einsehen, dass das hier jetzt ich bin. Und ich kann alles schaffen, was ich will, ohne mich schlecht zu fühlen, dass mein früheres Ich das nie erreicht hat. Denn jetzt ist diese Version mein Ich.
Müde wühle ich mich aus dem Bett und drücke hektisch auf mein Handy, um den Wecker auszuschalten. Einen Moment lege ich mir den Arm über die Augen, dann seufze ich ergeben und strample die Decke fort.
Auf nackten Füßen schlurfe ich zu meinem Schreibtischstuhl und ziehe die Hose von gestern über. Um ein Outfit raus zu suchen habe ich sowieso keine Zeit mehr.
Allerdings hole ich einen frischen, gemütlichen Pulli hervor und schlüpfe hinein. Die Haare binde ich zu einem niedrigen Zopf und ich mache mir erst gar nicht die Mühe, mich zu schminken. Ich sehe sowieso perfekt aus.
Kurz überlege ich, ob ich die Pillen nehmen soll, die mir Ms White verschrieben hat, aber dann entscheide ich mich für eine ganz normale Asperin, gegen die pochenden Kopfschmerzen, schnappe mir einen frischen Smoothie und ein Toast und gehe aus dem Haus.
Als ich mich hinters Lenkrad geklemmt habe, hämmert plötzlich jemand and die Fensterscheibe. Ich bekomme einen Schreck und schreie auf. Ruckartig drehe ich mich zur Seite.
Es ist nur Clary, die mir entgegen winkt, in der Hand zwei Kaffeebecher.
Ich verdrehe die Augen, beuge mich über die Mittelkonsole und drücke die Beifahrertür auf. Sofort lässt sie sich gut gelaunt auf dem Sitz nieder und platziert ihre Schultasche zu ihren Füßen.
»Wieso hast du die Kindersicherung drinnen?«, fragt sie verwundert und nimmt einen Schluck aus ihrem Becher.
»Damit genau sowas nicht passiert«, brumme ich und sie lacht.
»Bist du mit dem falschen Fuß aufgestanden?«
»Wohl eher mit dem falschen Kopf. Zumindest fühlt es sich so an«, gebe ich stöhnend zu.
Sie begutachtet mich, dann reicht sie mir einen Kaffee. »Ich verspreche dir, Kaffee hilft bei einem Kater enorm.«
Skeptisch blicke ich den Becher an. Eigentlich habe ich überhaupt keinen Appetit. Doch dann zucke ich mit den Schultern und höre auf ihren Rat. Schließlich hat sie Erfahrung.
Nachdem ich ein paar tiefe Schlücke genommen habe — und, siehe da, ich bin tatsächlich schon etwas wacher — fahre ich los.
»Was machst du eigentlich hier?«, will ich von Clary wissen, während meine Augen brav auf der Straße liegen.
»Ich dachte mir schon, dass es dir so geht. Und da dachte ich, ich bring dir einen Wachmacher mit.«
Ich lächle über ihre mitdenkende, herzerwärmende Tat.
»Apropos«, sagt sie eine Spur leiser, »wie war es eigentlich?«
»Ganz kritisches Thema«, scherze ich, auch wenn es zum Teil gar kein Scherz ist.
Sie zieht die Brauen hoch und mustert mich. »Hat er dir weh getan?«, fragt sie gleich alarmiert und besorgt zu gleich.
»Nein. Nein, er hat gar nichts getan. Und das ist ja das Problem.« Ich seufze tief.
»In wie fern?«, hakt sie nach.
Tief hole ich Luft. »Ich bin abgehauen, als wir gerade. . . naja, du weißt schon.«
Mitfühlend sieht sie mich an. »Das macht nichts, Syd. Wenn er ein guter Typ ist, versteht er das.«
Ich fluche leise, auch wenn mich ihre Worte aufmuntern. »Ja, aber im Nachhinein hätte ich es getan, verstehst du?«
Sie schweigt kurz. »Aber in diesem Moment hast du dich nicht wohl gefühlt und das ist völlig okay, Syd«, sagt sie leise, aber bestimmt.
Ich sage nichts, einfach, weil ich nicht weiß, was. Und — ja, sie hat natürlich schon recht. Andererseits. . . warum zum Teufel habe ich mich nicht wohl gefühlt? Ich hatte keinen verdammten Grund dazu.
»Ich sehe wie es in deinem Kopf rattert. Du machst dir Schuldgefühle«, ertappt sie mich und ich spüre ihren Blick auf mir. »Aber das musst du nicht. Glaub mir, die Typen haben nie ein schlechtes Gewissen oder Schuldgefühle. Sie machen einfach ihr Ding und wenn sie nicht wollen, wollen sie nicht und wenn sie wollen, wie meistens, dann wollen sie eben. Sie machen sich nicht große Gedanken, so wie wir. Und das sage ich aus Erfahrung und nicht, um dich zu beruhigen. Ich sage nicht, dass alle Typen so drauf sind, aber die meisten eben schon. Also, warum solltest du dir Schuldgefühle machen? Es ist deine Entscheidung und er akzeptiert es entweder oder er ist ein komplettes Arschloch.«
Ein Moment lang starre ich sie nach ihrer Ansage perplex an, während sie hektisch ein »guck auf die Straße« ruft und ich mich wieder nach vorne wende.
»Und jetzt?«, frage ich leise.
»Jetzt, Syd, jetzt streichst du dir die unnötigen Schuldgefühle gegenüber dir selbst und ihm aus dem Kopf, schaust, wie er dich heute behandelt und wartest den Zeitpunkt ab, an dem du dich zu hundert — oder besser noch: zu tausend — Prozent wohl fühlst.«
Ich nicke entschlossen. Sie hat recht. Es bringt nichts, sich den Kopf zu zerbrechen. Der Moment ist sowieso schon vorbei und ich bin auch keine Person aus einem Fantasieroman, die einfach mal so in der Zeit zurück reisen kann.
Sie lächelt, als sie merkt, dass ihre Worte gewirkt haben und ich biege auf den Schulparkplatz.
Wir steigen aus und auf dem Weg zum Gebäude trinken wir unseren Kaffee leer. Ich habe fast keine Kopfschmerzen mehr — der Kater scheint wohl so gut wie vorbei zu sein.
Bei ihrem Spind bleiben wir stehen und sie holt ihre Bücher. Auch ich hole meine aus dem Spind gegenüber und stopfe sie in meinen Rucksack. Als mein Blick auf mein Biobuch fällt, fluche ich laut auf.
»Was ist?«, fragt Clary erschrocken.
»Ich habe heute diesen beschissenen Vortrag in Bio. Zwar hab ich ihn vorbereitet, aber fast gar nicht gelernt. Oh Gott, was mach ich denn jetzt?«
Clary legt mir beruhigend die Hände auf die Schultern. »Alles ist gut, Syd. Entspann dich. Noch hast du Zeit. Der Unterricht beginnt erst in fünfundzwanzig Minuten. Wie wäre es, wenn du dir einfach ein leeres Klassenzimmer suchst und den Vortrag nochmal durch gehst?«
Erleichtert, über ihre überaus schlaue Idee, atme ich auf. »Du hast recht. So mache ich das.«
»Soll ich mitkommen?«, will sie wissen, aber im gleichen Moment huscht ihr Blick zu dem
Neuen aus der Parallelklasse, mit dem sie, nach meinem Wissen, ein paar Mal geschrieben hat. Er winkt sie zu sich rüber.
»Nein, ist schon okay. Geh du nur zu ihm. Ich schaffe das allein«, antworte ich bestimmt und sie lächelt, drückt mich kurz an sich und läuft in seine Richtung.
Leicht seufzend schultre ich meine Schultasche und mache mich auf den Weg in einen stilleren Korridor, in dem meistens der Unterricht erst später beginnt.
Nach kurzem lauschen an einer Tür, drücke ich diese entschlossen auf — und bleibe wie angewurzelt im Rahmen stehen.
Auf einem der Tische sitzt ein Mädchen mit schwarzen Haaren, die genussvoll ihre Augen geschlossen hat und die Hände in den blonden Haaren eines Typens gekrallt hat, der zwischen ihre gespreizten Beinen steht.
Es ist Cade.
Ich atme zittrig ein und würde am liebsten rausrennen, aber ich stehe wie angewurzelt da, unfähig für jegliche Reaktion.
Und die beiden bemerken mich gar nicht. Stattdessen machen sie einfach weiter mit. . . dem. In einem verdammten Klassenzimmer! Scheiße, wie bin ich hier denn jetzt rein geraten.
Als Cade ihr jetzt an den BH-Träger fast, um ihn auf klicken zu lassen, finde ich endlich einen Weg aus meiner Schockstarre und gebe einen schrillen, wirklich nicht geplanten, Aufschrei von mir. Aber das war dir einzige Reaktion, die mir gerade in den Sinn kam.
Sofort wirbeln die beide auseinander, das Mädchen starrt mich mit offenen Mund an und ich schaue weg, während sie sich automatisch beginnt, anzuziehen.
»Oh mein Gott«, gibt sie von sich.
Ich mache noch immer keine Anstalten zu gehen — nein, wirklich nicht. Denn ich bin sauer. Auf Cade. Und zwar so richtig.
Klar, habe ich jetzt nicht gedacht, dass wir zusammen sind oder so, Gott bewahre. Aber ich habe mit ein bisschen Anstand und Rücksicht seinerseits gerechnet.
Clary hatte doch recht. Sie hat es zwar nett ausgedrückt, mit ihrem wenn sie wollen, wollen sie eben, aber eigentlich hätte ich mir denken können, das Cade zu einem von diesen — salopp gesagt, einfach, weil ich nicht mehr um den heißen Brei rumreden will und schon gar nicht in meinen Gedanken, weil mich sowieso keiner hört — schwanzgesteuerten Arschlöchern gehört.
Ich halte den Blick zur Seite gerichtet, bis ich seine Gürtelschnalle zu schnappen höre, dann richte ich mich kerzengerade auf und schieße ihm in meinem Blick so viel wütendes Feuer entgegen, das er für einen ganz kurzen Moment, die Augen senkt. Um mich gleich darauf spöttisch anzusehen.
»Was zur Hölle!«, rufe ich und das Mädchen zuckt merkbar zusammen.
Sie bindet ihre Haare zu einem Zopf, springt vom Tisch auf und geht zur Tür. »Wir sehen uns, Cade«, flüstert sie, dann blickt sie zu mir. In ihrem Blick liegt Unbehagen und das nächste, was sie sagt, hätte ich nicht gedacht: »Tut mir leid, dass du das mitansehen musstest.« Dann verschwindet sie.
Etwas perplex schaue ich ihr hinterher. Andere Mädchen, aus dieser Schule, hätten mich überheblich angegrinst, mich ausgelacht, bis ich rot geworden wäre, und hätten dann einen dramatischen Abgang hin gelegt.
Also entweder, sie ist wirklich ein nettes, verständnisvolles Mädchen oder ich habe neuerdings eine veränderte Ausstrahlung auf Geschlechtsgleiche.
Oder aber. . . er hat ihr von uns beiden erzählt und sie fühlt sich schuldig? Anderseits — warum sollte ein Typ seinem neuen Mädchen, die er rum bekommen will, erzählen, dass er fast mit einem anderen geschlafen hat?
Außer natürlich. . . außer natürlich, er hat ihr gesagt, wir haben mit einander geschlafen. Aber ergibt das überhaupt Sinn? Ich meine, würde mir jetzt ein Typ von seiner letzten Eroberung erzählen, wäre ich nicht gern die nächste.
Vielleicht interpretiere ich auch einfach zu viel in ihre Höflichkeit hinein und sollte mich lieber auf ihn konzentrieren. Denn — das wird mir jetzt ganz klar — sie hat in dieser ganzen Sache rein gar nichts falsch gemacht. Ich bin mir jetzt sicher, dass sie nichts von mir und ihm wusste und, wie so oft in solchen Storys, der Typ das Arschloch ist.
Vielleicht hört sich das fies an, aber es ist nun mal bewiesen, dass in den meisten Fällen die Frau nichts davon weiß, dass der Mann eine Freundin hat und dieser gerade fremd geht. Und trotzdem sind in allen Büchern und Filmen die Freundinnen sauer auf die Frauen und wollen bei ihren Männern noch irgendeine Chance sehen. Ja, vielleicht kommt hier gerade meine feministische Seite raus und, ja, in diesem Fall war es natürlich kein fremd gehen, aber ganz ehrlich: diese ganzen Typen haben doch mal alle eine ordentliche Backpfeife verdient.
Cade will sich an mir vorbei drücken, aber fest entschlossen stelle ich mich in seinen Weg.
»Wohin willst du so schnell?«, frage ich und setze eine verführerische Stimme auf.
»Was wird das, Syd?«, fragt er zweifelnd. Dann seufzt er und fährt sich durch die Haare. »Du bist sauer, nicht wahr? Aber, hör zu, du und ich, das war rein gar nichts, verstehst du? Ich wollte Spaß und du hast ihn mir nicht gegeben, also musste ich ihn mir bei jemand anderem suchen.«
Seine Worte verletzten mich überhaupt nicht, stattdessen machen sie mich wütend, dass er mich und dieses Mädchen wie Objekte darstellt. Er ekelt mich beinahe an.
Plötzlich lacht er und deutet meinem Gesichtsausdruck somit völlig falsch. »Du bist eifersüchtig, nicht wahr? Oh Gott, wie kann man nur so naiv sein? Dachtest du, wir sind jetzt ein Paar, oder sowas?«
Ich schnaube. »Ich bin weder wütend, noch naiv oder geschweige denn eifersüchtig. Mir ist es völlig egal, mit welchen Mädchen du wann was hattest oder hast. Ich weiß nur, dass ich gestern voreilig gegangen bin, ohne das zu beenden, das ich eigentlich seit dem Club will.« Meine Stimme wird leiser und verlockender und sofort senkt sich sein Blick auf meinen Mund. Genau die Reaktion, die ich erhofft habe.
Mein Triumph lasse ich mir nicht anmerken, sondern strecke ganz langsam meinen Arm nach hinten aus, um die Tür zu verriegeln.
»Du weißt schon, dass man die Tür abschließen kann, oder?«, frage ich leise und gehe einen Schritt auf ihn zu.
Auch er nähert sich mir, sein Blick ist dunkel, verlangend und lustvoll. Seine Hand legt sich auf meine Taille.
»Oder stehst du drauf, wenn du erwischt wirst?«, flüstere ich, aber anstatt mir eine Antwort zu geben, beugt er sich schwungvoll vor und legt seine Lippen auf meine.
Ich lächle gewinnend und bin froh, dass er es nicht sehen kann. Bei seinen Berührungen spüre ich nichts mehr, außer Verabscheuung.
»Ich stehe nur drauf, wenn du mich erwischst«, murmelt er in meinen Mund und hebt mich dann auf einmal ruckartig hoch.
Kurz quieke ich erschrocken auf, schwinge dann aber die Beine um seine Hüfte und lasse mich von ihm gegen die Wand drücken.
Sein Kuss wird intensiver, drängender, stürmischer. Die Hände wandern meinen Rücken entlang und bleiben dann auf meinem Hintern, um mich besser halten zu können.
Ich versuche einfach zu verdrängen, dass er es ist, versuche, trotzdem lustvoll auszusehen und zu klingen. Und es gelingt mir tatsächlich ganz gut.
Er stöhnt in meinen Mund, dann geht er mit mir zu einem der Tische und legt mich darauf ab. Noch immer habe ich die Beine um seine Hüfte geschwungen und jetzt liegt er halb, halb beugt er, über mir.
Im drängenden Bewegungen streicht er mir mein T-Shirt über den Kopf und küsst meinen Hals, dann meine beinahe ganze entblößte Brust.
Er selber macht sich nun an seinem Gürtel zu schaffen, während ich ihm das Shirt über den Kopf ziehe.
Es kommt kein »Bist du dir sicher, dass du das willst?« oder »Bereit?« von ihm. Aber das hätte ich mir denken können.
Gerade, als er ein Kondom aus der Tasche zieht und die Verpackung aufreißt, richte ich mich auf und löse die Beine von seiner Hüfte.
Fragend sieht er mich an, in seinen Augen immer noch die ungebändigte Lust.
Langsam beuge ich mich zu ihm vor, bis wir auf Augenhöhe sind und ich ihn fast mit meinen Lippen berühre. Sein Atem geht schnell.
»Ich mache hier die Regeln, Cade. Ob du Spaß haben wirst, entscheide ich. Denn ich bin viel besser als du, Cade. Ich bin viel mehr wert und jedes Mädchen, dass du mal kurz aus Spaß ficken willst, um dann wieder weg zu werfen, genauso.« Ich lächle ihn dunkel an und auf seinem Gesicht erscheint ein erschrockener Ausdruck. »Was?«, fahre ich fort, »dachtest du wirklich, ich schlafe jetzt mit dir?« Ich lache trocken auf. »Nein, Cade. Denn du widerst mich an. Du und deine ganze Existenz.«
Perplex starrt er mich an, zeigt keine einzige Reaktion.
Ich erhebe mich, ziehe mein Oberteil wieder über und lasse den völlig gedemütigten, unbefriedigten und lächerlich gemachten Cade einfach stehen.
Als ich draußen bin, atme ich kurz durch, grinse dann, wegen meines Gewinns, und gehe in ein anderes Klassenzimmer, um dort noch die knappen zehn Minuten bis zum Unterrichtsbeginn meinen Biovortrag durchzulesen.
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