08 | a c h t
[Nice to meet ya - Niall Horan]
DER STUHL AUF dem ich sitze ist unbequem und ich rutsche kurz darauf herum, bis ich eine einigermaßen gemütliche Position gefunden habe.
»Also, was war dort draußen los?« Der Direktor schaut mich lange an, lässt den Blick über mich schweifen, mustert mich genau, nimmt jeden Zentimeter meines Körpers unter die Lupe und ich bekomme eine unangenehme Gänsehaut.
Endlich wendet er den Blick kurz ab, nimmt seine Kaffetasse und trinkt einen großen Schluck, richtet dann die Augen erneut auf mich. »Können Sie jetzt auch nicht mehr sprechen, Ms Johnson? Davon hat ihr Vater nicht geredet. Nur von einem medizinischem Eingriff.« Er kneift die Augen zusammen und schaut mich schon wieder an, bohrender als zuvor.
»Nichts war da los«, antworte ich genervt und verschränke die Arme vor der Brust, lehne mich zurück.
Mein Gegenüber setzt die Tasse klappernd zurück auf dem Tisch ab und beugt sich zu mir vor, sein Gesicht ist zu einer zornigen Grimasse verzogen, seine Augen zu schmalen Schlitzen verengt.
Unbehaglich lasse ich meine Arme wieder sinken und schaue mich hektisch im Raum um, überlege, ob ich einfach gehen soll, entscheide mich dann aber lieber dagegen.
»Hören Sie mir mal gut zu, Ms Johnson. Nur weil sie jetzt anders aussehen, heißt das nicht, dass Sie sich automatisch mehr erlauben können, ist das klar?« Sein Blick wandert in meinen Ausschnitt und mir stockt kurz vor Schreck der Atem, ich bekomme eine unangenehme Gänsehaut.
Was fällt ihm ein? Er ist mein verdammter Direktor!
Er scheint zu merken, was er da tut und richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf mein Gesicht, aber Reue oder Scham ist ihm nicht anzumerken. Ich schüttle aufgebracht den Kopf, aber nur so minimal, das er es zum Glück gar nicht sehen kann.
»Ich erlaube mir nicht mehr, ich habe nur schlicht und einfach nichts getan«, sage ich mit fester Stimme, auch wenn ich so schnell wie möglich hier weg will, weg von dem brennenden Blick dieses Mannes.
Doch so leicht scheint es nicht zu gehen. »Warum war dann dort draußen so ein Theater? Und warum hängen alle Erzählungen irgendwie mit Ihnen zusammen?«
Ich seufze tief. »Ich bin heute morgen ganz normal zur Schule gekommen, aber natürlich haben alle geguckt, das habe ich mir schon gedacht. Und dann... naja, das ist kompliziert. Clary und ich haben gerade eine Kriese und als sie mich gesehen hat, sind ihr eben die Reagenzgläser runtergefallen.«
Er zieht die Brauen hoch und nickt dann langsam, sein speckiger Hals wackelt dabei hin und her. Dann greift er wieder zu seiner Tasse und setzt sie an seine schmalen Lippen. »Okay, ich glaube Ihnen. Und, Gott bewahre, verschonen Sie mich mit diesem Frauengezeter, was zwischen Ihnen und Ms Wilson da vor sich geht, davon will ich wirklich nichts hören.«
Ich nicke, verdrehe aber innerlich die Augen.
»Gut, Sie können jetzt gehen«, meint er mit etwas milderer Stimme und winkt dann zur Tür hin.
Ich nicke erneut. »Danke.« Langsam erhebe ich mich und gehe zur Tür, aber auf dem Weg hält er mich noch einmal mit scharfen Worten zurück: »Die Reagenzgläser ersetzten Sie mir, egal wer von Ihnen beiden, werden Sie sich mit Ms White einig.«
Ich lege die Hand an die Klinke und verdrehe endlich sehr genervt die Augen, denn das war schon viel zu lange überfällig, halte die Wut für diesen Mann nur krampfhaft zurück.
Bevor ich den Raum verlasse, höre ich ihn leise vor sich hin murmeln: »Typisch Frau, dieser alberne Streit. Nix in der Birne.«
Am liebsten würde ich mich umdrehen und ihm den Mittelfinger zeigen.
***
Mit der flachen Hand haue ich wütend gegen den Automaten und fluche: »Du verdammtes Miststück, gib mir meine Schokolade!«
Ich spüre neugierige Blicke der anderen Schüler auf mir, die ich aber einfach ignoriere, weil diese sowieso schon den ganzen Tag da sind.
Da ertönt ein leises, wohlklingendes Lachen hinter mir und ich drehe mich neugierig um.
Vor mir steht ein großer Typ mit blonden Haaren, markanten Gesichtszügen und braunen, leuchtenden Augen. Er ist muskulös, vielleicht ein Jahr älter als ich und sieht ziemlich gut aus.
»Alles klar?«, fragt er schmunzelnd und ich lächle ein bisschen beschämt, weil er mich erwischt hat, wie ich einen Automaten anschreie.
»Ähm, ja, also... nein.« Ich seufze und deute auf den Automaten. »Er funktioniert nicht.«
Der Typ lacht erneut und schiebt sich an mir vorbei. »Lass mich mal.«
Er betätigt die Nummer des Schokoladenriegels, den ich will, dann noch die Nummer von dem, was er will und schiebt die Münzen hinein.
Wie durch ein Wunder fallen die Verpackungen aus den Halterungen und landen mit einem Plopp in dem Greiffach.
»Manchmal ist er verstopft oder reagiert nicht. Dann muss man einfach was zweites kaufen, damit das Loch, wo die Sachen durchfallen ins Greiffach, wieder frei wird, oder er wieder reagiert«, erklärt er ausführlich und ich grinse.
»Hast du das Ding irgendwie studiert, oder was?«
Er lacht und schüttelt den Kopf. »Nein, aber mir ist das selbst schon oft genug passiert. Mittlerweile bin ich Experte.«
»Man merkt's.« Ich lächle ihn an und er mustert mich interessiert.
»Soll ich dir's zurück zahlen?«, will ich wissen und greife schließlich in das Fach, hole meine zwei Schokoladenriegel raus, der alte und der neue, und gebe ihm seine Cola.
»Ach was«, winkt er ab und nimmt dann die Flasche entgegen, dabei berührt er meine Hand ein bisschen länger als nötig und fährt leicht mit dem Daumen über meinen Handrücken.
Ich bekomme eine angenehme Gänsehaut und er zieht die Hand - leider - viel zu schnell wieder zurück.
»Wie heißt du eigentlich? Ich habe dich hier noch nie gesehen.«
Ich ignoriere den letzten Teil und streiche mir eine Haarsträhne hinters Ohr, während ich antworte: »Sydney.«
Er zieht die Brauen hoch. »Sydney? Wenn du die bist, welche ich denke, dann wird hier ziemlich viel über dich erzählt.«
Ich seufze und nicke. »Ja, die Sydney. Und bevor du fragst - ja, es ist wahr, was alle erzählen.«
Er nickt nur und schaut mich prüfend an. »Cade«, sagt er dann und öffnet die Flasche.
»Du bist ein Jahr über mir, oder?«
Er nickt und trinkt. »Hättest du Lust, am Freitag oder so, mal mit mir und meinen Freunden feiern zu gehen? Wir gehen oft in den Bella Donna Club, ich kenn da eine der VIP-Kids, Zara.«
Fast hätte ich laut aufgelacht, als ich ihren Namen höre und den lustigen Zufall registriere. Und dann macht sich ein Gefühl der Freude in mir breit. Er hat mich gefragt, ob ich mit ihm was machen will, noch nie hat das ein Junge zu mir gesagt, geschweige denn mich einfach so angesprochen oder mich so nett angeguckt, wie er es tut.
»Ja, sehr gerne. Ich kenne Zara und ich bin lustiger weise auch eins der VIP-Kids, wie du sie nennst«, erkläre ich schmunzelnd, in einem nüchternen Tonfall, weil ich wirklich nicht vorhabe, damit anzugeben.
Er starrt mich verblüfft an, dann lächelt er breit. »Ich schreib dir.« Er schaut mich abwartend an und ich überlege kurz, was er von mir will, aber dann verstehe ich.
Ich hole mein Handy aus der Hosentasche und zeige ihm meine Nummer, die ich doofer weise nicht auswendig kann, weil ich sie normaler weise nicht brauche. Clary und meine Familie haben sie, in der Klassengruppe bin ich. Mehr Leute waren da nie.
Er speichert mich ein und grinst dann. »Wir sehen uns Syd.« Mit diesen Worten geht er.
Ich stehe kurz total perplex da, komme auch nicht darauf klar, das er meinen Spitznamen benutzt hat, den ich sonst nur aus Clarys Mund kenne. »Danke«, rufe ich ihm hinterher und er dreht sich nochmal um und sieht mich etwas fragend an.
»Wegen des Automaten.«
Er grinst nur, nickt und verschwindet dann im allgemeinen Getümmel.
Mich lässt er völlig baff und glücklich vor dem Automaten stehen, die zwei Schokoladenriegeln in der Hand, ein Lächeln auf dem Gesicht.
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