05 | f ü n f
[Feel something good - Biltmore]
UND WIEDER WACHE ich total verwirrt auf, weiß nicht wo ich bin, bis mir nach einer Weile wieder alles einfällt.
Und wieder.
Wieder.
Tag für Tag.
Sie sind alle gleich. Morgens bin ich zuhause, bekomme einen Privatlehrer für diese Zeit, und habe immer noch kein Kontakt mit Clary. Nachmittags begebe ich mich in die Klinik, lasse die Behandlung über mich ergehen, bis mein Vater mich abholt. Abends, wenn ich alleine in meinem Zimmer bin, stehe ich vor den Spiegel und starre mich an.
Und tatsächlich - ab dem fünften Tag sehe ich richtige Veränderungen. Mein Gesicht sieht anders aus, ist symmetrischer, passt besser zusammen. Die Augen leuchten, haben genau den richtigen Abstand zueinander, die Lippen sind voll und rosig, die Wimpern dicht, die Augenbrauen perfekt geschwungen, die Nase genau richtig gebaut. Und auch meine Haare haben eine schönere Struktur, fallen mir in großen, dunklen, ordentlichen, glänzenden, weichen Wellen auf die Schultern. Mein Körper sieht auch anders aus. Meine Brüste sind schöner geformt als davor, meine Taille ist schmal, meine Hüfte dazu genau in der richtigen Größe und meine Beine sind schlanker und länger als je zuvor. Allerdings habe ich noch überall überfälligen Speck, den ich verstecke. Es kann noch besser werden.
Und das wird es. Tag für Tag.
»Hier, bitte schön«, sagt die gelangweilte Frau hinter dem Tresen und reicht mir meinen Cappuchino. Ich verlasse die Bäckerei und schlürfe den Kaffee, während ich zurück nachause gehe. Sonst habe ich nicht wirklich mehr etwas zu tun. Ich habe Clary gesehen, wie sie mit anderen Mädchen zusammen im Starbucks war, wie sie neue Typen hatte und dann wieder neue. Wie sie sich immer weiter von mir entfernt hat. Und ich bin einsam. Aber das hat jetzt ein Ende, habe ich gestern nacht beschlossen. Ich bin jetzt ein neuer Mensch - zumindest fast und nur, bis jetzt, äußerlich - und kann neu anfangen.
Ich ziehe mich auch anderes an. Ich war shoppen und habe mir neue Teile zugelegt. Engere Oberteile, engere Jeans, Kleider, die meine Figur betonen. Sachen, die ich schon immer tragen wollte, die früher allerdings albern oder einfach nicht gut an mir aussahen.
Heute trage ich eine blaue Skinny Jeans und einen engen schwarzen Rollkragenpullover, darüber einen etwas längeren beigen Mantel, weil es in letzter Zeit ziemlich kalt geworden ist. Dazu schwarze Boots mit etwas Absatz, sehe ich aus, als sei mein Outfit direkt von einer Basic-Modebloggerin gestohlen.
Ich seufze tief und trinke wieder einen Schluck des Cappuccinos, nehme mein iPhone aus der Manteltasche und scrolle durch meinen Instagram Feed. Ich habe alle beständigen Bilder von mir auf meinem Account gelöscht. Irgendwie haben sie sich nicht mehr richtig angefühlt.
Ich schaue Clarys Story an, in der sie sich mit ein paar Mädchen aus unserer Stufe zeigt und breit - und vorallem glücklich - in die Kamera lächelt. Neben ihnen steht eine Flasche billiger Rotwein, der auch in die Gläser, in ihren Händen, gefüllt ist.
Abermals seufze ich und schließe die App wieder. So eine Scheiße. Ich sollte mich aufraffen und mich verdammt noch mal mit ihr vertragen.
»Hey, Sie da!«, ruft eine Stimme von hinten und ich drehe mich unschlüssig um, unsicher, ob sie mich meint.
Eine hübsche Frau mittleren Alters, mit sichtbar blond gefärbten Haaren, kommt auf mich zu geeilt und bleibt kurz vor mir stehen. »Gut, Sie sind stehen geblieben.« Sie lächelt erleichtert und ich schaue sie stirnrunzelnd an.
»Kann ich Ihnen helfen?«, frage ich misstrauisch und sie strahlt mich an.
»Allerdings«, sagt sie fröhlich. »Mein Name ist Lara Smithers und ich arbeite für eine Modelagentur.«
Ich starre sie fassungslos an. »Okay...?«, gebe ich verwirrt von mir.
»Gleich als ich Sie gesehen habe, wusste ich, dass ich Sie einfach ansprechen muss. Ich kenne Ihren Dad, aber er hat nie erzählt, dass er so eine schöne Tochter hat. Er hätte Sie viel früher zu mir bringen sollen. Als ich gestern Mittag wegen geschäftlichen Dingen mit ihm telefonierte, erwähnte er Sie allerdings kurz und musste dann aber auflegen, um Sie irgendwo abzuholen. Und als ich gerade hier lang lief, sah ich Sie, wie sie aus seinem Wagen stiegen und wusste es sofort.« Sie lächelt und streckt mir ihre Hand hin, lässt mich nicht einmal antworten. »Wie heißen Sie, meine Liebe?«
Zögernd ergreife ich ihre Hand. »Sydney.« Dann halte ich kurz inne und ziehe meine Hand zurück. »Allerdings, das mit der schönen Tochter stimmt nicht so ganz.«
Verwirrt schaut sie mich an und ich seufze. »Erzählen Sie mir doch erstmal, warum Sie mich ansprechen wollten und dann sehen wir weiter«, füge ich hinzu.
Ihre Miene klärt sich wieder auf und sie nickt überschwänglich. »Gut. Also«, sie hakt sich bei mir unter und zieht mich mit sich, »wir suchen gerade neue Models, die wir unter Vertrag stellen wollen. Wir sind nur die Agentur, die Aufträge kommen von außerhalb. Aber wir helfen den Models, sich zurechtzufinden und stellen ihnen auch andere Hilfsmethoden zur Verfügung, wenn sie es denn wollen und brauchen.«
»Und sie wollen mich als ein neues Model?«
»Genau.«
Ich bleibe stehen und schaue sie perplex an. Meine Kinnlade klappt herunter und meine Augen werden groß. Sie stoppt ebenfalls und dreht sich schmunzelnd zu mir um. »Haben Sie Interesse?«
Ich schließe meinen Mund wieder, schüttle kurz den Kopf, um mich zu sammeln und stammle dann: »Ja... ja, dass kann ich.« Ein erstauntes und sogleich glückseliges Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Niemals hätte ich gedacht, dass es zu so etwas kommt, nicht mal in meinen Träumen.
Zufrieden schaue ich an mir herunter. Aber jetzt ist alles möglich, wird mir klar und ich folge überschwänglich der lachenden Frau in ein Café, wo sie mir die Einzelheiten näher bringen möchte.
***
Die Kellnerin kommt ein weiteres Mal zu unserem Tisch und stellt auf Nachfrage eine Zuckerdose vor uns auf den braunen Holztisch ab.
Ms Smithers lächelt kurz dankbar und tunkt dann einen Löffel in die Dose und verrührt den Zucker mit ihrem Kaffee. Dabei schaut sie mich über den Tassenrand hinweg eindringlich an. Die Stirn ist gerunzelt, der Ausdruck nachdenklich.
Ich beobachte sie aus dem Augenwinkel, schaue aber weitestgehend angestrengt auf meine Fingernägel, die ich, fällt mir in diesem Moment auf, ruhig mal wieder richten lassen kann.
»Aha«, kommt schließlich die erste Reaktion und ich hebe vorsichtig den Blick.
»Jetzt wissen Sie, was ich gemeint habe«, sage ich seufzend und trinke einen Schluck aus der Kaffeetasse vor mir, bevorzugt aber ohne Zucker.
»Ja, allerdings. Wow. Ich muss das erstmal verarbeiten.« Sie versenkt den zweiten Zuckerlöffel im Kaffee und ich mustere das Vorgehen mit hochgezogen Brauen.
»Wenn ich nachdenken muss, brauche ich Zucker. Viel Zucker«, bemerkt sie meinen Blick und ich nicke nur stumm.
Sie trinkt wieder mehrere Schlücke und stellt dann ihre Tasse ein Stück weg von sich, kreuzt ihre Arme auf dem Tisch und schaut mich ernst an. »Deine Genveränderung macht gar nichts. Keinen Unterschied. Ich will dich immer noch als Model und ich weiß, dass du ein wunderbares werden wirst, vor allem, wenn du noch schöner wirst.« Sie lächelt glücklich. »Wow, das wäre fantastisch! Wenn du das Gesicht, das perfekte Gesicht, unserer Agentur wirst.«
Erleichtert atme ich auf und lächle sie an. »Ich freue mich darauf.«
»Gut. Ich red mit deinem Vater und dann treffen wir uns nochmal, damit du den Vertrag unterschreiben kannst.«
Ich nicke und trinke meine Tasse aus. »Das hört sich super an.«
Sie leert ebenfalls ihre Tasse und schultert dann ihre teure Designerhandtasche, wirft mehrere Scheine auf den Tisch. »Die Getränke gehen auf mich«, sagt sie lächelnd und steht auf.
»Danke, dass ist wirklich nett.« Ich greife nun auch nach meiner Tasche. Dann gehen wir zum Ausgang.
»Bis bald, Sydney«, sagt Miss Smithers fröhlich und schüttelt meine Hand überschwänglich.
»Ich freue mich auf unser Wiedersehen«, sage ich und winke noch zum Abschied, als sie in eine andere Richtung stapft.
Fassungslos drehe ich mich um, setzte ebenfalls meinen Weg fort, kann noch gar nicht begreifen, was soeben passiert ist.
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Authors Note:
Also erstmal will ich mich für die 200 reads in so kurzer Zeit bedanken, ich kann es noch gar nicht fassen, danke, dass ich so fleißig lest.<3
Ich wollte mir hier mal ein paar allgemeine Meinungen einholen, zu meiner Story.
Wie findet ihr sie bisher?
Was haltet ihr von Sydney?
(Ich glaube, dass viele eher kritisch und verständnislos zu ihr stehen, was natürlich wiederum sehr verständlich ist. Trotzdem würde es mich sehr interessieren, zumal ich bisher selber sehr kritisch zu ihr stehe und ich immer wieder merke, wie schwer es ist, mich beim Schreiben in ihre Rolle zu versetzen.)
Was haltet ihr von den anderen Charakteren? Clary, ihrem Dad...?
Danke für alles, bis zum nächsten Kapitel! <3
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