01 | e i n s
[Crying in the club - Camila Cabello]
DER TÜRSTEHER LÄCHELT mir kurz zu und winkt mich dann an der großen Menschenschlange vorbei, in das Innere des Clubs. Die Deckenbeleuchtung wirft den Raum in ein beinahe gespenstisches, funkelndes Licht. Jede Menge Jugendliche bewegen sich auf der Tanzfläche, halten Becher in den Händen, bis zum Rand gefüllt mit Alkohol.
»Er hat was, Syd?« Clary schiebt sich an einem großen Typ vorbei, bis sie wieder neben mir steht.
»Keine Ahnung, das ist so ein Experiment.« Ich zucke mit den Schultern.
»Keine Ahnung? Da will irgendjemand an dir rumpfuschen und dir ist es egal?« Skeptisch blickt sie mich an.
»Naja, egal nicht. Aber es hört sich doch ganz gut an, oder? Ich meine, hallo, Genveränderung! Er kann mich in ein superheißes Supermodel verwandeln.« Ich schaue sehnsüchtig auf die Körper einiger Mädchen in meinem Alter, die sich auf der Tanzfläche vor- und zurückwiegen.
»Ich weiß nicht, Syd.« Aus Clarys Stimme ist die Skepsis noch nicht verschwunden. »Findest du das nicht etwas heftig? Außerdem ist Genveränderung eigentlich verboten. Zumindest bei Menschen.«
»Jetzt anscheinend nicht mehr. Ist doch jetzt auch egal, oder? Lass uns tanzen gehen.« Ich lächle sie an. Warum muss sie gleich an allem rummotzen? Das ist doch nichts schlimmes. Es hört sich doch ganz praktisch an.
Sie schaut zwar immer noch zerknirscht, gibt sich aber geschlagen, als ein neues Lied aus den Lautsprechern ertönt. Tove Lo - Talking bodies.
Ich kreische erfreut auf und ziehe Clary hinter mir her. »Das ist unser Song!«, brülle ich gegen die Musik hinweg und sie dreht sich lächelnd einmal um die eigene Achse.
Wir lieben den Song und hören ihn wirklich auf und ab, obwohl er für viele schon total out ist. Aber das ist uns egal. Man kann super dazu tanzen.
»Hast du dem DJ gesagt, du willst den Song?«, fragt Clary grinsend.
»Vielleicht. Ist manchmal praktisch, einen reichen Dad zu haben.« Ich grinse zurück und wir verlieren uns in der Musik.
Nach dem der Song fertig ist, gehen wir hinauf in die VIP Loge, in der die Ehrenmitglieder des Clubs hin können. Ich bin so ein Mitglied wegen meines Dads und Clary ist meine Begleitung.
Hier oben startet heute eine Privatparty, hoch oben, über den Köpfen der Menschen, die sich unten auf der Tanzfläche bewegen. Die Party schmeißt die Tochter von einem Geschäftspartner meines Dads. Eigentlich kann sie mich nicht leiden, dass weiß ich ganz genau. Aber sie hatt mich trotzdem eingeladen, wahrscheinlich um ein gutes Licht auf ihren Dad und die Geschäfte zwischen ihm und meinem Dad zu werfen.
So ist das in unseren Kreisen.
Es geht immer nur um Geld und Macht.
Die Glastür geht schwungvoll auf und wir betreten die Loge. Sie ist in rotes, dunkles Licht getaucht, aber man sieht trotzdem noch genug. Die Wände sind mit schillernden Girlanden geschmückt, die sich im Licht reflektieren. Es läuft Musik mit viel Bass, den ich sogar bis in die Brust spüren kann.
Die Menschen tanzen genauso ausgefallen wie unten, nur irgendwie vornehmer, keine Ahnung wie ich das beschreiben soll.
Die Gastgeberin schlängelt sich einen Weg zu uns durch, drängt sich durch die tanzende Meute. Sie trägt ein weißes Stretchkleid, das ihr gerade mal bis zur Mitte der Oberschenkel reicht. Ihre Haare sind zu großen Wellen geformt und fallen ihr ordentlich über die Schultern. Sie sieht ein bisschen erhitzt aus, aber trotzdem, wie immer, ist sie wirklich hübsch.
Sie stöckelt auf uns zu und bleibt dann direkt vor mir stehen. »Hey Süße«, sagt sie und lächelt süffisant. Sie macht wirklich kein Hehl daraus, dass sie mich nicht mag. Ihre Stimme trieft nur so vor Spott.
»Toll siehst du aus«, fährt sie fort, wieder mit dem unübersehbaren Spott in der Stimme.
Ich schaue an mir herunter, auch wenn ich sowieso weiß, dass es nicht stimmt. Ich trage ein schwarzes Kleid,das eigentlich elegant und sexy aussehen sollte, bei mir aber irgendwie nicht. Es sieht nicht wirklich scheiße aus, aber eben auch nicht gut. Meine Haare sind eine einzige Katastrophe, ich habe schon so viel damit ausprobiert, aber sie sind und bleiben strohig und verwuschelt, egal wie sehr ich sie style und kämme. Deswegen habe ich sie mir zu einem Dutt gebunden und Ohrringe dazu kombiniert. Zugegeben, heute sehe ich gar nicht so schlecht aus wie sonst immer. Aber eben noch lange nicht so hübsch wie sie.
»Hey Zara. Danke«, sage ich einfach tonlos. »Du auch.«
»Ich weiß«, meint sie und grinst. Natürlich weiß sie es. »Also dann. Hockt euch doch zu uns.« Sie zeigt nach hinten auf eine Sofalandschaft, auf der ein Haufen Mädchen in engen Kleidern sitzen.
Ich nicke und setzte mich in Bewegung. Clary folgt mir und flüstert mir von hinten was ins Ohr. »Du weißt schon, dass sie eine unfreundliche Schlampe ist?«
»Ja«, antworte ich. »Aber darum geht es hier nicht. Es geht um unsere Väter.«
»Bescheuert«, kommentiert sie. Ich zucke mit den Schultern. davon hat sie halt keine Ahnung. Sie ist ein ganz gewöhnlicher Teenager, ohne superreichen Dad. Ihre Familie ist durchschnittlich. Durchschnittliches Haus, durchschnittliche Berufe, durchschnittliche Autos. Alles was ich gerne sein würde. Aber reich sein ist eigentlich auch gar nicht so schlecht. Aber reich sein bedeutet nicht gleich hübsch sein - auch wenn das viele Menschen denken. Ich bin das lebende Beispiel.
Ich lasse mich auf dem Sofa nieder. Clary pflanzt sich neben mich und schaut interessiert in die Runde. Alle Augen richten sich jetzt auf uns.
»Hey ihr beiden«, sagt eine Freundin von Zara und trinkt einen Schluck aus einem Cocktail. Auch die anderen nicken uns begrüßend zu, wirken aber nicht so, als wären sie super happy uns zu sehen.
Zara setzt sich gegenüber von mir hin und schlürft ebenfalls einen Schluck aus ihrem Getränk. »Und Sydney? Wie läuft's so?« Unschuldig blickt sie zu mir auf. Okay sie hat irgendetwas vor.
»Gut. Bei dir?«, frage ich genauso unschuldig und schlage die Beine übereinander.
»Alles super.« Sie hält kurz inne. Jetzt kommst. »Sag mal, machst du wirklich so eine Genveränderung? Mein Dad hat davon geredet.«
Alle Augen richten sich auf mich und ich spüre, wie ich rot anlaufe. Schnell streiche ich mir, sich lösende Haarsträhnen aus dem Gesicht, um meine Reaktion zu kaschieren. Dann atme ich tief durch und schaue sie an. »Ja, das stimmt«, sage ich mit einigermaßen fester Stimme.
Sie zieht spöttisch die Augenbrauen nach oben. »Warum?« Ernsthaft? Will sie jetzt ernsthaft das ich das sage? Das hätte sie wohl gern.
»Die suchen junge gesunde Leute, die dafür bereit sind. Und ich dachte mir, warum nicht? Ich habe Lust da mitzumachen.« Ich lächle in die Runde, um glaubwürdiger rüber kommen.
»Ahha. Das ist ja vorbildlich von dir.« Zara grinst argwöhnisch.
»Danke. Wer weiß? Vielleicht wird es bald für alle eingeführt, wenn es bei mir funktioniert.«
»Und was wenn nicht? Stirbst du dann?«, fragt Zara und man merkt ihr an, das sie so langsam sehr genervt wird. Die anderen um uns herum verkneifen sich ein Kichern, schauen aber trotzdem halb anerkennend zu mir herüber. Zara grinst überheblich und breitet sich auf der Couch weiter aus, überschlägt elegant die Beine und faltet ihre Hände darauf. Abwartend schaut sie mir ins Gesicht. Alle Augenpaare folgen ihrem Blick, bis mich jede Anwesende anstarrt.
Ich hole tief Luft. »Nein, ich werde nicht sterben. Es ist ein sicheres Programm.« Hoffe ich zumindest.
Jetzt dreht sich Clary zu mir, die wohl als einzige das Zögern in meiner Stimme gehört hat. Sie verengt die Augen und schaut mich eindringlich an. Ich ignoriere ihren Blick einfach, wende mich stattdessen wieder Zara zu, die mich noch immer anstarrt.
»Das ist ja gut«, meint diese jetzt, aber in ihrer Stimme klingt die Enttäuschung mit. Wow sind wir jetzt sogar schon so weit, dass sie mir den Tod wünscht? Man kann's auch übertreiben.
Ich zucke mit den Schultern und lehne mich nach hinten.
»Wir wünschen dir alle auf jeden Fall viel Glück.« Zara lächelt wieder ihr süffisantes Lächeln uns steckt sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Vielleicht sollte ich das dann auch mal probieren.«
Alle Anwesende schauen an ihr hoch und runter, skeptisch, ob sie es überhaupt nötig hat. Dann entscheiden sie wohl, dass sie es definitiv nicht nötig hat und schauen wieder weg. Zara lächelt nur, wahrscheinlich weil sie mit so einer Reaktion gerechnet hat.
Blöde Bitch.
Die Mädchen stehen auf und gehen auf die Tanzfläche, ohne uns noch eines Blickes zu würdigen.
»Syd, wir sollten nochmal darüber reden.« Clary stupst mich von der Seite an und schaut mich ernst an.
»Da gibt's nichts zu reden.« Ich schüttle ihre Hand ab. »Außerdem habe ich das ganze ja noch gar nicht so richtig entschieden«, versuche ich sie zu besänftigen. Sie schüttelt verärgert den Kopf.
»Wirklich, da lässt man dich ein Wochenende allein und du ziehst so eine Scheiße ab!«
»Es ist immer noch Wochenende.«
»Dann eben ein halbes Wochenende.« Trotzig verschränkt sie die Arme vor der Brust. »Ist doch auch egal, jedenfalls ist es eine Scheiße. So viel steht fest.«
»Wenn du meinst.« Ich zucke mit den Schultern.
»Ja, das meine ich! Du nimmst das alles viel zu locker!«
»Das stimmt doch gar nicht. Ich denke rund um die Uhr darüber nach«, wehre ich ab.
»Ach ja? Hast du dir überhaupt schon mal an die Konsequenzen gedacht?«
»Was für Konsequenzen?«
»Da haben wir's.« Sie stöhnt genervt auf. »Hör auf das auf die leichte Schulter zu nehmen! Die greifen in deine verdammte DNA ein, in das, was dich ausmacht, was dich zu Sydney macht.«
Ich verdrehe die Augen. Sie kapiert echt gar nichts, oder? »Darum geht es doch.«
»Wie jetzt? Du willst nicht mehr Sydney sein?«
Ich klatsche mir mit der flachen Hand vor die Stirn, um ihr zu demonstrieren, wie dämlich sie gerade ist. »Es geht mir doch nicht darum, nicht mehr Sydney zu sein. Ich will einfach nicht mehr Ich sein.«
Sie kräuselt die Nase und runzelt die Stirn. »Hä? Das ist irgendwie zu hoch für mich«, sagt sie rätselnd. »Du bist doch Sydney.«
»Ja, schon irgendwie.« Ich zucke wieder mit den Schultern. »Aber das ist ja nur ein Name und hat nichts mit mir zu tun. Auch wenn ich anders wäre, wäre ich Sydney, weil ich halt so heiße. Weil mich meine Eltern so genannt haben.«
Sie schaut noch immer verwirrt und so langsam bin ich es auch.
»Ist doch jetzt auch egal.« Ich mache eine wegwerfende Handbewegung.
»Dieser Punkt vielleicht schon, aber nicht die ganze Sache.« Sie schaut mich flehend an. »Bitte tu's nicht Syd. Du hast doch keine Ahnung, was da passiert. Am Ende ist es doch richtig gefährlich.« In ihrem Blick liegt so viel Bedauern für mein Vorhaben, das mir fast das Herz schwer wird und ich mich an ihren Hals werfen will, mit der Aussage, das ich es nicht mache. Aber nur fast.
»Das ist nicht deine Entscheidung«, sage ich mit fester, aber matter Stimme. Ich schlucke, als ich sehe, wie ihre Gesichtszüge in sich zusammen fallen. Dann schüttelt sie kurz den Kopf und dreht sich weg von mir. Das wird sie mir niemals verzeihen. Aber es liegt nunmal nicht in ihren Händen.
»Komm, wir gehen tanzen«, schlage ich vor. Sonst wird die Stimmung hier gar nicht mehr besser. Sie schaut unschlüssig.
»Komm schon. Oder muss ich wieder den DJ bestechen?«
Sie lacht kurz auf, schüttelt dann den Kopf und streckt mir ihre Hand entgegen. Ich stehe auf und ziehe sie auf die Tanzfläche. Wir sind nah an der Glasscheibe, sodass wir nach unten, auf den Rest des Clubs gucken können. Unter uns bewegen sich hunderte Leute, eng aneinander geschmiegt, zur Musik. Ich lächle, als ein neues Lied ertönt. Dance monkey - Tones and I. Dieses Lied lief dieses Jahr zwar überall und eigentlich ist es ausgehört, aber man kann trotzdem einfach immer dazu tanzen und gute Laune bekommen.
Das merkt man auch hier drinnen, denn schon bei den ersten paar Tönen verändert sich die Stimmung komplett. Wird ausgelassener. Entspannter. Ich spüre wie sich ein Grinsen über mein ganzes Gesicht ausbreitet und ich anfange, albern mit Clary herum zu schaukeln. Hier und Jetzt ist es mir völlig egal, wie ich aussehe, wer ich bin. Ich genieße es einfach mit meiner besten Freundin zusammen zu sein und das Lied zu fühlen, als wäre es unser letztes.
Nach einer Weile halten wir inne und atmen hektisch. Clarys Gesicht glüht, aber sie wirkt glücklich.
Als ein neuer Song losgeht, kommt von hinten ein Typ an uns ran und grinst schelmisch. Er legt die Hände um Clarys Hüften und beginnt mit ihr zu tanzen. Sie lächelt und dreht sich zu ihm um.
Er sieht wahnsinnig gut aus.
Und hat nicht einmal in meine Richtung geguckt.
Plötzlich habe ich keine Lust mehr zu tanzen und verlasse die Fläche. Wie schnell sich die Laune ändern kann. Ich lehne mich an die Bar und bestelle etwas ohne Alkohol. Ich bin nämlich definitiv noch nicht 21, sondern erst 16. Trotzdem würde ich mit der Karte wahrscheinlich Alkohol bekommen, schließlich bin ich VIP, aber ich habe auch einfach keine Lust darauf.
Ich entsperre mein Handy und öffne Instagram. Sofort springen mir jede Menge Bilder von den perfekten, heißen, superschönen Instagrammodels entgegen. Das verschlechtert meine Laune natürlich nur noch mehr.
Ich verziehe das Gesicht und schließe die App. Darauf hab ich jetzt echt kein Bock.
Ich schaue zu Clary, die sich wirklich prima ohne mich zu amüsieren scheint.
Das muss endlich aufhören. Ich will auch mal bemerkt werden, so wie sie. Ich will, dass mich Typen auch so ansehen, als wäre ich ein Schokoladenstück.
Okay, das jetzt vielleicht nicht, aber sie sollen mich auch mal so angucken, wie sie Clary oder andere Mädchen angucken.
Entschlossen hole ich mein Handy erneut heraus und schreibe meinem Dad eine Nachricht:
Wann geht es los?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top