Prolog

Prolog
"Renn!", schrieen sie und wedelten mit den Armen, als wollten sie mich mit den hektischen Bewegungen beflügeln. Meine Beine schmerzten, alles schmerzte, jede Faser meines Körpers schrie danach aufzugeben und sich in das feuchte Gras zu werfen. Ich hörte kaum noch die schnellen Pfotenschritte hinter mir, ich hörte nur noch mein Keuchen und das Rauschen meines Blut in den Ohren. Bloß nicht stehen bleiben, nicht umdrehen. Rennen.
Es waren noch ungefähr fünfhundert Meter in das rettende Camp, wo ich endlich zusammen brechen konnte. Fünfhundert. Was für eine tödliche Zahl.
Hinter mir hörte ich plötzlich wieder das Hecheln und ich versuchte so etwas wie einen Endspurt einzulegen, aber ich hatte meine letzten Kraftreserven bereits auf den letzten zwei Kilometern ausgeschöpft. Ich würde sterben, sie würden mich erwischen. Ich nahm ihre Präsenz hinter mir war, ihre drahtigen, blitzschnellen Körper, die mich zerfleischen würden, wenn sie mich zu fassen bekämen. An den Gedanken daran, wie eine dieser Kreaturen ihre Zähne in meinem Fleisch versengte, würde ich tatsächlich etwas schneller. Ich rannte und rannte, als hätte mein Körper noch nie etwas anderes gemacht, als einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Ich musste aufpassen, denn es war unfassbar rutschig durch den stetigen Regen, der mir meine Sicht verschleierte. Ich zwang mich zu großen Sprüngen über matschige Stellen und Pfützen, konnte es mir aber nicht erlauben das Tempo zu drosseln, die Viecher würden mich sofort kriegen. So flog ich förmlich über den kurzen Rasen, das sichere Camp stetig auf mich zukommend. Der Wind verstärkte sich und mir flogen meine kupferroten Haare ins Gesicht, versperrten mir die Sicht auf den Boden.
"Schneller! Du schaffst das!"
Ich hörte ihre Rufe und legte noch einen Zahn zu, die zwei Kreaturen direkt hinter mir. Ich konnte ihren widerwärtigen Atem riechen. Wild mit den Armen schlagend, wischte ich mir die Haare aus dem Gesicht, doch da war es bereits geschehen: Ich hatte die Wurzel am Boden zu spät erkannt, meine Haare hatten mir die Sicht versperrt und ich verhedderte mich mit dem Fuß. Und fiel. Es waren verdammte zwanzig Meter zum Ziel.
Adrenalin schoss durch meine Adern, ich drehte mich blitzschnell auf den Rücken und rollte sofort wieder unter dem Kiefer des ersten Vieches weg. Seine Zähne schnappten ins Gras uns rissen eine kleine Grube in den Boden. Ich trat heftig zu, direkt auf die hundeartige Nase, so sehr wie ich konnte. Das Tier gab einen seltsamen Laut von sich, doch da kam bereits sein Begleiter angestürmt, das Maul zu einem tiefen, grauenhaften Knurren geöffnet. Ich schaute mich schnell nach einer Waffe um und packte den dicken Stock neben mir und als das Vieh direkt über mir war, schlug ich ihm den Ast direkt zwischen die Rippen und stieß es von mir.
Ich sprang auf, glitschte auf dem rutschigen Boden kurz weg und rannte dann los, schneller als ich je gerannt war. Und es war nicht schnell genug. Ich stürzte zu Boden, verstand erst nicht den Grund dafür und dann schoss der Schmerz durch mein Schienbein. Eins hatte mich erwischt. Ich drehte mich um, trat es und schlug blind auf dieses Ding ein, es sollte nur verdammt nochmal loslassen. Es presste die Zähne in mein Fleisch und ich schrie, war mir sicher gleich würde mein Knochen unter dem Druck brechen. Ich sah kurz zum Camp. Dort standen sie und schrieen vor Entsetzen. Und keiner half mir. Es waren zehn Meter.
Das Monstrum packte mich noch etwas fester und begann mich von dem schützenden Ziel wegzuzerren, ich hing schlaff im feuchten Rasen wie eine Puppe. Ich sah im Augenwinkel, wie jemand in die vorderste Reihe der Zuschauer vorstieß.
"Wieso hilft ihr denn keiner?!", brüllte er. Ja genau. Wieso half mir denn keiner.
Ich schloss die Augen, mein Körper war von Schmerz beherrscht, ich konnte nichts sehen, nichts hören, nichts fühlen. Nur Schmerz.
Dann ließ das Vieh los. Ich konnte nicht viel erkennen, es wirkte als würde ein Schleier meine Augen bedecken. War das ein Pfeil, der aus dem Kopf des Höllenhundes ragte? Verwirrt starrte ich es an, bis ich einen weiteren schmerzhaften Ton wahrnahm und meinen Kopf nach rechts wandte. Der Andere krümmte sich leicht, ein Pfeil ragte aus seinen Rippen. Der Schmerz in meinem Bein ließ mich kurz schummrig werden.
"Jetzt renn doch!", schrie jemand.
Natürlich. Rennen. Mehr gab es nicht. Ich musste nur weiter einen Fuß vor den anderen setzen. So wie eben. Wie lange war ich heute gerannt? Es kam mir vor, als hätte mein ganzes Leben daraus bestanden zu Rennen. Kurz verschwanden all die Stimmen und der Regen, alles wurde grau und dann wieder bunt. Ich war wie benebelt vom Schmerz. Ich versuchte aufzustehen und schrie vor Schmerz. Dann sah ich wieder den Höllenhund auf mich zukommen. Ich musste hier weg.
Ich warf mich in den Schlamm und kroch vorwärts, meine Fingernägel gruben sich in den Dreck und zogen mich vorwärts, mein ganzer Körper hatte nur das Ziel das Camp zu erreichen. Nur noch ein paar Meter. Ich hörte die Leute johlen und jubeln, hörte wie sie mich anfeuerten. Kurz vermischten sich die Geräusche der Menschen mit dem Regen und wurden zu einem monotonen Schall, der in meinen Ohren dröhnte.
Ich hörte wie nah sie waren, vielleicht war es noch ein halber Meter. Ich zog mich ein letztes Mal vorwärts und hörte das Knurren hinter mir, drehte mich um und trat blind so fest zu wie ich konnte. Dann stieß ich mich ein letztes Mal ab und hörte wieder ihre Rufe und ihren Jubel. Ich spürte, wie Hände mich berührten und jemand mich hochhob. Ich war sicher. Dann wurde endlich alles schwarz um mich herum und ich wurde erlöst von meinen Qualen.

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