Der Plan

Der Schultag dauerte noch ewig. Ich hielt es kaum aus. April bequatschte mich immer wieder von der Seite, aber ich bekam auch hier nichts mit. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, bis unser Schultag zu Ende war.

Na also, geht doch. Ich konnte endlich nachhause. Mum holte mich von der Schule ab. Das weiß-lackierte Auto glänzte in der Sonne. Zumindest dachte ich das. Aber als ich hochblickte, sah ich nur Wolken. Das Wetter mochte ich am liebsten. Sonne war irgendwie lästig. Sie strahlte zu sehr. Lieber hatte ich so einen grauen Himmel. Nein, ich bin nicht komisch. Ich bin halt nur anders, sonst nichts.

Als ich das Auto betrat, warf Mum mir direkt eine Frage entgegen. „Hi Liebling! Wie war der erste Schultag?", fragte sie mich freundlich. Sollte ich ehrlich sein? Es war eigentlich ganz ok. Die beiden Cliquen hatten mich verstanden. Nur...April. Sie war nett und so, aber ich hatte echt keine Lust auf Menschen. Aber das würde Mum wahrscheinlich nicht gern hören. Also entschied ich mich, es anders zu formulieren.

„Es ist nett. Die anderen haben kein Problem damit, wie ich bin. Sie wissen nun, wie ich ticke. Also denke ich, können sie mich so auch akzeptieren", erklärte ich. „Hast du auch Freunde gefunden?", fragte sie mich fürsorglich.

Mist! Ich hatte gebetet, dass diese Frage wegbleiben würde. Ich log Mum nicht gerne an. Das hatten wir uns geschworen. Auch wenn es nicht herauskam, war da das, was man ein schlechtes Gewissen nannte.

Aber ich hatte noch ein Ass im Ärmel. Hoffentlich klappte es. „Mum, es ist der erste Tag. Freundschaften brauchen Zeit, das weißt du doch", versuchte ich mich rauszureden. „Ja, da hast du Recht. Ich mach mir ja nur sorgen, weißt du? Ein Kind sollte Freunde haben, auch eine Jugendliche wie du Bella", sagte sie ruhig.

Es war ja lieb gemeint. Ich konnte sie verstehen. Aber ich kam super zurecht, warum konnte sie das nicht verstehen? Ich hatte mich daran gewöhnt, missverstanden zu werden. Aber es kränkte mich manchmal schon etwas, nicht so verstanden und akzeptiert zu werden, wie ich war. Ich war immerhin kein schlechter Mensch, oder doch? Nein, ganz sicher nicht. Vielleicht würde ich mich irgendwann ändern. Aber nur vielleicht und auch erst wenn mein Plan vollendet war.

Der Plan. Ich würde mich weiter informieren, wenn ich zuhause war. Aber jetzt war ich noch im Auto und konnte die Zeit für ein Gespräch mit Mum nutzten. „Und wie lief dein erster Tag? Ist Lena schon zuhause?", fragte ich. Meine große Schwester war für mich alles. Mit ihr konnte ich über alles reden. Ohne sie würde ich nichts aushalten.

Sie hatte ebenso wie ich braune Augen, braune Haare und leichte Sommersprossen. Sie war auch nicht viel größer als ich. Auch war sie wie ich Single. Das heißt, es gab nur Lena und mich. Sie war auch die einzige Person, die mich verstand.

„Nein Lena ist noch nicht da. Sie hat heute einen längeren Tag als du. Mehr weiß ich nicht", erklärte Mum, „Aber mein Tag lief heute sehr gut! Ich komme sehr gut mit meinen Kollegen klar und sie mit mir." „Das ist schön zu hören", sagte ich freundlich. Meine Mutter war eine tolle Person. Ich gönnte es ihr wirklich sehr. Aber den Umzug verzieh ich ihr trotzdem noch nicht.

Als wir zuhause ankamen, ging Mum sofort in die Küche und fing an zu kochen. „Ich mache ein paar Nudeln. Du kannst dich erstmal zurückziehen oder was anderes. Ich rufe dich dann, ok?" „Ja super. Bin in meinem Zimmer", meinte ich schnell und verschwand auch schon aus der Küche.

In meinem Zimmer kramte ich meinen Computer heraus und öffnete eine Seite. Als ich letztens Berlin gegoogelt hatte, war mir eine Seite von einem Influencer entgegengekommen.

Diese suchte ich nun erneut. Ich fuhr mit der Maus die Website herunter...Bingo! Da war sie! Ich las mir den Artikel noch einmal durch.

Ich habe eine Mutprobe für euch alle! Aber nur einer oder eine Gruppe kann gewinnen. In den Unterirdischen Gängen unter Berlin, habe ich einen Schatz versteckt. Es ist eine Kiste. Wer die Kiste findet, wird sehen, dass sich dort ein QR-Code befindet. Auf der Rückseite dieses Cods ist ein Zahlen-Code angegeben. Ihr könnt entweder den QR-Code scannen oder den Zahlen-Code eingeben. Der erste der eines von beidem eingibt gewinnt. Nur der erste kann es schaffen. Sobald der Code eingegeben ist, schreibe ich es hier hinein, damit sich nicht jeder umsonst in Gefahr begibt. Ganz richtig, Gefahr! Sonst wäre es ja wohl kaum eine Mutprobe, oder? Was für eine Gefahr müsst ihr selber herausfinden. Aber zurück zu meiner Aufgabe, es gibt eine Deadline. Ab einem bestimmten Datum ist die Mutprobe vorbei. Dieses Datum gebe ich eine Woche vor Schluss an. Warum erst so spät? Ganz einfach, damit der Spaß größer wird und die Spannung steigt! Ich wünsche euch viel Glück, Spaß und Nervenkitzel! Auch wenn es eine Mutprobe ist, bitte ich euch, passt auf euch auf! Ach, und noch ein kleiner Tipp: Betretet die Unterirdischen Gänge am besten durch den Tunnel einer U-Bahn. Aber seid vorsichtig, wie ihr dies macht. Eine U-Bahn ist wirklich schnell.

Es machte mich nervös, dass ich das Datum nicht wusste. Vielleicht war es morgen schon so weit und ich hatte nur noch eine Woche Zeit! Aber wenigstens hatte noch keiner den Schatz gefunden. Noch nicht! Ich musste mich beeilen.

Aber erst musste ich etwas über die Gefahr herausfinden. Wahrscheinlich war es nur Quatsch, aber ich wollte nicht zu viel riskieren. Ich googelte nach Gefahren in Berlin, aber da war nichts, was Sinn machte. Hier waren nur Touristenziele, Nervenkitzel-Attraktionen wie Achterbahnen und weitere Freizeitparks. Aber ich konnte mir kaum vorstellen, dass so etwas damit gemeint war.

Ich schaute mir den Artikel noch einmal an. Vielleicht war damit die U-Bahn gemeint? Es machte auf jeden Fall Sinn. Aber irgendwas sagte mir, dass ich auch hier auf der falschen Spur war. Das war zu leicht. Es musste etwas anderes sein, aber was?

„Bella! Essen ist fertig! Kommst du?", rief Mum aus der Küche. „Komme!", erwiderte ich. Ich schloss die Seite, fuhr meinen Computer herunter und ging in die Küche. Dort wartete schon Mum mit einem Teller Nudeln in der Hand. „Liebling, würdest du bitte noch 2 Teller und Besteck aus dem Schrank holen? Deine Schwester hat mir gerade geschrieben, dass sie jetzt mit dem Bus nach Hause kommt und gefragt, ob sie eine Freundin mitbringen darf. Natürlich habe ich ja gesagt. Du dürftest auch jederzeit Freunde mitbringen, ok?", erklärte Mum.

Ich rollte mit den Augen und deckte den Tisch. „Sag mal, wie konnte Lena an einem Tag eine Freundin finden?", fragte ich verwundert. Klar, sie konnte besser mit Menschen als ich, aber das war selbst für sie ziemlich schnell.

„1. Lässt sich Lena deutlich mehr auf Menschen ein und 2. Hat sie sie schon früher kennengelernt, per online Chat", meinte sie. Komisch, Mum hatte den ersten Satz besonders betont. Wieso frag ich eigentlich, dachte ich. Doch schon fing Mum an zu schmunzeln.

„Ach Bella! Ich habe dich lieb, das weißt du, oder? Ich necke dich zwar sehr oft, aber du weißt das ich das nicht ernst meine, stimmt's?", sagte Mum freundlich ruhig. „Klar weiß ich das. Ich habe dich auch lieb!", erwiderte ich im selben Tonfall. Ja ich hatte sie wirklich lieb, aber manchmal ging es mir trotzdem auf den Keks. Aber hier störte es mich nicht.

Ding, Dong! Ah, Lena und ihre neue Freundin waren da. Oder war es doch Lenas alte Freundin? Sie kannte sie ja anscheinend schon länger. Egal, ich hatte keine Zeit mehr, um darüber nachzudenken, denn schon öffnete Mum die Tür. „Hi!", rief ich meiner Schwester zu und umarmte sie. Lena erwiderte meine Umarmung, es war ein tolles Gefühl bei ihr zu sein.

„Hi Bella! Lass uns erstmal reinkommen", sagte meine große Schwester lachend. Mir fiel es schwer, sie loszulassen, aber ich hatte keine Wahl. Der Tag war hart gewesen und Lena nahm sich sonst immer die Zeit mit mir darüber zu reden, aber heute war ihre Freundin ja immerhin da.

Ihre Freundin hatte ebenso wie wir lange Haare, aber ihre waren blond. Sie hatte blaue Augen und helle Haut. Sie war schüchtern. Naja, dann würde sie sich wenigstens von mir fernhalten.

Mum jedoch, umarmte beide herzlich. „Schön, dass ihr da seid!", sagte sie feierlich, „Essen steht schon auf dem Tisch. Ich habe Nudeln gemacht, aber hätte ich gewusst, dass wir heute Besuch haben, hätte ich mich mehr ins Zeug gelegt." „Alles gut, Nudeln sind perfekt", sagte Lenas Freundin verlegen.

Lena flüsterte ihrer Freundin etwas zu und stupste sie sachte nach vorne. „Ich bin übrigens Ella", sagte sie kleinlaut. Ok, Ella, gut. Warum nicht.

Als wir alle am Tisch saßen, erzählte Ella etwas darüber wie sie und Lena sich kennengelernt hatten. Lena hatte Insta, genau wie ich. Als meine Schwester ein Bild hochgeladen hatte, kommentierte auf einmal Ella und das nicht wenig. Sie schrieb Motivationen, Komplimente und süße Sprüche. Irgendwann hatte Lena ihr zurückgeschrieben. So ging das immer weiter, bis sie dann darauf kamen, dass Ella in Berlin wohnte und Lena dorthin ziehen würde. Naja, so mal zusammengefasst. Die beiden haben das ausführlicher beschrieben.

Auch redeten wir über Essen, warum auch nicht. Anscheinend mochte Ella asiatisch am liebsten. Konnte ich gut verstehen. Ich konnte asiatisch auch essen, ohne satt zu werden.

Wir redeten dann noch über Berlin. Moment mal, das war meine Chance! Ella lebte schon länger in Berlin, sie musste doch etwas über eine Gefahr in den unterirdischen Gängen wissen. „Hey Ella, du lebst doch schon länger in Berlin. Weißt du irgendwas über eine...Gefahr in den unterirdischen Gängen hier?", fragt ich hoffnungsvoll.

„Nein...Ich kenne mich mit den unterirdischen Gängen nicht so aus. Sie haben mich noch nie wirklich interessiert. Naja außer, dass ich ab und zu mit der U-Bahn fahre. Aber eine Gefahr? Ich würde mich da nie alleine hin trauen, aber eine bestimmte Gefahr kenne ich trotzdem nicht. Wie kommst du darauf?", erzählte sie verblüfft.

„Ach ich habe einfach mal davon gelesen, aber nichts dazu gefunden", winkte ich ab. Mist! Es hätte klappen können. Wahrscheinlich war da Garnichts und der Influencer hatte nur ein bisschen Spannung aufbauen wollen. Aber irgendwas sagte mir schon wieder, dass da etwas war, etwas womit ich nicht rechnete.

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