Kapitel 12 - Louis und Eleanor [2]

Als Maryana von Harrys Plan, Louis und Eleanor zu besuchen, gehört hatte, war ihre Begeisterung sehr verhalten gewesen. Als sie Louis' strengen, urteilenden Blick zum ersten Mal gesehen hatte, wäre sie sogar am Liebsten direkt wieder nach Hause gefahren.
Doch als sie schließlich zu viert im Wald mit den beiden Hunden spazieren gingen und Eleanor sich nach ihren Erfahrungen in Harrys Welt erkundigte, war Maryna doch froh, hierhergekommen zu sein.

Eleanor war der erste Mensch, der ihr begegnete und verstehen konnte, in welcher Situation sie steckte. Sie hatte dasselbe durchgemacht, sie hatte dieselbe Situation erlebt und dieselben Hürden zu meistern.

»Ich glaube, dass du es tatsächlich nochmal härter erwischt hast als ich«, sagte Eleanor schließlich, nachdem Maryana ihre bisherigen Eindrücke geschildert hatte. Sie liefen mit reichlich Abstand hinter Louis und Harry her.

»Zum Einen sind Harry und Louis in Fankreisen ein Spezialfall. Als Frau an ihrer Seite hast du bei einem großen Teil sowieso schon verloren«, war sie sich sicher, klang dabei aber weder besserwisserisch, noch verletzend. Stattdessen lächelte sie sanft.

»Naja, aber dann sind wir ja doch wieder auf dem gleichen Level«, warf Maryana hoffnungsvoll ein, doch Eleanor schien noch nicht fertig gewesen zu sein.

»Hm, ich weiß nicht«, zuckt sie zwiegespalten mit den Schultern. »Ich habe Louis früh kennengelernt. Wir sind quasi zusammen in diesen Erfolg hineingewachsen, wir haben gemeinsam gelernt, damit umzugehen. Und du bist da eben irgendwie hineingestolpert und Harry ist bereits am Höhepunkt, oder an einem der vielen Höhepunkte, seiner Karriere. Die Jungs sind für die Welt zu etwas geworden, was niemand von uns je erwartet hätte. An dieses Leben und diese Welt gewöhnt man sich noch nicht einmal schleichend. Da will ich mir gar nicht vorstellen, wie es dir geht, wenn man so plötzlich hier landet – zudem war es nicht gerade ein sanfter Sprung in diese Welt.«

Alles, was Eleanor sagte, war so ehrlich und wahr, dass Maryana noch nicht einmal mehr zustimmte. Sie war sich sicher, dass es offensichtlich sein musste, wie sehr ihre Worte ins Schwarze trafen.

»Das heißt, du hast dich also auch noch nicht daran gewöhnt oder einen Weg gefunden, damit umzugehen?«, fragte Maryana stattdessen und hoffte auf die eine Zauberformel, die ihr endlich all ihre Unsicherheiten gegenüber der Öffentlichkeit abnehmen kann.

»Naja«, überlegte Eleanor kurz. »Ich hab' gelernt, damit zu leben und einzusehen, dass Menschen eine Meinung über mich haben, die ich nicht ändern kann. Aber das ist ihre Sache und ich sollte mich nicht damit aufhalten. Wenn sie mich hassen wollen, sollen sie mich hassen. Ich halte mich weitestgehend raus aus Social Media, hab' jegliche Kommentare abgeschaltet und tue eben viel dafür, dass dieser Hass bei ihnen bleibt und nicht bis zu mir durchdringt. Das ist nicht die echte Welt, und das ist auch gut so. Die echte Welt ist hier, wenn ich alleine mit Louis bin.«

»Das hab ich auch gedacht, als ich alleine mit Harry in den Hidden Hills war. Aber das war leider nicht die echte Welt«, seufzte Maryana und sah nachdenklich auf den Waldboden.

»Klar, sich zu verstecken und alles andere zu ignorieren, soll ja auch nicht das Ziel sein", räumte Eleanor ein, versuchte Maryana aber gleichzeitig, ihr Erfolgsrezept zu vermitteln. »Louis ist eben Louis und er hat seinen Job, den er unheimlich liebt. Die Musik hat er eben immer schon geliebt, aber das ganze Drumherum war ihm immer schon zu viel – solo sogar noch mehr als in der Band. Dieser ganze unnötige Medien-Rummel... Das ist er einfach nicht. Louis gibt Interviews, weil er weiß, dass er es tun muss, aber ansonsten hält er nicht viel von PR und diesem ganzen Theater um Künstler. Er ist am glücklichsten, wenn er auf der Bühne steht und dann abends wieder hier am Land sein kann. Und bei allem ist er ganz er selbst. Das liebe ich so an ihm.«

Maryana konnte Eleanors glückseligen Unterton gut nachvollziehen. Zwar schien ihre Beziehung mit Louis ihr Leben zu bestimmen, doch offensichtlich hat sich Louis dazu entschieden, der Branche in Sachen PR großteils den Rücken zu kehren - ganz im Gegensatz zu Harry.

»Lasst ihr euch nie miteinander blicken oder geht auf rote Teppiche?«, hakte Maryana vorsichtshalber nach, um sicherzugehen, dass sie Eleanors Worte richtig verstanden hatte.

»Nein, gar nicht mehr. Zu Anfang haben wir das ein bisschen getan, aber inzwischen - nein. Wir haben viel durchgemacht und bleiben lieber ganz für uns. Louis spricht nicht über mich, er beantwortet keine privaten Fragen und wir werden auch keine gemeinsamen Auftritte haben - weder auf Social Media, noch auf irgendwelchen Events. Hin und wieder erwischen uns vielleicht Fans, aber auch selten. Wie gesagt, wir haben uns zurückgezogen.«

Verstehend nickte Maryana.
Eleanors alternativer Plan klang nach einem Weg, den sie mit Harry auch gerne beschritten hätte. Er klang nicht ideal, jedoch immerhin nach Privatsphäre und nach einer Möglichkeit, der urteilenden Masse zu entgehen.
Allerdings liebte Harry die Öffentlichkeit und seinen Job mit all seinen Facetten so sehr, dass es ein schreckliches Opfer für ihn bedeuten würde, müsste er etwas davon aufgeben.

»Louis und Harry sind wohl ziemlich unterschiedlich«, überlegte Maryana laut. »Harry liebt dieses Business mit all seinem Trubel und seinen Eigenheiten, im Gegensatz zu Louis.«

»Weißt du, eigentlich sind sich die beiden verdammt ähnlich«, belehrte Eleanor sie eines Besseren. »Sie haben über die Jahre hinweg nur unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Louis hat sich zurückgezogen, während Harry eben die Flucht nach vorn angetreten und sich auf das Ganze eingelassen hat.«

Wieder nickte Maryana. Ob Louis' Zurückgezogenheit tatsächlich mit seinen Erfahrungen zu tun hat oder doch Charaktersache war, konnte sie nicht einschätzen, aber eines hatte sie erkannt:
Zwar hatte Eleanor einen Weg gefunden, mit der Öffentlichkeit und dem Hass umzugehen, aber dieser Weg war für sie selbst keine Option. Dabei würde Harry nicht mitspielen.

»Harry will sogar offensiv in die Öffentlichkeit«, gestand Maryana leise seufzend, mit hörbarer Skepsis in der Stimme. »Das war besser gesagt Jeffs Idee. Und vermutlich auch die von John, meinem Verleger, um das Buch halbwegs zu retten oder vielleicht sogar Profit aus der ganzen Sache zu schlagen.«
»Bestimmt«, nickte Eleanor zustimmend, als hätte sie die Industrie längst durchschaut. »Ihr seid ziemlich durch die Medien gegangen mit eurer Story, insbesondere in Fan-Kreisen. Die müssen besänftigt werden und ansonsten gilt der Grundsatz: Es gibt keine schlechte PR.«

»Aber es wird ihnen doch niemals gelingen, mich so darzustellen, dass mich Harrys Fans mögen könnten, oder?«, grübelte Maryana nachdenklich.
Unsicher warf ihr Eleanor einen Blick zu und versuchte sich an einem Lächeln.
»Wer weiß, vielleicht schon«, antwortete sie dann schulterzuckend, doch ihr Blick sprach eine andere Sprache. Der sagte klar und deutlich, wenn auch bedauernd: »Nein, das können sie nicht.«


Den restlichen Tag verbrachten die beiden Paare im weitläufigen Garten des Landhauses. Zwar saßen sie an einem Tisch, doch Maryana hatte oft das Gefühl, Louis würde durch sie hindurchsehen. Stattdessen nutzte er die Zeit, um sich mit Harry auszutauschen oder von seiner Familie, seinem Sohn oder seinen neusten Projekten zu berichten. Maryana konnte nur staunen, welch bissige, unnahbare Ausstrahlung Louis hatte, doch sobald er sich mit Harry oder Eleanor unterhielt, wurden seine Gesichtszüge sanft, das Lachen strahlend und die Grübchen um seine Augen tiefer. Er war misstrauisch und hatte in seinem Leben sicherlich schon viele Enttäuschungen erlebt. Nach allem, was sie bisher über ihn gehört hatte, konnte sie das auch gut verstehen. Er schien ein vorsichtiger, sensibler Mensch zu sein, obwohl er auf den ersten Blick nicht so wirkte.

Auch Harry war an diesem Tag wieder ganz er selbst. Er war nicht mehr der unnahbare Superstar, den er auf sympathische Art und Weise in der Öffentlichkeit mimte.  Er war wieder Freund, Vertrauter und Ruhepol zugleich, als er lachend mit seinen Liebsten am Tisch saß. Erst als Louis zum ersten Mal das Wort direkt an Maryana richtete, verdunkelte sich seine Miene wieder.

»Und, habt ihr euch schon überlegt, ob ihr deinen Ex verklagt? Das ist ja übel, was der da immer noch in die Öffentlichkeit rausschickt.«
Fragend sah Louis in die Runde, während Eleanor ungläubig auf ihren Freund starrte und Harry augenblicklich verärgert seinen Kiefer anspannte. Maryana hingegen folgte Eleanors Beispiel.

»Bitte?«, gab sie überfordert von sich. David war ein Thema, das sie selbst in Gesprächen mit Harry scheute und sich noch längst nicht bereit fühlte, sich dem zu stellen. Dass es Louis nun zur Sprache brachte, wollte sie nicht glauben.

»Na, ist das nicht Rufmord oder sowas?«, fragte Louis weiter.
Maryana konnte noch nicht einmal einschätzen, ob Louis sie gerade bewusst in eine üble Situation bringen wollte. Er guckte weniger gehässig als tatsächlich interessiert - und es war eine berechtigte Frage.

»Äh, nein«, antwortete sie zögerlich. »Nein, wir werden ihn nicht verklagen. Immerhin ist das, was David da so sagt, ja keine Verleumdung. Es ist ja irgendwie auch ein Stück weit... die Wahrheit.«

Stille herrschte am Tisch. Jeder wusste, dass Harrys und Maryanas Start nicht von der feinen englischen Art gewesen war, doch Harry hatte zuvor bereits angemerkt, dass auch Louis keine weiße Weste hatte. Maryana nahm sich also fest vor, zu ihren Fehlern, die sie mit Harry begangen hatte, zu stehen.

»Auch wieder wahr«, sah Louis ein und zuckte nüchtern mit den Schultern, ehe Eleanor eingriff.
»Was es aber nicht weniger verwerflich macht, sowas Privates in der Öffentlichkeit breitzutreten«, gab sie zu Bedenken und bedachte dabei primär ihren Freund mit einem scharfen Blick.

Es war das erste und letzte Gespräch, das Louis an diesem Tag mit Maryana aufzubauen versuchte. Wenn es diese Art von Unterhaltung war, die er führen wollte, war es der jungen Blondine jedoch mehr als recht, dass er ihr wenig Beachtung schenkte. Lieber beteiligte sie sich überhaupt nicht am Gespräch, als über Davids Hasstiraden im Internet zu sprechen.

Maryana hatte an diesem Tag jedenfalls einige neue Erkenntnisse gewonnen.
Sie hatte nun die Bestätigung, dass Louis kein Fan von ihr war. Und sie hatte erfahren, dass er den Medienrummel um seinen Job hasste und sich mit Eleanor als Paar konsequent aus der Öffentlichkeit heraushielt.

Niemals hätte Maryana geahnt, dass sie je dieser Gedanke beschleichen könnte, doch am Ende dieses Tages drängte er sich ihr doch auf. Sie wünschte sich, Harry wäre ein kleines bisschen mehr wie Louis - zumindest in einer gewissen Hinsicht. Im Gegensatz zu Louis liebte Harry eine Welt, in der Maryana niemals Zuspruch bekommen würde.

»Das war ja ganz nett«, lautete Maryanas Fazit des Abends, als sie wieder neben Harry auf dem Beifahrersitz saß und mit ihm zurück nach London fuhr. Sie meinte es ernst. Alles in allem war der Tag ganz unterhaltsam gewesen und sie hatte wieder einmal Einiges über Harry und sein Umfeld mitbekommen.

Eleanor war unheimlich lieb und die Unterhaltung mit ihr aufschlussreich gewesen. Und selbst Louis hatte im Großen und Ganzen keinen schlechten Eindruck hinterlassen, obwohl er sie heute daran erinnert hatte, dass David immer noch existierte, egal wie sehr sie diese Tatsache zu verdrängen versuchte.

»Louis kann manchmal ein unsensibler Arsch sein«, seufzte Harry hingegen. Er schien sich noch eine ganze Weile über Louis' Aussage bezüglich David geärgert zu haben.

»Du hattest recht, er ist sehr direkt. Aber alles in allem ist er ein guter Kerl, glaube ich.«

Überrascht warf Harry einen Seitenblick auf seine Freundin. »Da muss Eleanor ja ordentlich geschwärmt haben, dass du trotzdem diesen Eindruck hast. Aber ja, stimmt, das ist er.«

Sie schenkte ihm ein müdes Lächeln, als sie weiterhin aus dem Fenster starrte. Er hatte recht, Eleanor hatte ihr Bild von Louis massiv geändert. Dass er mit dieser Scheinwelt um seinen Job nichts anfangen konnte, hatte ihn schlagartig sympathischer gemacht. Das wollte sie Harry allerdings ungern mitteilen, denn der hätte das sofort als Kritik an sich verstanden. Er hätte daraus geschlossen, wie unwohl sich Maryana dabei fühlte, dass er sie nun mit sich in diese Welt zwang und das wollte sie vermeiden - obwohl genau das der Wahrheit entsprach.

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