Kapitel 9 | ✔


„Ist irgendwer verletzt?", dröhnte in dem Moment Professor Snapes schnarrende, gleichgültige Stimme.

Draco reichte Hermione die Hand, um ihr aufzuhelfen. Warum tat er das alles? Wieso war er plötzlich so nett zu ihr? Fand er Gefallen an ihr oder wollte der Slytherin die Gryffindor nur mit seinen Spielereien ärgern? Sie wusste es nicht. Und wie es aussieht, wird sie es in nächster Zeit auch nicht erfahren.

„Danke", flüsterte Hermine leise, woraufhin Draco nur nickte. Erst jetzt sah sie das Ausmaß der Katastrophe: Tische waren umgeworfen, Schüler lagen am Boden und der Tisch, an dem Zabini mit Ron gearbeitet hatten, existierte nur noch in kleinen Holzstücken, die im ganzen Raum verteilt waren. Wie durch ein Wunder wurde niemand ernsthaft verletzt. Anscheinend war der Trank, den Ron fabriziert hatte, weder ätzend, noch giftig.

„Die Stunde ist für heute beendet. Weasley, sie werden hier wieder für Ordnung sorgen, der Rest kann gehen", krächzte Snape.

Kaum hatte der Hauslehrer Slytherins dies gesagt, stürmte schon die ganze Klasse aus dem Zaubertränke-Raum heraus, um zur nächsten Stunde zu eilen: Verteidigung gegen die dunklen Künste, was - zu Snapes Missfallen - Professor Moody unterrichtete. Da die Schüler hier selbst entscheiden durften, neben wem sie sitzen wollten, saßen, wie zu erwarten, Gryffindors und Slytherins getrennt.

Hermione saß neben Potter, Weasley neben Brown und am Nebentisch ließen sich Blaise und Draco nieder. Er durfte sie nicht ansehen. Nicht schon wieder. Doch er wollte es wissen. Würde er dann wieder normal leben können, ohne, dass sie den Mittelpunkt seines Universums darstellte? Er konzentrierte sich so sehr darauf Hermione nicht anzusehen, dass er nicht mal bemerkte, dass der Unterricht schon angefangen hatte. Der Unterricht zog nur an ihm vorbei, ohne, dass er etwas mitbekommen hatte.

Manchmal konnte er sich nicht beherrschen und sah trotzdem zu der hübschen Löwin. Und jedes Mal erwiderte sie seinen Blick. Manchmal nachdenklich, manchmal spöttisch.

Sie machte ihn einfach verrückt. Was würde er nur dafür geben, sie ein zweites Mal küssen zu können...

Als er bemerkte, dass alle um ihn herum zusammen packten, blickte er verwirrt auf. War der Unterricht etwa schon zu Ende? Anscheinend, denn Blaise wartete schon ungeduldig. „Na, mein Häschen, kommst du?"

Blaise prustete los, als er Dracos Gesicht sah. Schnell stand Draco auf und packte seine Sachen zusammen. Als sie gerade auf dem Weg zur Großen Halle waren, schlug Draco seinem Freund fest gegen den Hinterkopf.

„Aua! Wofür war das denn?", beschwerte sich Blaise.

„Für das Häschen, mein Zuckerschnäuzchen." Nun war es an dem weiß-blonden Zauberer zu grinsen, während der Dunkelhäutige sich den Kopf rieb.

Als die beiden die Großen Halle betraten, war das Abendessen schon in vollem Gange. Sie ließen sich am Slytherin-Tisch nieder. Draco suchte sofort mit seinen Augen den Gryffindor-Tisch ab, bis er die braunen Locken einer gewissen Löwin erblickte.

„Warum fragst du sie nicht nach einem Date?" Draco blickte seinen besten Freund zweifelnd an und antwortete: „Denkst du ernsthaft, jemand wie sie würde mit jemandem wie mir ausgehen?"

Blaise sah nachdenklich zu der Gryffindor hin, die gerade Draco fixierte. Als sie Blaise' Blick bemerkte sah sie schnell weg und ihr Kopf beinahe so rot, dass man meinen könnte, es sei eine Tomate, woran nur noch der grüne Stängel fehlte. Eigentlich war es schon ein wenig niedlich, wenn ein hübsches Mädchen wegen einem Jungen vor Scham errötete ...

„Ich denke schon. Ich meine, hast du sie dir mal angesehen? Immer, wenn sich eure Blicke treffen, schenkt sie dir entweder einen provokanten Gesichtsausdruck oder sie errötet. Das ist typisch Weib. Sie ist definitiv in die verknallt, ob du es glaubst oder nicht!", erwiderte Blaise barsch.

„Ab-"

„Und bevor du mir jetzt etwas über deinen ach so tollen Vater erzählst, sag ich dir mal was: SCHLAG ES DIR AUS DEM KOPF! Selbst du - Draco Lucius Malfoy - hast ein wenig Freiraum verdient!", erwiderte mit einem drohenden Unterton. Draco ließ sich die Idee durch den Kopf gehen. Er hatte wirklich nichts zu verlieren, also wieso nicht einmal etwas wagen?

Nach dem Essen hatten sie keinen Unterricht mehr, weshalb Draco mit einer Feder und einem Pergament bewaffnet zur Eulerei ging. Angekommen schrieb er eine kurze Nachricht auf sein Pergament, rollte es zusammen und befestigte es am Bein einer schönen Schleiereule, welche auch sofort losflog.

Bald würde es aufhören.

Bald könnte er sie ein zweites Mal küssen.

Bald würde das Mädchen in seinen Armen liegen und nicht mehr von ihm fort wollen.

***

Hermione saß währenddessen in ihrem Zimmer im Hause Gryffindor, als es an einem Fenster klopfte. Sie erblickte eine wunderschöne Schleiereule, mit einem Pergament. Als Hermione das Tier hereinließ, hüpfte es auf das Fenstersims und streckte ihr auffordernd ihr Bein entgegen. Vorsichtig nahm sie dem Tier das Pergament ab und fischte einen Eulenkeks aus ihrer Tasche. Sie setzte sich wieder und las die rührende Nachricht:

„Wie ich sehe hast du meinen Brief bekommen und liest ihn. Schon eigenartig, dass ausgerechnet ich dir schreibe. Ich nehme mal an, dass du schon herausgefunden hast, wer dir diesen Brief geschrieben hat. Du, die schlauste Hexe ihres Alters. Ich kann mir vorstellen, dass du dir schon die Frage gestellt hast, weshalb ich dir einen Brief schreibe. Ganz einfach:

Ich wollte mich entschuldigen. Entschuldigen für alles, was ich dir und deinen Freunden all die Jahre angetan habe. Ich wollte das nie. Es war mein Vater, Lucius Malfoy, der aus mir ein Monster gemacht hatte, das vergaß, wer der wirkliche Feind war. Ich war schon immer ein anderer Mensch. Ich wollte nie so sein wie mein Vater.

Nie.

Mir war der Blutstatus von Anfang an egal, wie auch meiner Mutter. Sie war die Einzige, die immer hinter mir stand, die Einzige, die mein größtes Geheimnis kannte und die Einzige, die mich verstand. Mein Vater hatte mich und meine Mutter oft misshandelt. Mir gedroht, sie zu töten. Ich will ihn am liebsten vergessen, aber immer, wenn ich in den Spiegel sehe, sehe ich ihn. Sobald ich ein Wort spreche, höre ich ihn. Ich wollte nie dich und deine Freunde beleidigen, ich wollte nie, dass du meinetwegen weinst, ich wollte nie, dass du mich hasst.

Das Einzige, was ich wollte, warst du.

Ich wollte, dass du bei mir am Tisch sitzt und über meine Witze lachst, dass du mit mir durch die Gänge läufst und ich dir helfen konnte, wenn dir deine Bücher zu schwer wurden. Aber du warst immer bei Potter und Weasley. Du hast Weasley geliebt, obwohl ich nie verstanden habe, was du in ihm siehst. Er hatte nichts, aber wenn ich so darüber nachdenke, habe ich selbst nicht viel mehr als er.

Ich weiß, ich kann all die Geschehnisse nicht mehr rückgängig machen und die jetzige Situation nicht mehr ändern, aber aus Liebe zu dir möchte ich dich bitten, deine Entscheidung nochmal zu überdenken. Vielleicht können wir uns dazu heute Mitternacht auf dem Astronomieturm treffen.

Ich werde auf dich warten.

D.M."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top