Kapitel 28
Harry stand nur da - regungslos. Die Sekunden verstrichen. Eine Minute ... zwei Minuten ... sein Gehirn raste.
Hermione war entführt worden. Ein Tag später sprachen Malfoy und Zabini, die es eigentlich überglücklich machen sollte, darüber. „Sprachen" ist da noch untertrieben ... sie stritten. Ja, genau so war es. Und Malfoy übermittelte den Eindruck, als lege ihm etwas an Hermione. Und dann war da noch das mit Voldemort. Nach all der Zeit war er immer noch davon geschockt, dass sein größter Erzfeind der Vater seiner besten Freundin war.
Wo konnte Hermione nur sein? Wenn sich die Karte des Rumtreibers doch nicht nur auf Hogwarts beschränken würde ...
***
„Crucio!", hallte es von den steinernen Wänden wider.
Der keineswegs überraschte Snape sank verkrampft in die Knie, ohne auch nur einen einzigen, noch so leisen Laut von sich zu geben. Schmerz fraß sich wie Säure durch seinen Körper, kroch durch seine Venen und setzte sie in Brand. Es war ein Gefühl, als risse man ihn gewaltsam entzwei. Zwang sein Innerstes nach außen, übergoss ihn mit ätzenden Chemikalien.
Der Fluch schien ewig anzuhalten. Snape schmeckte bereits Blut. Bemüht darauf, keinen Laut von sich zu geben, hatte er hart auf seine Lippe gebissen.
Da war es mit einem Mal vorbei.
„Du bist mein Untertan und befolgst meine Befehle! Sieh, wie du vor mir im Staube niederkniest, als Verdeutlichung deiner Position! Solltest du dich mir ein weiteres Mal widersetzen, so wird es ernsthafte Konsequenzen mit sich ziehen, hast du verstanden, Severus?"
Ehe der erniedrigte Mann zu seinen Füßen antworten konnte, sprach Voldemort einen weiteren, stärkeren Cruciatus. Snape, der seinen Mund schon zu einer gebrochenen, aber nicht minder unterwürfigen Antwort geöffnet hatte, entwich nun ein markerschütternder Schrei der Pein, die er verspürte. Ohne dem etwas entgegensetzen zu können, sackte er sich krümmend vornüber auf den verschmutzten Boden, das Gesicht eine einzige Maske der Qual.
Ein hohes, kaltes Lachen tönte durch die Halle. „Es ist lange her, dass du während meiner Folter ein Geräusch von dir gegeben hast. Ich habe es vermisst, mein treuer Diener!"
Einen Moment schien es, als wäre die Tortur vorüber, doch es verging keine Sekunde, bis Voldemort erneut den unverzeihlichen Folterfluch zischte, sichtlich amüsiert und sich an seiner Qual labend. Während Wellen von versengender, in Schmerz endender Hitze durch seinen Körper gesandt wurden, ballten seine Hände sich fest zu Fäusten. Snapes Nägel gruben sich tief in das bereits narbige Fleisch seiner Handflächen und hinterließen dort blutige Einschnitte. Die schwarzen Haarsträhnen hingen dem Gequälten wirr in die Augen und verliehen ihm das Aussehen eines Wahnsinnigen.
„Ich wollte schon immer deinen eigenen Fluch an dir ausprobieren. Wirklich, er erschien mir von Beginn an nützlich. Eine wahre Bereicherung, dass ich in deinem Geist auf ihn gestoßen bin."
Snapes Augen weiteten sich in stummem Entsetzen. Der eigens kreierte Fluch schoss auf ihn zu, schlitze ihm sofort und ohne Weiteres die Haut durch die vielen Lagen Stoff auf. Riss ihn einmal mehr entzwei. Heißes Blut rann seinen Körper hinab, wurde von seiner Kleidung aufgesaugt, wie eine Pflanze die Sonne aufnahm. Sein Blut vermischte sich mit in den Wunden brennendem Dreck.
„Aufhören!", brüllte der Schwarzhaarige mit tiefer, leidender Stimme. Er bereute seinen Ausruf sogleich, denn ihm wurde die Luft zum Atmen genommen. Blutspuckend befreite er seine Lunge von der roten Flüssigkeit, welche einen schmerzvollen Hustenreiz auslöste. Seine blassen Hände pressten sich auf eine stark blutende Wunde an seiner Brust, damit der Blutstrom stoppte.
Der Fluch wurde tatsächlich von ihm genommen. Flach sowie rasselnd atmend versuchte er sich aufzurappeln.
„Lasse dir dies hier eine Lehre sein und gehe deine Wunden versorgen! Sie haben dich bloß in deiner Loyalität zu mir gestärkt. Avery, Macnair, schafft ihn hinaus!"
Durch ein leicht verschwommenes Sichtfeld nahm Snape gerade noch so wahr, wie Voldemort den Saal durch eine unscheinbare Seitentür verließ, die vermutlich in seine Gemächer führte.
„Komm schon, Snape, du bist am Verbluten. Der Lord hatte eher weniger gute Laune", murmelte Avery rau und zog ihn auf die Beine. Eilig schleppten die beiden Todesser den heftig zitternden Mann aus dem Manor.
Auf dem Weg nach draußen wurde kein Wort gewechselt, doch inmitten des Schmerzes spürte Snape besonders Averys Blick intensiv auf sich ruhen. In ihrer Schulzeit waren sie so etwas wie Freunde geworden, doch da der Tränkemeister in den Reihen des Dunklen Lords weitaus höher als Avery aufgestiegen war, hatten ihre Wege sich mit den Jahren getrennt. Sie waren einfach nicht dazu gedacht, Freunde zu sein.
Sie erreichten den Ausgang.
„Viel Glück!", rief Macnair ihm draußen angekommen noch halbherzig zu, bevor er mit Avery zusammen wieder im Innern des Gebäudes verschwand. Snape, der nichts und schon gar keine Hilfe vonseiten der beiden erwartet hatte, sank entkräftet auf der Grünfläche zu Boden. Mit jeder Sekunde spürte er mehr und mehr, wie ihm das Bewusstsein entglitt. Eine Welle der Übelkeit ließ ihn die Augenlider aufeinander pressen. Der Meister der Zaubertränke verhinderte so erfolgreich, dass er sich in seinem eigenen Blut liegend erbrach.
Ging der Lord wirklich davon aus, dass er es schon schaffen würde, sich am Leben zu halten? Was würde geschehen, wenn er hier und jetzt verblutete?
Leise stöhnend konzentrierte Snape sich darauf, seine Wunden zumindest leicht zu heilen, doch es wollte ihm zunächst nicht gelingen. Erst nach mehreren Versuchen spürte er, wie die Fluchwunden mit Hilfe des ‚Vulnera Sanentur' langsam zu heilen begannen. Fest hielt er seinen ebenholzfarbenen Zauberstab in den blutigen Händen und fasste schließlich einen Entschluss. Snape war sich des Risikos mehr als alles andere bewusst, doch er würde es nicht mehr schaffen aufzustehen, jetzt, da jede noch so kleine Bewegung Folter war.
Er disapparierte.
Es fühlte sich an, als foltere der Lord ihn noch immer. Das Ziehen in seiner Magengegend erzeugte ein grauenerregendes Gefühl der Übelkeit, doch selbst, als der Slytherin in seinem Haus ankam, übergab er sich nicht. Seltsamerweise hatte er sich auf der Reise keine weiteren Verletzungen zugezogen; Zersplitterungen beispielsweise.
Ächzend zog er sich unter höchster Kraftanstrengung in eine stehende Position. Diese sollte nicht lange währen, denn seine blutigen Hände fanden keinen Halt, alles drehte sich um ihn. Die schattenhaften Schränke seiner Küche kreisten, schienen sich aus ihren Verankerungen gelöst zu haben, verspotteten ihn. Unvermittelt verlor er das Bewusstsein.
Den harten Aufprall spürte Snape selbstverständlich nicht mehr.
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