Kapitel 25 | ✔
Nach einem anstrengenden Tag war Draco todmüde ins Bett gefallen und erwachte nun immer noch übermüdet an einem grauen Sonntagmorgen. Er machte die Augen auf und schlug die Vorhänge zurück. Es waren mittlerweile Weihnachtsferien, was bedeutete, dass Hogwarts immer leerer wurde. Auch die Betten waren leer, bis auf eines. Nebenan lag sein bester Freund noch schnarchend in seinem Bett und schien nicht im Geringsten daran zu denken, aufzustehen.
Draco stöhnte, als er an Blaise dachte. Sie hatten doch einen Streit gehabt. Über Hermione. Bei dem Gedanken an sie schmerzte es ihm. Er vermisste sie. Sogar sehr. Aber zuerst musste er die Sache mit Blaise regeln.
Sein bester Freund hatte eindeutig überreagiert, aber ändern konnte er ja sowieso nichts. Im Streit werden verletzende Dinge gesagt. Dinge, von denen man weiß, dass sie den Anderen verletzen. Dinge, die einem einfach im Eifer des Gefechts rausrutschen. Dinge, die man eigentlich gar nicht so meint, oder?
Hat man sie nicht sowieso im Kopf? Glaubt man nicht eigentlich wirklich daran, spricht es nur nicht aus, um den anderen eben nicht zu verletzen? Ist man nicht in seinem Inneren davon überzeugt? Sind sie nicht gerade deshalb so verletzend? Gerade deshalb beschäftigte ihn seine Aussage doch so sehr, oder? Weil er nicht wusste, ob Blaise wirklich so dachte.
„Draco", riss ihn da eine verschlafene Stimme aus seinen Gedanken, „ich muss mich bei dir entschuldigen."
„Was?" Der blonde Slytherin sah ihn entgeistert an. Hatte er grade wirklich gesagt, er wolle sich entschuldigen? „Es tut mir leid, Draco. Ich will mich eigentlich gar nicht streiten, schon mal lange nicht mit dir." Okay, er hatte es tatsächlich gesagt. „Blaise, ich weiß. Denkst du, ich streite mich gerne mit dir?" „Nein, das denke ich allerdings nicht", kam es hingegen von dem Dunkelhäutigem.
***
„Warum haben Sie mir geholfen?", flüsterte Granger, „in Bezug auf Ihren Herrn, meine ich. Sie hätten mich mühelos ins offene Messer laufen lassen können. Warum haben Sie das nicht getan?"
Einen Moment spielte er mit dem Gedanken, eine bissige Bemerkung loszuwerden, doch schließlich schloss er den Mund wieder und beobachtete sie lediglich, während seine Hand das Whiskeyglas erneut an seine Lippen führte. Es brauchte mehr als nur drei Gläser, um ihn zu betrinken.
Was auch immer ihm nun für mögliche Antworten im Kopf umherwirbelten, keine schien angemessen oder gar passend. Snape hielt ein lästiges Seufzen zurück und fixierte sie mit seinem intensiven Blick. „Es gibt Dinge, die Sie noch nicht verstehen werden, Granger", verließ es ihn geheimnisvoll, „sie sollten warten, bis die Zeit gekommen ist. Und das wird sie tun. Sie wird kommen."
***
Verstohlen glitt Hermiones Blick immer wieder zu Snape, der mittlerweile ruhig und mit geschlossenen Augen dasaß. Was hatten seine Worte zu bedeuten? Sie bohrte nicht weiter nach, um keinen Wutausbruch vonseiten des Tränkemeisters zu riskieren, doch ein unangenehmes Gefühl beschlich Hermione, während sie ihn beobachtete. Was sollte sie bloß tun?
Es war keineswegs etwas Alltägliches, dass man die Möglichkeit bekam, den Slytherin zu beobachten, ohne dass er sich dessen bewusst war. Oder zumindest hoffte sie, dass er ihren Blick nicht registrierte. Das Whiskeyglas befand sich auf dem Wohnzimmertisch, doch war es zuvor noch gefüllt gewesen, war es nun bis auf den letzten Tropfen geleert. Sollte sie ihn vielleicht doch auf seinen Alkoholkonsum ansprechen? Die Gryffindor wusste nicht so recht, wie sie sich dem Zaubertränkemeister gegenüber verhalten sollte, da er doch ein Mörder, Todesser und was wusste sie schon alles war. Leise seufzend wandte sie dennoch nicht den Blick von ihm.
Sie wusste nicht, warum er ihr half, hatte sie doch wirklich erwartet, dass sie wie ein Stück Dreck von ihm behandelt werden würde. Auf wessen Seite stand dieser Mann?
Ohne Vorwarnung bohrten sich plötzlich schwarze Augen in ihre. Sie erschauerte. In der Hoffnung, irgendetwas ergründen zu können, brach sie den Blickkontakt nicht ab. Schließlich wurde es Hermione unangenehm und sie senkte ihre Augen zurück auf das Buch, welches sich noch immer in ihrem Schoß befand.
Eine lange Weile herrschte völlige Stille, bis plötzlich ein berstendes Klirren sie heftig zusammenfahren ließ.
„Sir!", stieß sie erschrocken hervor. Der Professor saß heftig atmend und das Gesicht in den Händen vergraben auf der Kante seines dunkelroten Sessels. Er blickte erst auf, nachdem ein paar Sekunden vergangen waren, in denen Hermione die Splitter des Whiskeyglases erblickte, das er anscheinend in einem Anflug von Zorn an der Wand zerschmettert hatte. Erstaunt erstarrte die junge Frau, da sie glaubte, Selbsthass in den Augen des Todessers aufflammen zu sehen, doch die Emotion war so schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht war. Sie hatte es sich womöglich nur eingebildet. Keine Sekunde nahm sie den Blick von dem Mann, der nun stur in die wild tanzenden Flammen des wohl soeben angezündeten Kamins starrte. Was war in ihn gefahren? War er nicht bekannt für seine stählerne Selbstkontrolle?
„Wenn Sie wollen, könnte ich etwas kochen", meinte Hermione unvermittelt, da ihr Magen in diesem Moment leise zu knurren begann. Sie wusste nicht, warum sie in Gefangenschaft auf so etwas Absurdes wie Kochen kam, doch wie es schien, gedachte Snape von sich aus schon einmal kein Essen zu machen. Vielleicht würde sie ihn besänftigen und ihre Chancen auf die Beantwortung ihrer Fragen erhöhen können. Gelegentlich war Bestechung gar nicht so verkehrt.
Einen Moment glaubte sie schon nicht mehr daran, eine Antwort von Snape zu erhalten, da sprach er plötzlich: „Ich sagte es schon einmal, Granger. Tun Sie, was immer Ihnen beliebt. Abgesehen natürlich von der Flucht durch die Tür." Ihm entfuhr ein Schnauben und sie zuckte hilflos die Schultern. „Das war nebenbei bemerkt nicht sonderlich klug von Ihnen", fügte er schließlich nach einer Weile an, in der sie zu Boden geblickt hatte. Hermione hob ihren Kopf und traf auf den ernsten Blick ihres Professors. „Ich mache uns jetzt etwas zu essen", murmelte sie wiederholt, das Thema verfehlend, und ging aus dem Raum in Richtung der kleinen Küche.
Eher ab- als anwesend öffnete Hermione eine Schublade nach der anderen und warf einen Blick hinein, ohne wirklich etwas zu sehen. Ihr entfuhr ein leiser Seufzer. Die Augen geschlossen, lehnte sie sich mit dem Rücken gegen eine der Anrichten. Tief atmete sie ein und aus, verdrängte weitestgehend die schlimmen Gedanken rund um ihr Schicksal. Sie würde das schaffen. Sie hatte es bisher immer geschafft; wenn auch mithilfe von Harry und Ron. Hermione kämpfte gegen den Gefühlssturm in ihrem Innern an, hielt die heißen Tränen zurück und machte sich daran, brauchbares Essen zusammenzusuchen.
Nach einer Weile hielt sie zwei Packungen Milchreis und Zimt in der Hand. Ob er so etwas aß? Hermione befand, dass Snape nicht der Typ für ein nettes Beisammensein war, demnach bloß Lebensmittel für sich allein besorgte und machte sich daran, das Essen zuzubereiten. Es vergingen wenige Minuten, bis sie schließlich die Küche verließ, um Snape im Wohnraum Bescheid zu sagen. Verwundert hielt sie schon im Türrahmen inne, als sie sah, dass er noch immer unverändert und regungslos in dem Sessel saß. Sein Blick war starr und lediglich das gelegentliche Heben und Senken seiner schwarz bestofften Brust verriet ihr, dass er noch am Leben war. „Professor? Das Essen ... ", richtete die Hexe zögernd das Wort an den Mann vor ihr, in der Hoffnung, dass er sie nicht zusammenstauchen würde.
Er schien seltsam verändert.
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