Kapitel 14
„Was hat denn dieser Verschnitt einer Ratte wichtiges mitzuteilen? Ich denke mir nicht, dass es wichtiger ist als das Essen, das uns jetzt entgeht", grummelt Sonya. Ich zucke mit den Schultern. „Wahrscheinlich hast du recht, aber lass uns doch erst einmal anhören, was er zu sagen hat. Ich glaube, hier werden nicht so oft Ankündigungen gemacht. Vielleicht ist es ja eine gute Nachricht und wir freuen uns alle, wenn wir sie gehört haben, wer weiß." Teresa neben mir schnaubt, also scheint sie davon wohl auch nicht so überzeugt zu sein wie ich. Wieso denken sie denn immer alle gleich so negativ? Ich weiß, die Vergangenheit hat nicht gerade dazu eingeladen, ein Optimist zu sein, doch ich habe es mir nie vollkommen nehmen lassen. „Wir haben einen großen Schritt gewagt", fängt er an zu berichten und holt ein weißes Blatt aus seiner Tasche, das er nun ausbreitet. „Der sichere Hafen ist ein Ort, der wie ein Paradies ist. Hier können alle Leben ohne Sorgen zu haben. Alles ist gut dort. Es gibt keine Cranks, keinen Brand und man kann sich ein vollkommen neues Leben aufbauen. Es hat uns sehr viel Zeit und Mühe gekostet, es alles so herzurichten, dass die ersten Menschen dort leben können. Ihr seid die Auserwählten. Ihr seid jung und verdient ein Leben ohne all diese Probleme. Somit haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, euch allen diese Chance auf ein neues Leben zu bieten und euch zum sicheren Hafen zu bringen. So wie Rom nicht an einem Tag erbaut wurde, können wir es leider nicht schaffen, alle von euch direkt dort hinzubringen. Es wird immer kleine Gruppen von euch geben, die ich beim Abendessen aufrufen werde, die das Glück haben und mit uns kommen dürfen. Dann bereiten wir euch vor und schon ein paar Stunden später werden wir euch mit dem Berk dann ins Paradies bringen. Ihr müsst nicht traurig sein, wenn eure Freunde nicht gleich bei euch sind, denn sie werden alle mit der Zeit nachkommen, da könnt ihr euch sicher sein. Wir haben euch von WICKED gerettet, damit ihr ihren Experimenten entkommt und ihr die Chance habt, ein Leben zu leben, ohne ausgenutzt zu werden. Ihr habt bisher schon genug Schlimmes durchgemacht, da kann man und will man euch nicht noch mehr zumuten. Ich werde jetzt gleich auch schon die ersten Namen der Glücklichen verkünden, die mich begleiten dürfen." Wir alle sehen uns erstaunt an. Ich glaube, wir haben mit fast allem gerechnet, aber garantiert nicht mit so etwas. Das ist auf der einen Seite wie wenn einem alle Last von den Schultern genommen werden würde, aber auf der anderen Seite ist es auch wie ein Schlag in die Magengrube. Denn wir werden getrennt sein. Zwar nicht für immer, doch dennoch wird es eine ganze Zeit dauern, bis wir alle gemeinsam an einem Ort sein werden. Wenn ich daran denke, dass zum Beispiel Sonya oder Newt heute aufgerufen werden würde und es bei mir erst in ein paar Monaten der Fall sein würde, wird mir ganz schlecht. Jetzt ist es doch gut, dass wir noch nichts gegessen haben, denn es würde mir sicherlich in dem Moment wieder hochkommen. Wie konnten sie das denn so machen? „Wieso nehmen sie die Leute nicht nach ihren Gruppen, so wie sie auch im Labyrinth gewesen sind, mit?", fragt Bella neben mir. Ich verstehe ihren Gedankengang und sehe ihrem Blick, dass sie gerade eher wütend als erleichtert ist. „Das ist, damit jeder die gleichen Chancen hat. Wenn du sonst in einer der Gruppen bist, die als letztes drankommen, hast du viel weniger Zeit im Paradies verbracht als alle anderen. Uns mag das vielleicht nicht so wichtig sein, für uns mag Zusammenhalt wichtiger sein, aber wir können keinem befehlen, dass er seine persönlichen Chancen wegen seiner Gruppe verschlechtert." „Teresa hat recht", mischt Sonya sich ein, „wir können das jetzt nicht ändern und wir müssen uns dankbar schätzen, dass wir alle die Chance auf ein neues Leben bekommen. Das ist doch eigentlich genau das Ziel von uns allen gewesen, schon die ganze Zeit über. Es wird zwar einige Zeit dauern, bis wir alle wieder zusammen sein werden, doch dafür werden wir in Sicherheit sein und es gut haben. Ich als zweite Anführerin denke an die Gruppe als ganzes und denke, dass es uns allen so am besten gehen wird." Ich stimme Sonya zu. Schnell werfe ich einen Blick zu der Gruppe der Jungs herüber. Sie sind auch alle gerade heftig am diskutieren, was sie jetzt als gut erachten. Ich sehe Newt, der einen Blick zu mir herüberwirft. Er sieht ziemlich besorgt aus, teilt somit meine Meinung. Wie gerne ich jetzt bei ihm sitzen würde, ihn einfach in den Arm nehmen könnte, meinen Kopf auf seine Schulter legen oder einfach nur mit ihm reden. Es ist zwar noch nicht so lange her, dass wir das das letzte Mal getan haben, doch es kommt mir vor wie eine halbe Ewigkeit. Wenn er bald aufgerufen wird oder auch ich, dann kann ich es völlig vergessen, dass er nachts durch die Lüftungsschächte zu mir ins Zimmer kommt, damit wir wenigstens ein paar Stunden gemeinsam haben. Und vor allem, wenn er vor mir im Paradies ankommt, hat er wahnsinnig viel Zeit, sich auf diese neue Situation einzustellen. Er wird viele neue Leute kennenlernen und auch die Beziehung zu der Gruppe der Jungs verbessern. Was ist, wenn es dann keinen wirklichen Platz mehr für mich gibt, wenn ich dann in gefühlt einer Ewigkeit erst wieder zu den anderen stoße? Wenn er sich dann schon ein neues Leben aufgebaut hat? Ich bin weiter in Gedanken und Sorgen versunken, als Janson anfängt, die ersten Namen aufzurufen. Ich höre nur mit halbem Ohr zu, da ich die die Namen noch nie in meinem Leben gehört habe. Den letzten Namen kenne ich allerdings. „Und als letztes noch Fiona." Unsere kleine Fiona! Wir blicken alle zu ihr und sehen, wie sie kreideweiß wird.
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