Kapitel 12

Newt schweigt erst einmal eine Weile. Es ist vielleicht ein oder zwei Minuten, in denen er nichts sagt und ich mache mir jetzt echt Sorgen, dass er entweder gleich einfach geht, ohne etwas zu sagen oder dass er die ganze Zeit über schweigt, weil er sich überlegt, wie er es sagen kann, dass er lieber für immer bei den Jungs bleiben will. Er will mich wahrscheinlich einfach nicht verletzen und sucht deswegen jetzt nach den richtigen Worten. Doch die gibt es nicht. Ich werde es verstehen. Das rede ich mir ein. Ich werde mich damit abfinden, auch, wenn es schwer wird, wahrscheinlich schwerer als alles andere, was ich schon durchmachen musste. Dabei weiß er ja noch gar nicht, was ich überhaupt für ihn empfinde. Das einzig Positive ist dann nur noch, dass ich ihn zu bestimmten Zeiten wie zum Essen sehe werde. „Hey May, höre bitte auf zu weinen. Du weißt doch gar nicht, was meine Antwort ist." „Es ist okay, Newt, ich werde damit klarkommen." Ich lege ihm meine Hand auf die Wange und sehe ihm dabei in seine Augen. Sein Blick verströmt Wärme, so stark, dass es mir automatisch wohlig warm wird, weil ich bei ihm bin. Und ich will nicht, dass sich daran jemals etwas ändert. Ich will nicht all das durchgemacht haben, um nun gerettet zu sein, aber dabei die wichtigste Person in meinem Leben auf eine gewisse Art und Weise zu verlieren, die sehr große Auswirkungen auf mein Leben haben wird. „‚May, klar ist es jetzt eine andere Situation, da ich weiß, dass es hier noch Jungs gibt. Es ist, wie wenn ich eine neue Familie gefunden habe, aber ich will, dass wir alle eine große Familie sind. Ich will mich nicht von euch allen abwenden, denn ihr seid mir alle so wichtig. Wir sind seit ich mich erinnern kann, jeden Tag zusammen gewesen und so etwas kann ich ja jetzt nicht einfach wegschmeißen. Vor allem kann ich dich doch nicht einfach so verlassen, wie wenn du nichts für mich wärst. Verstehst du denn nicht? Du bist meine allerbeste Freundin auf dieser Welt und ich empfinde so viel für dich, ich würde das doch gar nicht aushalten, von dir getrennt zu sein. Wir sind schließlich wie Pech und Schwefel. Glaub mir, ich hab dich so lieb und ich weiß, dass du mich auch lieb hast, dass du dich so aufopferst und mir sagst, dass es okay wäre. Verstehst du, das ist wahre Freundschaft und das ist auch einer der Gründe, warum wir so gut befreundet sind. Du würdest mir das alles gönnen. Du kannst dich in meine Lage hineinversetzen und weißt, dass die Jungs nicht einfach nur Kumpels für mich sind, sondern dass ich zu ihnen allen eine Verbindung habe. Und ich kann mich auch in deine Lage hineinversetzen und weiß, dass es dich zerstören würde, wenn ich jetzt auf einmal die Fronten wechseln würde. Ich tue das nicht. Ich werde vielleicht ab und zu mal bei den Jungs abhängen und mit ihnen etwas unternehmen, doch ich werde immer wieder zu dir und den anderen kommen und außerdem bist du natürlich auch herzlich eingeladen, mich zu begleiten, wenn ich bei den Jungs bin. Ich glaube, die finden dich alle ganz nett", zwinkert er mir zu, „obwohl es bestimmt auch komisch für mich sein wird, dich auf einmal mit so vielen Jungs teilen zu müssen." Ich knuffe ihm in die Seite. Erleichtert atme ich dabei aus. Ich habe zu lange die Luft angehalten. Ich habe wirklich gedacht, dass er lieber bei den Jungs sein würde als bei mir und das hätte mich zu sehr verletzt. Ich will Newt gerade antworten, da höre ich ein Rascheln und dann ein Geräusch, als würde etwas zu Boden fallen. Erschrocken blicken Newt und ich schnell in die Richtung des Geräuschs. Wir sehen Teresa, die ziemlich gehetzt aussieht. „Ich will euch beide ja nicht stören, aber in ein paar Minuten werden die Leute hier bei uns beiden die Türen öffnen, um uns zu wecken. Sie scheinen vor der Tür von Gruppe A schon ziemlich aktiv zu sein und ich habe mir gedacht, ich mache mich lieber mal schnell auf den Weg hier zurück. Dir Newt würde ich das auch raten, bevor sie dich noch erwischen." Da hat sie natürlich recht. Er muss sich jetzt echt beeilen. Ich will auf keinen Fall, dass er erwischt wird. Das würde eine Katastrophe geben. Sie würden wahrscheinlich denken, dass wir total undankbar sind, dass sie uns gerettet und hier hergebracht haben, wir das allerdings wohl gar nicht zu schätzen wüssten. Newt beugt sich schnell, gibt mir einen Kuss auf die Wange, murmelt ein „wir sehen uns dann beim Essen" und schon ist er verschwunden. Ich kann das alles gar nicht realisieren, da es so schnell gegangen ist. Newt hat mich auf die Wange geküsst. Oh mein Gott! Ich spüre förmlich, wie mein Gesicht rot anläuft wie eine Tomate und ich anfange, zu grinsen wie ein Honigkuchenpferd. „Oh mein Gott", höre ich Teresa neben mir murmeln und ich frage mich, was sie für ein Problem hat, doch als ich sie ansehe, bemerke ich, dass sie gerade am Schmunzeln ist. „Dich hat es wohl ziemlich erwischt. Er weiß es aber sicherlich noch nicht oder?" Ich schlucke und schüttele schnell den Kopf. Ist mir das so sehr anzusehen? Na super! Ich wollte ja schon immer wie ein offenes Buch sein ... nicht. „Lass uns jetzt aber lieber nicht darüber reden. Wir sollten uns jetzt auch schnell wieder in unser Bett legen und so tun, als hätten wir die ganze Nacht bis jetzt dort gelegen." Obwohl ich Teresa noch nicht wirklich kennen, scheint sie doch ganz okay zu sein und auf jeden Fall schlauer als ich. Denn Newt hat mich so aus dem Konzept gebracht, dass ich jetzt gar nicht auf die Idee gekommen wäre, dass ich mich ja wieder ins Bett legen muss. Was ich jetzt allerdings tue. Keine Sekunde zu früh, denn etwa zwei Sekunden, nachdem ich wieder liege, klopf es bei uns an der Tür, die kurz darauf geöffnet wird und wir werden alle geweckt.

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