Verrat
Seltsam ruhig waren die Straßen und im Nachhinein betrachtet hätte das sämtliche Alarmglocken schrillen lassen sollen, doch Agatha verbuchte es als glücklichen Zufall.
Durch Schatten und Schleichwege arbeiteten sich die drei Hexen, Callis, Sophie, Agatha und Clarissa über Umwege in Richtung der Fabrik und dem Treffpunkt mit Tedros vor. Immer wieder warfen sie flüchtige Blicke über ihre Schultern, doch die Straßen waren wie ausgestorben. Lediglich ein paar blaue Schmetterlinge flatterten hier und da um ihre Köpfe herum.
Je näher der vermeintlich sichere Treffpunkt kam, desto unruhiger wurden sie. Und auch Callis, die sich mit Schminke und einer Perücke unkenntlich machen wollte, wurde sichtbar nervöser.
,,Seid ihr sicher, dass wir diesen "Tedros" wie ihr ihn nennt, vertrauen können?", fragte Hester nun zum gefühlt tausendsten Mal.
Vor ein paar Stunden hätte Agatha diese Frage noch wie selbstverständlich mit "Ja" beantwortet, doch nun da sie hier waren, zerfraßen sie ihre Zweifel. Von Tedros war noch weit und breit nichts zu sehen.
Jedoch wurden die Schmetterlinge immer aufdringlicher - sie schwirrten hektisch um ihre Köpfe umher und zogen sie immer mal wieder an den Haaren. Hester hat mittlerweile aufgegeben nach ihnen zu schlagen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit - welche in Wirklichkeit kaum 10 Minuten waren - huschte ein Schatten über das Fabriksgelände.
Den Kapuzenpulli weit ins Gesicht gezogen und im Schutz der verrosteten Maschinen näherte sich die Gestalt der Gruppe. Doch plötzlich sprang die Gestalt hinter ein altes Auto und war verschwunden.
Mit pochenden Herzen warteten sie darauf, dass sich Tedros zu erkennen gibt. Die Sekunden krochen dahin und langsam bekamen sie es mit der Angst zu tun.
,,Was ist ", begann Anadil, ,,wenn das gar nicht Tedros ist?" Und auch wenn ihr keiner zustimmte, verneinte es auch niemand.
Hester straffte schließlich ihre Schultern, schlug nach einem dort sitzenden Schmetterling und flüsterte ihnen zu: ,,Ich, Anadil und Dot gehen mal nachsehen - ihr versteckt euch hier. Wir pfeifen, wenn etwas ist." Callis nickte ihnen zu und sah sich nach einem Versteck um. Die Hexen teilten sich auf und näherten sich dem Autowrack in welchen die Gestalt verschwunden ist in einem Bogen. Dank der vielen Wracks und Müllberge hatte Agatha sie bald aus den Augen verloren.
Mit gespitzten Ohren kauerten sie jetzt in ihren Verstecken und warteten. Die Sonne auf dem seltsam roten Himmel war mittlerweile kaum noch zu sehen und warf lange unheimliche Schatten auf die Schmutzlandschaft um die Fabrik.
,,Was wird das hier?", flüsterte jemand plötzlich in Agathas Ohr und sie schrie auf, doch eine Hand ließ sie sofort verstummen. ,,Psst! Sei doch leise!", zischte ihr der jemand zu und Agatha dreht sich mit geweiteten Augen um.
,,Tedros?", fragte sie mehr für sich, als der Blonde ihr schließlich die Hand vorm Mund nahm und sie angrinste. ,,Natürlich - auf wen würdet ihr den sonst warten?"
,,Was ist passiert?", zischte Callis völlig atemlos neben Agatha. ,,Warum hast du geschrien?"
Nun war auch Täubchen aus ihren Versteck angekommen und war nicht minder verblüfft endlich Tedros zu sehen. ,,Haben dich die drei Hexen gefunden?", fragte sie.
Verwundert schaute der Prinz die drei an. ,,Hexen?" - ,,Drei Mädchen - eines rote, eines weiße und eines braune Haare", ergänzte Callis.
Der Prinz schüttelte den Kopf. ,,Nein, tatsächlich nicht... Warum denn?"
,,Wir haben eine Gestalt gesehen und dachten das wärst du. Die Drei sind losgegangen um dich zu suchen und noch nicht wieder zurück", antwortete Clarissa.
,,Apropos noch nicht wieder zurück - wo ist Sophie?", bemerkte Agatha und sah sich um.
,,Die Blonde hab ich gesehen!", meinte Tedros, ,,die schlägt sich gerade mit ein paar Schmetterlingen, die jagen sie durch das gesamte Gelände."
Verwirrt blickten sich Agatha und Clarissa an. Es gab nur eine Person die sie kannten, die Schmetterlinge nach ihrem Willen nutzen konnte, doch diese Person war bereits lange tot. Agatha und Clarissa tauschten einen wissenden Blick. Wenn sie hier ist, dann hatte sie sicher ALLES gehört...
,,Weswegen wolltest du dich hier treffen?", lenkte Callis sie wieder zum eigentlichen Thema zurück.
Schnell kramte Tedros in seinen Rucksack und zog eine übel mitgenommene Karte heraus. ,,Ich bin gerade erst aus der Schule zurück", entschuldigte Tedros seinen übervollen Rucksack, ,,Mehr Zeit hatte ich nicht!"
Nun fiel auch Agathas Blick auf Tedros Uniform und mit schrecken musste sie feststellen, dass diese ganz sicher kein Kapuzenpulli war. ,,Wir haben uns sicher nur was eingebildet", versuchte sie sich selbst zu beruhigen, doch offenbar hatten auch Callis und Clarissa den gleichen Einfall, denn sie wechselten unheilvolle Blicke.
Tedros bekam von all dem nichts mit, denn er suchte in den Tiefen seines Rucksackes nach etwas, was er aber offenbar nicht finden konnte. ,,Verflixt... Ich hab das bestimmt verloren!", murmelte er und als er Agathas fragendes Gesicht sah, meinte er. ,,Den Griff eines Schwertes. Es ist schon jahrelang im Besitz meines Vaters gewesen - als geheimer Schatz sozusagen, die Klinge hat der Herrscher beschlagnahmt, aber den Griff konnte mein Vater verstecken bevor er... also bevor er ging."
,,Einen Griff?", wiederholte Callis. ,,Ganz sicher Excalibur!", meinte ihre Tochter und blickte zu ihrer Wunschfee. ,,Ja, ganz sicher sogar", stimmte ihr diese zu.
Tedros beschloss, dass dieses Excalibur wohl irgendwas aus ihrer Geheimsprache war und ließ es somit bleiben nachzufragen, stattdessen faltete er die Karte auseinander, in dessen Mitte er einen abgerissenen, zusammengefalteten Zettel fand, der so eigentlich nicht da sein sollte.
Zögerlich griff Clarissa danach und las, was in enger, kaum leserlicher Krakelschrift (die Clarissa irgendwie bekannt vorkam) geschrieben stand. "Für TSA", stand da.
Fragend blickten sie in die Runde doch niemand schien sich angesprochen zu fühlen. Neugierig öffnete Clarissa den Zettel und blickte verwundert auf den Text, der dort stand.
"Er weiß es. Lauft!"
Noch ehe Clarissa die Worte fertiggelesen hat, schallte Sophies markerschütternder Schrei über das gesamte Gelände.
Sofort schauten sie sich um und sahen Sophie, die auf sie zu gerannt kam. ,,Falle! Lauft!", schrie sie ihnen zu und duckte sich gerade noch rechtzeitig unter einen Betäubungspfeil weg.
Wie von der Tarantel gestochen stoben sie auseinander und liefen um ihr Leben.
Nun sahen sie es auch. Duzende Polizisten sprangen hinter den Wracks hervor und hetzten ihnen nach.
Callis sprang über ein ausgetrocknetes Flussbett und suchte in einem alten Fabriksbüro Schutz. Völlig außer Atem lehnte sie sich an eine Wand und zog sich die Perücke vom Kopf.
,,Hallo, Callis, nett dich wiederzusehen", begrüßte Rafal sie, ehe brennender Schmerz sie bewusstlos zusammensacken ließ.
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Agatha ging es nicht gerade besser. Verfolgt von mindestens zehn Mann schlängelte sie sich durch leergefegte Nebenstraßen. Hinter ihr zischten die Betäubungspfeile und prallte an den Hausmauern ab.
Hastig bog sie in eine kaum sichtbare Seitenstraße ein und flüchtete eine Feuertreppe hinauf. Brennender Schmerz auf ihren Oberarm ließ sie innehalten. Ein Pfeil hatte sie getroffen und unbeholfen wurde ihr Körper immer schwerer, die Welt verschwamm vor ihren Augen und haltlos fiel sie über das Geländer.
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Clarissa nutzte den plötzlichen Jubel unter den Verfolgern und verschwand aus ihrem Blickfeld. Hoffentlich war niemandes etwas passiert, dachte sie als sie ihre Füße wie von selbst trugen. Sie wusste nicht einmal wohin sie rannte - sie war dort noch nie - erst als sie komplett außer Atem vor einer Tür im 20. Stock eines Penthauses stand und das Klingelschild las, wusste sie, dass sie sicher war, ihr Herz hatte sie hierher geführt. Mit einem schiefen und müden Lächeln klingelte sie und eine ziemlich verwirrte Lady Lesso öffnete ihr die Tür.
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Sophie war noch nie sonderlich sportlich gewesen - nur beim "Lauf um dein Leben"-Spiel war sie definitiv immer auf Platz eins.
Im Schutz von Regalen, die zu tausenden in den Geschäften dieses Einkaufszentrums standen schlängelte sie sich von Geschäft zu Geschäft. ,,Kein Wunder, dass niemand heute draußen war...", dachte sich Sophie als sie sich durch die dichte Masse an Menschen kämpfte, ,,Minus 75 % auf alles? Ich wäre auch hier!"
Um sich einen neue Verkleidung zu suchen und ihre Klamotten auszutauschen (irgendwas stimmte damit nicht, diese Schmetterlinge ließen sie nicht alleine!) betrat sie eine Boutique, schnappte sich das erstbeste Kleid und stahl sich in eine Umkleidekabine, wo eine brünette Frau bereits auf sie wartete.
Sophies Schmetterlinge lösten sich und fügten sich nahtlos in das Muster des Kleides der Frau ein und ihre waldgrünen Augen blitzten, als sie Sophie angrinste. Zwischen den Schneidezähnen war eine winzige Lücke.
,,So trifft man sich wieder, Sophie", säuselte sie und zog den Vorhang der Umkleide zu.
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Endlich fertig!
Ich hoffe es hat euch gefallen und danke, dass ihr die Geschichte immer noch lest XD
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