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Vor seinem Haus bogen wir ab und ich hörte bereits das Wiehern von einigen Pferden. Ich wartete, während er das Pferd von dem Gerät befreite, an dem es angehängt gewesen war, und folgte ihm, als er es in den Stall führte.

Insgesamt standen drei Pferde im Stall, vier mit dem, was er gerade in eine Box führte. Wenn er sich so viele Pferde leisten konnte, konnte er nicht arm sein.

"So so, Vìdarr hat di also gschickt, sagste, end er wü ans mana Pferda." Ich nickte bestätigend, auch wenn ich ihn nicht ganz verstand, glaubte ich doch den Sinn hinter seinen Worten zu verstehen. "Dann such dir ans aus, Fräulein. Nur meine Evi geb ih ned her", meinte er und tätschelte einer hellbraunen Stute den Hals. Diese schnaubte ihm sanft ins Gesicht.

Ich konnte verstehen, warum er sie nicht hergeben wollte. Sie erinnerte mich an Ayala. Mit prüfendem Blick ging ich auf die anderen beiden Pferde zu und streckte ihnen meine Hand entgegen. Sie waren zutraulich und schnupperten gleich neugierig an mir.

Einer war ein stattlicher Hengst, den er bestimmt zum Ziehen von schweren Geräten brauchte. Das andere Pferd war ebenfalls ein Hengst, doch zierlicher und von einer rotbraunen Farbe. "Ihn möchte ich. Wie heißt er?"

Wir brauchten ein schnelles Pferd und nicht eines, das schwere Lasten tragen konnte. Außerdem würde er gut zu Lenore passen, dachte ich. Dieser junge Hengst sollte auch mit den königlichen Pferden mithalten können.

"Wie viel wollen Sie für ihn?" Als mir Vi's Rat, einfach einen Preis zu nennen, einfiel, schüttelte ich den Kopf und bevor Daven antworten konnte, gab ich ein Angebot aus: "Ich zahle 30 Taler für ihn."

"Er haast Sorin." Daven musterte mich für einen Augenblick. "Gut gwählt. Er is noch jung, oba schon eingrittn. So an findse ned oft. Für 50 geb ich ihn da."

Wie erwartet versuchte Daven den Preis höher zu schlagen, doch ich blieb standhaft. Wir konnten uns schließlich auf 40 Taler einigen, inklusive Sattel, Zaumzeug und Satteltaschen. Daven schenkte uns sogar noch ein paar Äpfel obendrauf und packte sie in die Satteltaschen.

"Danke!", rief ich ihm noch zu, als ich mich in den Sattel schwang. Ich würde einen Umweg reiten, damit mir niemand folgte und um zu sehen, wie gut sich der Hengst reiten ließ.

Er hörte gut auf meine Signale, gehorchte und ritt sich fast so gut wie Ayala. Natürlich bevorzugte ich aber meine Stute, auf der ich schon seit Jahren ritt.

Als ich endlich bei Vi und Lenore ankam, dämmerte es bereits. Trotz des Risikos, dass jemand die Hütte entdeckte, entschieden wir, dort noch einmal die Nacht zu verbringen und im Morgengrauen aufzubrechen.

Lenore schien sich direkt in den jungen Hengst zu verlieben. "Wie heißt er?" Als ich ihr seinen Namen nannte, meinte sie: "Sorin, wie die Sonne? Was für ein schöner Name." Der Hengst reckte stolz den Hals als hätte er sie verstanden.

Dieses Mal würden Lenore und ich uns mit der Wache abwechseln, damit Vi endlich schlafen konnte. Er hatte es dringend nötig. Vorher sammelten wir noch gemeinsam abgebrochene Äste für das Feuer.

Es dauerte eine Weile, doch dann hörte ich Vis Schnarchen und Lenores gleichmäßiges Atmen. Abgesehen davon war das einzige Geräusch in der Hütte das knisternde Feuer, Von draußen drang ein gelegentliches Pferdeschnauben und die typischen Waldgeräusche herein. Bei jedem lauten Knacksen zuckte ich zusammen, doch es war nichts.

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Lenore tätschelte ihrem neuen Pferd den Hals, er schien ihr wirklich zu gefallen, worüber ich mich sehr freute. Die Sonne war kaum erst aufgegangen, der Himmel färbte sich erst hellblau, doch wir waren alle schon wach.

Das Königreich von Valoria lag im Osten, wir mussten nur der aufgehenden Sonne folgen. Es war ein merkwürdiges Gefühl, diese Reise anzutreten. Ein Kribbeln erfüllte meinen ganzen Körper. Ayala schien meine Aufregung zu spüren und prustete mir ins Gesicht. "Ja, mein Mädchen, das ist der Beginn eines Abenteuers, wie es in meinen Büchern steht", flüsterte ich ihr zu.

"Seid ihr bereit?", fragte Vi, Lenore und ich nickten beide gleichzeitig. "Na dann, auf geht's." Er sah deutlich besser aus, nachdem er eine Nacht lang geschlafen hatte. Er lächelte sogar leicht, als er sich auf Thorins Rücken schwang.

Auch auf mein Gesicht schlich sich ein Grinsen. Mit Vi und Lenore zu reisen würde auf jeden Fall interessant werden. Welche Abenteuer wir wohl erleben würden? Und wie lange ich diese Abenteuer genießen konnte, bevor ich wieder zurück nach Hause müsste?

Denn eines stand fest, ich konnte und wollte nicht ewig davonlaufen. Irgendwann musste ich zurück. Doch jetzt wollte ich nicht darüber nachdenken und einfach meine gewonnene Freiheit auskosten. Wann würde ich je wieder die Gelegenheit dazu bekommen? 

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Wir ritten fast den ganzen Tag, machten nur gelegentlich an einer schattigen grasigen Stelle Rast um unsere Pferde verschnaufen zu lassen und um selbst etwas zu essen. Soweit wie möglich wichen wir Städten und Dörfern aus. Als unsere Vorräte nur noch aus einem Apfel und ein paar Schluck Wasser bestanden, kaufte ich neue Vorräte auf einem Markt in einer Stadt dessen Namen ich nicht kannte.

Bis jetzt schien niemand nach uns zu suchen, zumindest entdeckte ich keine Plakate mit "vermisst" oder "gesucht", die unser Bild und unseren Namen zeigten und ich hörte auch niemanden über eine "vermisste Prinzessin" reden.

Die Nacht verbrachten wir auf einer Lichtung im Wald, der sich weiter nach Osten erstreckte. Es war merkwürdig gewesen, auf dem Boden und unter freiem Himmel zu übernachten. Ich hätte nicht gedacht, dass ich nur mit einer Decke eingewickelt auf so hartem Untergrund schlafen konnte, doch das lange Reiten musste mir mehr zugesetzt haben, als ich gedacht hatte.

Während wir unterwegs waren, erzählten wir uns abwechselnd Geschichten. Meine waren bei weitem die langweiligsten, doch Vi und Lenore hörten mir trotzdem aufmerksam zu, als ich ihnen von den Vögeln im Schlossgarten erzählte.

Vi erzählte am wenigsten von seinem Leben, er wollte nicht über seine Zeit im Krieg erzählen oder was er gemacht hatte, direkt nachdem er aus der Leibgarde entlassen wurde. Dafür füllte Lenore die Lücke mit Geschichten aus ihrer Kindheit und Vis Zeit in ihrer persönlichen Leibgarde.

Vor allem erzählte sie aber über ihren Liebsten, ein junger Adliger und Sohn des königlichen Beraters names Kiernan. Sie klärte uns auch auf, wo er auf sie wartete. Der Name des Ortes kam mir vage bekannt vor und ich wusste ungefähr, wo er sein könnte. Vi hingegen schien genau zu wissen, wo wir hinmussten und führte uns an.

Es war schön, mit ihnen zu reisen, zwischen uns entstand eine Vertrautheit, die ich noch nie zuvor gespürt hatte. Ich fühlte mich frei und doch verbunden. Lenore wurde immer mehr zu einer Freundin und Vi war es die ganze Zeit gewesen und das würde sich nicht ändern. Ich verstand ihn nun viel besser als früher, da ich seine Vergangenheit kannte.

Am Anfang war ich mir unsicher, was ich von ihm halten sollte, von "Aeron", aber nun erkannte ich, dass er immernoch derselbe war. Außerdem schien es ihm genauso zu gehen wie mir, denn manchmal korrigierte er sich selbst oder wurde auf einmal übertrieben höflich. "Yara, ich meine, Adeena... my Lady?" Dann strich er sich durchs Haar und grinste unsicher.

"Einfach Yara, das ist mir am liebsten. Sprich mich einfach so an wie immer." Daraufhin mussten wir beide grinsen, lachen und die Spannung zwischen uns war wie weggeblasen.

Auch Lenore ging dazu über, mich Yara zu nennen und Vìdarr mit Vi anzusprechen, auch wenn sie noch seinen alten Namen verwendete, wenn sie aus der Vergangenheit sprach.

Sie offenbarte uns, dass sie auch eine Art Kosenamen besaß. Er lautete Vanya, von ihrem dritten Namen Lavanya abgeleitet. Ihr Liebster nannte sie so. Ich fand das irgendwie süß. Sie bot uns an, sie auch so zu nennen, da wir ja jetzt Freunde waren, doch ich konnte mich noch nicht so ganz dazu durchringen. Lenore war doch auch so ein schöner Name.

Wir kamen gut voran, nur noch ein halber Tagesritt, bis wir an die Grenze zwischen den Königreichen kamen. Dann war es auch nicht mehr weit bis zu dem Ort, an dem wir Kiernan treffen sollten, meinte Vi.

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Wortanzahl:
Kapitel: 1336 Wörter
Insgesamt: 16.246 Wörter

Endlich hab ich das Kapitel fertig überarbeitet (geschrieben hab ich schon deutlich weiter).

Wie immer:
Wie hat euch das Kapitel gefallen?

Was denkt ihr, passiert als nächstes?

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