• Kapitel 5 •

Zu dritt haben wir es uns in dem Café des Metronom Theaters gemütlich gemacht. Die Tasse liegt angenehm warm in meinen Händen, als ich einen großen Schluck des schwarzen Kaffees trinke. Ich liebe Kaffee, auch wenn ich manchmal das Gefühle habe, dass er meinen Puls in die Höhe treibt. Ohne eine tägliche Tasse bin ich nicht zu gebrauchen. Was für andere die Zigarette ist, ist für mich das Koffein.

„Ich finde es echt beeindruckend, dass du mit 21 schon bei so einer großen Audition bist und dann auch noch unter die Top zwei kommst. In deinem Alter habe ich gerade erst angefangen zu studieren", gesteht Nadine Anna. Sie legt sich das goldene Haar über die linke Schulter und sieht meine Konkurrentin, die mir unfassbar sympathisch ist, interessiert an.

„Wie alt seid ihr denn? Ihr seht auch nicht wirklich älter aus als ich", entgegnet Anna und lächelt uns an. Bevor einer von uns dazu kommt zu antworten, beginnt Nadine herzhaft zu lachen. Ihre Lache ist so laut und einzigartig, dass ich sie wohlmöglich überall wiedererkennen würde.

„Das ist süß von dir. Aber ich werde bald schon 30 und die liebe Mia müsste, wenn mich nicht alles täuscht, 26 Jahre alt sein", antwortet sie für uns beide. Mit einem Nicken stimme ich ihr zu. Ich kann Anna nicht verübeln, dass sie Nadine ungläubig anstarrt. Niemals würde man denken, dass sie bald 30 wird.

Anna stellt ihre leere Tasse auf den Tisch und sagt: „Wow, das hätte ich jetzt nicht gedacht. Habe euch beide eher so auf 24 geschätzt." Das Kompliment nehme ich natürlich dankend entgegen. „Wie ist es so Sarah zu spielen?", möchte sie von mir wissen. Bis gerade eben habe ich noch nicht einmal gewusst, dass sie davon weiß. Doch ihre Neugierde ist absolut verständlich. Wäre es andersherum, würde ich sie vermutlich ausquetschen wie eine Zitrone.

„Ich glaube, das kann man gar nicht so verallgemeinern. Für jeden wird es sich wohl anders anfühlen. Mir persönlich macht die Rolle unglaublich viel Spaß und ich gehe in der Musik von Tanz der Vampire absolut auf und habe das Gefühl mein ganzes Herzblut dort hineinstecken zu können. Versteh mich nicht falsch, ich habe auch andere Rollen in anderen Musicals geliebt. Aber Tanz der Vampire ist irgendwie zu einem Zuhause geworden." Ich leere meinen Kaffee und deute der Bedienung, dass wir gerne zahlen würden, denn mittlerweile haben wir alle ausgetrunken und uns bleiben nur noch wenige Minuten bis wir in Raum 17 sein müssen.

Gemeinsam gehen wir die roten Treppen hinauf und mit jeder Stufe komme ich entweder meinem Traum oder einer Enttäuschung näher. „Mädels, ich drücke euch beiden die Daumen und denkt immer daran, wer auch immer von euch die Rolle nicht bekommt, wird immerhin die Zweitbesetzung. Alles andere würde mich stark wundern." Nadine nimmt uns nacheinander in den Arm, wobei sie mir ins Ohr flüstert: „Natürlich drücke ich sie dir mehr." Mit einem Kichern löse ich mich von ihr und betrete hinter Anna den Raum.

Alles hier sieht so aus, wie in dem Zimmer, in dem unsere Audition stattgefunden hat. Wunderschöner, glänzender Parkettboden und Spiegel wohin man auch sieht. Um einen der Tische hat sich eine kleine Gruppe angesammelt, die sich rege unterhält. Sofort halte ich Ausschau nach Ralf und blende alle anderen Personen dabei komplett aus.

Gerade als ich ihn gefunden habe, sieht auch er mich direkt an. „Da sind ja die beiden entzückenden Damen." Er geht einen Schritt zur Seite, um uns Platz in der Runde zu machen. Ich möchte gerade meinen Mund öffnen, um ihn zu begrüßen, als mir ein Duft in die Nase steigt, der mich stocken lässt. Dieses Parfüm ...

Langsam, so als würde gerade alles in Zeitlupe ablaufen, drehe ich meinen Kopf zur Seite und sehe direkt in braune Augen, von denen ich weiß, dass sie im Sonnenlicht grün wirken.

Ich blinzle.

Einmal.

Zweimal.

Dreimal.

Doch so sehr ich es mir auch wünsche, er verschwindet nicht. Aus seinem schockierten Gesichtsausdruck wird ganz schnell ein freches Grinsen, welches seine Grübchen offenbart. Verdammt.

Ignorieren, Mia. Einfach ignorieren.

Nachdem Anna das Sprechen für mich übernommen hat wende ich mich wieder Ralf zu und zeige dem Mann neben mir die kalte Schulter. „Es freut mich, dass du wieder fit bist, Mia", lässt Ralf mich wissen. Am liebsten würde ich ihm sagen, wie sehr es mich freut wieder hier sein zu dürfen, doch ich möchte den Fakt, dass ich den Casting Director schon länger kenne nicht ausnutzen und lächle ihn anerkennend an.

„Wir würden euch ganz gerne auf der Bühne sehen. Manchmal hilft das bei einer schwierigen Entscheidung und gerade bei dir Anna habe ich mir gedacht, dass du auf der Bühne vielleicht besser mitfühlen kannst, denn gesanglich war alles gut, nur die Emotionen haben uns ein wenig gefehlt. Mit einem anderen Setting sieht das alles vielleicht auch wieder ganz anders aus. Also, darf ich bitte." Ralf deutet auf eine Tür im hinteren Bereich des Raumes, die nur für Personal zugänglich ist und von der man auf die Bühne gelangt.

Während sich alle in Bewegung setzen, verharre ich noch einen Augenblick in meiner Position. Wenn Mark hier ist, kann das nur bedeuten, dass er entweder schon die Rolle als Graf von Krolock sicher hat, oder ebenfalls gegen einen der hier anwesenden Männern vorspielen muss. Ich bete, dass es Letzteres ist und der Gegenspieler deutlich besser sein wird. Soweit ich weiß, hat er zuletzt bei Elisabeth und Die Päpstin gespielt. Niemals habe ich damit gerechnet, dass er hier sein könnte.

Mark kommt zum Stehen und dreht sich nach mir um. Seine langen Beine stecken in einer schwarzen, engen Jeans. Das ebenfalls schwarze Sakko baumelt lässig über seinem Arm. Doch am meisten erweckt das weiße Hemd meine Aufmerksamkeit. Die obersten Knöpfe sind so weit aufgeknöpft, dass es nicht unanständig, aber eben auch nicht zugeknöpft aussieht und der Stoff spannt sich unverschämt attraktiv um seine breiten Schultern.

Mehrmals nickt er leicht mit dem Kopf, als würde er seine Gedanken sortieren. „Erneut Sarah also." Seine Stimme geht tief - tiefer als sie sollte und lässt mich leicht zusammenzucken.

Ich könnte einfach gehen. Die andere Tür benutzen, mich in mein Auto setzen und zurück nach Hamburg fahren. Es wäre einfach davonzulaufen. Doch ist es mir das wert? Möchte ich wirklich wegen einem Mann etwas aufgeben, das ich wirklich will?

„Kannst du bitte einfach den Mund halten? Danke." Mit diesen Worten gehe ich mit erhobenen Haupt und straffen Schultern an ihm vorbei. Ich laufe nicht weg, nicht wegen ihm -  wegen niemanden. Ich weiß was ich will und dafür kämpfe ich.

„Das wird schwierig", ruft er mir mit seinem für ihn so typischen, neckenden Unterton hinterher und folgt mir und den anderen die kleine Holztreppe hinunter, die direkt zur Bühne führt.

Wenn ich geglaubt habe, dass mein Herz vorhin schon unnatürlich schnell geschlagen hat, dann stehe ich nun wahrscheinlich kurz vor einem Herzinfarkt.

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Wie findet ihr Marks Auftritt? 🙈

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