• Kapitel 3 •

Große Schilder, mit den Namen der Rollen, weisen einem den Weg in die entsprechenden Räumlichkeiten. Mit meinen weißen Chucks laufe ich über den roten Teppichboden und versuche die Lautstärke ein wenig auszublenden. Das weiße Kleid betont meine natürliche Bräune, die ich meiner Mutter zu verdanken habe, die aus Spanien kommt und mir ihre Haare und den sonnengeküssten Teint vererbt hat.

Dadurch, dass drei männliche und nur eine weibliche Rolle gesucht wird wimmelt es hier nur so von Männern und wir Frauen sind definitiv in der Unterzahl, weshalb ich einfach den anderen braunhaarigen Mädels in einen großen Raum folge, dessen Wänden nur aus Spiegeln bestehen und dessen Holzboden so sehr glänzt als wäre er gerade frisch gebohnert worden.

Schon von der Tür aus erkenne ich Ralf Schaedler, den Casting Director der Stage Produktionen, der sich gerade mit einem seiner Kollegen unterhält.

„Mia?", reißt mich eine vertraute Stimme aus meiner Starre. Ich werfe einen Blick über die Schulter und schaue in die blauen Augen von Nadine. Mit ihrem blonden Haar sticht sie hier eindeutig aus der Masse der Braunhaarigen heraus. Sofort schleicht sich ein Lächeln auf meine Lippen.

„Wie schön, dass du auch hier bist. Hätte ich das gewusst, hätten wir gemeinsam herkommen können", lasse ich sie wissen und ziehe sie in eine Umarmung. Nadine und ich haben unsere Ausbildung gemeinsam gemacht und uns immer gut verstanden. Doch in den letzten Jahren hat man sich ein wenig aus den Augen verloren. Auch wenn wir beide in Hamburg leben ist es wirklich schwer als Musicaldarsteller freie Zeit zu haben. Steht man gerade nicht auf der Bühne, ist man bei Auditions oder gibt musikalische Auftritte.

„Ich bin sowieso schon gestern angereist. Wie geht es dir?" Sie legt ihren Arm über meine Schultern und schlendert mit mir in Richtung der Tische, die im vorderen Bereich für die Jury aufgebaut sind. „Gut. Mir geht es endlich wieder gut. Die letzten Monate waren wirklich hart und manchmal habe ich geglaubt, dass es nie wieder aufhören wird weh zu tun. Aber mein Bein hat sich nicht nur erholt, ich bin die Schmerzen sogar vollkommen los", antworte ich ihr überglücklich.

Vorne an den Tischen haben sich schon viele der jungen Frauen angesammelt, weshalb wir hinter ihnen stehen bleiben und auf die Anweisungen von Ralf warten.

„Und wie geht es dir? Warst du nicht zuletzt beim Musical Elisabeth in Wien?"

Sie nimmt ihren Arm von meiner Schulter und spielt mit ihren Haarspitzen herum. „Ach, bei mir ist auch alles im grünen Bereich. Elisabeth spielt seit drei Monaten nicht mehr und ich wollte ja schon zu Zeiten unseres Studiums bei Tanz der Vampire mitspielen. Ehrlich gesagt habe ich übermorgen auch noch eine Audition für eine der Nebenrollen. Aber ich wollte es mir nicht entgehen lassen mein Glück auch als Sarah zu versuchen", erklärt mir Nadine.

Ich lächle sie an und löse dabei meinen Zopf, der zu ziehen begonnen hat. Dicke Haare sind ein Fluch und Segen zugleich. Ich beuge mich nach vorne und greife mir mit den Händen ein paar Mal durch das Haar, bis alles dort sitzt, wo es sitzen soll. Dabei bekomme ich mit, wie jemand neben mir zu flüstern beginnt. Trotz der Mühe, die sie sich dabei gibt ruhig zu sein, höre ich wie mein Name fällt. „Die hat schon einmal Sarah gespielt. Das ist doch voll unfair."

„Hör nicht hin", sagt Nadine extra laut und zieht mich weiter nach vorne, sodass wir nun direkt in der ersten Reihe stehen. „Neid stinkt", fügt sie hinzu und lächelt mich mitfühlend an. Ich muss gestehen, dass ich wirklich froh bin, dass sie auch hier ist und sollte ich die Rolle nicht bekommen, würde ich sie ihr von Herzen gönnen.

„Meine Damen, schön, dass sie alle zahlreich erschienen sind. Für alle, die mich noch nicht kennen, ich bin Ralf, der Casting Director und das sind Karen, Christian und Leon. Zusammen suchen wir heute unsere Sarah für die nächsten 12 Monate. Wir würden dann jetzt beginnen und euch bitten, dass ihr euch alle nach hinten an die Wand begebt. Wir werden euch nach und nach aufrufen und dann dürft ihr gerne zu uns an die Tische treten. Danke." Ralf deutet auf das gegenüberliegende Ende des Raums, woraufhin wir uns alle ohne zu zögern dorthin bewegen.

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und das nicht, weil ich in einem Raum mit ungefähr 40 Frauen bin. Viel eher, weil ich meine Nervosität nicht mehr zurückhalten kann. Das hier - genau das - ist mein Traum. Manche mögen sagen, dass es doch langweilig ist öfter die selbe Rolle zu spielen; doch für mich ist es das nicht. Natürlich möchte ich nicht mein Leben lang bei Tanz der Vampire mitspielen, doch jetzt gerade, jetzt gerade möchte ich nichts anderes.

„Autsch." Erschrocken blicke ich zur Seite und schaue in das Gesicht der jungen Frau, die mich soeben ziemlich fies angerempelt hat. Sie, die gerade schon über mich gesprochen hat sieht mir jetzt unverfroren direkt in die Augen und beginnt zu grinsen. „Ich glaube Sarah sollte jemand mit einem neuen, hübschen Gesicht spielen." Mehr sagt sie nicht, als sie erhobenen Hauptes an mir vorbeigeht und sich zu einer Rothaarigen stellt.

„Wow. Weiber können so anstrengend sein", ruft mir Nadine zwinkernd zu.

„Wem sagst du das", entgegne ich ihr und werfe einen vernichtenden Blick in Richtung der Zicke von eben. Vielleicht kann sie gut Sprüche klopfen und anderen schikanieren, ob sie am Ende des Tages genauso gut kann wird sich später noch herausstellen. Ich werde mich jedenfalls nicht auf ihr Niveau begeben und einen Krieg anfangen. Meine Waffe ist meine Stimme und meine Leidenschaft für das was ich tue.

Ralf beginnt damit, drei Namen aufzusagen und die Frauen zu sich zu bitten. Mit einem Mal wird es viel ruhiger und eine gewisse Anspannung legt sich über uns. Gebannt blicken wir nach vorne und beobachten das Geschehen. Nacheinander müssen die Drei den wohl bekanntesten Song aus dem Musical singen. Die Erste scheint so nervös zu sein, dass sie direkt am Anfang ihre Textzeile vergisst und nochmal von vorne beginnen muss.

„Ich würde mal sagen, sie ist schonmal raus", flüstert mir Nadine zu. Leider muss ich ihr damit Recht geben. Die Jury macht sich fleißig Notizen und ihnen entgeht kein noch so kleiner Fehler und sobald man einen macht, kann man direkt wieder nach Hause fahren. So ist das nunmal wenn man die Auswahl zwischen unzähligen Bewerbern hat.

Mittlerweile haben Nadine und ich es uns auf dem Parkettboden bequem gemacht. „Hast du eigentlich noch Kontakt zu ...", möchte sie mich gerade fragen, als mein Name aufgerufen wird.

„Mia Ellen, Sabine Notier und Katrin Bordessa."

Auch wenn mein Herz gerade unnatürlich schnell schlägt, fließt so viel Adrenalin durch meine Adern, dass ich gar nicht anders kann, als mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht auf die Jury zuzugehen.

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Gefällt euch das Kapitel? Ich freue mich sehr über Feedback. ☺️♥️

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