Welten
Ich wünschte, ich wäre woanders.
Es klingt traurig und undankbar und so bitter wie der Geschmack des Lebens.
Aber es ist die Wahrheit.
Ich habe verlernt, die Realität zu schätzen.
Ich habe vergessen, die Wirklichkeit zu lieben.
Ich möchte nichts sehnlicher als in den Welten zu versinken, die meinen Kopf erfüllen. Ich möchte diese dunkle Welt voller Hass und Neid, wo grauer Asphalt und stinkender Rauch jeden Tropfen Magie vertrieben haben, hinter mir lassen.
Ich möchte diese eintönige Welt verlassen, die für mich nichts als ein graues Leben, gefolgt von einem unendlichen Tod bereithält.
Ich will mehr, verstehst du?
Ich will barfuß zum Hafen rennen, möchte ein leuchtendes Schiff besteigen und lossegeln, fort von dieser Welt, diesem Universum, dieser Realität.
Ich will am Horizont ein Ufer erblicken, das dem meiner Träume gleicht,
Ich will im goldenen Licht Welten erblicken, auf die ich mein Leben lang gewartet habe.
Und dann will ich barfuß, neben Elben durch den Grünwald streifen, um die Finsternis zu besiegen und die Lieder der westlichen Lande zu singen.
Und mit sprechenden Löwen, durch die Welt ziehen, mit magischen Zügen durch Berglandschaften reisen.
In Welten, die mir von der Fantasie und der Tinte des Füllers geschenkt wurden.
Ich will ein einfaches Leben, und doch soll es komplex, aufregend und magisch sein.
Ich will dort sein, wo es nicht so schwer ist, zwischen richtig und falsch, gut und böse zu entscheiden;
wo ich der Finsternis standhalten kann.
Ich will in Welten leben, die aus Sehnsucht nach einem anderen Leben erschaffen wurden.
Ich will in Geschichten eingesogen werden, um dort die Freiheit zu kosten, die für mich zuvor lediglich aus Buchstaben bestand,
will das sehen, was mir zuvor nur beschrieben werden konnte.
Ich will all diese Menschen und Lebewesen sehen, die ich zuvor nur von weitem, durch Seiten und Kapitel, betrachten durfte,
will die Orte sehen, die mir immer nur mit wunderschönen Worten vorgesäuselt werden.
Ich will dorthin, wo meine Existenz etwas bereithält, etwas anderes als nur das Existieren, etwas anderes als...das hier.
Und nun, mit jedem Buch, das ich schließe, mit jedem Wort, das mir vorgesungen wird, wächst meine Sehnsucht, mein Fernweh, meine Bitterkeit, die mich erfüllt, wenn ich realisiere, dass ich in der Wirklichkeit gefangen bin.
Ja, was jetzt? Jetzt, wo das Buch geschlossen ist, jetzt, wo ich aus diesem wunderschönen Traum erwacht bin, wo ich in diesen Welten war und sie wieder verlassen musste.
Was mache ich jetzt, wo ich realisiere, dass all das nur eine naive, kindische Lüge ist, die mir meine Fantasie zugeflüstert hat?
Jetzt, wo ich realisiere, dass ich niemals durch Elbenwälder streifen werde, in denen die Sonne selbst nachts nicht untergeht und die Unendlichkeit mich strahlend am westlichen Ufer erwartet,
jetzt wo ich realisiere, dass ich niemals mit magischen Zügen durch die Welt reisen werde, dass ich niemals diese Orte zu Gesicht bekommen werde, die in meinen Augen Tränen hervorgerufen haben, niemals diese Menschen erblicken werde, deren Gedanken und Worte ich mit jeder Seite mehr und mehr zu lieben gelernt habe.
Sag mir, was tut man, wenn man mit jeder Seite, mit jedem Buchstaben, in diesen Welten versinkt, wenn man sie nicht mehr verlassen will, und es doch muss, da die Wirklichkeit wartet. Wenn man von Sehnsucht zerfressen und durchleuchtet wird, von einer unbändigen, wunderschönen Sehnsucht nach anderen Welten.
Sag mir, was tut man, wenn man nachts aus dem Fenster blickt und sich mit Tränen in den Augen wünscht, fortzureisen? So lächerlich und kindisch, denn ich weiß doch, dass ich niemals dort ankommen werde, wo ich hin will. In anderen Welten.
Und was, sag mir, was tut man, wenn man das Gefühl hat, in diesem Leben niemals glücklich zu werden?
Denn wie soll ich hier auch jemals glücklich werden, wenn ich mein Herz dortgelassen habe?
Dort, in anderen Welten.
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