Kapitel 95 - No Mercy, No Remorse

Kapitel 95 – No Mercy, No Remorse

--- 1,5 Stunden vor Sonnenuntergang. ---

„Jonathan Morgenstern?", fragte der Anführer der Elben mit gespielter Unwissenheit. Den Respekt gegenüber den Verbündeten seiner Königin schien er nicht zu teilen – falls die Feenkönigin selbst denn überhaupt etwas wie Respekt für Valentin empfand. Isabelle bezweifelte es. „Von all den Orten, an denen Ihr verweilen solltet, wählt Ihr gerade diesen hier?"

„Ich bin dort, wo mein Vater es verlangt", war alles, was Jonathan erwiderte. Seine passiven Gesichtszüge gaben nichts preis. Isabelle musste zugeben, dass sie sich mehr vor dem hier gefürchtet hatte als vor dem eigentlichen Kampf. Denn während ein Schlagabtausch direkt und ehrlich war, hatte dieser Wortwechsel die Macht, Täuschungen ins Wanken zu bringen.

„Seltsam, wenn man bedenkt, dass Euer Vater Eure Ankunft nicht angekündigt hat", bemerkte der Elbenritter neben Adam schneidend und betrachtete die beiden knienden Schattenjäger mit unbestrittenem Hohn. Diese erhoben sich vorsichtig aus ihrer Verbeugung und erwiderten die Blicke der Feenwesen mit warnender Intensität. Für sie schien Jonathans Anwesenheit die Fronten zwischen Nephilim und Schattenwesen wieder verhärtet zu haben.

„Was genau willst du da andeuten, Elb?", schoss Jonathan zurück und spuckte die Bezeichnung der Kreatur hervor, als ekele ihn auch nur der Gedanke daran. Mit erhobenem Schwert näherte er sich der Szenerie.

Noch stand er weit genug weg, als dass sein Gesicht nicht so sehr im Fokus stand wie das weiße Haar oder das heilige Schwert. Doch jeder Schritt verrückte die Grenze ein wenig mehr. Jede Minute ließ den Schrecken über seine Anwesenheit etwas weiter abebben. Bald schon würde sich zeigen, wie gut diese Schattenjäger Jonathan Morgenstern tatsächlich kannten. Isabelle konnte nur hoffen, dass sie ihm nie persönlich begegnet waren. Solange es sich bei ihnen um Überläufer handelte, wie Adams Gefühlsausbruch von vorhin vermuten ließ, war dies tatsächlich im Bereich des Möglichen.

„Ich will andeuten, dass du dich wohl weit entfernt von Alicante befindest." Der Elb schwang seine eigene Waffe nicht weniger provokant vor seinem Körper – so nah an Adams Kopf vorbei, dass einige Spitzen seines vom Kampf zerzausten Haares ein jähes Ende fanden und federähnlich zu Boden segelten. Das Ganze ging so schnell, dass er nicht einmal nach Luft schnappen konnte. „Sollte der kleine Prinz nicht in der Stadt weilen, um die Türme zu deaktivieren?"

„Keine Sorge, kleiner Elb." Jonathans Mundwinkel verzogen sich auf bizarre Weise, die Isabelle an die Horrorfilme der Mundies erinnerten. So überspitzt und unnatürlich, dass jeder Mensch bei klarem Verstand sofort auf dem Absatz kehrt gemacht und geflohen wäre – nur die naiven Protagonisten dieser Filme schienen nie zu begreifen, dass sie es mit Besessenen oder Geistern zu tun hatten. Früher waren sie ihr immer unrealistisch und unoriginell vorgekommen. Jetzt, wo jeder am Strand erstarrt zu sein schien, begriff sie plötzlich, dass diese vielleicht doch einige Körnchen Wahrheit enthalten hatten. „Ich diene meinem Vater und ihm allein. Mehr musst du nicht wissen. Mehr geht dich nicht an. Wenn du also nicht das Bedürfnis hast, heute zu sterben, würde ich aufhören, meine Motive zu hinterfragen. Verstanden?"

Nervenaufreibende Sekunden verstrichen, in denen keiner der Elben den Mund öffnete. Ersatzweise tauschten sie lange Blicke untereinander aus, offensichtlich, um sich ein Gemütsbild der Gruppe zu schaffen.

„Wie können wir Euch zu Diensten sein, Lord Jonathan?" Einer der beiden noch lebenden Schattenjäger war mit geneigtem Kopf vorgetreten. Der Abstand zwischen Jonathan und ihrer Gruppe schmolz dahin, aber keiner der beiden schien das tatsächliche Gesicht von Valentins Sohn zu kennen. Raziel sei Dank.

„Diese Gefangenen sind Freunde meiner Schwester", erwiderte dieser in eisigem Ton, der Isabelle unter normalen Umständen jegliche Nackenhaare aufgestellt hätte. Unter den gegebenen Umständen hörte sie das kaum auszumachende Zögern vor dem Wort Schwester. „Folglich sind sie mir lebend von weitaus größerem Nutzen."

„Natürlich, natürlich." Die Nephilim nickten und wandten sich den Elben zu. „Fesselt ihre Hände, damit sie uns keine Schwierigkeiten machen."

„Fesselt sie euch selbst. Wir sind nicht eure Lakaien", spukte der Anführer prompt zurück, packte Isabelle an den Schultern und verpasste ihr einen kräftigen Schubser. Da sie immer noch im Sand kniete, kippte sie der Länge nach zur Seite und dank ihres angeschlagenen Kopfes begann sich die Welt wieder um sie zu drehen.

„Bemüht euch nicht. Ich kümmere mich lieber persönlich darum, ehe ihr selbst an dieser simplen Aufgabe versagt", hörte Isabelle Jonathan sagen. Die feinen Steinchen des Grunds knirschten unter dem Gewicht seiner Stiefel, als er geradewegs auf sie zustapfte – nun definitiv nah genug, um von jedem Kenner erkannt zu werden.

Isabelle kniff die Augenlider zusammen und lauschte in den frühen Abend hinein – lauschte auf die beständigen Atemzüge der Schattenjäger und das zunehmend achtsame Waffengeklimper der Elben. Sie unterdrückte den Drang, die Nase angesichts des fauligen Moders zu rümpfen, der vom Wasser herrührte und ihr mit dem Kopf im Sand, sofort in die Lungen drang. Schließlich verklangen die Schritte unmittelbar hinter ihr. Finger schlossen sich grob um ihr Handgelenk und hievten sie auf die Füße. Schwankend blinzelte sie, um den Schwindel zurückzudrängen. Nur um in die kohlschwarzen Augen von Jace zu blicken, der über ihr aufragte und in einer Mischung aus Ignoranz und Düsternis auf sie herabschaute.

Ein junger Mann, bei dem es sich unverkennbar um Jace handelte, irgendwie aber auch nicht. Seine höllenfinsteren Kontaktlinsen und das weißblonde Haar entfremdeten ihn von der Version ihres Bruders. Das hier war eine Version seiner selbst, die er in einem alternativen Universum hätte werden können, wenn die Dinge vor mehr als achtzehn Jahren anders vonstattengegangen wären. Die Tatsache, dass diese Rolle bis aufs kleinste Detail saß – dass er Jonathans Grausamkeit auf so perfid perfekte Weise zu inszenieren wusste, als könnte er sie tatsächlich nachempfinden – bereitete Isabelle schließlich die bisher ausbleibende Gänsehaut.

Unter ihr schwankten ihre Füße, stolperten unabsichtlich übereinander, als Jace sie in Adams Richtung zerrte. Rücksichtlos auf jegliche Verletzungen, genau auf Jonathans erbarmungslose Art. „Aufstehen, Demonhunter", knurrte er und trat Adam in die Flanke, sodass dieser sich nur weiter zusammenkrümmte. „Eigentlich brauche ich nur einen von euch, also verschmähe meinen Großmut nicht. Sonst töte ich dich und den anderen Jungen und behalte nur Lightwood hier am Leben."

Taumelnd richtete Adam sich auf – die scheuen Züge, als er Jace anstarrte, nicht einmal gespielt. „Nun, da wir ein Druckmittel gegen meine Schwester besitzen, ist dieser Stützpunkt nicht länger von Relevanz für meinen Vater." Jace' gefühllosen Augen hefteten sich auf den Anführer der Elben. „Die Hälfte deiner Einheit kommt mit mir, die andere bleibt im Zelt, falls sich doch noch weitere Narren hierher verirren sollten."

Anders als die meisten Krieger seiner Gruppe mied der Elbenritter nicht den Blickkontakt mit dem vermeidlichen Jonathan. Gegenteilig schien er diesen nur zu intensivieren. Isabelle entging nicht, wie seine Mundwinkel sich nach unten verzogen. Als könnte er die List aus der Atmosphäre erspüren, brachte er einen weiteren Schritt Abstand zwischen sich und Jace. Die Anmut seiner Abstammung entzog seiner Geste die Bedrohlichkeit, welche sich jedoch unverkennbar in seiner Mimik spiegelte.

„Haben wir hier ein Problem?", forderte Jace schneidend ein, als der Elb nicht reagierte.

Es war deutlich, dass der Ritter Jace sein Schauspiel nicht völlig abkaufte, ihre Realität jedoch auch nicht völlig ausschloss. Vielleicht war es die Tatsache, dass die Feenwesen aufgrund ihrer Ehrlichkeit anderen Wesen allgemein misstrauischer gesinnt waren. Offenbar schien der Elb mit sich zu ringen, ob er seine Zweifel laut äußern sollte und im schlimmsten Falle seinen Kopf würde hinhalten müssen.

Währenddessen platzte Jace' Geduldsfaden in gleicher Weise, wie Jonathans es in dieser Situation der eingeschränkten Befehlsbefolgung getan hätte. Durch ein einen Ruck entledigte Jace sich Isabelle, die kurzerhand gegen Adam taumelte. Binnen dieser Zeit hatte Jace das falsche Mellartach bereits gezückt und überbrückte den Abstand zum Anführer. „In meinen Reihen ist kein Platz für Skeptiker."

Der Elb hob seine eigene Klinge in Abwehr. Den Mund in einem Zornesruf geöffnet wich er zurück, anstatt seinerseits in einen Angriff überzugehen. Ein Duell, aus dem Jace unter normalen Umständen nicht eindeutig als Sieger zu identifizieren gewesen wäre. Der sichtbar stämmigere und größere Elb parierte seinen ersten Schlag mühelos, hielt sich jedoch weiter bedeckt. Denn falls es sich bei diesem emotionszerfressenen jungen Mann um Jonathan Morgenstern handelte, war ihn zu töten keine Option: Die Feenkönigin würde ihn sicher nicht am Leben lassen, nachdem er die Allianz mit Valentin auf solch fatale Weise gefährdet hatte.

Isabelle ließ ihre Augen über die restlichen Elben schweifen, die trotz ihrer hochentwickelten Reflexe verspätet aus ihrer Starre erwachten. Wahrscheinlich weil niemand von ihnen den eigenen Tod durch Jace' Klinge aber auch den Stempel des Verräters durch ihre Königin riskieren wollte.

„Wir müssen etwas unternehmen", flüsterte Isabelle Adam ins Ohr. Er hielt sie immer noch fest, seitdem Jace sie gegen ihn geschubst hatte. Obwohl ihr Vertrauen zu Adam weit von völliger Wiederherstellung entfernt war, war sie ihm dankbar, dass sie ihre Finger so nachlässig in seine Montur krallen konnte. Gerade benötigte sie den Halt, welchen sie sich selbst nicht verschaffen konnte.

„Jetzt schon?", brummte dieser, sichtlich unzufrieden über die Elben und Schattenjäger gleichermaßen. Zwei der Ritter hatten sich unterdes auf ihren Anführer gestürzt und versuchten, die Lage zu deeskalieren. Begriffen sie denn nicht, dass Deeskalation für Jonathan Morgenstern ein Fremdwort war? Was wussten sie überhaupt über ihn und seinen Zustand?

„Auseinander!", befahl einer der Nephilim ihnen in diesem Moment. Mit vorgehaltenem Schwert versuchte er, sich zwischen Isabelle und Adam zu drängen. „Hier wird nicht geflüstert. Lord Jonathan kümmert sich–"

Das knackende Hacken einer abgetrennten Wirbelsäule unterbrach ihn. Isabelle konnte gerade noch rechtzeitig herumwirbeln, um mit anzusehen, wie der Kopf des Elbenanführers mit einem dumpfen Knirschen im Sand versank. Eine Sekunde später tauchte ein emporschießender Blutstrahl den Strand in ein rotes Massaker, begleitet von dem gequälten Brüllen der Elben um Jace herum.

Jace, der von seiner Enthauptung weniger als unbeeindruckt wirkte, fixierte jeden von ihnen mit einem warnenden Starren. „Das passiert mit denen, die sich einem Morgenstern widersetzen! Wer will der nächste sein?"

Die Ruhe, die Kälte, die Beteiligungslosigkeit schnitt wie ein Messer durch Isabelles Eingeweide. Es war nicht das erste Mal, dass sie sah, wie Jace jemanden tötete. Doch es war das erste Mal, dass sie weder Reue noch Bedauern oder gar die mit dem Tod einhergehende Schwere auf seinem Gesicht erkannte. Wer war dieser Mann? Wo war ihr Jace? Denn das hier war nicht ihr Jace.

„Du vermagst es nicht, uns alle zugleich zu bekämpfen, Nephilim", spie eine der Elbenritter hervor und drehte erwartungsvoll die Axt in ihrer linken Hand. Von dem Eid gegenüber ihrer Königin würde sie sich nicht aufhalten lassen, ihren Kameraden zu rächen. Den Gesichtszügen der sie umgebenden Feenwesen nach zu urteilen, teilten mehr als genug ihre Meinung.

„Ihr werdet nichts dergleichen!", fuhr der Schattenjäger, der Isabelle und Adam gerade noch behelligt hatte, jetzt dazwischen und war in Windeseile an Jace' Seite. „Durch die Allianz eurer Königin seid ihr alle Lord Valentin und somit auch seinem Sohn unterstellt. Die Waffe gegen ihn zu erheben, würde bedeuten, die Waffe gegen eure Königin zu erheben!"

Jace, dessen Zorn mehr und mehr an die Oberfläche sickerte, schien sich nicht dafür zu interessieren, dass er sich nicht an ihren ausgemachten Plan hielt. Das falsche Engelsschwert fest im Griff warf er den Elben herausfordernde Blicke zu, als würde er sie alle im Alleingang niedermetzeln wollen. Es war die Zeit gekommen, um einzugreifen, um eine Suizidmission seitens Jace zu verhindern. Wenn Jace hier war, konnten Alec und Magnus nicht weit sein. Mit großer Wahrscheinlichkeit hielten sie sich am Waldrand versteckt und warteten auf das Zeichen, welches Jace längst hätte geben müssen.

Isabelles Zöpfe schwangen herum, als sie sich blitzartig zum übriggebliebenen Schattenjäger drehte, ihm einen kräftigen Tritt versetzte und sich seiner Seraphklinge bevollmächtigte. Die Klinge schimmerte im orangenen Licht der untergehenden Sonne, sobald Isabelle sie dem Himmel entgegenreckte wie eine Fackel, deren Flammen die Wolken küssten. Selbst als der Schattenjäger sich aufrappelte und auf sie zustürzte, hielt sie es weiter in die Höhe geschwenkt. Selbst als dieser nach einem Dolch griff und seinen Arm in Wurfposition brachte.

In dem Augenblick als Isabelle einen ausweichenden Schritt nach links machte, rauschte eine Sammlung saphirblauer Funken über den Strand hinweg. Wie eine Sternschnuppe über den Nachthimmel schoss eine glitzernde Kugel aus Licht an ihr vorbei und traf den zweiten Schattenjäger in die Brust – schleuderte ihn fort von ihnen, geradewegs in die seichten Gewässer des Lake Lyn.

Isabelle wandte sich ab, bevor sein Kopf wieder auftauchen konnte. Falls er auftauchte. Das Überraschungsmoment auf ihrer Seite erledigte sie den Elben, der ihr am nächsten war. Suchend schaute sie sich nach Adam und Paal um. Paal befreite sich mit einem gezielten Schienbeintritt von einem der Feenwesen, welches zurückgeblieben war, um sie zu bewachen. Parallel ließ Adam eines seiner verbleibenden Messer fliegen. Es grub sich bis zum Heft in den seitlichen Hals des Elbenmannes, der gurgelnd den Halt unter den Beinen verlor und blutspuckend im Sand zusammenbrach.

Der zweite feindlich-gesinnte Schattenjäger hatte sich Jace angeschlossen, den er weiterhin für Jonathan hielt. Gemeinsam nahmen sie es gegen eine Welle erzürnter Elben auf. Es war das reinste Chaos. Jace' Schauspiel hatte für die nötige Spaltung ihrer Einheit gesorgt: Die einen schlossen sich ihren Brüdern und Schwestern im Kampf gegen Jace an, die anderen versuchten sie davon abzuhalten, ihren Eid zu brechen. Kaum jemand scherte sich länger um Isabelle, Adam oder Paal. Viel zu spät bemerkten sie das Auftauchen von Magnus und Alec, die hinter dem goldenen Zelt aus dem Wald heraustraten – östlich von wo Isabelle und die anderen vorhin dem falschen Valentin aufgelauert waren.

Erst die beiden Neuankömmlinge schweißten die erkaltete Partnerschaft der Einheit wieder etwas enger in ihren Ursprungszustand zurück. Der schillernde Hexenmeister, von magischem Flimmern umgeben und der entschlossene Schattenjäger, ausgerüstet mit Pfeil und Bogen, kamen außerhalb der Reichweite eines Nahkampfs zum Stehen. Zwei der Elbenritter zückten ihre eigenen Bögen, während die anderen Feenwesen, ohne ein weiteres Wort zu verlieren eine Formation bildeten. Sie hielten sich deutlich in der Überzahl, da sie Jace an ihrer Seite vermuteten – ungeachtet ihres bisherigen Konflikts. Sechs gegen zwölf konnten ziemlich gute Wahrscheinlichkeiten sein.

Niemand von ihnen rechnete, mit einem Schwert im Rücken zu enden. Die verbliebenen Mitglieder der Einheit, welche vor wenigen Minuten unbehelligt im goldenen Zelt darauf gewartet hatten, dass jemand in ihre Falle tappte, sahen nicht, wie sie nun selbst in die Schlinge der Täuschung traten. Begleitet von einer Synchronität, die auf jahrzehntelange Absprache und Vertrauen schließen ließ, drehten sich die Elben Magnus und Alec entgegen – und kesselten sich dabei mit Jace, Isabelle, Adam und Paal im Rücken zwischen zwei Fronten ein.

Kein einziger Laut glitt Jace über die Lippen, als er sie abschlachtete. Keine Warnung, um ihnen eine vergebliche Verteidigungsmöglichkeit zu bieten. Keine Worte, die seinen Rollenwechsel von Jonathan zu Jace ankündigte. Von der anderen Seite des Schlachtfelds war der Unterschied zwischen den beiden nicht erkennbar und Isabelle bezweifelte stark, dass sich an Jace' Attitüde irgendetwas geändert hatte. Kein einziges Wimpernzucken, welches die erbitterte Entschlossenheit in seinen lodernden, goldenen Iriden ausbremste. Nichts von alldem, als er den Elben in den Rücken fiel wie ein jagender Löwe seiner ahnungslosen Beute.

Paal und Alec beschossen sie beidseitlich mit Pfeilen, doch Isabelle und Adam konnten nicht anders als Jace erstarrt zuzuschauen. Fast spürte Isabelle die kalte Angst seines Beutezugs durch ihre eigenen Adern schießen, während er die ersten drei Elben niedermähte, wie fallende Schachfiguren in einem harmlosen Spiel. Nur dass ihr Blut den groben Sand in ein tiefes Rot tränkte.

Als die dezimierte Einheit erkannte, was geschah, war es längst zu spät. Als nächstes erstach Jace den übergelaufenen Schattenjäger, der trotz der Verwunderung über Jonathans irrationalen Todesmarsch unmittelbar neben ihm innegehalten hatte. Selbst dem Tod ins Auge blickend schienen die Anhänger Valentins die Exekution von Schattenwesen als legitim zu betrachten. Erst angesichts des surrenden Schwerts in seinem Abdomen wandelte sich die unschuldige Verwirrung in erschrockenes Verständnis. Erst jetzt war dem Mann klargeworden, dass Jace nicht nur die Elben, sondern sie alle betrogen hatte. Sein blinder Hass auf die Schattenwesen hatte ihm die Augen verschlossen.

Von zwölf Kriegern waren nun nur noch acht geblieben. Acht Gesichter, deren emotionale Bandbreite von Zorn bis Realisation reichte. Der apathische Jace ließ sich bereitwillig und ohne Zeitverzögerung zurück in den Sog der Schlacht ziehen. Jede Wut aus seinen Zügen verraucht, zeigte er Ähnlichkeiten mit einem Roboter, der sich mechanisch und nach auswendiggelerntem Muster vorwärtsbewegte. Als wäre sein Geist nicht weniger tot als Clarys. Als verweilte wie bei Jonathan einzig seine Hülle als Indiz seiner Existenz noch auf der Erde.

Isabelle wusste, dass Jace Valentin persönlich den Garaus machen wollte. Sie hatte seinen Ausdruck in den Basilias gesehen; die Tiefen des Rachegelüstes, welches er seit ihrer Ankunft am See kaum noch zu verbergen wusste. Sie wusste auch, dass er nicht bis dahin überleben würde, wenn er sich allein in einen Kampf gegen acht Elben stürzte. Somit zwang sie ihre Beine in Bewegung, setzte einen Fuß vor den anderen, ihre gestohlene Seraphklinge im Anschlag.

Obwohl Isabelle keinen Unterschied machen sollte, konnte sie Adam zumindest in einem Punkt nachfühlen: Nephilim niederzustrecken fiel auch ihr schwerer – wenn auch aus anderen Gründen. Und so huschten ihre Pupillen schnell fort von dem klitschnassen Mann, den Magnus' Magie vor wenigen Minuten in den See befördert hatte. Das zugespitzte Ende ihrer Klinge streifte seine Kehle nur im Vorbeigehen, dennoch wusste sie, dass es ausreichte. Nur ein Finger, der flüchtig nach der Wasseroberfläche tastete und sie mit unwillkürlicher Leichtigkeit durchbrach.

Während sie auf Jace zuhastete, presste sich eine vergangene Szenerie vor ihr geistiges Auge. Eine vor Wut brüllende junge Frau, die mit gezücktem Schwert einen verschneiten Abhang hinaufrannte – direkt in die Arme einer Gruppe junger Männer, die deutlich in der Überzahl waren. Den Wahrscheinlichkeiten zum Trotze – weil sie den Schmerz in ihrer Brust nicht anders zu stillen gewusst hatte. In diesem Moment ähnelte Jace ihr mehr als er sich wohl bewusst war.

In ihrer Gesamtheit war der restliche Verlauf des Kampfes kein angespanntes Unterfangen. Adam schloss sich Isabelles Attacke an und gemeinsam mit einer Mischung aus Pfeilen und gezielten Magiestößen befand sich ihre wieder vereinte Einheit kurz darauf im Mittelpunkt einer blutigen Verwüstung.

Obwohl niemand mehr da war, um sich ihm in den Weg zu stellen, umklammerte Jace sein Heft mit solcher Kraft, dass seine Armvenen hervorstachen. Erst allmählich drang die Erkenntnis zu ihm durch und er senkte seine Waffe. Isabelle tat nicht einmal so, ihn heimlich zu beobachten, als sie zusah, wie er mehrmals blinzelte, als würde er aus einer Trance erwachen. An seinem Gesichtsausdruck änderte sich nichts. Er starrte die leblosen Feenwesen an und hob nach einigem Nachdenken schließlich den Kopf gen Himmel.

„Wie viel Uhr haben wir?" Seine Stimme hatte sich verändert. Jonathans dominierende Schärfe fehlte, eine neue unpersönliche Distanz nahm ihren Platz ein.

Alec warf einen Blick auf seine unter der Montur verstecken Armbanduhr. „Zwanzig nach fünf."

Bis zum Sonnenuntergang blieb ihnen noch etwas mehr als eine Stunde. Die sengend-rote Atmosphäre war Indikator genug – ihre Farbe Clarys Haaren verdächtig ähnlich. Jace' Ausdruck verdunkelte sich quälend vor Zorn, während er hastig die Augen senkte.

„Wir sollten den Strand von den offensichtlichen Beweisen auf unsere Auseinandersetzung reinigen, bevor wir weiterziehen", flüsterte Magnus mit ungewöhnlicher Zurückhaltung in die Runde.

In der Zeit, in der der Rest der Gruppe die Leichen in den Sichtschutz des goldenen Zeltes trug, grub Magnus den Sand so um, dass jede Spur auf Blut unter den Körnern verwischt wurde. Als die Bucht wieder zu ihrem alten Schein hergerichtet war, verschwanden sie im westlichen Rand des Waldes, um in der Deckung der Bäume den finalen Akt ihres Plans zu besprechen.

oOo

--- 1 Stunde vor Sonnenuntergang. ---

Jace gab sich alle Mühe, die Worte seines Parabatais zu ignorieren, als dieser dem Rest der Gruppe berichtete, was sie herausgefunden hatten während Isabelles Team Jagd auf den falschen Valentin gemacht hatte. Jegliche Versuche, seine ganze Aufmerksamkeit Magnus violett-lackierten Fingern zu widmen, schienen von seinem vor Aufruhr pulsierenden Unterbewusstsein jäh zerstreut zu werden.

Magnus war es gelungen, das Zentrum der magischen Formeln zu erspüren, welche für die Blockade um den Brocelind-Wald verantwortlich war – welcher die Nephilim in Alicante davon abhielt, Valentin mithilfe von Portalen aufzusuchen. Der Hexenmeister ignorierte die Lobeshymnen von Isabelle und hielt sich darüber hinaus gänzlich aus der Diskussion heraus, ebenso wie Jace. Stattdessen kümmerte er sich darum, jede Erinnerung an Jonathan von Jace' Körper zu entfernen. Magnus' Magie kitzelte auf seiner Haut, während dieser seine natürliche Augenfarbe wieder zum Vorschein brachte.

„Die Quelle befindet sich inmitten des nördlichen Quartiers. Wenn Valentin verhindern will, dass der Zauber gestört oder völlig ausgesetzt wird, wird er sich persönlich dort aufhalten", hörte Jace Alec in die unnatürliche Stille des Waldes murmeln. Im Schutz vor fremden Augen hatte sich die Gruppe in einer Felsvertiefung versammelt, in der einst ein schmaler Fluss geflossen sein musste. Jace war sich nicht sicher, ob Magnus ihre Illusion bei all seiner heraufbeschworenen Magie immer noch aufrechterhielt. Es interessierte ihn nicht genug, um nachzufragen. „Er geht immer noch davon aus, dass Clary hier ist, um ihn aufzuhalten. Er wird ihr gegenübertreten wollen, das haben seine zahlreichen Versuche, sie aus Alicante zu verschleppen, bewiesen."

Der Junge dessen Namen Jace nie gewusst hatte, seufzte. „Unsere einzige Möglichkeit an Mellartach ranzukommen ist durch die Aufhebung des Zaubers."

„Und dafür müssen wir in Valentins Camp", fügte Adam hinzu, der schon seit Beginn der Mission geschlagen wirkte. Wenigstens würde er dort seinen Eltern nicht gegenüberstehen müssen, die dank seines Verrats in der Garnison hinter Gittern saßen. Gab es eigentlich etwas oder jemanden, den Adam nicht verraten hatte? Obwohl er ehrlich um sie zu trauern schien, konnte Jace sich nicht dazu durchringen, ihm Glauben zu schenken. Die Verhaftung seiner Eltern konnte ebenso eine Farce gewesen sein wie seine Freundschaft zu ihr – eine Facette im Plan der Kohorte und somit nun auch von Valentin. „Wo wir zahlenmäßig völlig unterlegen sein werden."

Isabelles Meinung folgte prompt. „Zuerst müssen wir Aarons Treffpunkt erreichen. Hoffen wir mal, dass Linne noch lebt, damit sie Magnus beim Zauberglanz helfen kann." Auf den Punkt und unbeirrt wie immer. „Das Einschleusen ist der wichtigste Teil von Clarys Plan. Das dürfen wir nicht vermasseln." Während sie den letzten Satz sprach, glitt ihr Fokus zu Jace herüber.

Jace wusste, dass ihr sein jüngstes Verhalten Angst machte. Isabelles sonst furchtlosen Augen hatten im Anschein seiner Impersonation von Jonathan eine deutliche Sprache gesprochen. Ihre Fähigkeit, so gut wie alle Schwingungen ihrer Umgebung zu registrieren, waren nur der Spiegel seiner eigenen unkontrollierbaren Gefühle. Trotz der Abscheu vor Isabelles Emotionalität, war die Leere in Jace' Brust zu tief, um ihr zu entkommen. Er wollte ihr keine Angst machen, konnte sich aber gleichzeitig nicht dazu überwinden, mehr wie sein normales Ich zu agieren, weil er den Draht zu genau diesem verloren hatte. Von jetzt auf gleich, ohne dass es ihm aufgefallen wäre, hatte es aufgehört zu existieren und dabei eine Kluft zurückgelassen, die er nur mit Zorn und Härte zu füllen wusste.

Auch nur ein weiteres Wort über Clarys Plan zu hören, würde Jace verrückt werden lassen. Wenn er die Lider schloss, sah er sie klar und deutlich vor seinem geistigen Auge: Bereit jeden Schmerz einzugehen, weil er laut Valentin ausgehalten werden musste – weil sie für ihn nur eine vom Schmerz geschliffene Waffe war, die unter jeder Parade und Attacke strammzustehen hatte. Während sie in Wahrheit nicht die Waffe, sondern die Kriegerin war, welche diese führte – und weise Krieger vermieden unnötigen Schmerz, um sich das Durchhaltevermögen für die unausweichlichen Momente aufzusparen.

Schmerzen machen uns schwach, hatte sie immerzu gesagt und gerade konnte Jace nicht anders, als ihr zuzustimmen.

Schmerzen machen uns menschlich, hatte er damals geantwortet, aber gerade konnte er nicht anders, als diese Menschlichkeit loswerden zu wollen. Sie war nichts als eine Mahnung an seinen Verlust und als solche verfluchte er sie.

Möglicherweise behielten sie beide recht. Möglicherweise war Schmerz zu mehr in der Lage, als sie und er geglaubt hatten.

Jemand schnipste vehement vor Jace' Nase. „... unglaublich! Jace! Hörst du uns überhaupt zu?"

Jace zuckte zusammen und schob seine strudelnden Gedanken in eine festverschlossene Zelle, ehe er blinzelte und Isabelles Blick erwiderte. Die Aufmerksamkeit der gesamten Einheit ruhte auf ihm. Die Anstrengung, den Schmerz unter einer Eisschicht für später einzufrieren, kostete ihn eine Antwort. Die Ignoranz ihres schlecht versteckten Mitgefühls hätte ihn beinahe an seinem Atem ersticken lassen, wenn er nicht gewusst hätte, dass ihre Emotionen aus ihrer eigenen Trauer herrührten.

Als Jace keine Anstalten machte, sich zu erklären oder irgendetwas zu erwidern, kniff Isabelle ihre Augen zu Schlitzen zusammen und zog ihre Hand ruckartig fort. Er wollte sich schütteln, um seine Festung erbaut aus vorgespielter Emotionslosigkeit einzureißen. Dabei war Valentin so nah und Jace' Rache so kurz vor der Verwirklichung.

Niemand von ihnen sagte, was Jace sich dachte. Dass er mit seiner Ignoranz ihr aller Leben aufs Spiel setzte. Sie ließen ihn davonkommen, weil er es war, und das machte es aus seiner Sicht nur noch schlimmer. Das hier hatten sie nicht verdient.

„Wir werden uns in das Camp einschleusen", begann Alec in aller Seelenruhe, brach jedoch abrupt ab. Die Anspannung, welche plötzlich von ihm ausging, schwang über ihren Parabatai-Bund zu Jace herüber wie das seichte Kratzen eines Fingers auf seiner Haut. Alecs Kopf war jedoch nicht der Einzige der in die Höhe schoss – nur Magnus verharrte in seiner Position, die Gemächlichkeit seiner Körperhaltung eindeutig auf seine hunderten Lebensjahre zurückzuführen. Wer wusste schon, was der Hexenmeister bereits alles gesehen und erlebt hatte? Vielleicht war dieses lebenzerreißende Desaster namens Valentin Morgenstern für Magnus Bane nichts weiter als eine nervige Wespe beim Mittagessen.

Erweitert durch Gehörrunen schnappten die Schattenjäger das ferne aber anschwellende Traben von Schritten auf, welches sich rapide und zielgerichtete durch den Wald bewegte – eindeutig auf ihre Einheit zu.

Alecs Finger glitt erst zu seinen Lippen und dann zum Griff seines Bogens. Jace und die übrigen Nephilim imitierten ihn zögerlos. Eine halbe Minute lang lauschten sie in die sich ausstreckenden Schatten der untergehenden Sonne. Das Klopfen der Schritte auf der vereisten und verwurzelten Erde schien für ihre Nähe zu geräuschlos, dabei konnte selbst der Schnee das Auftreten von Stiefeln in solcher Weise abfedern.

„Geräuschlosigkeitsrune?", flüsterte Adam fragend in einen Windhauch hinein, die Skepsis auf seine gerunzelte Stirn geschrieben.

Der namenlose Junge schüttelte den Kopf. „Dann würden wir sie noch gar nicht hören."

Er lag richtig. Falls es sich dort draußen um feindselige Nephilim handelte, hätten sie ihre Präsenz durch die Geräuschlosigkeitsrunen erst viel später bemerkt. Wenn es schon fast zu spät gewesen wäre. Wer auch immer dort auf sie zu gerannt kam, musste–

Nicht nur Jace zuckte zusammen, als ein Schatten über ihre Felskluft hinwegflog – zu schemenhaft und plötzlich, um natürlich zu sein. Jace war schon auf den Beinen, seine Seraphklinge im Anschlag, als ein zweiter Schemen in Erscheinung trat. Anders als der erste ohne Hektik, sodass er den gelben Wolfsaugen ohne Umschweife begegnen konnte, die wachsam in ihre Kluft hinunterschauten.

Der Wolf, dunkelbraunes Fell und groß wie ein Pony, schüttelte sich, als wäre er durch Regen gelaufen. Doch das Beben seines Körpers ließ nicht nach, schien nur zuzunehmen – bis sich sein Fell zu wölben begann und die Form des Wolfs in einem verschwommenen Wirbel verschwand. Es ging zu schnell, als dass man von der Verwandlung irgendetwas mitbekam, selbst mit den Runen der Nephilim.

Dann hockte plötzlich Maia am Kopf des Abhangs. Selbst nach der Verwandlung sah man ihr an, dass sie gerannt war: Ihre mahagonifarbenen Locken kräuselten sich ungeordnet um ihre Schultern und die von den Nephilim gestellte Montur wies blutverkrustete Kratzer auf. Ihre Pupillen glitten über die verbliebene Einheit hinweg, bevor sie mit einer den Schattenwesen angeborenen Leichtigkeit die steinige Senkung herunterglitt. Sie hatte die mickrigen zwei Meter noch nicht überwunden, als Lyalls Kopf direkt über Jace und Magnus auftauchte, die am der gegenüberliegenden Spaltende saßen. Anders als Maia ließ er den Kopf ein letztes Mal prüfend durch die umliegenden Bäume streifen und schwang sich anschließend seitwärts über den Rand der Felsvertiefung.

„Jaja, uns geht es gut", platzte es ohne Umschweife aus Maia heraus und sie winkte die aufkeimenden Worte von Isabelle und Alec ab. Isabelle hatte bereits einen Arm um Maia gelegt, aber diese entzog sich der jungen Schattenjägerin, bevor der Körperkontakt richtig zustande kommen konnte. „Nehmt's nicht persönlich, aber wir haben absolut keine Zeit für diese Höflichkeitsfloskeln."

Isabelles Mimik war anzusehen, dass sie ihre Sorge um Maia und Lyall keineswegs nur vortäuschte. Jace wusste nicht viel über die Beziehungen ihrer Schwester in der Unterwelt, aber sie war in New York definitiv beliebter als er gewesen. Was bei seiner draufgängerischen Natur jedoch kaum verwunderlich war.

Lyall ließ sich neben Jace auf einen Felsen fallen und öffnete seinen verrutschten Zopf, um ihn zu begradigen. Erst jetzt fiel Jace auf, dass sein rechtes Bein um den Fußknöchel unnachgiebig Blut abließ. Magnus bemerkte es nur eine Sekunde nach ihm und hockte sich sofort vor den Werwolf.

„Was ist passiert?", fragte Magnus, als er mit aller Vorsicht die zerfetzte Hose nach oben schob.

Ein unterdrücktes Zischen entglitt Lyall. „Wir haben Aarons Gruppe begleitet wie vereinbart", berichtete er, ohne den Hexenmeister oder sein verwundetes Bein anzusehen. Seine ruhigen Finger fuhren gekonnt durch seine bronzebraunen Strähnen – als würde ihn die Handlung beruhigen. „Sie sind viel zu schnell in das Visier der Elben geraten. Maia und ich konnten uns gerade so aus dem Staub machen, aber mittlerweile wird Valentin von uns wissen, die dritte Fährte ist somit nutzlos. Sie haben uns nicht einmal verfolgt."

Die Aufteilung der Einheit in drei Untergruppen war vor allem deswegen geschehen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass zumindest ein Teil von ihnen es zu Valentins Lager schaffte. Aarons aus Norden oder Alecs aus Westen – Maia und Lyall waren als Ablenkung nach Osten geschickt worden, um die feinen Nasen der Feenwesen zu verwirren. Sie hatten sich Aaron anschließen und ihn begleiten sollen. Wenn alles nach Plan gelaufen wäre.

„Sie haben sie nicht alle getötet, falls euch das tröstet", fuhr Maia fort, als Lyall sich mit zusammengebissenen Zähnen unter Magnus' Behandlung krümmte. „Dank der gefärbten Haare halten sie Eva für Clary und haben sie gefangengenommen. Aaron hat auch noch gelebt, bevor wir verschwunden sind. Die Wälder sind voller Fallen ..." Sie hielt inne und nahm den Zustand der anderen in Augenschein. „Aber das wisst ihr offensichtlich selbst. Sobald Valentin Eva jedoch zu Gesicht kriegt, wird er wissen, dass wir ihn hinters Licht geführt haben. Falls er nicht schon von seinen Spionen in Alicante die Wahrheit gehört hat."

„Hoffen wir mal, dass Imogen ihr Ende des Auftrags nicht vermasselt." Adams starrte wie hypnotisiert auf Lyalls Knöchel. Jace war sich unsicher, ob er es überhaupt wahrnahm oder mit seinen Gedanken abgedriftet war.

„Valentin kann behaupten, frei von Schwächen sein, doch er hat mehrmals bewiesen, dass er eine Schwäche für seine Kinder hat. Nicht aus Liebe, sondern weil er sie als sein Eigentum betrachtet", sagte Magnus.

Alec musterte die gewachsene Gruppe nachdenklich. „Wir müssen sein Camp erreichen, ehe er uns findet. Da Linne aller Wahrscheinlichkeit tot ist, können wir uns beim Infiltrieren nicht auf irgendwelche Verwandlungszauber verlassen. Dafür hatte Clary aber auch eine Lösung, auch wenn sie deutlich riskanter ist. Aber wir sind hier mit zwei Problemen konfrontiert, also kümmern Magnus, Maia, Paal und ich uns um die Portalblockade und Izzy, Jace, Lyall und Adam holen Mellartach."

„Das wird das reinste Selbstmordkommando", seufzte Isabelle und vergrub ihr Gesicht in den Händen.

Maia grinste kaum merklich. „War schön, euch gekannt zu haben."

„Für den Fall, dass Valentin mir den Kopf abschlägt, will ich ohne Zeremonie verbrannt werden", murmelte Adam, ohne von Lyalls Fuß aufzusehen, der dank Magnus zu heilen angefangen hatte. Der Werwolf warf ihm einen argwöhnischen Blick zu, den Adam entweder nicht bemerkte oder mit Absicht ignorierte.

„Genug mit eurem Selbstmitleid. Wenn ihr Kinder nicht einmal daran glaubt, eine Chance zu haben, werdet ihr chancenlos untergehen." Magnus hatte sich von Lyall erhoben und klickte tadelnd mit der Zunge.

„Mittlerweile wird Valentin seine Leute losgeschickt haben, um uns zu verfolgen", bemerkte Lyall, seine Stimme wieder einige Oktaven entspannter als zuvor.

„Dann nehmen wir verschiedene Routen." Magnus zuckte mit den Schultern, als wäre er mit Kindergartenkindern konfrontiert, was Jace unter normalen Bedingungen ein Grinsen entlockt hätte. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Isabelle gegen ihres ankämpfte. „Es ist nicht mehr weit bis zum Lager. Eure Gruppe macht einen Bogen um die Elben, damit sie die Witterung nicht aufnehmen. Meine nimmt eine Abkürzung durch den See."

„Durch den ... See?" Maia sah aus, als wäre sie sicher, dass sie falsch verstanden hatte.

Nun erlaubte der Hexenmeister sich ein selbstzufriedenes Schmunzeln. Er ließ einige knisternde Funken aus seinen Fingerspitzen fliegen. „Ich bin nicht ohne Grund der oberste Hexenmeister von Brooklyn, junger Werwolf. Ich manövriere uns durch Lake Lyn und mit etwas Glück, patrouillieren sie stärker an den Waldrändern."

„Der Rest dieser Phase verläuft so, wie Clary es geplant hat. Also haltet euch an die abgesprochenen Signale. Wir treffen uns in Valentins Lager." Alec trat zu Jace herüber und schloss ihn in eine brüderliche Umarmung. Nachdem sie sich voneinander gelöst hatten, blickte Jace in seine himmelblauen Iriden und unterdrückte ein sehnsüchtiges Seufzen den alten Zeiten willen; als alles noch im Lot gewesen war. „Wenn wir uns wiedersehen, wirst du deine Rache bekommen."

In Antwort konnte Jace nur nicken. Die heiße Glut der Erwartung ergriff ihn bei dem Gedanken an seine Aufgabe. „Das hier ist keine Verabschiedung."

In Zustimmung klopfte Alec auf seinen Oberarm. „Keinesfalls."

Jace sah seinem Parabatai dabei zu, wie er sich von Isabelle verabschiedete und sodann an Magnus' Seite die Felsen emporkletterte. Er warf ihm einen letzten Schulterblick zu, ehe er und der Rest seiner Gruppenhälfte oberhalb des Abhangs verschwand.

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