Kapitel 85 - Don't Drink and Fight

Song Inspiration: All My Friends – Snakehips

-


Kapitel 85 – Don't Drink and Fight

--- Weniger als 1 Tag vor Beginn des Krieges. ---

„Als du gefragt hast, ob ich Höhenangst habe, dachte ich irgendwie an etwas Höheres als ein dreistöckiges Haus", bemerkte Adam mit einem Anflug von Enttäuschung. In einer der Tannen in unserem Rücken hallte der Klagelaut einer Eule durch die Stille der Abenddämmerung, als würde sie Adam zustimmen wollen.

Wir standen am Fuß des Lightwood-Anwesens und starrten hoch auf die Fassade. Auf die in die Jahre gekommenen Backsteine und die silberne Regenrinne, welche gerade nicht sonderlich einladend aussahen. Isabelle war um das Haus geschlichen, um zu prüfen, ob sich jemand im Garten befand. Abgesehen von einer Menge Stehtische, einem weißen Pavillon und mindestens einem Dutzend Lichterketten war dieser verlassen. Anscheinend war Jace bereits fertig mit den Vorbereitungen. Da ich gar nicht bedacht hatte, dass die Party allem Anschein nach im Garten stattfinden würde, war dies umso besser. Denn das, was wir vorhatten, würde für die meisten Augen deutlich eher an Dummheit grenzen statt an Spaß. Isabelle und Adam hoffentlich ausgenommen.

„Oh keine Sorge, Demonhunter. Du wirst merken, dass drei Etagen dir auf einmal ganz schön hoch vorkommen, wenn du erst ein Schwert in der Hand hälst und dich zwischen Gleichgewicht und Abwehr entscheiden musst." Ich konfrontierte Adam mit der selbstbewusstesten Miene, die ich aufbringen konnte und schaute mir dabei einiges von Jace ab. Dann legte ich meine Hände an die Backsteine und kletterte die Außenseite des Anwesens hoch.

„Das ist genau die Art Spaß für die ich diese Party veranstalte", flötete Isabelle fröhlich und folgte mir ungeduldig.

Adam, der seine Vorsicht schon bei sich zuhause aus dem Fenster geworfen hatte, schien ziemlich zufrieden mit sich selbst, als er kurz darauf neben uns auf dem Dach stand. Ein leichter Wind wehte durch unsere Haare, während wir über die schrägen Ziegel auf die Mitte zubalancierten. Die Schräge war zwar spürbar, aber schwach genug, um ausreichend Halt unter unseren Stiefeln zu finden, die genau für solche Manöver gefertigt waren. Was in einigen Minuten wichtig werden würde.

Ich hatte vorgeschlagen, hierherzukommen. Den Ausblick auf die anderen Dächer der Nachbarschaft, die Dämonentürme in der Ferne und die Garnison oben auf der Anhöhe des Hügels, hatte ich vor allem in meinen ersten Wochen in dieser fremden, feindseligen Umgebung sehr genossen. Der aufsteigende Mond tauchte die Welt in einen gespenstischen Schein, trüber als die schillernden Elbenlichter, die mit Einbruch der Nacht überall in der Stadt aufgelebt waren. Wenn mir mein Zimmer unter all dem Druck klaustrophobisch vorgekommen war, hatte ich mich hierhin zurückgezogen. Eine Gelegenheit der Freiheit. Eine Möglichkeit, diese Stadt zu beobachten, ohne gleichzeitig ihren hunderten, abschätzenden Augen ausgesetzt zu sein.

Da ich gewusst hatte, dass ein einfaches Hochlettern und Ausharren nicht reichen würde, um Adams Gedanken im Zaum zu halten, war eine Idee in mir aufgekeimt. Eine abenteuerliche Form des Trainings, die zu Jonathans und meinen Lieblingsübungen gehört hatte. Wahrscheinlich zum Teil auch deshalb, weil mein Vater deutlich einfachere Wege kannte, um unseren Gleichgewichtssinn zu stärken. Wie bei allem, was uns zu viel echtes Vergnügen bescherte, hatte er uns auch dieses nur ab und an durchgehen lassen – wenn er gute Laune hatte oder wir unserem Trainingsplan voraus waren. Eine Idee, die bei Isabelle sofort auf Anklang gestoßen war und für die es unter Schattenjägern allem Anschein nach einen echten Namen gab: Trinktraining. Es war so lächerlich wie es klang. Zu lächerlich, als dass mein Vater unser früheres Training jemals damit in Relation gesetzt hätte.

Und nun standen wir hier oben. Jeder von uns mit einem Schwert bewaffnet. Es hätte nichts als ein einfacher Trainingskampf sein sollen. Etwas, das ihn ablenken sollte. Etwas, das ich im Anbetracht all des Grauens rechtfertigen konnte, welches sich wie ein unumgänglicher Sturm zusammenbraute – weil Training war Training und davon konnte man nicht genug haben, man konnte nur besser werden. Hätte Isabelle sich nicht die Freiheit genommen, das Ganze in ein Trinkspiel zu verwandeln. Auch wenn ich zuerst protestiert hatte, fiel es mir schwer, nachzugeben, nachdem Adam sofort zugestimmt hatte. Etwas zu enthusiastisch

Ich bahnte mir einen Weg bis zum anderen Ende des Dachs und drehte mich geschmeidig zu Isabelle und Adam um, die Brauen heraufordernd gehoben. „Also, gibt es hierfür echte Regeln?" Der Unterton der oberflächlichen Verärgerung, dass sie mir etwas von Bedeutung nahmen und es in etwas anderes verwandeln wollten, angestrengt unterdrückt.

Isabelle, die sich deutlich angesprochener fühlte als Adam, grinste über etwas. Sie lehnte hinter Adam am Kaminsims, ihre Dolche lässig an ihrem Waffengurt baumelnd. Dafür, dass sie bald schon eine Party schmiss, auf die sie sich seit Tagen gefreut hatte, war sie mit vollem Eifer dabei. Wahrscheinlich, weil es ohnehin nicht die Party an sich war, auf die sie sich gefreut hatte, sondern vielmehr der Nervenkitzel des ungewissen Adrenalins.

„Der Kampf startet in der Mitte. Sobald einer von uns mehr als drei Schritte seiner Seite verliert, muss man einen Schluck trinken. Wenn einer es schafft, den anderen die Schräge runterzuzwängen, trinkt der Verlierer zwei. Wenn man die Regenrinne berührt, drei." Isabelle sah so zufrieden mit sich selbst aus, dass ich ihr im Anbetracht ihrer Worte diesen Ausdruck am liebsten direkt mit einem Schwerthieb vom Gesicht gefegt hätte.

Adam, der immer noch an der Stelle stand, wo wir hochgeklettert waren, drehte das Heft seines Schwertes in seiner rechten Hand; seine starke Hand, mit der er meistens Waffen führte. Mit der Verzögerung weniger Sekunden hob er seine linke Hand und hielt provozierend die durchsichtige Flasche empor. Das Mondlicht traf auf das Kristallglas und wurde von dessen facettenreichen Oberfläche schwach in alle Richtungen zurückgeworfen. Der Scotch glitzerte wie ein Meer aus flüssigem Bernstein. Nur der Gedanke, einen weiteren Mundvoll zu trinken bereitete mir eine Gänsehaut.

„Ihr wollt es wirklich darauf ankommen lassen, oder?", schnaubte ich und wippte in Ironie mit dem Kopf.

„Guck mich nicht so an, das war nicht meine Idee." Ein leichtes Grinsen zierte Adams Mund. Das Weiß seiner Zähne blitzte im Schein des Monds eine Spur intensiver, was ihm einen fast unheimlichen Anblick verlieh. Doch das erste Mal seit einer ganzen Weile sprach er mit mir, als wären wir tatsächlich noch Freunde. Als wären die letzten Tage nur ein Traum gewesen. „Ich bin immun gegen Alkohol, du ... nicht so richtig. Das bringt nur die Chancen eines ebenbürtigen Kampfes ins Lot. Was Isabelle angeht ... mehr als du wird sie sicher vertragen."

„Niemand ist immun gegen Alkohol", warf Isabelle ein ohne Adam anzuschauen und drehte einen Dolch zwischen ihren Fingern, als wäre er nichts als ein harmloser Stift. „Aber ja, ich halte definitiv mehr aus als Clary." Als nächstes erdreistete sie sich, die Augen in theatralischer Manier zu verdrehen.

„Wie ihr wollt", murmelte ich so leise, dass sie es nicht hören konnten, den Rest des Satzes jedoch laut genug. „Noch eine letzte Regel: Wer vom Dach fällt, muss den Rest der Flasche austrinken."

Ohne auf eine Reaktion zu warten, stürzte ich mich nach vorn, direkt auf Isabelle zu. Diese hatte gerade noch Gelegenheit, ihren Dolch hochzureißen, als ich bereits meine Waffe auf sie hinabsausen ließ.

„Das ist unfair!", brachte sie unter einem bebenden Lachen hervor, welches auf meine Klinge überschwappte. „Wir fangen in der Mitte an!"

„Das ist nicht unfair, das ist die Realität!", entgegnete ich, zeigte nun meine eigenen Zähne und schaute aus dem Augenwinkel zu Adam herüber, der gerade den Scotch auf dem Sims des Schornsteins abstellte.

Zu früh gefreut, denn Isabelle wechselte von Dolch zu Schwert und steckte all ihre Kraft in ihren nächsten Schlag und da ich nicht auf die Schräge ausweichen konnte, ohne Punkte zu verlieren, musste ich zurückweichen. Ein Schritt, zwei Schritte. Ich duckte mich unter ihrem nächsten Hieb weg und schlug mit der flachen Seite meines Schwertes gegen ihren Oberschenkel. Isabelle taumelte über das Gefälle des Dachs und ich wollte bereits aufspringen, um ihr den Scotch zu holen, als sie im Rutsch ausholte. Ich sah nur noch etwas Silbernes in meinem Augenwinkel aufblitzen, dann stieß etwas seitlich gegen meine Schultern und ich verlor mein eigenes Gleichgewicht.

Auf der anderen Seite des Dachfirsts hörte ich Isabelle in schallendes Gelächter ausbrechen. Eine Minute später hockten wir neben Adam am Schornstein und er reichte mir vergnügt die Flasche, nachdem er zwei Schlucke getrunken hatte, obwohl er noch gar nicht dran gewesen war. Seine Augen hefteten sich auf meinen Kehlkopf, um zu überprüfen, dass ich mich meiner Strafe auch wirklich unterzog. Darauf konnte nun ich nur die Augen rollen.

Adam und Isabelle verloren die nächsten zwei Runden. Einmal drängte ich Adam vier Schritte zurück. Beim zweiten Mal wurde ich etwas leichtsinniger und sprang in einem blitzschnellen Manöver über Isabelle hinweg, so wie damals auf der Krankenstation in New York, und traf sie am Rücken. Sie versuchte krampfhaft, ihre Balance zurückzuerlangen, aber ich verpasste ihr direkt den nächsten Hieb, ehe sie sich umdrehen konnte. Einen Wimpernschlag hatte sie noch über der Kante geschwankt, im nächsten knallte sie Schulter voran auf die Dachziegel und rutschte den gesamten Weg bis zur Regenrinne herunter.

Mein Gelächter donnerte über das Dach hinweg – so laut, dass mich die ganze Nachbarschaft hören musste.

Oh, das wirst du bereuen, Morgenstern", spuckte Isabelle unter zusammengebissenem Kiefer hervor. Sie stützte sich auf die Knie, verstärkte den Griff um ihre Klinge und richtete ihren Blick in einem Laserfokus auf mich. Unter dem gespielten Ärger zuckten ihre Lippen in dem Bedürfnis, sich meinem Lachen anzuschließen. „Regeländerung", fuhr sie fort, als sie an mir vorbei die Ziegel hochkletterte und zu Adam herüberschlenderte, der die Flasche bereits in der Hand hielt. Der Glasverschluss klirrte als er ihn von der Flasche hob und so gierig trank, als wäre ihr Inhalt Wasser und kein hochprozentiger Alkohol. Das machte mich nun doch stutzig, weil er wieder trank obwohl er gar nicht gekämpft hatte. Erst danach reichte er die Flasche an Isabelle weiter. „Wenn einer der Neigung erliegt, muss der andere folgen. Die Runde endet, wenn einer an eines der beiden Enden unten gedrängt wird und kein Schritt nach hinten mehr möglich ist. Die Kante kostet vier Schlucke. Sie werden aufaddiert und später auf einmal getrunken."

„Ganz wie du willst", surrte ich und winkte Adam für die nächste Runde zu mir herüber.

Adam war ein schneller Lerner. Sobald ich den Trick mit dem Sprung einmal aus dem Hut gezaubert hatte, blockte er jeden weiteren solchen Versuch ab. Diese Runde zog sich deutlich länger. Wir attackierten, parierten und Adam hatte Spaß daran, mit den beliebigsten Dinge herauszuplatzen, um mich aus der Fassung zu bringen.

Mit dem bisschen Alkohol in meinen Adern fiel mir das Lachen deutlich leichter. Es fiel mir deutlich leichter, mit Adam zu lachen – mir einzureden, dass in dieser Blase alles mit rechten Dingen zuging. Dieses wärmende Gefühl in meiner Mitte war eine willkommene Abwechslung zu all der Furcht und Sorge der vergangenen Tage, solange sie nicht überhandnahm. Ich wollte mich nicht wieder so gehen lassen wie beim Ball. Der Unterschied zwischen Euphorie und Unzurechnungsfähigkeit mochte groß sein, aber ich kannte meine Grenzen bezüglich Alkohols nicht. Und so war diese Art des Trinkens, immer wieder ein wenig anstatt viel auf einmal, deutlich unterhaltsamer. Die Tatsache, dass ich Adam ohne einen Stich in meiner Brust anschauen konnte, weil plötzlich nur noch die guten Dinge zählten, machten es umso besser.

„Wie gern ich Imogen Herondale mal etwas Scotch in den Tee mischen würde. Betrunken würde sie bestimmt Welten niederreißen."

Einen Atemzug lang war mein Hirn wie leergefegt, dann bebte ich vor Lachen und stolperte über meine eigenen Füße. Das Bild von Imogen, wie sie irgendetwas tat außer Schmollen, fand keinen Weg in meinen Kopf. Und so lachte ich immer noch, als Adam mir den Todesstoß versetzte und ich mich gerade noch fing, ehe ich die Schräge runterrutschte. Ich wollte meinen Körper schon zu einem Halt bringen, als ich mich an Isabelles Regeländerung erinnerte. Und so nutzte ich meinen Vorsprung, um Adam noch bevor er die Regenrinne erreicht hatte, zur Dachkante zu drängen.

Da wir die Runde beide verloren hatten, tranken wir beide – er vier und ich zwei. Der Scotch setzte meinen Mund in Brand und ich hustete in Konsequenz. „Beim Erzengel, das ist widerlich."

Sobald ich die Glasflasche in Adams wartende Hände gedrückt hatte, wirbelte ich herum und stolzierte davon. Ich hatte einen Schritt getan, als der Anflug eines Schwindels in meinem Kopf einsetzte. Weit entfernt von meinem Fokus und am Rande meiner Vision – kontrollierbar, aber präsent. So durfte es bleiben, aber nicht viel stärker.

Als ich mich zu Adam umdrehte, wurde mir klar, dass – obwohl er auf seine Resistenz pochte – auch er den ersten Effekten des Alkohols unterlag. Es gab wohl einen Unterschied zwischen zwanzig Jahre altem Scotch und albernen Glitzergetränken, deren Alkoholgehalt niedrig genug war, als dass er von Zucker überdeckt werden konnte.

Ich schielte zu Isabelle herüber, doch ihre Aufmerksamkeit lag nicht auf uns, sondern auf dem Abendhimmel. Sie versuchte, die Uhrzeit zu erfassen. Nicht mehr lange, bis die Feier losgehen würde. Mit einem Seufzer sprang sie vom Kaminsims auf, machte jedoch keine Anstalten, mir für unseren Kampf entgegenzukommen. „Ich muss los und mich um die letzten Sachen kümmern, bevor gleich die Gäste kommen. Kommt ihr hier allein klar?"

Ich konnte Adams Augen auf mir spüren noch ehe ich mich ihm zuwandte. Und während ich das Gefühl hatte, dass meine Mauern ziemlich intakt waren, waren seine weiterhin eingerissen. Trotz des Alkohols, der seine Stimmung deutlich angehoben und unseren Konflikt weitestgehend ausgehebelt hatte, war der Wandel in seinen Emotionen deutlich erkennbar. Unbehagen schlummerten in den Tiefen seiner waldgrünen Iriden. Dabei sollte ich doch die sein, die Unbehagen verspürte, oder nicht?

Eine stille Konversation trat zwischen uns los. Ich horchte in mich hinein und fragte mich, ob ich schon bereit war, um mich Adam allein zu stellen. Ob ich jemals bereit dafür sein würde. Kein Wort kam Adam über die Lippen – er wartete darauf, dass ich den ersten Zug tat, dass ich die Entscheidung fällte. Es überraschte mich nicht, dass ein Teil von mir diese ohne zu zögern bejahen wollte. Ich hing nach wie vor an diesem Jungen, an meinem ersten Freund. Und auch wenn er Mitschuld an dieser Wunde trug, konnte er auch dazu beitragen, diese wieder zu schließen. Er konnte das Kapitel beenden, welches ihn dazu verleitet hatte, mir wehzutun und ein Neues aufschlagen. So wie ich es getan hatte.

Mein Kopf setzte zu einem Nicken an und die sofortige Erleichterung auf Adams Zügen war unübersehbar. Als würde man einer dunklen Wolkenscharr dabei zuschauen, wie sie das Weite suchte und einen klaren, blauen Himmel zurückließ. „Wir kommen klar", sagte ich deshalb und wusste noch während ich die Worte aussprach, dass ich richtig entschieden hatte; dass Adam mir nicht noch einmal in den Rücken fallen würde.

„Dann bis gleich. Clary, ich nehme dein Fenster als Einstieg", war alles, was Isabelle sagte, ehe sie über das Dach spazierte und auf Höhe meines Zimmers außer Sichtweite kletterte.

Wortlos stieß Adam sich vom Sims ab und kam mir entgegen. Er griff nach dem Schwert an seinem Gurt und wog es in der rechten Hand, ein nachdenklicher Ausdruck in den Augen. Als er hochsah, war der Nebel um diese dicht genug, um die eingebrochenen Mauern auszugleichen. Mein Mund spannte sich bereits, um meine Sorge über seinen Geisteszustand kundzutun, als ihm ein einziges Wort über die Lippen kam. „Danke."

Manchmal waren es die kleinen, unscheinbaren Dinge, die den größten Wert besaßen. Der Samen in der Erde, die Bakterie im Wasser, der Sauerstoff in der Atmosphäre. Genau so fühlte sich dieses Danke an: Als würde es meine Welt nachhaltig verändern; als würde es ein neues Zeitalter anbrechen.

Also hielt ich den Mund, löste die Anspannung aus meiner Mimik und nickte Adam zu. Synchron gingen wir in Ausgangsposition über und ich überlegte mir eine neue Strategie, wie ich ihn den Abhang des Daches runterbekommen konnte. Adam gab mir keine Bedenkzeit, infolgedessen ich erst vor seiner Klinge zurückwich. Das hier war zwar kein echter Kampf, aber ich musste über den Tellerrand hinausblicken und mich nicht von irgendwelchen Regeln einschränken lassen. Wäre das hier ein realer Kampf, würde ich das gesamte Dach für meine Zwecke nutzen und nicht darauf warten, dass einer von uns den anderen das Gefälle hinuntertrieb.

Also tat ich das Erste, was mir in den Sinn kam, als ich Adams Schwert mit einem herben Schlag begegnete. Ich blickte ihm direkt in die Augen, schmunzelte und ließ mich seitwärts von der Schwerkraft in die Tiefe ziehen.

Ein aufgebrachter Schrei folgte mir, Adam offensichtlich direkt auf meinen Fersen und von meiner Taktik aus der Bahn geworfen. Perfekt. Noch während des Hinabgleitens drehte ich mich um meine eigene Achse, sodass ich Adam direkt konfrontieren konnte. Unsere Schwerter sprühten Funken, als sie aufeinandertrafen – klirrten wie schrille Stimmen durch den friedlichen Abend.

Der Absatz meines Stiefels blieb in der Regenrinne hängen und ich wich beiseite. Die minimale Hoffnung, dass Adam über die Rinne hinwegfliegen würde, verpuffte, als er weniger elegant aber umso energischer zu mir herumwirbelte. Eine Parade aus aufeinander prasselnden Schlägen folgte, während wir um die Vorherrschaft kämpften. Hier unten hatte ich weniger Raum als oben und so musste ich mit dem Platz in meinem Rücken arbeiten, der mich aber im Zweifel näher an meine eigene Niederlage treiben könnte. Aus dem Augenwinkel nahm ich die Regenrinne zur Kenntnis, deren silberner Glanz mich durch den Mondeinfall minimal blendete.

Gerade als irgendwo unter uns die Türen zum Garten aufgeworfen wurden, legte sich der Plan, diese Runde zu gewinnen, wie von selbst in meinem Kopf zurecht. Ich nahm nur aus der Ferne wahr, wie von unten verwirrtes Gemurmelt hochdrang. Eine Frauenstimme, die sich selbst von hier oben verdächtig nach Isabelle anhörte.

Adam holte für den nächsten Schlag aus und ich musste meinen Plan in die Tat umsetzen. Ich duckte mich unter seinem Schwert hindurch und er wollte bereits zurückrudern, um mich von einem Sprung über seine Schultern abzuhalten. Doch das war nicht meine Intention und seine Missinterpretation steigerte die Freude meines nächsten Schritts. Stattdessen ließ ich den strengen Halt um meine Balance los, lehnte mich stärker nach vorne als gut war, über den Rand der Rinne hinweg. Einen Moment lang blickte ich direkt in Isabelles geweiteten Augen. Ihre belustigt und verblüfft, meine kühn und amüsiert. Dann verlangte die Schwerkraft nach meinem Körper und ich fiel vornüber von der Rinne.

Isabelle riss den Mund in einem Schrei auf, ebenso wie Adam über mir. Für einen wundervollen, freien Augenblick rauschte ich durch die Luft, ungezähmt wie der Wind. Bis mein rechter Arm hochschoss und meine Finger sich um den Rand der Rinne schlossen. Ich spannte jeden Muskel meines Körpers an als ich mich dem Schwung hingab – ich brauchte so viel Schwung wie möglich, wenn das hier in meinem Sinne ausgehen sollte. Ein Blinzeln später flog ich wieder, nur nicht mehr dem Boden entgegen, sondern hoch hoch hoch in die Luft! Zur Stabilisierung streckte ich beide Arme horizontal aus, bis meine Füße sanft wie die einer Katze hinter Adam auf dem Dach landeten.

Adam, der wohl noch überraschter über diese Wendung der Ereignisse war, entglitt ein schriller Laut. Mein linker Arm schnellte in die Höhe und ab da war es ein Kinderspiel, ihn ans Ende seiner Seite zu drängen. Noch ehe er sich am Rand des Abgrunds seine Niederlage eingestand, neigte ich mich in einer theatralischen Verbeugung nach vorn. „Mit freundlichen Grüßen, Valentin Morgenstern."

Adam klopfte sich auf die Schenkel vor Lachen, seine Wangen vor Anstrengung und Alkohol gerötet. „Beschissene Eltern hin oder her, deine haben dir wenigstens etwas beigebracht!" Es sollte abschätzend klingen, aber er konnte den Spaß nicht herunterschlucken.

Ihn so zu sehen reichte, um meine Erinnerungen an Jonathan aufzufrischen. Es war es wert gewesen, hier hochzukommen und seinen bescheuerten Regeln zuzustimmen.

Beim Erzengel!", quietschte Isabelle von der Terrasse zu uns hoch. Adam und ich beugten uns zu ihr herunter, nur um festzustellen, dass unser Publikum sich um Alec und Jace vergrößert hatte. Alec tatsächlich amüsiert, als könnte er seinen Augen nicht trauen. Jace mit verschlossener Miene und vor der Brust verschränkten Armen. Und hin war meine eigene Belustigung. Na klasse.

„Was macht ihr beiden da oben?", wunderte sich Alec.

Unsere Blicke glitten zeitgleich zu Isabelle, die uns mit einem Grinsen begegnete. Anscheinend hatte sie ihren Brüdern verschwiegen, wo sie bisher gesteckt und was sie gemacht hatte. Natürlich hatte sie das. Wahrscheinlich meinetwegen, wenn ich mir Jace so anschaute. Und anders als Adam las man ihr den Alkohol nicht an den Augen ab.

Adam winkte zu ihnen herunter, als bemerkte er die Drei erst jetzt. Er bewegte sich auf mich zu, auf die Mitte des Daches. „Hi, Alec!"

Das reichte und ein Lachen, welches mir im Bauch schmerzte, barst aus mir heraus. Selbst aus meiner Entfernung sah ich, wie Isabelles Züge sich verdunkelten. Oh ja, sie war beleidigt, dass sie gegangen war, bevor der Spaß so richtig angefangen hatte. Ich zentrierte meinen Fokus auf sie, ignorierte Jace so gut es ging. Der Alkohol machte es einfacher; sorgte dafür, dass mein Lachen immer noch echt war. Auch wenn ich mir ziemlich sicher war, dass ich ohne ihn deutlich weniger zu lachen hätte.

„Er hat gefragt, was wir hier machen", zischte ich Adam entgegen und gestikulierte überdeutlich zu ihnen herunter.

„Wir trainieren nur", rief Adam und hielt sein Schwert in die Höhe, wobei er es mir dabei um Haaresbreite um die Ohren gehauen hätte.

Ich duckte mich schnell darunter hinweg. „Pass doch auf!"

Die Reaktion der Zwei war unbezahlbar. Sie starrten zurück, als hätte Adam den Verstand verloren. Schließlich deutete Adam auf das Dach unter unseren Füßen, als hätte er mich nicht gerade beinahe geköpft. „Selbst einige der beschissensten Eltern bereiten ihre Kinder auf reale Kampfbedingungen vor. Kinder von anderen beschissenen Eltern jedoch ... müssen sich das Wissen von Freunden erschnorren."

„Bist du betrunken?" Alecs Stimme zeugte von Belustigung und Ironie. Isabelle neben ihm kicherte über Adams bescheuerte Antwort. Alec hatte seine Frage nur zur Hälfte ernstgemeint und keiner von ihnen, mit Ausnahme seiner Schwester, hatte begriffen, was genau wir hier oben nun eigentlich trieben.

Adam und ich wechselten einen langen Blick. Seine grünen Iriden schimmerten schalkhaft und er hob im Stillen die Brauen, suchte nach meiner Erlaubnis. Trotz seiner gehobenen Laune wollte er ihnen nicht die Wahrheit sagen; wollte sich nicht vor ihnen entblößen, wie er es vor Isabelle und mir getan hatte. Ich stöhnte in mich hinein.

Dankbarkeit flog über seine Pupillen, eher er sich wieder Alec zuwandte und sein Lächeln zu neuen Maßstäben anwuchs „Wir üben Kämpfe unter realistischen Bedingungen. Clary ..." Er schwankte in der fieberhaften Überlegung. „Sie hatte Angst, dass Jonathan sie vielleicht hier aufsuchen würde und ..." Adam hörte, wie ich auf seiner rechten scharf die Luft bei der Erwähnung meines Bruders einzog. Sein Kopf schnellte in meine Richtung und eine Entschuldigung schwebte dort. Hastig fuhr er fort. „Ihre Verteidigung auf einem Dach lässt wirklich zu wünschen übrig. Falls er kommt, wird sie auf jeden Fall sterben."

Meine Mundwinkel, die sich gerade schon zu einem Schmollen verzogen wollten, zuckten nun in Überforderung. Ich schlug Adam so energisch gegen seine Schulter, dass er rückwärts von mir forttaumelte. „Witze über meinen Vater sind ok, aber ..." Selbst jetzt konnte ich seinen Namen nicht aussprechen. Obwohl sein Kommentar mein Grinsen nicht weggewischt hatte und der Drang zu Kichern, überwältigend war. Das kam davon, wenn man ernste Themen mit Witzen vermischte. Diese Gefühle waren so verwirrend. „Alles andere ist unter der Gürtellinie."

Adam hob die Arme in einer Friedensgeste und schwankte weiter nach hinten. „Nicht böse gemeint", sagte er im gleichen Moment, wie Alec voller Erstaunen von unten rief „Beim Erzengel, ihr seid ja wirklich betrunken!"

„Nur fürs Protokoll", aber Adam verlor den Faden und jede Verneinung wäre bei seinem Zustand ohnehin eine offensichtliche Lüge gewesen. Die letzten Schlucke mussten zu viel gewesen sein. Er hatte bei sich zuhause schon zwei ganze Gläser getrunken und im Laufe des Kampfes auch mehr Niederlagen als ich einstecken müssen. Auf einmal sah man es ihm ziemlich deutlich an. „Wir schaffen nur realistische Bedingungen! Kann ja sein, dass Clary unter Alkoholeinfluss steht, wenn", er verschluckte sich am Namen meines Bruders „jemand sie holen kommt."

„Trinktraining!", stellte Isabelle empört fest, als wäre das Ganze nicht ihre Idee gewesen. Wenn man bedachte, dass wir den gesamten Tag gemeinsam unterwegs gewesen waren und zumindest Alec davon wusste, wunderten mich die plötzlich misstrauischen Blicke nicht, die ihr entgegenkamen.

„Wir sind nur angetrunken", verkündete ich und stemmte meine Hände in die Hüften, während ich auf sie herabblickte. „Komm hoch und hilf mir, Adam vom Dach zu stoßen."

Isabelles rote Lippen hoben sich in einem sadistischen Grinsen. „Nichts lieber als das."

„Gegen Clary anzutreten war eindeutig eine schlechte Idee, Adam", rief Alec. Er lehnte gegen die offene Terrassentür, die Kiste mit Getränken zu seinen Füßen vergessen. Seiner Laune nach zu urteilen, musste es mit Magnus gut gelaufen sein, weil er sonst kaum etwas Gutes über mich zu sagen hatte.

„Mir geht's ausgezeichnet." Unter Beweislast zeigte Adam mit seinem Schwert auf mich. Seine Armmuskeln spannten, als er über mich herfiel. Ich stand seitlich zu ihm, was unfair hätte sein können. Wenn das hier tatsächlich Jonathan wäre.

Meine Füße bewegten sich instinktiv über die Regenrinne, die unter unserem Gewicht knarrte. So graziös wie immer beugte ich meinen Rücken nach hinten und seine Klinge glitt über mich hinweg. „Netter Versuch."

Ich machte mir nicht die Mühe, einen Gegenangriff zu starten, weil ich das Gefühl hatte, dass unsere Zeit vorbei war. Adam allerdings schien mit einem Gegenzug von mir gerechnet zu haben, weil sein Körper sich in Kalkulation bereits zu mir lehnte. Als von mir jedoch nichts kam, gab es kein Gewicht, auf das seine Klinge hätte treffen können. Ich spürte den Stimmungswechsel von unten wie einen sechsten Sinn in meinem Nacken pochen.

Adam strauchelte geradewegs auf mich zu, aus dem Gleichgewicht wegen meines fehlenden Konters. Er riss die Augen auf, als er merkte, dass er die Balance nicht wiedererlangen würde. Sein Mund öffnete sich, unwissend, was, außer einer Warnung, er mir mitteilen sollte. Doch es war bereits zu spät, denn das Einzige, was ihn vom freien Fall abhielt, war ich, weil ich in seinem Weg stand.



-

Das hier kann man nur als Crack-Kapitel bezeichnen. Keine Ahnung, ob ihr mit der englischen Fanfiction Sprache vertraut seid, aber wenn man etwas Crack nennt bedeutet das so viel wie übertrieben absurd oder bizarr. Also nehmt dieses Trinkspiel nicht zu ernst, ich hatte einfach Spaß mal etwas lustigeres zu schreiben und war im Flow, weil ich dieses Lied die ganze Zeit im Hintergrund gehört hab und es mich an meine Jugend erinnert hat. Rip an 2014-2016, das waren so geile Zeiten lol.

Lasst mich gern wissen, was ihr von dem Kapitel haltet! Wir haben hier ja auch eine Annäherung zwischen Clary und Adam drin, wie gefällt euch das?

Bis bald
Skyllen :)

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top