Kapitel 7.3. - City of Bones

Wieder drehte ich mich herum und starrte in das Gesicht eines großen Mannes. Konnte man ihn überhaupt noch Mann nennen? Sofort war der Schatten auf der Treppe vergessen. Mein Fluchtinstinkt meldete sich und drängte mich, davon zu rennen, als das Feuer seltsame Schatten auf seine Narben warf. Mein Vater hatte uns vor ihren Riten gewarnt. Sie waren gefährlich und konnten einen normalen Schattenjäger sofort töten, ohne die richtigen Runen.

„Bruder Jeremiah", wisperte Maryse und nickte respektvoll. Die Stillen Brüder genossen ein hohes Ansehen in der Gesellschaft der Schattenjäger. Es war eine große Ehre, der Bruderschaft beizutreten. Und es war ein noch größeres Opfer. „Wir Ihr bereits wisst, habe ich zwei Mitgliedern der Morgenstern Familie Zuflucht im New Yorker Institut gewährt."

In der Tat, Jocelyn und Clarissa Morgenstern.

Meine Mutter schritt vorwärts und nahm meine Hand, damit ich ihr folgte, als sie sich an Adam vorbeidrängte. Ich fühlte mich zutiefst verunsichert. Furcht floss mir durch die Adern und ließ mich gefrieren. Wieso musste ich mit ihnen reden? Wie sollten die Stillen Brüder mir helfen? Wütend entriss ich mich aus dem Griff meiner Mutter. Ich sollte keine Angst vor ihnen haben, es war lächerlich. Sie waren schließlich hier, um mir zu helfen.

Ich habe eine Menge über dich gehört, Morgensterntochter.

Irgendwie war das klar gewesen. Ich seufzte. Wieso musste mich jeder bereits kennen, bevor ich sie kannte? Bruder Jeremiah beugte sich zu mir hinab. Seine langen knochigen Finger berührten meine Schläfe. Bestürzt zuckte ich zurück. Seine Finger waren eiskalt, wie wenn kein Blut durch seinen Körper strömte.

Du musst dich entspannen, Clarissa.

Seine Stimme echote durch meinen Kopf und ich bemerkte, dass er nur zu mir gesprochen haben musste, denn die anderen beobachteten uns alarmiert. Als wenn ich jede Sekunde in Flammen aufgehen könnte.

Folgt mir, ich werde euch zu den anderen geleiten.

Wir taten, was er sagte, und folgten ihm in einen weiteren, breiteren Korridor. Mehrere Gänge zweigten von ihm ab und führten in andere Teile der Stillen Stadt, welche wir wahrscheinlich niemals zu Gesicht bekommen würden. Langsam wurde die Atmosphäre ein wenig angenehmer. Alte Teppiche, Waffen und Wappen hingen an den Wänden. Wir stiegen eine weitere deutlich breitere Treppe hinab, passierten Büchereien und sogar eine Wasserquelle. Alles war in das Licht der Fackeln getaucht und je tiefer wir in die Erde eindrangen, desto höher wurde die Decke über uns und desto schöner die Ausstellungsstücke. Ein Erzengel war an die Decke gemalt worden und sofort musste ich an das Institut denken. Wie in Trance führte Jeremiah uns durch die Gänge. Wir konnten uns nur stumm fragen, wofür wohl all die Räume einst gemacht worden waren, an denen wir vorbeigingen. Er erklärte nichts, sondern blieb still, wie es sein Kodex von ihm verlangte. Vielleicht erachtete er dieses Wissen als nicht relevant für uns. Er teilte nur die nötigsten Informationen mit uns.

Nach vielen Korridoren blieb Bruder Jeremiah schließlich stehen und drehte sich zu uns um. Wir standen in einem kreisrunden Raum. In den Boden in der Mitte des Raumes waren Runen eingraviert, die einen kleineren Kreis formten. Das Material des Grundes war ein anderes als jenes, wo wir standen. Irgendwie erinnerte es mich an einen Ort zur Dämonenbeschwörung. Der Raum sah aus wie eine alte Höhle. Die Decke war uneben und Salzkristalle verschiedener Größen hingen von der ihr herab. Es war völlig dunkel und trotzdem konnte ich graue Silhouetten in den Schatten ausmachen. Sie schienen uns von allen Seiten zu beobachten.

Erst als ich meinen Blick vom Boden richtete, bemerkte ich, dass Bruder Jeremiah verschwunden war. Ich spürte den Klumpen in meinen Magen zurückkehren. Langsam drehte ich mich um. Maryse und Adam standen abseits und ihre Augen waren auf mich gerichtet. Meine Mutter war neben mir und sie drückte meine Hand. Ich warf ihr einen Blick zu. Sie nickte mir aufmunternd zu und dann ließ ich ihre Hand los und trat vorsichtig in die Mitte des Kreises. Dort wo meine Mutter meine Hand berührt hatte, pulsierte das Blut.

Clarissa Morgenstern. Die Stimme echote klar in meinem Kopf, als hätte tatsächlich jemand gesprochen. Du musst den Grund deines heutigen Besuches nicht erklären.

In diesem Augenblick leuchteten Fackeln an den Wänden auf und die Stillen Brüder traten aus den Schatten hervor. Sie sahen alle gleich aus und doch waren leichte Unterschiede erkennbar. Ich spürte die Kraft ihrer Stimmen, als sie alle gleichzeitig zu mir sprachen. Allgegenwärtig und vollkommen synchron. Und obwohl es mich faszinierte, fühlte ich die Furcht tief in meiner Brust brennen.

„Wieso?" Meine Stimme war rau und schien Meilen entfernt. Ich erkannte Bruder Jeremiah. Die Stillen Brüder blieben in einer runden Formation um mich herumstehen. Ich streckte den Rücken und hob meine Schultern an. Sie durften meine Angst weder sehen noch fühlen. Es würde mich schwach dastehen lassen. Einer der Brüder kam langsam auf mich zu und hob seine rechte Hand in meine Richtung. Ich starrte ihn emotionslos an.

Wieso quälst du dich selbst?

Seine Frage warf mich aus der Bahn. Mich selbst quälen? Ich tat nichts dergleichen. Verwirrt presste ich die Lippen aufeinander.

Deine Emotionen machen dich zu dem, was du bist. Seine dünnen Finger berührten meine Schläfe. Ich kann deinen inneren Konflikt spüren. Die Kämpferin in dir versucht stark zu sein, aber du bist alleine. Valentins Macht ist sehr stark. Viel stärker als deine.

Natürlich war er mächtiger als ich. Verärgert verengten sich meine Augen zu Schlitzen. Er war immerhin mein Vater und kannte mich in und auswendig. Meine Stärken sowie meine Schwächen.

Er wollte dich vor deinen Schwächen beschützen. Verwirrt hob ich den Kopf und erinnerte mich wieder daran, dass sie keine Augen besaßen, in die ich hätte hineinschauen können. „Beschützen wovor?" Mein ganzer Körper war angespannt. Ich wagte es nicht, mich zu bewegen.

Valentin hat dich mit zwei Runen versehen. Eine weist Ähnlichkeiten mit unserer Ortungsrune auf. Sie ist allerdings viel stärker. Die andere Rune ist uns unbekannt. Keiner von uns kann sich erklären, wie er es geschafft hat, dich mit ihr zu versehen, ohne dir dabei zu schaden. Sie zeugt von großer Kraft.

Ich konnte Jeremiahs Worten nicht glauben. Runen, welche den Stillen Brüdern unbekannt waren? „Ich kann keine von ihnen sehen", sagte ich. „Warum?"

Wir haben keine Antwort auf deine Frage, Clarissa Morgenstern. Aber wir können versuchen, eine Antwort herauszufinden. Nach den vergangenen Geschehnissen wird es das Beste sein, deinen Geist auf Schäden und eine Gedächtnisblockade zu untersuchen.

Ruhig nickte ich und hoffte, dass sie entfernen konnten, was auch immer mein Vater mir angetan hatte. Zu wissen, dass mein Vater und Bruder mich jederzeit angreifen konnten, war der wahrscheinlich schlimmste Gedanke, den ich mir ausmalen konnte. Wenn sie es erneut versuchten, würde ich wieder nicht in der Lage sein, mich zu verteidigen.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie der Rest der Gruppe den Raum verließ. Das Feuer erlosch und Dunkelheit umgab mich.

Als mir klar wurde, dass ich alleine mit Lebewesen im Raum war, die sich selbst verstümmelten, wurde mir plötzlich noch kälter. Ich durfte nicht in Panik verfallen. Also schloss ich meine Augen und rief mir ins Gedächtnis, dass sie mir nur helfen wollten. Sie waren ebenfalls einst normale Schattenjäger gewesen, so wie ich. Sie haben sich dieser Qual hingegeben, um dem Rat und der Gesellschaft der Nephilim zu dienen.

Mein Kopf fühlte sich schwer und taub an. Und auf einmal begann ich zu schreien. Was war los? Verzweifelt versuchten sich meine Augen zu orientieren, doch es war zu dunkel, um etwas zu erkennen. Es fühlte sich an, als würden sie all meine Nerven auseinanderreißen. Mit jedem Schrei trennten sie mich ein wenig mehr von meinem Körper. Ich spürte eine dumpfe Berührung an meinem Rücken. Während der Schreie stellte ich schließlich fest, dass ich auf dem Boden lag. Nach Luft schnappend spürte ich den Rhythmus meiner Schreie, das Pulsieren meines Herzens, das mit jedem weiteren Schrei noch schneller zu schlagen schien. Aber es gab keinen Schmerz. Ich kannte den Grund meiner Schreie nicht, ich fühlte keinen Schmerz. Und dann, als ich glaubte, dass meine Stimmbänder reißen würden, sah ich sie plötzlich.

Bilder. Sie flogen an mir vorbei, viel zu schnell, um sie sich genau anschauen zu können. Ich erkannte kalte Wintertage, Wälder, Valentin, Jonathan und ich zusammen in einem Raum, der mir unbekannt war. Beinahe hätte ich beschreiben können, was sich auf den einzelnen Bildern ereignet hatte, doch irgendwie schien es mir nicht über die Lippen kommen zu wollen. Als wenn jemand meine Zunge festgebunden hätte, um mich davon abzuhalten, zu reden. Es machte keinen Sinn. Als wenn mir jemand dieses Wissen genommen hätte, nur um Bruchstücke von Erinnerungen zurückzulassen, die ich nicht einordnen konnte.

Eine Sekunde später kamen alle Erinnerungen auf einmal zurück. Ich wich zurück, obwohl es sich alles nur in meinem Kopf abspielte. Sie fluteten mein Gehirn wie eine riesige Welle, ohne mir die Möglichkeit zu geben, mich auf die Masse an Informationen vorzubereiten. Valentin beugte sich über mich. Ich hatte ihn nicht kommen hören.

„Clarissa, sie kommt. Sie wird jede Sekunde hier sein. Wir müssen uns beeilen." Mein Vater griff nach meinem Arm und platzierte die Stele auf meiner Haut. Ich stand auf und mein Blick fiel auf Jonathan, der unsicher gegen die Wand lehnte. Seine grünen Augen waren geweitet und er starrte mich traurig an.

„Es tut mir leid, Clary. Ich wollte dir nicht wehtun, du weißt doch, dass ich so etwas niemals mit Absicht tun würde." Er sah jünger aus. Natürlich hatte er es nicht mit Absicht gemacht. Er würde das niemals tun.

Ich nickte und lächelte ihn an, während mein Vater mein Shirt im Nacken zur Seite schob und eine Rune zeichnete. „Mach dir keine Sorgen", sagte ich über meine Schulter hinweg. „Die Iratze wirkt bereits. Es war nur ein dummer Unfall, das passiert doch andauernd beim Training." Mein Bruder schien sich durch meine Worte zu beruhigen. Sein Kiefer entspannte sich merklich und er setzte sich an den Holztisch.

Ich spürte, wie die Rune in meinem Nacken ihre Wirkung entfaltete. Doch etwas war anders. Das Brennen, welches den Effekt der Rune ankündigte, hörte nicht auf. „Clarissa, du musst mir jetzt genau zuhören", ergriff mein Vater das Wort und strich mir voller Zuneigung durchs Haar. „Du darfst niemandem von dieser Rune erzählen. Besonders nicht deiner Mutter oder jemand anders. Versprich es mir."

Ich musterte Jonathan, der nur seine Schultern zuckte. „Wieso darf ich es Mom nicht erzählen?" Sie war schließlich ein Teil dieser Familie.

Mein Vater lächelte sanft. „Du könntest sie in große Gefahr bringen. Aber das würdest du nicht wollen, oder?" Entschlossen schüttelte ich den Kopf, denn natürlich würde ich niemals etwas tun, was meiner Familie schadete. „Ich verspreche es."

„Ich wusste es. Du und dein Bruder würdet eure Familie niemals in Gefahr bringen. Es ist eine besondere Gabe, die ihr immer in Erinnerung behalten müsst." Ich spähte zu Jonathan. Sein Lächeln strahlte und seine grünen Augen funkelten.

oOo

Ich öffnete meine Augen. Mein Rücken meldete einen harten und kalten Untergrund. Langsam erhob ich mich und ein schwaches Stöhnen kam mir über die Lippen, als mein Kopf zu schmerzen begann. Hatte ich meinen Kopf aufgeschlagen? Verdammt.

Verdammt!

In einer blitzschnellen Bewegung drehte ich mich um, um den Raum zu beobachten. Valentin war fort und Jonathan mit ihm.

Etwas in mir zog sich zusammen. Du und dein Bruder würdet eure Familie niemals in Gefahr bringen. Bevor ich in Tränen ausbrechen konnte, schrie ich meine Wut heraus. All diese neuen Erinnerungen in meinem Kopf, die meisten waren vergessene Momente mit meiner Familie oder Jonathan im Besonderen. Doch einige waren anders. In meinem Kopf sah ich Valentin eine geheime Treppe hinabsteigen, von der niemand sonst wusste. Dinge, die er getan hatte, Dinge, die er von uns hatte fernhalten wollen.

Ich wusste nicht genau, wann die Stillen Brüder damit begannen, zu versuchen mich zum Aufstehen zu bewegen. Die Erinnerungen änderten alles tief in mir. Ich spürte ein Brennen in meinem Nacken. Als Bruder Jeremiah sich mir näherte, schlug ich mit aller Kraft, die noch in meinen Adern übrig war, nach ihm. Einen Moment später war ich auf den Füßen und rannte aus dem Raum. Ich konnte nichts sehen, meine Sicht war verzerrt und verschwommen und alles war blutrot. Meine Füße rannten. Ich hatte die Kontrolle über sie verloren. Jemand rief meinen Namen, doch es interessierte mich nicht. Sie hatten mich alle verraten.

Valentin hatte gewusst, dass Jocelyn ihn verlassen wollte. Er musste es gewusst haben. Sonst hätte er nie solche Vorkehrungen getroffen. Er hatte mich verraten, uns verraten. Er hatte Jonathan getötet und seinen Geist durch ein Monster ersetzt.

Ich sah sein Lächeln. Seine funkelnden Augen. Wieso hatte ich von alldem nichts geahnt? Valentin tauchte vor meinem inneren Auge auf. Wie hatte er sich gefühlt, als er seinen Sohn getötet hatte? Was war Jonathans letzter Gedanke gewesen? Sein Lächeln.

Ich brach auf dem Boden zusammen. Mein Schluchzen hallte durch den steinernen Korridor. Sie würden mich finden und denken, dass man mich in diesem Geisteszustand am besten wegsperren sollte. Doch ich hatte die Wahrheit erfahren. Sie würde mich einsperren, foltern und sogar töten können. Ich wollte ohnehin nicht ohne Jonathan weiterleben. In diesem Moment erkannte ich, dass ich den wahren Jonathan nie wieder sehen würde. Ich würde ihn niemals zurückbekommen. Denn er existierte nicht mehr. Und jedes Mal, wenn ich seinen Körper treffen würde, würde ich in die Augen dieser Kreatur schauen aber weiter nach meinem Bruder Ausschau halten.

Mein gesamter Körper bebte. Es war kalt und dunkel. Aus der Ferne vernahm ich Schritte, die sich näherten. Stimmen riefen meinen Namen. Das Feuer flackerte.

„Clary." Es klang wie ein Angriffsruf. Ich wusste nicht, wie oft ich meine Mutter meinen Namen bisher rufen gehört hatte. Es kümmerte mich nicht. Erst als ihre Hände meine Schultern berührten, reagierte ich. Meine Hände drückten sich gegen den Boden, als wenn er unter meiner Kraft nachgeben würde. Ich war mir sicher, dass ich wie eine Geisteskranke aussehen musste. Wie eine gefährliche Geisteskranke. Langsam drehte ich den Kopf und starrte sie mit geweiteten Augen an. Dunkle Tränen flossen ihr über die Wangen und sie atmete stoßweise. Jocelyn sank auf den Boden neben mir und beobachtete mich. „Clary, beim Erzengel. Was ist passiert?"

Ich schüttelte den Kopf. Ich konnte ihr nicht davon erzählen, obwohl ich eigentlich dazu verpflichtet war. „Ich habe sie gesehen", wisperte ich. Ihre Augen trafen meine in Verwirrung.

„Wen hast du gesehen, Clary?" Sie strich mir beruhigend über die Wange. Ich erkannte Adam hinter ihrem Rücken. Er war einige Meter entfernt stehen geblieben.

„Vater", meine Stimme geriet ins Straucheln. „Und Jonathan. Es war eine Erinnerung. Wir waren in einem Raum, ich konnte ihn nicht erkennen. Vater hat mir eine Rune aufgetragen. Er sagte, dass ich dir nichts davon erzählen dürfte, weil ich dich sonst in Gefahr bringen würde."

Der Ausdruck in ihren Augen veränderte sich. Ihre Miene verhärtete sich zu einer unlesbaren Maske. „Wo war Jonathan?"

Wie sollte ich ihr davon erzählen, ohne die ganze Zeit seine Augen in meinem Kopf zu sehen? Was würde er von mir denken, wenn ich ihr davon erzählte? „Er war bei uns. Und er schien glücklich. Er lächelte mich an und entschuldigte sich für etwas, das er während des Trainings getan hatte. Ich kann nicht genau sagen, wann die Erinnerung einzuordnen ist, aber Jonathan sah jünger aus. Vielleicht vor ein bis zwei Jahren." Da war es wieder. Sein Lächeln. Ich zuckte zurück und schüttelte meinen Kopf, um sein Gesicht aus meinen Gedanken zu vertreiben. Jocelyn blieb still. Sie wippte vor und zurück, als würde sie sich selbst beruhigen wollen. Meine Augen tränten. „Mom, er muss etwas von deinem Plan gewusst haben. Sogar Jahre vorher. Andernfalls hätte er nicht solche Vorkehrungen getroffen. Er kannte nur nicht den Tag unserer Flucht." Menschen veränderten sich über die Zeit. Zeit veränderte und erschuf Neues. Wie eine Schlange, die sich in etwas völlig anderes verwandelte, wenn sie sich häutete. Doch meine Mutter sagte nichts. Wie versteinert saß sie neben mir.

„Clarissa." Plötzlich stand Maryse hinter mir. Ich hatte sie nicht kommen gehört und drehte mich blitzschnell herum. Beinahe automatisch nahm ich meine Kampfhaltung ein, was Maryse' Augen nicht entging. Sie hob ihre Hände in einer besänftigen Geste und signalisierte mir, dass sie uns nichts Böses wollte. „Es tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken." Ihre Stimme klang ungewöhnlich aufgewühlt. Jocelyn saß immer noch auf dem Boden und schien von Maryse keine Notiz zu nehmen. „Ich habe mich bei Bruder Jeremiah nach deinem Zustand erkundigt. Valentin hat dich mit zwei Runen versehen und keine von ihnen steht im Grauen Buch." Meine Mutter zuckte zurück, als hätte sie jemand geschlagen. „Aber die Stillen Brüder sind sicher, dass eine der Beiden eine modifizierte Schutzrune ist. Die andere ähnelt unserer Ortungsrune."

Dann waren die Stillen Brüder in meiner Abwesenheit wohl doch auf den Sinn der zweiten Rune gekommen. Schutzrune. Valentin hatte mich beschützen wollen. Obwohl ... „Modifiziert?" Ich wollte zuversichtlich klingen, doch meine Stimme klang nicht mal annähernd lebendig. Ich klang wie ein kleines Mädchen, das geweint und geschrien hatte, bis ihr die Stimmbänder versagt haben.

Maryse' dunkles Haar war zu einem strengen Zopf geflechtet, der vor und zurück schwang, als sie nickte. „Sie glauben, die Modifikation hat es ihnen ermöglicht, in deinen Kopf einzudringen." Mein Magen zog sich mit einem Mal zusammen. Jede gute Nachricht musste in diesem Leben eine dunkle Kehrseite haben. Ich sah meinen Vater, der mir die Rune in den Nacken zeichnete. Die Art wie er mich anlächelte, als er geendet hatte. Es ist eine besondere Gabe, die ihr immer in Erinnerung behalten müsst.

„Allerdings und glücklicherweise hatten sie nie volle Kontrolle. Die Brüder konnten nicht sagen, ob Valentin in der Lage war, dich zu orten, aber er konnte definitiv nicht deine Gedanken lesen. Sie haben dir psychisch nicht schaden können." Ich konnte nicht sagen, ob diese Nachricht gut oder schlecht war. Mein Geist war in Ordnung, aber niemand konnte mir sagen, ob sie meinen genauen Aufenthaltsort wussten oder nicht.

„Was du sagen willst, ist, dass mein Vater bereits auf dem Weg nach New York sein könnte, um uns alle zu töten? Ich weiß nicht, was das mit Glück zu tun hat." Man konnte Maryse ansehen, dass es sie viel Mühe kostete, nicht in einem genauso unfreundlichen Ton zu antworten, wie ich ihn gerade verwendet hatte.

„Der Rat hat keine Portalaktivität, weder in Idris noch im Staat New York, ausmachen können. Das bedeutet, dass wir vorerst sicher sind. Magnus Bane überwacht die magische Aktivität innerhalb der Stadt. Falls sie kommen sollten, werden wir es wissen", erklärte sie in einem düsteren Ton und drehte sich zu Adam.

„Steh auf!" Ich klang überhaupt nicht rücksichtsvoll. „Ich möchte diesen Ort auf der Stelle verlassen." Zu meiner Überraschung befolgte Jocelyn meine Anweisung und stand langsam vom kalten Boden auf. Doch ihr Gesichtsausdruck änderte sich nicht.

„Darf sie überhaupt gehen?", fragte Adam Maryse. Seine Stimme klang unpersönlich und heiser. „Ich meine, sie ist wortwörtlich aus dem Raum geflohen. Haben die Brüder ihre ... Sache beendet?"

Maryse nickte langsam. „Bruder Jeremiah sagte, dass sie vorerst fertig sind. Sie haben es geschafft, beide Runen zu entfernen. Clary hat einige alte Erinnerungen zurückerlangt, von denen Valentin wollte, dass sie sie vergisst. Das ist alles, was sie jetzt für sie tun können, aber falls sich etwas wie gestern wiederholen sollte, muss Clary sofort in die Stille Stadt zurückkehren."

Ich warf Adam einen Blick zu. Er lehnte mit verschränkten Armen gegen die Wand und schaute mit versteinter Miene zu uns herüber. Seine Körpersprache strahlte Lässigkeit aus, doch sein Blick sagte etwas anderes. „Das klingt gut genug für mich", sagte ich, während ich ihn anstarrte. „Lasst uns zum Institut zurückkehren. Diese Prozedur hat ... mich müde gemacht."



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Hallo und willkommen zurück,

habe mein Passwort vergessen, deshalb habe ich so lange nicht hochgeladen. In Zukunft versuche ich, öfter zu updaten. Wie hat euch das Kapitel gefallen?

Liebe Grüße

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