Kapitel 65.2. - The Sword's Verdict
Imogen sprang zurück und riss mich zu meiner Überraschung gleich mit. Malachi brach in sich zusammen und fiel leblos vornüber vom Stuhl. Die Blutlache, die sich um seinen Kopf bildete, breitete sich mit jeder Sekunde weiter aus.
„Damit wäre mein erster Punkt erledigt", sagte Valentin reaktionslos, als hätte er gerade nicht einen Mann getötet. Zu meiner Überraschung war der Saal in unruhiges Schweigen verfallen. Mein Vater wischte sich die blutige Hand ab und wandte sich dann wieder Imogen zu. „Ah, Clarissa, wie nett, dass du uns Gesellschaft leistest. Ich habe von dem Massaker gehört, was du angerichtet hast. Ich hätte es nicht besser machen können." Er lächelte zufrieden. Als hätte ich genau gemacht, was er von mir erwartet hatte. „Und das führt mich auch gleich zu meinem zweiten Punkt."
Ich hatte das eindeutige Gefühl, mich übergeben zu müssen. Imogen hielt immer noch meinen Arm umklammert. Als würde sie nicht wollen, dass ich mich näher an meinen Vater heranbewegte, falls ich mich doch dafür entschied, die Seiten zu wechseln. Mich loszureißen, war keine Option, da ihr Griff dem von Eisen glich. Ich hob den Kopf und als unsere Blicke sich trafen, konnte ich die stumme Warnung in ihren blauen Augen nicht ignorieren. Keine Warnung, ihr zu gehorchen. Warnung, mich in Sicherheit zu begeben.
Als ich begriff, dass sie mich vor ihm zu beschützen versuchte, geriet ich ins Taumeln. Imogen glaubte, dass Valentin mir etwas antun würde, wenn ich ihm näherkam. So wie er Malachi ohne Vorwarnung ausgeschaltet hatte. Sie machte sich Sorgen, weil ich mich mehrmals deutlich von meinem Vater losgesagt und er mehrmals erfolglos versucht hatte, mich einzufangen. Imogen Herondale fürchtete sich um mich. Für mich. Das war noch seltsamer als die Tatsache, dass mein Vater gerade in einem Raum, der von Schattenjägern überquillte, einen von ihnen erfolgreich umgebracht hatte.
„Ich habe das Engelsschwert", verkündete Valentin laut und wie aus dem Nichts tauchte genau dieses plötzlich in seiner rechten Hand auf. Wie er sich hier präsentierte wirkte er mehr wie ein Magier als wie ein Nephilim. Er reckte das Schwert in die Höhe, damit auch ja niemand es übersah. „Die infernalische Umkehrung ist fast vollendet und es kann bereits jetzt zu viele Dämonen heraufbeschwören, als dass die Gemeinschaft der Nephilim eine Chance hätte, diesen Kampf zu überleben. In fünf Tagen werde ich den Erzengel Raziel mithilfe der drei Engelsinsignien heraufbeschwören und meinen Wunsch einer stärkeren Schattenjägerrasse äußern. Danach werden ich und mein Sohn mit diesem Schwert einen Angriff auf diese Stadt starten, in der sich praktischerweise all unsere Feinde schon versammelt haben. Von euch schwachen Nephilim wird nichts mehr übrigbleiben." Er hatte sich von Imogen und mir abgewandt und gestikulierte vor den dutzenden Sitzreihen, die ihm schweigend Gehör schenkten. Sie verabscheuten ihn zwar, wollten aber hören was er zu sagen hatte. Wie paradox, dass sie mich ebenfalls verabscheut, aber kein Interesse an meiner Stimme gehabt hatten. „Ihr werdet sterben. Ihr werdet gegen die Macht der Dämonen nicht gewinnen können. Aber es gibt einen Ausweg. All diejenigen, die bereit für eine neue, glorreiche Ära der Nephilim sind und mir folgen wollen, haben fünf Tage Zeit, Alicante zu verlassen und sich mir anzuschließen. Ich schwöre beim Erzengel, dass ihr verschont und ein Teil meiner neuen Zivilisation sein werdet. Für den Rest, der sich weigert, ... ich respektiere eure Entscheidung und euren Mut, zu sterben. Auch wenn es töricht ist."
Schritte hallten hinter mir durch den Saal und plötzlich stand Jace auf meiner anderen Seite. Seine Großmutter und er tauschten einen Blick aus und sie löste sich langsam von mir. Ich machte einen demonstrativen Schritt zurück, um ihr klarzumachen, dass ich keine Intention hatte, sich meinem Vater zu nähern. Mit ernsten Gesichtern schauten wir ihm dabei zu, wie er seine Rede vor dem Rat beendete.
„Fünf Tage. Wer am fünften Tag bis zu den letzten Sonnenstrahlen die Stadt noch nicht verlassen hat, muss sich die Mühe nicht mehr machen. Reitet zum nördlichen Rand des Brocelind-Waldes. Dort werdet ihr mein Gefolge finden."
Seine Worte hallten unaufhörlich durch den Raum, als würde ihr Echo niemals verschwinden. Als spielten die vielen Schattenjäger sie wieder und wieder in ihren Köpfen ab. Die unruhige Stille riss nicht ab, auch nicht als Valentin den hunderten Augenpaaren wieder den Rücken zuwandte.
Ich machte mir nicht die Mühe, seinen Plan laut zu hinterfragen. Oder seinen Geisteszustand. Er bluffte nicht. Und dass es nun zu diesem Krieg kam, war für mich auch nichts Neues oder Überraschendes. Abgesehen davon, dass ich schon seit dem Angriff auf die Stille Stadt damit gerechnet hatte, hatte er Jonathan und mich in der Gewissheit erzogen, dass wir früher oder später seine Träume verwirklichen würden. Nur hatte ich mich viel zu lange auf der anderen Seite der Linie gesehen. Achtzehn Jahre lang hatte ich mir im Geiste vorgestellt, hinter ihm in diese Schlacht zu ziehen. Blind und naiv und dumm, wie ich war. Jetzt gerade fragte ich mich, wie ich seinem Weltbild jemals hatte irgendeinen Glauben schenken können.
„Eigentlich bin ich nur mit zwei Themen hergekommen", murmelte er nun nachdenklich, seine Aufmerksamkeit erneut auf mich geheftet. Ich war ihm ein Dorn im Auge. „Doch jetzt, wo ich dir gegenüberstehe, kann ich nicht einfach so gehen und dich ohne weiteres hier zurücklassen. Es geht gegen meine Instinkte. Es ist falsch."
„Was gedenkst du zu tun?", fragte ich distanziert, bevor Imogen oder Jace das Wort ergreifen konnten. Ich kannte ihn. Ich wusste, wie man mit ihm zu reden hatte. Wären die Umstände anders, hätte es eine simple Strategiefrage sein können.
„Du bist zu einer dauerhaften Enttäuschung geworden, ganz anders als ich es geplant hatte. Das ist bedauerlich", sagte er und unter dem Mantel der Strenge klang ein Hauch von tatsächlicher Enttäuschung hervor.
„Es wäre am einfachsten, mich zu töten", erwiderte ich nüchtern, als wäre es wirklich nichts als eine weitere Strategie, die wir besprachen. Das war der Punkt mit ihm. Egal wie abartig oder verrückt die Dinge klangen, Valentin meinte sie ernst und bedachte sie mit Ernst. In seiner Welt existierten Dinge wie Ironie, Witze und Sarkasmus nicht. Er verstand sie, klar, aber alles aus seinem eigenen Mund stand immer tatsächlich genauso zur Debatte.
Jace und Imogen wechselten einen weiteren Blick und diesmal spürte ich ihre Anspannung. Sie hielten mich für verrückt, schoben es vielleicht auf die Traumata aus Kindheit oder Folter oder was auch immer.
„Das wäre es", gab mein Vater zu und kam einige Schritte näher, blieb jedoch weiter außer Reichweite. „Das ist aber nicht, was ich will. Das ist nicht, wie ich es mir vorgestellt habe. Deine Mutter habe ich bereits unwiderruflich verloren, sodass sie keinen Teil in meinen Visionen mehr spielen kann. Doch durch ihren Tod weiß ich, wie sich diese Finalität anfühlt. Ich wünsche mir nicht dasselbe Schicksal für dich."
„Ich werde nicht an deine Seite zurückkehren, Vater." Mein Ton war nicht sanft, aber auch nicht hart. „Du musst akzeptieren, dass ich mich für eine Seite entschieden habe. Ich werde für diese Seite kämpfen und wenn es sein muss, werde ich für sie sterben."
Valentin hob das Kinn und knirschte zornig mit den Zähnen. Sein Blick war so intensiv, dass ich Mühe hatte, die kühle Fassade aufrecht zu erhalten. „Es ist mir ein Rätsel. Zuerst dachte ich, deine Mutter hätte dir diese Welt schmackhaft gemacht. Aber selbst nach ihrem Tod hast du an ihr festgehalten. Du hast dein Leben lang unter meiner Obhut gewohnt, ich habe dir die Wahrheit über alles hier offenbart. Die Schwäche, die Arroganz, die Verblendung. Ich weiß, dass du sie am eigenen Leib erlebt hast. Meine Spione haben mir berichtet, wie oft du mit Imogen oder Malachi in Konflikt geraten bist, weil du dich ihnen nicht beugen wolltest. Weil du gesehen hast, was falsch läuft. Trotzdem bist du geblieben."
„Nur weil ein Teil des Systems beschädigt ist, muss man nicht gleich das gesamte System über den Haufen fahren."
„Mag sein, aber ich glaube da steckt mehr dahinter. Es hält dich mehr hier als nur dieses fehlerhafte System", sagte er und ließ seine Augen schweifen. „Was wenn ich deinen klaren Blick wiederherstellte? Was wenn ich aus dem Weg räume, was dich hier hält?"
Da war er wieder, dieser Instinkt. Dieses Funkeln in seinen Augen. Der Skrupel seinen Willen durchzusetzen, komme was wolle. Wieder fuhr ein Schauer durch meinen Körper. Meine Muskeln spannten sich an, reagierten unterbewusst. Meine Augen folgten jeder seiner Bewegungen haargenau.
Mein Vater lächelte, als ich in Abwehrhaltung ging. Es amüsierte ihn. Ich begriff zu spät, warum.
Das Engelsschwert blitzte durch die Luft, zischte, als es sie durchschnitt, schneller als jeder andere Schattenjäger mit gewöhnlichem Blut es hätte führen können. Nicht in meine Richtung, nein. Natürlich nicht. Er hatte doch gesagt, dass er mich nicht töten wollte. Stattdessen direkt auf Jace' schutzlose Brust zu.
Eben noch hatte er zu weit weg gestanden, um eine Gefahr darzustellen und plötzlich war er hier, direkt vor mir und im Inbegriff, Jace entzweizuschneiden. Jace reagierte schlagartig und machte einen Satz nach hinten. Nicht weit genug, um der Klinge völlig zu entkommen. Ich hörte, wie sie den Stoff seiner Montur zerteilte, wie sie in sein Fleisch schnitt und er keuchend nach Luft schnappte. Ich hörte, wie Imogen furchtvoll zu keuchen begann. Ich reagierte langsamer als Jace, die Panik fraß sich für einen Wimpernschlag durch meine Adern hindurch und lähmte meine Muskeln. Ich starrte auf meinen Vater, der für einen zweiten Schlag ausholen wollte; ich konnte es ihm in den Augen ablesen.
Ich stürzte nach vorne, ohne weiter nachzudenken. Ohne Waffe, ohne Verteidigung. Es war Überraschung genug für ihn, dass er seinen Schlag abzubremsen versuchte. Hinter mir schrie jemand. Instinktiv duckte ich mich unter dem Schwert hindurch. Unwissend, ob mein Vater Mellartach erneut schwingen würde, ließ ich mich nach vorne fallen und streckte die Arme aus, als ich wieder sicher auf den Füßen stand. Einen Wimpernschlag später umklammerte ich das Heft, welches lang genug war, um für unserer beider Hände Platz zu schaffen.
„Clarissa." Oh, mein Vater klang rasend. So rasend.
Wir standen direkt voreinander, kein Meter trennte uns. Und zwischen uns ragte das Schwert der Engel empor. Wie ein silberner Kristall reflektierte er das Elbenlicht und warf Schatten auf das Gesicht meines Vaters, die seine Züge nur weiter verzerrten. Jetzt, wo ich ihm so nah war, erkannte ich, dass allein seine Arme materialisiert waren. Der Rest seines Körpers war weiterhin nichts als eine Projektion.
„Lass los, Clarissa", knurrte er und zerrte mit aller Kraft am Heft des Schwertes.
Ich wurde von den Füßen gerissen und flog für einen Moment durch die Luft, bevor ich wieder Boden unter mir fand. Stolpernd folgte ich seinen Bewegungen, ließ das Schwert aber nicht los. „Zwing mich dazu."
Erst jetzt wurde mir klar, dass das hier mehr als nur Jace' Verteidigung war. Was ich hier umklammert hielt war das Schwert der Engel, Mellartach, eines der drei Engelsinsignien. Wenn es mir gelang, dieses in meinen Besitz zu bringen, würde der gesamte Plan meines Vaters wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen.
Mein Vater zerrte weiter an dem Schwert und wir drehten uns im Kreis. Aus dem Augenwinkel konnte ich Jace' entsetztes Gesicht sehen, der von seiner Großmutter zurückgehalten wurde, ebenso wie die Wachen. Ich musste die Zähne zusammenbeißen, als Valentin versuchte, meine Finger von dem Heft zu lösen. Ein erstickter Laut entkam mir, als er einen meiner Finger so bog, dass ich kurz davor war, Sterne zu sehen. Als das altbekannte Knacken an meine Ohren drang musste ich mich zusammenreißen, um nicht in die Knie zu gehen.
Ich schrie. Vor Wut und vor Schmerz. „Du denkst, du kannst mich zum Aufgeben bewegen, indem du mir die Finger brichst?", zischte ich herausfordernd und zornig und amüsiert. „Du bist einen Tag zu spät. Ich habe genug Erfahrung in einem Folterkeller gemacht, um zu wissen, was echter Schmerz ist. Mach weiter, brich mir noch einen Finger. Versuch dein Glück."
Valentin starrte mich entgeistert an. Er wusste natürlich von Blake Ashdown, hatte eben selbst darauf angedeutet. Schließlich wandelten sich seine Züge zu Resignation. „Ich habe wirklich versucht, es zu vermeiden, liebe Tochter", er klang tatsächlich traurig. Ernüchtert. Und als er eine seiner Hände vom Heft löste, begriff ich sofort, was als nächstes passieren würde, als diese zu seinem Jackett wanderte. „Tatsache ist, dass ich dieses Schwert mehr brauche als ich dich brauche."
Ich legte meine gesamte Kraft daran, das Schwert aus seiner Hand zu kriegen. Doch selbst mit einer Hand war sein Griff eisern und schier unüberwindbar. Ich, eine Frau mit deutlich weniger Masse und Körpergröße, besaß einfach nicht dasselbe Maß an Muskeln, um diesen Kampf zu gewinnen.
Der Dolch in seiner anderen Hand war gewöhnlich. Keine besonderen Gravuren, keine besondere Klinge. Als wäre er ein Notfallinstrument, welches nur eingesetzt werden sollte, falls alle anderen Stricke gerissen waren. Dieser Zeitpunkt schien für meinen Vater nun gekommen.
„Ich weiß, dass du mir nicht verzeihen wirst, Clarissa. Aber ich verzeihe dir auch nicht, dass du mich verlassen hast. Also ist dieser Konflikt wohl ausgeglichen."
Valentin hob den Dolch und ich wusste, dass ich loslassen sollte. Es machte keinen Sinn, wenn er das Schwert sowieso früher oder später bekommen würde. Doch meine Finger verweigerten den Dienst. Ich konnte nicht loslassen. Ich konnte nicht diejenige sein, die ihn nicht von der Tragödie hatte abhalten können, die in fünf Tagen auf uns zukam.
Ich zerrte und zog und riss am Heft des Schwertes. Keine Chance.
Mein Vater schindete keine Zeit, als er den silber-leuchtenden Dolch auf mich herabsausen ließ. Er machte keine halben Sachen. Ich lehnte den Körper zurück, aber wirklich ausweichen konnte ich nicht, weil ich schließlich noch das Schwert festhielt. Wie sich jedoch herausstellte hatte ich mich verschätzt. Er versuchte gar nicht, mich umzubringen. Nein, er hielt sein Wort.
Ich begann zu brüllen, als mein Vater den Dolch durch eine meiner Hände rammte. Ein klarer Schnitt. Mittendurch. Meine Augen weiteten sich und für einen Wimpernschlag sah ich Blake vor mir, der mir seinen Dolch ins Bein rammte. Dann drehte sich der Ratssaal um mich, schwankte in seiner Ausrichtung. Meine Beine gaben nach, strauchelten und plötzlich trafen meine Knie den Boden.
Da war ein Loch in meiner Hand. Dieser Mann, der sich mein Vater nannte, hatte direkt durch meinen Muskel geschnitten. Ich hatte gar keine andere Wahl, als loszulassen. Meine rechte Hand war nutzlos, nicht einsetzbar, tot. Nur dass der Schmerz wie ein Blitzschlag meinen Arm hinauffuhr. Meine Sicht wurde weiß und ich konnte die schweren Atemzüge nicht verhindern, die sich in das qualvolle Stöhnen mischten.
Meine andere Hand umklammerte immer noch das Heft. Ich zwang meine Füße dazu, ihr Gleichgewicht zurückzubekommen.
„Ich bin beeindruckt", sagte mein Vater anerkennend. „Du hast eine ziemlich hohe Schmerztoleranz. Das wird dir als Kriegerin von äußerstem Nutzen sein."
Ich erlaubte mir einen Blick auf meine Hand. Das Blut schoss aus der Wunde heraus wie Wasser aus der undichten Stelle eines Rohres. Und genau so war es wohl auch. Dunkelrote Flüssigkeit tropfte auf den Boden. Meine andere Hand hielt weiter am Schwert fest, wie an einem Rettungsring, der mich aus diesem Meer von Blut befreien würde.
Valentin hob den Dolch ein weiteres Mal und ich brachte ein krächzendes Lachen hervor. „Du bist wirklich erbärmlich."
Er hob die Brauen, auch wenn ich wusste, dass es ihn nicht tatsächlich kümmerte. Dann huschte sein Blick an mir vorbei und seine braunen Augen verdunkelten sich. Eine weitere Waffe blitzte durch den Raum und dann bohrte sich auf einmal auch in seine Hand ein Dolch. Nur dass dieser steckenblieb, weil er geworfen worden war. Mein Vater knurrte vor Schmerz. Derselbe Instinkt, der meine Finger zum Loslassen bewegt hatte, ließ nun seinen Dolch fallen.
Ich wollte ziehen, einen weiteren Versuch nehmen, ihm das Engelsschwert zu entreißen, aber ich hatte keine Kraft mehr in meinen Adern. Der Schmerz verzerrte meine Sinne, raubte mir die Energie, lenkte meinen Fokus auf das wilde Pochen in meinem Handrücken.
Dann war Jace an meiner Seite. Blut rinnte über seine Brust, wo das Schwert ihn erwischt hatte, aber er schien es nicht zu merken. Da war dieser Fokus in seinen goldenen Augen, die so intensiv glänzten, dass ich den Blick abwenden musste. Die Engelskraft. Sie ließ meinen Vater innehalten; ließ ihn sie bestaunen. Sein Werk. Das hier hatte er geschaffen.
Jace ragte neben mir auf wie ein blutiger, kämpferischer Todesengel. Sein goldblondes Haar wehte zerzaust um seine Ohren, während sein zorniger Blick allein auf meinen Vater fixiert war. Anders als mein Vater zögerte er nicht. Binnen einer Sekunde hatte Jace seine Seraphklinge gezückt und ließ sie in einem pfeifenden Zischen auf den Arm meines Vaters herunterfahren.
Valentin weitete die Augen und zum ersten Mal konnte ich Furcht in ihnen erkennen. Er versuchte auszuweichen; versuchte seinen Arm zu bewegen. Aber genauso wie ich war er nicht bereit, das Schwert loszulassen. Und da das Schwert weiterhin in meinem Griff lag, gab es keine Möglichkeit, diesem Schicksal zu entgehen. Jace' Klinge traf auf seinen Unterarm und mit der vollen Wucht, mit der er ausgeholt hatte, schnitt er einmal querschnitts hindurch. Sowohl ich als auch mein Vater starrten überrascht auf Jace' Schwert, welches seine Hand vom Rest des Arms abgetrennt hatte.
Und dann taumelten sowohl er als auch ich zurück, in entgegengesetzte Richtung. Mein Vater schrie, hob den Kopf und blickte entsetzt auf seinen schlaffen Arm, an dessen Ende nun nichts weiter war als weißer Knochen und Arterien, die unnachgiebig sein Blut auf den Boden pumpten. Sein Blut vermischte sich mit meinem und er schaute hoch, direkt zu mir, direkt auf mich.
Ich hatte das Gefühl, dass er mich in diesem Moment zum ersten Mal tatsächlich anschaute. Richtig anschaute. Als wäre ich vorher nichts weiter als ein Werkzeug gewesen und nun zu einer realen, ernstzunehmenden Bedrohung aufgestiegen.
Ich verlagerte mein Gewicht und drückte die Finger meiner gesunden Hand stärker um das Heft des Engelsschwert. Das Engelsschwert, welches nun allein in meiner Hand lag; welches ich nun führte.
„Clarissa", kam es ihm über die Lippen. Ein tiefer, gefährlicher Ton aus seiner Kehle. Der unmenschliche Schmerz seiner Hand wahrscheinlich durch Adrenalin und Zorn vernebelt.
Er machte einen Schritt auf mich zu und Mellartach schien sich wie von selbst zu bewegen. „Ich glaube, es ist Zeit, dass du gehst", murmelte ich und hielt ihm die Klinge an die Kehle seines Holograms.
Jace marschierte über das Blut an meine Seite. Ein selbstgefälliges, brutales Lächeln umspielte seine Lippen. Er ahmte meine Bewegung nach, hob seine Seraphklinge und positionierte sie unterhalb der Kehle meines Vaters. „Du hast deine Tochter gehört", sagte er, während das Blut ihm weiter über den Torso lief. Die Hitze seines Körpers ließ das Blut, welches an meinen Fingerspitzen herablief, verkrusten.
„Mach dir nichts vor", knurrte Valentin und wich rückwärts von uns zurück. „Behalte es nur gut im Auge. Ich finde schon einen Weg, es mir wiederzuholen."
„Ich hätte nichts anderes erwartet", erwiderte ich, meine Züge neutral. „Aber beeil dich lieber. Dein Krieg beginnt schließlich in fünf Tagen."
„Ich habe es mir anders überlegt", kam es ihm leise über die Lippen. Den Zorn über diese Blamage konnte Valentin nicht kontrollieren. „Ich will dich nicht länger verschonen. Wenn ich dich das nächste Mal in die Finger bekomme, werde ich dich töten." Mit diesen Worten wurde irgendwo die Verbindung gekappt und das Hologramm meines Vaters verschwand.
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Bitte gebt dem Kapitel ein Like wenn es euch gefallen hat! <3
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