Kapitel 6 - Innerer Angriff

Kapitel 6 – Innerer Angriff

Nachdem ich aufgewacht war, versuchte ich so viel Zeit wie möglich zu vertrödeln. Auch wenn Adam nun ein Freund war, wollte ich trotzdem weder zusammen mit den Anderen trainieren noch mit ihnen frühstücken. Ich wollte die Küche nicht betreten, wenn es auch nur den Hauch einer Möglichkeit gab, dass ich jemandem von ihnen über den Weg laufen könnte.

Neugierig betrachtete ich mich im Badezimmerspiegel. Dunkle Ringe hatten sich unter meinen Augen gebildet. Wann würde ich endlich aufhören, bis mitten in der Nacht aufzubleiben? Sanfte Locken rahmten meine Wangen ein und ich war froh darüber, dass wenigstens mein Haar noch glänzte. Im Gegensatz zu meinen Augen, die seit unserer Ankunft im Institut jegliche Leuchtkraft verloren hatten.

Mit seinem Seufzen senkte ich den Blick. Wie konnte meine Mutter so ruhig bleiben, während Valentin und Jonathan Institute niederbrannten und Unschuldige töteten? Anders als sie konnte ich nicht damit aufhören, mir die verschiedensten Szenarien im Kopf vorzustellen. Vielleicht fürchtete sie sich sogar oder sie versuchte solche Gedanken zu unterdrücken.

Viel zu spät stand ich schließlich in der Küche und bereitete mir etwas zu Essen zu. Die zerstörte Regaltür lehnte immer noch gegen die Wand, wo ich sie gestern abgestellt hatte. Ich genoss es, alleine hier zu sein. Es war niemand da, der mich daran erinnern konnte, dass der Name Morgenstern für immer schwer auf mir lasten würde. Lächerlich, als wüsste ich das nicht selbst.

Ich brauchte nicht auf die Uhr zu blicken, um zu wissen, dass das Training bereits begonnen hatte. „Verdammt", murmelte ich, obwohl ich schon seit dem ersten Liderschlag heute Morgen gewusst hatte, dass ich zu spät kommen würde. Schnell brachten mich meine Beine zum Aufzug und ich wunderte mich, wie ich mich überhaupt hier zurecht fand.

Die Tür der Trainingshalle knarrte, als ich sie aufdrückte. Sofort hefteten sich alle Augen auf mich. Jace' vergnügter Gesichtsausdruck gefror in der Sekunde, in der er mich erblickte. Alec und Isabelle ignorierten mich und redeten stattdessen dringlich mit Jace. Adam saß ein wenig abseits von den Anderen. Er lächelte mich leicht an und winkte mich zu sich herüber.

Sein Lächeln gab den Ausschlag. Plötzlich war die Furcht verschwunden, genauso schnell wie sie gekommen war. Es gab keinen Grund, sich Sorgen wegen der Anderen zu machen. Adam war hier und er war freundlich. Und mit ihm zwischen mir und den Übrigen würde ich dieses tägliche Training irgendwie überleben. Es war sowieso unser letztes Jahr, schließlich waren wir alle volljährig. Nervös lächelte ich zurück, durchquerte die Halle und setzte mich neben ihn. Während ich an Jace vorbei ging, warf ich ihm keinen Blick zu.

Nachdem ich mich neben ihm niedergelassen hatte, nickte ich Adam zu. Ein Lächeln wuchs um seine Lippen. „Dein zweiter Tag und schon kommst du zu spät", murmelte er immer noch laut genug, sodass der Rest ihn hören konnte.

Ich zuckte die Schultern. „Man hat mir nie erlaubt auszuschlafen, also wollte ich es mal versuchen." Meine Augen wanderten durch den Raum, auf der Suche nach Hodge, doch er war nicht da. „Wo ist Hodge?"

Adam lehnte sich zurück und stützte sich mit seinen Händen auf der Matte ab. „Er hat etwas in der Bibliothek vergessen und geht es schnell holen." Wieder trug er eine schwarze Montur und sein braunes Haar fiel ihm in kurzen Locken über die Stirn.

„Ich kann es nicht glauben", blaffte Jace in diesem Moment und zeigte mit dem Finger auf mich. „Sie ist eine Morgenstern, Adam. Ihr Vater hat unseren Kodex gebrochen. Er hat unschuldige Schattenjäger und Schattenwesen getötet. Er hat unsere Welt verraten!" Obwohl seine Rede an Adam adressiert war, fixierten seine goldenen Augen mich anklagend. In meinem Kopf sah ich wieder unsere erste Begegnung, als er mich angelächelt und nach meinem Namen gefragt hatte. Nun schien dieser Moment Jahre her. Dabei war er erst gestern gewesen.


Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, denn Jace hatte irgendwie auch recht. Außerdem wollte er meine Worte sowieso nicht hören. Ich wollte ihm den Rücken zudrehen und ihn ignorieren, als Adam plötzlich anfing zu lachen. „Ja, da hast du absolut recht, Jace. Valentin hat eine Menge schreckliche Dinge getan, aber schau sie dir mal an", sagte er amüsiert und nickte in meine Richtung. „Sieht sie für dich wie Valentin aus?"

Jace blieb still. Er starrte Adam mit einer Mischung aus Wut und Bestürzung an. „Tut sie offensichtlich nicht", sagte er schließlich, doch seine Stimme blieb hasserfüllt. „Aber das ändert überhaupt nichts. Sie ist seine Tochter, sein Fleisch und Blut. Er hatte achtzehn Jahre, um sie zu erziehen. Was denkst du, wozu er sie erzogen hat?"

„Ich sehe deinen Punkt, Jace, aber so einfach ist es nicht", versuchte Adam ruhig zu argumentieren. „Du kannst ihn nicht einfach auf Clary projizieren. Er ist ihr Vater, aber das bedeutet nicht, dass sie wie er ist. Ihre Mutter ist immer noch Jocelyn und sie ist kein bisschen verrückt." Ich würde ihm später für die Worte danken müssen. Seine Worte überraschten mich völlig. Jace schien jedoch eine andere Meinung darüber zu haben.

„Sie könnte dies sein, sie könnte das sein... Wach auf, Adam! Wie können wir sicher sein? Sie könnte uns etwas vorspielen, uns die ganze Zeit täuschen. Du kannst es nicht zu hundert Prozent sagen. Ihr Vater ist ein Psychopath und ihr Bruder ist unmenschlich abnormal. Wieso sollte sie nicht auch gestört sein? Es liegt definitiv in der Familie." Er verschränkte die Arme und die Seraphklinge an seinem Gürtel blitzte im Licht.

Er hatte absolut kein Recht so über Jonathan zu reden. Ich hätte nichts lieber getan, als aufzustehen und ihm ins Gesicht zu schlagen. Sodass jeder seinen Bluterguss noch für Tage sehen konnte. Doch ich hatte kein Recht ihm wehzutun, also schloss ich die Augen und brachte mir Jonathan ins Gedächtnis. Ich spürte den Klumpen, der sich in meinem Magen bildete.

„Ernsthaft Jace, würdest du wollen, dass sie oder jemand anders so über dich redet?" Adam sprach in einem strengen Ton, so wie ein Vater der seinen Sohn zurechtwies. „Würdest du wollen, dass andere über deine Adoption reden oder den Fakt, dass Valentin deine Eltern getötet hat? Ich denke niemand würde das wollen, also hör doch bitte damit auf, dasselbe bei anderen zu tun. Clary ist nicht für deine Qualen verantwortlich und sie verdient nicht zu hören, was du-„

„Du verdammter Bastard", Jace hatte sich auf Adam gestürzt. Seine Stimme war vor Wut verzerrt. Sogar Isabelle und Alec wichen zurück. „Wie kannst du es wagen?!" Automatisch machte ich einen Schritt zurück. Es war das erste Mal, dass ich ihn so ausrasten sah. Mit aller Kraft schlugen seine Fäuste auf Adams Gesicht ein, der sich vor Überraschung nicht einmal wehrte. „Sag sowas über meine Familie nochmal und ich töte dich, Demonhunter!" Adam, der bewegungslos unter Jace lag, versteifte sich. Jace saß über ihm, mit seinen Knien auf Adams Oberarmen, sodass er sich nicht bewegen konnte. Es schien nicht so, als würde Jace seine aggressive Haltung in naher Zukunft aufgeben. Ich konnte nicht sagen, was in ihn gefahren war, doch niemand kam Adam zur Hilfe.

Ich drehte meinen Kopf zu Alec und Isabelle, die Jace fassungslos zuschauten. Isabelle hielt Alec am Arm fest, der Jace hatte zurückziehen wollen. In ihren Augen spiegelte sich Wut, aber auch Angst. Sie konnte sie nicht verbergen. Und in genau diesem Moment betrat Hodge die Halle, mit einem Stapel Papiere in den Händen. Das Geräusch von Adams schmerzerfüllten Keuchen ließ ihn unmittelbar hochschauen. Seine Augen weiteten sich beim Anblick der Jungen.

„Beim Erzengel, was ist hier los?" Hodges wütender Schrei hing in der Luft und ich konnte sein Echo von den Wänden widerhallen hören. Aber Jace schenkte ihm keine Beachtung. Er fuhr fort, Adam das Gesicht einzuschlagen, welches bereits blutverschmiert war. Ein Keuchen entfuhr seinen Lippen und es klang wie ein Ertrinkender, der ein letztes Mal versuchte nach Luft zu schnappen. Ich fühlte mich wie in Trance, als ich mich wieder zu Adam und Jace umdrehte. Ich glaubte, dass Adams Nase gebrochen war.

Der Moment des Zögerns war vergangen und nun wusste ich, was ich zu tun hatte. Mit einem Schrei warf ich mich auf Jace, der dies anscheinend nicht hatte kommen sehen. Ich schaffte es, ihn von Adam herunterzukriegen und er lag nun auf seinem eigenen Rücken. Für eine Sekunde schaute er mich vollkommen ruhig aus seinen goldenen Augen an. Dann verwandelte er sich wieder in das wilde Tier von eben. Mit voller Kraft stürzte er sich auf mich und warf mich mit bloßen Händen von der Matte. Ich konnte ein Keuchen nicht zurückhalten, als mein Rücken den harten Boden traf. Der gewaltsame Wurf hatte mir den letzten Sauerstoff aus den Lungen gesaugt. Beim Erzengel, er war unglaublich stark.

Röchelnd setzte ich mich auf, um zu schauen, wie es Adam ging und ob Jace ihn wieder angegriffen hatte. Doch Adam war nicht mehr da. Für einen kurzen Moment wurde ich von Helligkeit übermannt und ich konnte nichts sehen. Wie in dem Augenblick, wenn man morgens zu schnell aus dem Bett aufstand und der Blick für wenige Sekunden von einer hellen weißen Unklarheit geprägt war. Adam war verschwunden, genauso wie Jace und die blauen Trainingsmatten. Kalter Schnee bildete sich um meinen Körper und meine Hände hinterließen weiße Abdrücke, als ich sie vom Boden anhob. Dann sah ich ihn. Langsam bewegte er sich auf mich zu.

„Hast du mich vermisst, kleine Schwester?" Seine Stimme ließ das Blut in meinen Adern gefrieren. „Mach dir keine Sorgen." Ein bitteres Lächeln umspielte seine Lippen und mir wurde schlecht bei seinem Anblick. „Wir können euch noch nicht orten, aber unser ehrenwerter Vater wird nicht mehr lange dafür brauchen."

Das war er also. Das war Jonathan. Und meine Mutter hatte nicht gelogen. Die übliche Freundlichkeit auf seinem Gesicht war wie weggewaschen und alles, was übrig war, war eine dunkle, aufkeimende Boshaftigkeit. Zu extrem, zu verzerrt, um menschlich zu sein. Dort, wo eigentlich seine grünen Augen hätten sein müssen, identisch zu meinen, funkelten mir schwarze Iriden entgegen. Als hätte man das gesamte Leben aus Jonathans Augen ausgelöscht und mit einem totalitären Zorn ersetzt. Bis auf seinen Körper erinnerte mich nichts an dieser Kreatur an meinen Bruder. Sowohl die Gesichtszüge als auch die Art, wie er sich hielt, waren mir fremd. Wer auch immer das hier war, wer auch immer Jonathans Maske trug, ich kannte ihn nicht. Jede Liebe fortgewischt, denn Dämonen konnten solche Emotionen nicht verspüren.

Jemand schrie. Ich drehte mich um, doch außer uns war niemand im Wald. Es war der Wald, in dem er mich beinahe ermordet hätte. Es war niemand hier und doch vernahm ich ein lautes schmerzerfülltes Kreischen. Ein Schrei voller Furcht. „Jonathan", wisperte ich, völlig außer Atem.

Jonathan starrte mich unverwandt an. „Wir haben duzende Schattenwesen getötet und bis wir euch beide finden, werden mehr sterben müssen. Ergib dich und das Töten hört sofort auf." Noch bevor ich meinen Mund für eine Antwort öffnen konnte, schwoll plötzlich ein heißer Schmerz an meinem Hals an. Es war die Stelle, an der er mir den Dolch in den Körper gerammt hatte. Ich schnappte nach Luft. Meine Hand presste sich gegen die pulsierende Wunde.

„Hör auf damit", flüsterte ich und versuchte, zurückzuweichen. „Es ist sowieso schon zu spät. Du bist zu spät."

„Was meinst du damit?" Wut stieg in seiner Stimme an und er stapfte auf mich zu.

Ich hob den Kopf so würdevoll ich konnte. Meine Augen bohrten sich in seine dunklen. „Ich hasse dich und nichts wird das jemals ändern können. Lieber sterbe ich, als an deiner Seite zu kämpfen." Beinahe schrie ich die Worte, aber ich hätte sie ihm genauso gut entgegen spucken können. Es änderte nichts an der Bedeutung.

Hasserfüllt fletschte er die Zähne. Mit einem Sprung war er neben mir. Er packte mich am Hals und hob mich in die Höhe, bis meine Füße den Boden nicht mehr berührten. Wollte er mich nun hier erwürgen? Ich keuchte nach Luft, doch seine Finger schnürten mir die Kehle zu. „Das werden wir früh genug herausfinden." Dann ließ er mich los.

Das Nächste, was ich spürte, war, wie mein Körper mit einem dumpfen Knall auf den Boden traf, der mir einen Schauer über den Rücken jagte.

„Clary!" Als ich meine Augen öffnete, hatte sich Adam über mich gebeugt, seine Nase blutete immer noch und er hatte dunkle Ergüsse im Gesicht. Geschockt weitete ich die Augen und schrie ihn an. Wo war er gewesen? Hatte er Jonathan nicht gesehen? Jonathan würde ihn sofort töten, wenn er ihn sah. Ich griff nach seiner Hand und bemerkte plötzlich, dass sie blutverschmiert war. Eine plötzliche Panik überkam mich. Bestand der Hauch einer Chance, dass er es tatsächlich geschafft hatte, Jonathan zu verletzten? Das war unmöglich oder nicht? Das Blut musste vom Kampf mit Jace stammen. „Wir brauchen sofort einen Stillen Bruder!"

Stille Brüder? Beim Erzengel, nein, sie sollten weg von mir bleiben. Ich wollte sie nicht in meiner Nähe haben. Verzweifelt versuche ich die Silhouette hinter Adam zu erkennen. Meine Sicht war verschwommen, aber ich konnte jemanden dort auf eine bedrohliche Art stehen sehen. Durchgestreckter Rücken, helles blondes Haar und ein athletischer Körperbau. Jonathan.

„Adam, pass auf! Jonathan! Hinter dir!" Ich hob meine blutige Hand und zeigte auf meinen Bruder, der einen Meter entfernt stand und sich nicht rührte. Unbeweglich wie eine Statue. Der ganze Raum drehte sich wie ein Karussell.

Adam drehte sich um. „Verschwinde, Jace. Sie hat Angst vor dir", zischte er wütend. „Oder geh und hol jemanden."

Jace? Verwirrt versuchte ich meine Augen scharf zu stellen. Für einen kurzen Augenblick gelang es mir, ihn zu sehen. Seine goldenen Augen waren gefüllt in einer Mischung aus Wut und Unsicherheit. Er erwiderte den Blick für wenige Sekunden, dann machte er auf dem Absatz kehrt und rannte davon.

„Alles wird gut, Clary. Ich trage dir jetzt eine Iratze auf." Adam drückte meine Unterarme auf den Boden und zückte seine Stele. Ich spürte ein leichtes Brennen, als die Stele über meine Haut fuhr. Die Wirkung setzte sofort ein. Meine Muskeln entspannten und der Puls an meinem Hals verlangsamte sich.

„Was ist mit mir passiert?" Meine Stimme hatte bereits an Stärke gewonnen und ich bewerkstelligte es, mich komplett aufzusetzen.

„Du ...", Adam wurde still. „Ich kann es nicht wirklich erklären. Du warst in einer Art Trance. Deine Augen haben in die Luft geschaut, aber dort war nichts. Du hast zu sprechen und dann zu schreien angefangen und dann hat dein Hals plötzlich geblutet. Es ist alles so schnell passiert, wir waren nicht in der Lage, zu reagieren." Besorgt schaute er auf mich herab.

Ich starrte an ihm vorbei zu den blauen Matten, wo Alec und Isabelle immer noch saßen und unsere Konversation beobachteten. Alec schien bestürzt, während ein zufriedenes Lächeln um Isabelles Mundwinkel spielte. Hodge musste den Raum ebenfalls verlassen haben, denn ich sah ihn nirgends. „Ich kann es mir nicht erklären", sagte ich und konzentrierte mich auf meine blutverschmierten Hände. „Ich habe Jonathan gesehen und er redete auf mich ein, redete über die derzeitigen Umstände. Das war definitiv keine Halluzination."

oOo

"Sie hat seinen Namen mehr als einmal genannt", sagte Hodge mit heiserer Stimme. Er saß auf dem benachbarten Bett und redete mit meiner Mutter und Maryse, die sich alle um mein Bett in der Krankenstation versammelt hatten. Ich fühlte mich um einiges besser, beinahe gesund, aber meine Mutter hatte darauf bestanden, dass ich mich für kurze Zeit hinlegte.

„Valentin muss etwas mit ihr gemacht haben. Die einzig logische Erklärung ist ein magischer Zauber oder eine dauerhafte Rune", überlegte Maryse und seufzte.

„Aber solche gibt es nicht im Grauen Buch. Es muss etwas Mächtigeres sein, obwohl ich es sehr bezweifele, dass ein Zauber der Grund dafür ist." Magnus Bane wanderte neben den Krankenbetten auf und ab und drehte sich jedes Mal in einer eleganten Bewegung um, wenn er ein Ende des Raumes erreicht hatte.

„Sie ist nicht gegen Valentins Einfluss immun. Die Stillen Brüder müssen sich um sie kümmern. Sie sind die Einzigen, die mit solchen Problemen umgehen können. Sie können unsichtbare oder unbekannte Runden identifizieren und sie sicher entfernen." Maryse stand neben meinem Bett und hatte meine Mutter mit ihren Worten angesprochen, die am Rande des Bettes saß.

Offensichtlich war Jonathan nie wirklich im Institut gewesen. Es hatte sich alles in meinem Kopf abgespielt. Trotzdem gab es unbeantwortete Fragen. Wie war es ihm gelungen, mir wehzutun, wenn er nicht anwesend gewesen war? Wie hatte er in meinen Geist eindringen können? Ich erinnerte mich nicht an irgendeine Art von Rune oder Zauber, mit der Valentin mich ausgestattet haben könnte.

„Wir müssen die Stille Stadt sofort aufsuchen", sagte meine Mutter und stand auf. „Wir wissen nicht, mit welchen Runen Valentin sie sonst noch versehen haben könnte. Mit einer permanenten Ortungsrune könnten sie uns bereits aufgespürt haben."

Sie hatte recht. Wir wussten es nicht. Aber die Stillen Brüder? Schnell setzte ich mich auf. „Ich möchte nicht zur Stillen Stadt gehen", sagte ich langsam. „Vielleicht war das hier ja nur-" Ich wollte die Stillen Brüder nicht besuchen. Sie hatten etwas Mystisches und Erdrückendes an sich. Ihre Rituale waren noch schlimmer, was ihre Anwesenheit unangenehm machte. Besonders, weil Legenden besagten, dass sie Gedanken lesen konnten.

„Das ist außer Frage!" Jocelyn warf mir einen strengen Blick zu. „Wir gehen. Maryse kannst du der Stillen Stadt bitte in einer Nachricht unseren Besuch ankündigen?"

Maryse nickte und verließ den Raum. Der Klang ihrer Stiefel hallte noch immer durch den Korridor, als sie längst aus meinem Sichtfeld verschwunden war. Die Wunde an meinem Hals war wieder verheilt und mein Kopf tat nicht mehr weh. Trotzdem wollte ich nicht gehen. Ich würde es niemals jemandem gestehen, doch der Gedanke an einen Besuch in die Stille Stadt machte mir Angst.

„Ich werde gehen und nach Adam schauen. Jace hat ihn ziemlich schwer zusammengeschlagen." Meine Stimme klang unzufrieden und abwesend. In einer schnellen Bewegung hatte ich die Beine aus dem Bett geschwungen und war aufgestanden. Meine Augen wanderten durch den Raum. Die Krankenstation war groß und in dunklen Tönen dekoriert. Viele braune hölzerne Betten, ein Nachttisch für jedes von ihnen. Einige Topfpflanzen hier und dort. Die hohen Mosaikfenster fluteten den Raum mit warmem Sonnenlicht.

„Alles in Ordnung mit dir, Liebes?", fragte meine Mutter sanft und hob ihre Hand, um mir durchs Haar zu streifen.

Bevor ihre Finger es berühren konnten, machte ich einen Schritt zur Seite. „Du hast all diese Jahre mit diesem Mann verbracht und hattest nie eine Ahnung, was er tat? Er experimentierte an mir, an Jonathan und nun hat er mich wahrscheinlich mit einer speziellen Rune markiert, die uns alle töten könnte!" Meine Stimme zitterte vor Wort. Ich wusste nicht, warum ich auf einmal so extrem reagierte.

Jocelyn verstand meine Wut. Sie schüttelte den Kopf und versuchte, mir zu widersprechen. „Es ist nicht so leicht, Clary. Alles, was ich wollte, war, dich zu beschützen, euch beide zu beschützen. Valentin ist immer noch mein Ehemann, ich habe ihn sehr lange geliebt. Meine Angst vor dem Rat und was er euch -den Morgenstern Kindern- antun könnte, war viel größer als die Angst, was Valentin euch antun könnte. Er war immerhin euer Vater, ich habe nicht geglaubt, dass er euch jemals schaden würde."

„Das Problem ist, dass er uns geschadet hat."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top