Kapitel 59.2. - Injustice, Torture, Death
Song Inspiration für dieses Kapitel: NDA TikTok Instrumental
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Das Fensterglas zersplitterte um mich herum in tausend kleine Teile, drückte sich in meine Haut oder flog in willkürliche Richtungen davon. Einen Augenblick lang schwebte ich in der Luft, konnte in der Ferne verschneite Felder erkennen, spürte das Sonnenlicht auf meiner Haut. Dann presste sich die gesamte Gewalt der Schwerkraft auf meinen Körper und zerrte mich in die Tiefe. Meine Unterarme fingen die volle Kraft meines Sturzes auf, vom zentimeterhohen Schnee etwas abgefedert. Ich rappelte mich auf die Beine und fühle den Schwindel, der meinen Rücken emporkletterte. Gehirnerschütterung? Hoffentlich nicht jetzt schon.
Die eisige Kälte half, um meine Sinne im Jetzt zu behalten. Ein unerbittlicher Wind zog an meinen nassen Haaren, verwandelte meine Ohren zu Eis. Ich riss den Kopf hoch und starrte auf eine Landschaft, die nur aus Schnee und Wald zu bestehen schien. Mein Körper kam taumelnd auf die Beine, schwankte zur Seite als ich losrannte. Hinter mir brach Gebrüll aus.
Sobald ich meine Balance zurückerlangt hatte, sprintete ich los. Den Abhang hinunter, der einige Dutzend Meter lang war. Ein Hügel, auf dem die Ashdowns ihr Landhaus gebaut hatten. Die provisorischen Stiefel, die Blake mir zur Verfügung gestellt hatte, schlitterten über den Schnee und ich musste die Arme ausstrecken, um mein Gleichgewicht zu halten.
Etwa bei der Hälfte des Abhangs hörte ich das Pfeifen in der Luft. Ähnlich wie das Zischen einer Peitsche, aber beständiger und anhaltender. Mein Verstand reagierte nicht schnell genug. Der Pfeil traf meine rechte Schulter, bevor ich ausweichen konnte. Die Energie, mit der er sich in meinen Rücken bohrte, warf mich nach vorn. Im nächsten Wimpernschlag stolperte ich und fiel kopfüber den Hügel hinab. Das Gefälle riss mich mit sich und der Pfeil bohrte sich tiefer in meinen Rücken, während mein Körper sich wieder und immer wieder um sich selbst drehte. Unten angekommen, war der Pfeil abgebrochen und als ich mich zitternd in den Schnee kniete, schaute ich dabei zu, wie ein gleichförmiger Strom an Blut auf den Boden tropfte und die weiße Welt rot färbte.
Ein heiseres Keuchen entkam meinen Lippen, als meine zitternden Finger zu meiner Schulter fuhren. Der abgebrochene Stumpf des Pfeils war feucht zwischen meinen Fingerkuppen. Ob von Blut oder Schnee konnte ich nicht beurteilen. Unter einem gepressten Schrei zog ich ihn aus mir heraus. So viel Blut.
Meine Beine wölbten sich, als ich mich aufrichtete. Blake war bereits am Abhang angekommen und hechtete nun in meine Richtung, ein Schwert in seiner rechten Hand. Der Groll auf seinem Gesicht schien in seine Muskeln eingebrannt, als könnte er gar nicht anders schauen, als wäre er in Stein gemeißelt. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Dann war das hier wohl der Moment.
Etwas in meinem Blick ließ Blake innehalten. Kurz. Seine Freunde folgten ihm, verschiedene Waffen angriffsbereit, aber eine kurze Handbewegung von ihm ließ sie stehenbleiben. Also wusste er es auch. Dass das hier unser Moment war. Es überraschte mich, da ich ihn für einen Feigling gehalten hatte, wenn es um ebenbürtige Stärke ging.
Ich wischte mir die roten Finger an der Hose ab und griff daraufhin nach der Seraphklinge an meinem Waffengurt. Gemächlich, als wäre das hier nichts als ein Trainingskampf, drehte ich den Schaft zwischen meinen Fingern, balancierte ihn auf meiner Handfläche.
Blake rutschte den Rest des Hügels herunter und kam einige Meter vor mir zum Stehen. Seine Lider zuckten, ebenso wie seine Arme. Als konnte er sich tatsächlich nicht kontrollieren. Ein Gegner ohne Selbstkontrolle war ein einfaches Ziel. Wenn er sich nur auf seinen Zorn fokussierte, würde er seinen Kampfstil vernachlässigen. Doch würde er wirklich allein gegen mich kämpfen ohne die Absicherung seiner Freunde?
Es war mir egal. Ich stürzte nach vorn und ein Funke von Unzufriedenheit huschte über Blakes Gesicht, als wollte er den ersten Zug beanspruchen. Zu spät. Mein Schwert fuhr durch die Luft und das beruhigende Zischen von Adamant umhüllte uns. Als der Ruck des Aufpralls durch mich vibrierte, zeigte ich Blake die Zähne. Schlag um Schlag drehte ich mich um ihn herum und er um mich. Keine Tricks, sondern eine simple, direkte Abfolge von Bewegungen. Ein Tanz so einfach, dass ich ihn wahrscheinlich mit geschlossenen Augen hätte ausführen können. Jedes Mal, wenn meine Klinge auf seine traf, fuhr eine neue Welle von Adrenalin und Euphorie durch meinen Körper. Das Feuer in meinen Adern ließ mich endlich durchatmen, verwandelte meine Bewegungen in eine Folge aus Eleganz und Balance.
Blake versuchte, aus meiner Abfolge von Schlägen auszubrechen. Doch mit jedem Schritt, den er auswich, um eine neue Art von Angriff zu starten, war ich bereits da, um wieder von vorne anzufangen. Wieder und wieder. Während Blake an seinem Hass nagte, aus ihm seine Kraft bezog, hatte ich meinen Zorn auf ihn tief in meine Brust zurückgesteckt. Sobald er auf dem Boden lag, würde ich diesen wieder rausholen.
Ein raues Brüllen dröhnte aus Blake heraus und als er diesmal zur Seite sprang, folgte ich ihm nicht. Ich wollte sehen, was er konnte. Also gab ich ihm die Chance, zu zeigen, wie gut er war. Blake, der mein Zögern als Verwirrung missinterpretierte, wechselte den Kampfstil. Seine Schritte wurden wilder, unvorhersehbarer. Aber auch komplizierter, aufrechtzuerhalten.
Kurz darauf wirbelten wir umeinander, wie zwei Stürme, die die Oberhand zu gewinnen versuchten. Die Erde vibrierte unter einem sich aufbrausenden Donner in der Ferne, als würden die Erzengel persönlich uns zuschauen. Jede von Blakes Attacken bestand aus harten Hieben gepaart mit Versuchen, mein Gelenk so zu verdrehen, dass er mir meine Klinge aus der Hand schlagen konnte. Blake ging auf im undynamischen und impulsiven Rausch des Kampfes. Er meisterte die Schnelligkeit, hinterließ kaum eine Lücke in seiner Abwehr.
Jedoch wurden seine Freunde auf dem Hügel mit jeder weiteren Minute, die unser Kampf andauerte, unruhiger. Die Vorahnung, dass sie nicht mehr lang stumm zuschauen würden, spornte mich an. Erneut hallte ein Donnern durch die aufgeheizte Stille des Hügellands. Blake und ich stürmten weiter umeinander herum, einem wilden Rausch verfallen. Jetzt oder nie. Ich konnte diesen Kampf nicht ewig in die Länge ziehen.
Blake pirschte sich an mir heran, die Klinge wie ein Speer vor sich ausgestreckt. Ich wich nach rechts aus und hob mein Schwert in Reaktion in die Höhe. Er drehte sich, um meinen nächsten Schlag zu parieren, aber ich war in die Hocke gegangen und das Adamant zischte Zentimeter an meinem Ohr vorbei. Blake fluchte, weil ich aus der Undynamik seines Kampfstils ausgebrochen war und ich federte mich von meinen Füßen in die Luft, ließ mein Schwert dabei los. Eine Sekunde später umklammerten meine Finger einen Dolch und rammten ihn Blake in die Hand, mit der er sein Schwert hielt.
Sein ächzender Schrei vermischte sich mit dem immer lauter werdenden Dröhnen des Donners über unseren Köpfen. Blake schüttelte sich die Hand, aus der nun ein stetiger Blutfluss quillte. Er riss den Kopf in meine Richtung, die Pupillen in Verblüffung geweitet. Er taumelte rückwärts, fort von mir, aber ich bremste nicht bevor ich mein Bein hob und ihm mit meinem Stiefel gegen den Brustkorb trat.
Blake stolperte zu Boden und hievte sich sofort auf seinen Ellbogen, um mir ins Gesicht zu schauen. Hass flimmerte in seinen Augen, die dem Schnee um uns herum so ähnlich sahen. Der Griff um meine Seraphklinge verstärkte sich. Ich hatte nicht die Zeit, Blake einen langen Tod zu bescheren. Dafür waren seine Freunde eine zu große Bedrohung, die bereits aus ihrer Starre erwachten, als sie merkten, dass ihr Anführer verlor.
Ein Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus und Blake spukte mir auf die Stiefel. Seine Geste ließ mein Grinsen nur weiter werden. Höhnisch und nachtragend. Der Donner war mittlerweile so laut, dass mein Blut im Takt dazu zu pulsierte. Jetzt, wo alles sein Ende fand, gestattete ich es mir, den Zorn aus meiner Brust zu befreien.
Eine Flut an Bildern flog an meinem inneren Auge vorbei. Blakes feiger Angriff am Kanal. Jace' verzweifelten Versuche, mich davor zu bewahren, in ihm zu ertrinken. Die Panik, die mir seither wie ein Warnsignal durch die Adern strömte. Die Panik, die kälter war als jeder Schnee es jemals sein konnte. All das brachte ich nun zurück an die Oberfläche.
Meine Hand bebte vor Zorn, vor Ekel und Bitterkeit als ich mein Schwert über meinen Kopf hob, um Blake den Todesstoß zu versetzen. Das Donnern war so gewaltig, dass die Erde im Rhythmus meines Körpers bebte. Ich ließ die Luft durch meine Nase entweichen und setzte den Arm in Bewegung, als das Beben und der Donner plötzlich verstummten. Von jetzt auf gleich, als wären sie nie gewesen.
„Clary!" Seine Stimme, so beschwichtigend und gleichmütig, riss eine völlig andere Wunde in meinem Inneren auf. Mit einem Mal musste ich meine Finger in den Schaft der Klinge krallen, um sie nicht fallenzulassen, als eine neue Welle an Emotionen über mich hereinfiel.
Adam war einige Meter von mir entfernt aufgetaucht. Er saß auf dem Rücken eines massiven Pferdes und stieg nun in einer geschmeidigen Bewegung von dessen Sattel ab, um zu uns herüberzulaufen. Etwas in meiner Brust brach auseinander.
„Bleib genau da stehen", rief ich und richtete mein Schwert nun auf Adam, der mit gehobenen Händen stoppte. Eine andere Sorte der Wut breitete sich in mir aus, als ich meinem Freund in die Augen schaute. Freund. Lügner. Verräter.
„Bitte denk nach, bevor du etwas tust, was du später bereust", sagte Adam in flehendem Ton. Wenn ich nicht bereits meinen Mageninhalt entleert hätte, hätte ich es nun getan. Ich konnte nicht glauben, dass ich auf ihn hereingefallen war. Auf diese samtene Stimme, die einen so leicht um den Finger wickelte, die Lügen so glaubhaft erscheinen ließ.
„Was machst du hier, Adam?", fragte Blake hustend, bevor ich antworten konnte.
„Ich versuche, dir dein Leben zu retten", gab Adam düster zurück.
„Oh natürlich." Blake verdrehte die Augen, als glaubte er Adam kein Wort. Dann zog er die Brauen zusammen. „Du bist nur hier, um dafür zu sorgen, dass ich keines deiner Geheimnisse ausplaudere."
Adam sagte nichts und ballte stattdessen die Hände zu Fäusten.
„Wie lange arbeitet ihr schon zusammen?", fragte ich in keine bestimmte Richtung.
Adam und Blake wechselten einen langen Blick und ich hatte das Gefühl, eine stumme Konversation zu verfolgen. Ehe einer von ihnen auch nur einen Ton machen konnte, begann die Luft hinter Adam plötzlich Funken zu sprühen. Adam wendete hektisch den Kopf und weitete dann die Augen, als er das Portal erkannte, welches wie aus dem Nichts in der schneebedeckten Einöde unter dem Hügel auftauchte. Die blauen und violetten Funken verglühten und Adam griff nach seinem Schwert, als mehrere Gestalten durch das Portal schritten. Ein Fluch ging Blake über die Lippen.
Eine kleine Gruppe von Nephilim nahm vor dem Portal Form an und ich musste zweimal hinsehen, um Jace, Isabelle und Alec unter ihnen auszumachen. Alle drei bis auf die Zähne bewaffnet. Doch ihre zielgerichteten, grimmigen Mienen wurden schnell von Überraschung ersetzt, als sie die Szenerie vor ihnen in Augenschein nahmen. Und es war in der Tat eine verblüffende Szene. Wahrscheinlich nicht das, was sie erwartet hatten.
Blake lag blutend im Schnee. Ich, blutüberströmt und durchnässt, stand mit ausgestrecktem Schwert über ihm, bereit ihn sofort hinzurichten. Adam, der angriffs- und gesprächsbereit gleichzeitig wirkte, hatte sich einige Meter vor Blake und mir positioniert und bildete eine Barriere zwischen uns und dem Portal. Dann Blakes Freunde, die oben auf dem Hügel warteten und beobachteten, ebenfalls bereit für den Kampf.
Jace begann zu rennen, sobald unsere Augen sich trafen. Ich drehte den Kopf, um ihn nicht vor mir sehen zu müssen, weil sich auf einmal die Erinnerungen von dem Abend der Feier in den Vordergrund drängten. Wie wir uns erst geküsst und er mich dann stehengelassen hatte. Daran durfte ich jetzt nicht denken. Eine Ablenkung. Meine Zeit lief ab.
Also zwang ich meinen fordernden Blick zurück zu Adam und Blake, die merkten, dass mich die Anwesenheit meiner Freunde nur noch mehr in Rage versetzte. Anders als es eigentlich sein sollte. Ich spürte, wie die kühle Strategie meinen Körper verließ und meine Gefühle übernahmen. Alles war also genau so, wie es nicht sein sollte.
Eine Sekunde später hing meine Klinge an Blakes Kehle. Die Welt um mich schien sich zu verlangsamen. Jace stolperte beinahe, als er irgendwo hinter Adam zum Stehen kam. Nicht nahe genug, um mich hindern zu können. Blake verkrampfte sich unter mir. Adam wagte einen Schritt zu uns, bevor mein warnender Blick ihn innehalten ließ. Ich allein hatte die Kontrolle. Eine Macht, die ich mit jedem Atemzug genoss.
„Ich frage ein letztes Mal", hörte ich mich sagen, giftig und emotionslos und rachgierig. „Wie lange arbeitet ihr schon zusammen?"
Wieder wechselten Adam und Blake einen Blick, aber diesmal verzog sich Blakes Mund zu einem hämischen, überlegenen Grinsen. Adams Gesichtszüge erschlafften.
„Adam und ich sind schon seit Kindheitstagen beste Freunde", sagte Blake. „Er war das erste Mitglied in meinem kleinen Team aus Freunden, die mit dem Rat nicht einverstanden waren. Auch wenn er sich nun wirklich ungern selbst die Hände schmutzig macht, nicht so wie wir anderen. Deshalb nutzen wir ihn für ... andere Aufgaben."
„Was für Aufgaben?", fragte ich tonlos.
„Adam ist ein Spion", fasste Blake zusammen und Adam zischte in Reaktion, fletschte tatsächlich die Zähne. Ein Ausdruck, den ich noch nie auf seinem Gesicht gesehen hatte. „Die konservative Fraktion hat ihn beauftragt. Am Anfang war er in New York, um die Lightwoods auszuspionieren, weil sie einst im Kreis waren. Es interessierte uns, ob sie immer noch Kontakt zu Valentin pflegten." Trotz der Klinge an seiner Kehle durchdrangen mich Blakes Augen wie ein Messer. Das Schmunzeln deutete die Schwere seiner nächsten Worte an. „Aber dann bist du aufgetaucht. Clarissa Morgenstern. Ein so viel besserer Preis im Vergleich zu jedem Geheimnis, das die Lightwoods haben könnten."
Mehr musste Blake nicht sagen. Den Rest konnte ich mir denken. Es war genau so, wie Jace und Isabelle vermutet hatten. Auch wenn sie dieses Ausmaß von Adams Verrat nicht hatten erahnen können. Als meine Aufmerksamkeit sich zu Adam verschob hatte ich nicht das Gefühl, dass auch nur ein Funke in meinem Körper lebendig war. Als gäbe es keine Seele in mir, die Empathie oder sonst irgendwas hätte empfinden können.
„Sag es", forderte ich Adam auf. Meine Stimme war scharf wie der Tod und leer wie die Dunkelheit. „Ich will es aus deinem Mund hören."
Adam sah genauso aus, wie ich mir einen Lügner vorstellte, der merkte, dass sein Kartenhaus über ihm zusammenbrach. Angst und Verzweiflung huschte über seine Züge, dann das Flehen um Verständnis, als unsere Augen sich trafen. „Am Anfang war es vielleicht so, ja", begann Adam, verhaspelte sich jedoch. Ein tiefes Seufzen schüttelte ihn. „Am Anfang habe ich mich mit dir angefreundet, weil ich dachte, dass du uns Informationen über Valentin liefern könntest. Informationen über alles. Aber je mehr Zeit ich mit dir verbracht habe, desto mehr ist mir klar geworden, dass ich einen Fehler begehe. Das, was ich dir in der Abkommenshalle erzählt habe, ist die Wahrheit. Ich schwöre auf den Erzengel, dass es die Wahrheit ist."
„Deine Schwüre interessieren mich ebenso wenig wie deine Gefühle für mich", entgegnete ich. Mit jedem Wort aus meinem Wort wurde das Beben meiner Stimme stärker. „All die Zeit habe ich dich für meinen besten Freund gehalten. Ich habe dich vor den anderen verteidigt. Ich habe deine Lügen geglaubt und versucht, sie den anderen verständlich zu machen!"
„Du weißt ja gar nicht, wie leid mir das alles tut", murmelte Adam und schien wirklich auf Verständnis zu hoffen.
„Es interessiert mich nicht."
„Dir eine verdrehte Geschichte über meine Freundschaft zu Blake zu erzählen war die einzige Möglichkeit, in deiner Nähe zu bleiben – dein Freund zu bleiben", sagte Adam nun. „Nachdem Blake versucht hat, dich umzubringen, wärst du nie mit mir befreundet geblieben, wenn du wie Wahrheit über mich erfahren hättest."
„Vollkommen zurecht!", schrie ich und riss mein Schwert nun von Blakes Kehle fort, um es in Adams Richtung auszustrecken. Er war nah genug, um ihn damit zu verletzen. Mein Arm zitterte in Zorn und Betrug. „Ich wurde mein ganzes Leben belogen. Denkst du, da brauche ich einen Freund, der mich genauso belügt? Denkst du, ich will einen Freund, der heimlich meinen Vater unterstützt?!"
„Aber ich unterstützte ihn gar nicht", rief Adam, nur um mitten in seinem Wortstrom innezuhalten. Er schaute zu Blake, der zurücklächelte. „Ich unterstützte Valentin nicht", sagte Adam schließlich.
„Du hättest zugelassen, dass Malachi mich entführt. Malachi und Blake arbeiten für meinen Vater. Du kannst mich nicht länger belügen."
„Sieh' wie kompliziert deine Lügen geworden sind, Adam", tadelte Blake amüsiert, während er weiter blutend im Schnee lag. „Sag ihr doch einfach die Wahrheit. Aber das kannst du nicht, nicht wahr? Die Wahrheit würde dich ruinieren. Ich würde dich ruinieren."
Bevor ich fragen konnte, was Blake meinte, hob er seine gesunde Hand. Mehrere Dinge geschahen gleichzeitig. Ich hörte, wie ein Pfeil von der Anhöhe abgefeuert wurde, wie er durch die Luft zischte, direkt auf mich zu. Adam stürzte nach vorn, ein Schrei auf den Lippen. Ich machte einen Schritt zurück und wollte mich dem Bogenschützen zuwenden, als mich jemand seitwärts umstieß.
Ein Gewicht prallte gegen meinen Körper und ehe ich meine Lider wieder geöffnet hatte, lag ich im Schnee, Jace schützend über mir. Mir stockte der Atem, als meine verwundete Schulter ein schmerzhaftes Pochen von sich gab. Ich starrte hoch in Jace' Gesicht, das nur Zentimeter von meinem eignen entfernt war, seine starken Arme wie ein Schutzschild um meinen Oberkörper ausgebreitet.
„Es tut mir leid", flüsterte er und ich wusste sofort, wovon er sprach.
Ein schmerzhaftes Ächzen zerrte mich aus meiner Trance und ich drückte meine Hände plötzlich panisch gegen Jace' Brust, bis er nachgab und sich von mir abrollte. Ich sprang auf die Beine und ein eigenes, bestürztes Keuchen entkam mir, als ich Adam auf dem Boden liegen sah. Im Schnee, der von all dem Blut, den Blake und ich vergossen hatten, mittlerweile rot leuchtete. Nun mischte sich Adams Blut zu unserem. Der Pfeil, der für mein Herz bestimmt gewesen war, steckte in Adams Brust. Er hatte sich vor mich geworfen, um mir den Tod zu ersparen.
Meine Füße gaben nach. Das Nächste, was ich wusste, war, wie meine Finger über Adams Stirn fuhren, die mit einem Mal schweißüberströmt war. „Adam", murmelte ich. „Adam, hörst du mich?"
Doch Adam starrte an mir vorbei. In den grauen, bewölkten Himmel. Als hätte seine Seele seinen Körper bereits verlassen. Sein Atem ging stoßweise. Eine kurze Berührung seines Halses bestätigte, dass sein Puls sich verlangsamte.
Adam griff nach meiner Hand und die schwächelnde Kraft in seinen Fingern trieb mir die Tränen in die Augen. „Ich liebe dich", flüsterte Adam, aber seine Augen schauten weiter in den Himmel. Hektische Füße stapften durch den Schnee und zwei fremde Schattenjäger gingen neben Adam in die Hocke. „Ich liebe dich schon so lange. Ich wusste nur nie ... wie ich es dir sagen sollte. Es tut mir leid ... dass ich keinen besseren Weg gefunden habe."
Von weither begann jemand zu lachen. Dieses amüsierte, selbstzufriedene Lachen, das mich an die Stunden im Keller des Anwesens erinnerten. Blake war aufgestanden und lief den Hügel hinauf. Der einzige Grund, weshalb noch kein Kampf ausgebrochen war, waren Isabelle, Alec und die übrigen Schattenjäger aus der Eskorte, die sich am Fuße des Hügels positioniert hatten und nur darauf warteten, dass einer von Blakes Freunden den Fehler beging und sie herausforderte.
Ich kramte nach der Stele, die an Adams Waffengurt hing und zeichnete eine Iratze in seine Halsbeuge. Ohne zu wissen, ob es dafür nicht bereits zu spät war. Ob der Pfeil nicht vielleicht vitale Organe getroffen hatte. Es sah nämlich schwer danach aus.
Anschließend, Abscheu und Rache als Antrieb, erhob ich mich von Adams Körper und fixierte meine Augen auf Blake. Ein Schaudern fuhr durch meine Muskeln, als ich mich in das Loch tief in meiner Mitte hinabgleiten ließ; als ich mich von dem lodernden Zorn und dem Verlangen nach Vergeltung übermannen ließ. Ich bewegte mich nach vorn, ein Dolch in meiner Hand. Meine Füße gingen in einen Sprint über und als ich an Isabelle vorüberlief, machte sie Platz, um mich vorbeizulassen. Sie wusste, was ich tun würde.
Jace setzte sich ebenfalls in Bewegung, versuchte meinen Arm zu fassen zu kriegen, um mich aufzuhalten, aber diesmal war er nicht schnell genug. Ich hechtete nach vorn, hob den Dolch und schleuderte ihn auf Blake, ehe Jace mein Handgelenk umfassen und mich zurückreißen konnte. Die Klinge traf Blake genau dort, wo sein Pfeil sich vorhin in meine Schulter gebohrt hatte.
Blake stürzte und ich wirbelte zu Jace herum. Er öffnete den Mund, hob die Arme, als würde er mich in einen festen Griff zwingen wollen, aber meine eigene Hand schoss nach vorn. Jace' goldene Augen weiteten sich, als ich ihn mit einem Schlag – so heftig, dass meine Knöchel wehtaten – gegen die Nase zu Fall brachte.
Dann war ich wieder auf Blakes Fersen, der sich gerade wieder aufgerappelt hatte. Er brüllte vor Schmerz und zog sich den Dolch aus dem Rücken, um ihn auf mich zu werfen. Ich duckte mich und die Klinge raste zischend über meinen Kopf hinweg. Blake, aus dem Konzept gebracht, war zu langsam, um mir zu entgehen. Ich erreichte ihn Sekunden später und beförderte ihn mit einem Hieb in den Rücken in sein eigenes Blut im Schnee.
Als meine Finger sich um die Seraphklinge schlossen fuhren wieder diese Bilder an meinem inneren Auge vorbei. Der Kanal. Die Entführung. Die Folter. Tod. Ich sollte schon längst tot sein, lebte aber noch. Ich lebte und Blake lebte auch, obwohl sein Tod das Leben so vieler Menschen erleichtern würde. Ich dachte an all die Schattenwesen, die er bisher umgebracht hatte. Zum Spaß. Weil er die Macht dazu besaß. Einfach weil er konnte. Blake lebte, während so viele seiner Opfer an seiner Stelle leben sollten.
Meine aufgeplatzten Lippen verzogen sich zu seinem höhnischen Lächeln. Wahnsinn und Horror und Ironie breitete sich in meinen Adern aus und ich gab mir Mühe, jeden Funken der Emotionen in meinen Blick zu legen, als ich mich vor Blake in den Schnee fallenließ. Ich wusste, dass ich es konnte, weil Alec und Isabelle seine Freunde von einem Einschreiten abhielten. Blake wusste es auch. Er wusste, dass ich ihn töten würde. Ich konnte es ihm in den hellblauen Augen ablesen, die plötzlich so flehend geworden waren, wie Adams vorhin.
Bei all den Emotionen in meinem Körper gab es keinen einzigen Funken Mitleid, den ich für Blake Ashdown übrighatte. Ich erinnerte mich an die Worte, die ich zu Adam gesagt hatte, als er mir auf dem Dach der Ashdowns in die Quere gekommen war. Ich bin bereits wie Blake. Wahrscheinlich bin ich sogar noch schlimmer. Es gab keine Rechtfertigung dafür, dass ich Blake meinen Dolch tief in sein Bein drückte. Dort, wo er mein Bein durchstoßen hatte. Mit genau diesem Dolch.
Es gab keine Rechtfertigung und doch fühlte ich keine Reue. Alles, was ich fühlte, war Genugtuung. Mein Lächeln weitete sich. Ein heiseres, wirres Lachen kam aus meinem Mund, während Blakes Schrei durch die Ebene hallte. „Ich habe doch gesagt, dass mein Gesicht das Letzte sein würde, was du siehst." Blakes windete sich unter mir, versuchte sich aus meinem Griff zu befreien. Genauso wie ich es vorhin versucht hatte, als er mein Gesicht unter Wasser gezwängt hatte. Mit jeder Bewegung zerstörte die Klinge in seinem Bein mehr Gewebe. Ein Ruck, ein verzweifelter Schrei von Blake und der Dolch war raus aus seinem Fleisch.
„Ich habe gesagt, dass ich dich töten werde", fuhr ich fort, seelenruhig, als wäre Jace nicht bereits auf meinen Fersen. Ich drückte meine blutigen Finger gegen Blakes Kinn und zwang sein Gesicht zu mir, damit unsere Augen sich trafen. „Ich hoffe, du genießt dein Leben in der Hölle, Blake. Der Gedanke, dass ich dir selbst dorthin folgen werde, um dich im nächsten Leben weiter zu quälen, gefällt mir."
Blakes Blick lag auf mir. Regungslos und furchtsam zugleich. „Ich hatte so viel Spaß." Erkenntnis flackerte auf seinen Zügen, als er sich an die Worte erinnerte, die er nach Ende meiner Folter zu mir gesagt hatte. „Ich hoffe, du auch."
Dann schnitt ich Blake die Kehle durch.
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RIP an der Stelle aber was soll man machen, passiert halt wenn man sich mit den falschen anlegt lol.
Wie hat euch das Kapitel gefallen? Das würde mich seeehr interessieren! Über ein Like und Kommentar freue ich mich sehr! :)
Skyllen
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