Kapitel 49.1. - The Seelie Court
Kapitel 49 – The Seelie Court
Am nächsten Morgen fanden wir uns in aller Frühe in der Garnison ein, um die geplante Reise ins Feenreich anzutreten. Obwohl ich die halbe Nacht wachgelegen und über Adams Verrat nachgegrübelt hatte, fiel es mir schwer, mich auf die Stimmen um mich herum zu konzentrieren, die gerade die letzten Vorbereitungen unseres Aufbruchs trafen.
Verrat. Mir fiel kein anderes Wort ein, wie ich dieses Gefühl in meiner Brust beschreiben sollte. Blake hatte mich beinahe umgebracht und Adam hielt es dennoch für notwendig, ihn vor mir zu beschützen. Als wäre ich die Böse. Welcher gute Freund tat sowas? Die ersten Strahlen der Sonne waren bereits über dem Horizont aufgegangen, aber ich hatte immer noch wachgelegen und mir war immer noch kein Grund eingefallen, der Adams Tat hätte rechtfertigen können. Ich hatte eine Rechtfertigung dafür finden wollen. Denn die Alternative wäre, dass Adam mich tatsächlich hintergangen hatte. Und das konnte ich nicht akzeptieren.
Der neue Tag brachte keine hilfreichen Eingebungen. Ich hatte die ganze Nacht gegrübelt und außer Kopfschmerz und Müdigkeit war ich nicht weitergekommen. Adam war immer noch bewusstlos gewesen, als Jace und ich gestern zu Isabelle und ihm zurückgekehrt waren. Sie waren mir schweigend gefolgt, als ich mich einfach umgedreht und von den Dächern verschwunden war. Wir hatten Adam auf dem Dach liegenlassen und trotz der Kälte war es mir nur recht gewesen. Es fiel mir immer noch schwer, den Ärger über Adams Auftauchen gestern herunterzuschlucken oder den Zorn in meinen Adern zu ignorieren, der mich daran erinnerte, dass Blake immer noch dort draußen in Alicante war und sich wahrscheinlich gerade über mich totlachte. Vor allem aber ignorierte ich Adam selbst, der einige Meter hinter mir stand und mir mit seinen Blicken Löcher in den Rücken bohrte.
Als ich ihn vorhin neben der Inquisitorin hatte stehen sehen, war ich kurz davor gewesen, auf dem Absatz umzukehren und den Nephilim ihre verdammten Probleme selbst zu überlassen. Sollten sie doch ohne mich ins Feenreich. Isabelle hatte mich mit dem einfachen Satz Seit wann läuft Clary Morgenstern vor ihren Gegnern davon? davor bewahrt, auch wenn es jeden Funken meiner Willenskraft gekostet hatte, Adam nicht erneut mein Schwert gegen die Schläfe zu rammen. Jace hatte versucht, mit seiner Großmutter zu reden, vergebens. Irgendwie war es Adam mithilfe seiner glänzenden Beziehungen im Rat gelungen, sich für diese Mission aufstellen zu lassen. Zum Verdruss von jedem von uns. Bisher hatte Adam die Distanz zu mir gewahrt, was wahrscheinlich nur dem mörderischen Blick in meinen Augen zu verdanken war. Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis er erneut um Verständnis und Vergebung bitten würde.
Das Gemurmel um mich wurde leiser und meine Augen folgten der Aufmerksamkeit, die sich in diesem Moment zu Magnus Bane verschob, der in den leeren Ratssaal spaziert kam. Alec lief an seiner Seite. Ihre Gesichter hätten nicht unterschiedlichere Emotionen ausstrahlen können. Während Magnus mir zuzwinkerte und ziemlich zufrieden mit sich selbst wirkte, strahlten Alecs Züge eine Grimmigkeit aus, die noch düsterer wirkte als sein üblicher Ausdruck. Alec würde uns auf Grund seiner neuen Position am Verhandlungstisch mit den Schattenwesen nicht zum Lichten Hof begleiten, worüber ich ein wenig erleichtert war. Wir vertrauten uns immer noch nicht wirklich, auch wenn der Frost sich mittlerweile etwas gelegt hatte.
Magnus neigte den Kopf vor der Inquisitorin und dem Konsul und sie kamen langsam auf die Mitte des Saals zu, wo ich mich positioniert hatte. Ihre Münder bewegten sich und obwohl Jace mich vor unserem Aufbruch zur Garnison unter anderem mit einer Hörbarkeitsrune versehen hatte, rauschte es in meinen Ohren. Es lag an dem Sturm aus Emotionen, der meine Sinne schwächte. Ich war unkonzentriert und müde, was mir im Reich der Elben leicht zum Verhängnis werden könnte, wenn ich nicht achtgab.
Jemand stupste mich an und ich hob ruckartig den Kopf. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich ihn auf den Boden vor mir gesenkt hatte. Isabelle stand auf meiner Rechten und grinste leicht. „Ich habe meine besten Dolche dabei", flüsterte sie mir zu und das Pulsieren in meinen Ohren ließ die Worte kaum zu mir durchdringen. „Wenn er dir auf die Nerven geht, kann ich ihm einfach die Zunge rausschneiden."
Es war natürlich nur ein Scherz, stimmte mich aber trotzdem ein wenig besser. Meine Finger fuhren zum Griff von Eosphoros und mein Herzschlag verlangsamte sich. Noch bevor ich zu einer Antwort ansetzen konnte, kam die Inquisitorin in Hörweite, Jace neben ihr, und ich verkniff mir meinen Kommentar. Malachi war etwas abseits stehen geblieben und beobachtete Magnus mit einer unverschleierbaren Skepsis, während dieser mit dem Ritual begann, welches das Portal zum Hof der Königin öffnen würde. Eine Reise zum nächsten natürlichen Zugangspunkt ins Feenreich würde zu lange dauern, weshalb die Königin das Portal genehmigt hatte.
„Denkt an eure Aufgabe, wenn ihr vor Ort seid", sagte Imogen mit ihrer üblichen, herrischen Stimme, die meine Hände automatisch zu Fäusten ballte. „Keine Ablenkungen ..." Ihre Augen hefteten sich auf mich. „Keine unüberlegten Aktionen."
Mein Mund zuckte, doch Isabelle verpasste mir einen leichten Schlag mit ihrem Ellbogen, als sie den Kopf zu Jace drehte. Seine goldenen Augen ruhten auf mir, eine stumme Warnung darin. Du hast gut reden, schließlich hasst sie nicht dich, wollte ich sagen, presste stattdessen aber die Lippen zusammen. Irgendwann würde ich es ihr heimzahlen.
Natürlich hielt Adam genau diesen Moment für die perfekte Gelegenheit, sich zu uns zu gesellen. Jace' Augen wurden schmal, als ich Adams Präsenz auf meiner Linken spürte. Ich konnte ihn aus dem Augenwinkel sehen und brachte mich mit drei langen Schritten in Magnus' Richtung außerhalb seiner Reichweite. Ich hörte, wie Isabelle hinter mir etwas zischte, mir dann aber folgte.
„Wieso ist er nochmal hier?", fragte ich Jace, als er neben uns auftauchte; laut genug für Adam, es zu hören.
Jace verschränkte die Arme vor der Brust und sein Blick wanderte kurz zu Adam, dann zurück zu mir. Sein Waffengurt war bis zum letzten Platz mit Seraphklingen und weiteren Waffen bestückt. Das würde die Elbenkönigin sicher gern sehen. „Meine Großmutter mag ihn", murmelte er so leise, dass nur Isabelle und ich es aufschnappen konnten. „Seine Familie und er gelten als unparteiisch, weil sie in allen Fraktionen im Rat Freundschaften pflegen. Sie sind so ziemlich das, was sie unter Diplomaten versteht. Seine Eltern haben weitreichende Beziehungen zu den wichtigsten Schattenjägerfamilien in Alicante."
„Wie unparteiisch kann er sein, wenn er schon seit Jahren mit Blake befreundet ist? Er hat sein halbes Leben im gleichen Institut gelebt wie er", gab Isabelle verwirrt zurück. Sie warf Adam einen langen, kühlen Blick zu, den er neutral erwiderte und warf dann ihr langes Haar in einer überheblichen Geste zurück.
„Blake und seine Familie sind zwar für ihre ... radikalen Meinungen bekannt und dass Blake eine Gruppe anführt, die trotz des Abkommens weiterhin Schattenwesen jagt und tötet ist auch in einigen Kreisen kein Geheimnis. Aber Adam ..." Jace zuckte mit den Schultern. „Falls er je Teil dieser Gruppe war, dann ist davon nie was an die Öffentlichkeit gedrungen. Wir wissen nicht, wie tief er in Blakes Machenschaften mit drinsteckt. Alles was ich weiß ist, dass auch die Demonhunters mächtige Verbündete haben."
Ich biss zornig die Zähne zusammen. Adam war mir vom ersten Moment damals im New Yorker Institut freundlich und aufgeschlossen gegenübergetreten und ich hatte die ganze Zeit gedacht, dass er zwischen den Taten von meinem Vater und mir unterscheiden konnte. Doch was, wenn es ihn nie interessiert hatte, wie sehr ich tatsächlich in die Machenschaften von Valentin verstrickt gewesen war? Was wenn er von Anfang an nur eine neue Schachfigur auf dem Spielbrett gesehen hatte, die potenziell viel Einfluss unter den Nephilim haben könnte? Was wenn er sich nur mit mir angefreundet hatte, weil er gern Freunde in Machtpositionen hatte? Klar, die meisten Nephilim verabscheuten mich, aber der Kreis war einst ziemlich mächtig gewesen. Sich mit jedem gut zu stellen, war immer ein sicherer Weg. Der Gedanke schmerzte mehr als ich mir eingestehen wollte. Konnte das wirklich wahr sein? Dachte Adam tatsächlich so strategisch?
Die Inquisitorin klatschte in die Hände und ich zuckte zusammen. Ein Zischen hallte durch den Raum und ich machte instinktiv einen Schritt zurück, als das Portal wie aus dem Nichts in einem glühenden Funkenregen auftauchte. Magnus hatte die Hände gehoben und nickte uns zu. „Das Portal wird euch in die Nähe des Lichten Hofs befördern."
„Die Elben werden euch abholen, also bewegt euch nicht vom Fleck!", rief Imogen über das Rauschen des blauen Portals hinweg, das die Luft wie ein Strudel einzuziehen schien.
„Ich geh als Erstes!" Isabelle sprang nach vorn, ein motiviertes Lächeln auf dem Gesicht. Sie spazierte völlig lässig auf das Portal zu, drehte dann den Kopf über die Schulter und streckte uns die Zunge raus, bevor ihre Figur im Portal verschwand.
Jace trat näher zu mir heran. „Du oder ich?"
„Geh", sagte ich und deutete mit meinem Kinn auf das Portal.
Jace' goldene Augen betrachteten mich für eine lange Sekunde, als würde er nachdenken, ob sein Vortritt tatsächlich eine gute Idee war. Dann nickte er und schritt durch das Portal.
Meine Beine bewegten sich langsam auf das Portal zu und ich warf der Inquisitorin einen langen, nichts aussagenden Blick zu, den sie ebenso gefühllos erwiderte. Ihre Augen wanderten zu meinem Handgelenk und sie verzog unzufrieden die Lippen, als sie das Ende einer Rune unter dem Ärmel meiner Montur erspähte. Meine Mundwinkel bewegten sich wie von selbst nach oben.
Dann trat Adam neben mich und der Moment der Überlegenheit war vorüber. Ich wollte bereits durchs Portal treten, als er die Stimme erhob, ein flehender Ton darin. „Ich hoffe, dass ich in deinen Augen immer noch dein Freund bin."
Die Welt um mich herum wurde weiß. Eine Sekunde lang schien ich durch Raum und Zeit zu schweben, meine Reise begleitet von einem ohrenbetäubenden Pfeifen, als würde ein Wind um meinen Körper peitschen. Dann spuckte mich das Portal auf der anderen Seite wieder aus und ich machte einen taumelnden Schritt nach vorn, die Augen wegen des grellen Sonnenlichts zusammengekniffen, bevor ich meine Beine herumriss und meine Hände so fest mit Adams Brust kollidierten, dass er zurück nach Idris gestolpert wäre, wenn sich das Portal nicht augenblicklich hinter ihm geschlossen hätte.
„Ich will dich nicht sehen und ich will nicht mit dir reden", brachte ich brodelnd hervor, meine Finger wieder an Eosphoros' Griff. Hektische Schritte näherten sich, der Schnee unter ihren Stiefeln knisterte. „Ich habe keine Ahnung, warum du hier bist, aber bleib ja fern von mir."
Eine Sekunde später war Jace an meiner Seite und drückte seine Hand gegen Eosphoros, als würde er mich davon abhalten wollen, eine falsche Entscheidung zu treffen. Ich riss meine Hand vom Griff und warf ihm einen giftigen Blick zu, bevor ich Adam fixierte. Er hatte sich gerade aufgerichtet und Bedauern spiegelte sich in seinen jadegrünen Augen. Spielte er mir nur wieder etwas vor oder glaubte er tatsächlich, dass er im Recht war?
Ich drehte mich um und ließ mich von Jace zu Isabelle führen, die die Hände in die Hüften gestemmt hatte und die Szene aus einigen Metern Entfernung beobachtete. „Zum Glück sind die Wachen der Königin noch nicht hier. Sie wäre sonst sicher äußerst amüsiert, alles über diesen Streit zu erfahren."
Bei den Geschichten, die mein Vater mir über die Königin des Lichten Volkes berichtet hatte, war ich mir ziemlich sicher, dass sie bereits hiervon wusste. Sie hatte überall ihre kleinen Spione. Doch Isabelle hatte recht. Das hier war nicht der Ort, um die Fassung zu verlieren. Egal, wie sehr Adam mich verletzt hatte. Also zuckte ich nur mit den Achseln und konzentrierte mich auf unsere Umgebung.
Wir standen auf einer kleinen Lichtung, umgeben von dichten Bäumen, Farnen und Blumen. Selbst im Feenreich schien es Winter zu sein und obwohl alles mit Schnee bedeckt war, schimmerte ein heller Grünton überall hindurch und verlieh der Umgebung eine fast schon türkise Wirkung. Selbst das Licht der Sonne hatte einen leicht grünlichen Schein, zumindest so tief im Wald wie wir es waren. Die Flora musste eine andere sein als auf der Erde, denn die feinen Blüten und dünnen Stängel schienen der Kälte ohne Mühe trotzen zu können; darüber hinaus konnte ich keine einzige von ihnen beim Namen nennen.
Etwas zu unserer Linken raschelte und vier Köpfe drehten sich innerhalb von Millisekunden zur Geräuschquelle, die abseits der Lichtung lag. Mein Blick ruhte auf Jace' Hand, die langsam ihren Weg zu seinem Waffengurt machte. Ich ahmte es ihm nach. Vorsicht war besser als Nachsicht. Aber es war falscher Alarm. Die Atmosphäre in der Luft veränderte sich und ich spürte, wie sich die anderen um mich herum anspannten, als die fünf Elben die Lichtung betraten.
Es war das erste Mal, dass ich einem Elben gegenüberstand und trotz der vielen Geschichten und Bücher, die mich vorgewarnt hatten, waren sie hundertmal schöner als erwartet. Ihre überirdischen Gesichtszüge schienen vor Perfektion zu zerfließen und jeder ihrer Muskeln schien sich im Einklang miteinander und mit der Natur um sie herum zu bewegen; seelenruhig und gleichmäßig wie Wasser. Kein Künstler hätte diese Schönheit so präzise modellieren können. Selbst ohne die gespitzten Ohren hätte jeder sofort gewusst, dass sie nicht menschlich waren. Sie waren größer als jeder Nephilim, dem ich bisher begegnet war, aber ungefähr von gleicher Statur. Ihre bunten Haare – schwarz, grün, rosa, blau und grau – fielen ihnen lang und glatt über die Schultern; manche hatten Zöpfe andere nicht. Sie alle waren in eine braune Uniform aus Leder gekleidet und trugen ein einheitliches silbernes Schwert am Gürtel. Keine weiteren sichtbaren Waffen.
Dann traf mich der Blick von einem der Elben und ich zuckte aus der Bewunderung heraus, als hätte ich mich verbrannt. Seine hellgelben Augen fixierten mich mit einer solchen Intensität, voll Grausamkeit und Unmenschlichkeit, dass sich mir jegliche Nackenhaare aufstellten. Seine vollen, runden Lippen verzogen sich zu einem perfekten, überlegenen Grinsen, sodass ich mehrmals blinzeln musste, um durch die Vollkommenheit seiner Form hindurchzusehen. Sie war nichts weiter als eine Fassade; eine Waffe, die die Elben besser als alles andere beherrschten und beherrschen mussten, wenn sie die wahre Natur ihres Wesens verborgen halten wollten.
Der Elbe marschierte an seinen Begleitern vorbei, die sich in einer angriffsbereiten Einheit hinter ihm postierten. Sie waren Krieger durch und durch, nichts ließ auf etwas anderes schließen. In einer respektvollen Distanz zu uns blieb er stehen und nickte einmal, die Abfälligkeit in seinen Augen deutlich. Er wollte nicht, dass seine Königin mit uns verhandelte. „Die Königin schickt uns, um euch zum Lichten Hof zu geleiten. Folgt uns." Selbst seine Stimme klang wie eine Aneinanderreihung feinster, sanftester Töne.
Der Elbe drehte sich auf dem Absatz um und seine Gefährten folgten ihm ohne einen Mucks, als er die Lichtung überquerte und wieder zwischen den Bäumen verschwand. Isabelle setzte sich in Bewegung und Jace und ich zögerten nicht, als wir uns ihr anschließen. Hinter uns knirschten Adams Stiefel über den Schnee. Anders als die Elben gab er nichts auf eine sichere Distanz.
Für eine viertel Stunde spazierten wir in gemächlichem Tempo durch die Natur des Feenreichs. Keiner der Elben drehte sich zu uns herum, um zu schauen, ob wir noch da und nicht vom Weg abgekommen waren. Wenn man den Sagen Glauben schenkte, war es keine Seltenheit, dass Irdische sich hier verirrten und nie wieder Nachhause fanden.
Das Feenreich hatte bis auf die grundlegenden Elemente wie Erde und Wasser, den Jahreszeiten und dem Prinzip von Astronomie nichts mit der Welt gemein, die ich kannte. Die Luft war gefüllt mit einem süßlichen, einladenden Duft, der mir das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ und mit jedem Schritt, den wir taten, folgten uns ein Dutzend unsichtbarer Augenpaare; höchstwahrscheinlich kleinste Feen, die sich in den Pflanzen versteckten. Bisher waren wir keinem einzigen Tier begegnet, kein Vogel, kein Hase, nichts. Dafür wurde deutlich, dass wir uns dem Zentrum von etwas Mächtigem näherten. Die Dichte der Bäume nahm ab und immer wieder passierten wir Ruinen alter Bauten und verlassene Pfade, die in verschiedene Richtungen, tiefer in den Wald führten. Dann tauchte der Lichte Hof endlich vor unseren Augen auf.
Der Lichte Hof war kein Schloss oder Gebäude, sondern bestand aus den Wurzeln riesiger Bäume, die vor Jahrhunderten aus der Erde gesprießt und größer als manch ein Haus in Alicante waren. Ihre braune Rinde bildete eine Vielzahl von verschiedensten Geflechten, die sich in alle Himmelsrichtungen ausstreckten. Ich wusste, dass ein Großteil des Hofs sich eigentlich unter der Erde befand, aber der Anblick des oberirdischen Teils war bereits beeindruckend genug. Abgesehen von den überdimensionalen Bäumen bestand der Hof aus einer Vielzahl bunter Farne und Blumen und entsprang den Bildern aus Märchenbüchern. Wir begegneten anderen Feen und Elben, die meisten zu beschäftigt, um sich für unsere Anwesenheiten zu scheren. Hunderte von ihnen lebten allein hier am Hof. Wir Nephilim waren ihnen zahlenmäßig weit unterlegen.
Die Wachen der Königin führten uns in eines der Wurzelgebäude und eine breite Treppe hinab. Von den Wänden strahlten uns gleichmäßige, violette Lichter entgegen, deren Schatten jedoch wilde, rhythmische Tänze vollführten. Wir wurden durch lange, hohe Gänge und Räume geführt, die aus Erde, Pflanzen und Wasser bestanden; ein völlig eigenes Habitat. Eine Welt unter der Erde, die so wunderschön und vollkommen war, dass man gar keine Lust hatte, an die Oberfläche zurückzukehren. Elben sangen, spielten, lachten und ließen sich von uns nicht stören, als wir an ihnen vorübergingen. Sie schienen alle wunschlos glücklich zu sein. Ich spähte in die Gesichter von Jace und Isabelle, die beide nicht weiter beeindruckt wirkten. Sie kannten das alles bereits und waren klug genug, um hinter die Masken der Feen zu sehen.
Die Elben kamen am Ende eines Flurs zum Stehen, deren Durchgang von einem Vorhang aus Farnen versperrt war. Zum ersten Mal seit Beginn unserer Begegnung auf der Lichtung fokussierten sie ihre Aufmerksamkeit auf uns, ihre Augen nun mehr gelangweilt als angefeindet. „Die Königin erwartet euch." Jace nickte einmal, ging zum Vorhang und schob ihn zur Seite, bevor er in den Raum dahinter eintrat. Isabelle und ich folgten ihm, Adam auf unseren Fersen.
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