Kapitel 45.1. - Deadly Cold
Kapitel 45 – Deadly Cold
Die letzten Überreste des Schnees knisterten unter meinen Füßen, als ich das Grundstück der Garnison hinter mir ließ. Den Blick auf das glatte Steinpflaster gesenkt, versuchte ich, Jace zu ignorieren, der mir so nahe war, dass ich seine Körperwärme durch meinen Mantel hindurch spüren konnte. Mein Arm hing über seinen Schultern, während er langsam einen Fuß vor den anderen setzte; das Tempo um meinetwillen so langsam, dass mir die Frustration beinahe den Atem geraubt hätte, wenn der Schmerz mir nicht bereits jeden Sauerstoff aus den Lungen gepresst hätte. Nach außen hin musste ich hilflos aussehen. Schwach. Es war mein idiotischer Stolz, der sich etwas anderes einreden wollte. Ich war verletzt und verwundbar, weil ich mich von einem Dämon hatte aufspießen lassen, um Jace' Leben zu retten.
Einige Meter hinter den Toren der Garnison blieb ich stehen und versuchte, mich von Jace zu lösen. „Ich kann allein laufen", brachte ich hervor und mein heißer Atem blies weiße Wölkchen in die kalte Abendluft.
Es war dunkel geworden, während wir uns mit der Inquisitorin getroffen hatten. Die Sonne war hinter den Bergen von Idris verschwunden, während Jace und ich vor ihrem Schreibtisch gesessen und ihrem Selbstgespräch gelauscht hatten. Mein Körper war so von dem Schmerz zerfressen worden, dass ich mich kaum an irgendetwas erinnern konnte, was sie gesagt hatte. Alles woran ich mich nun noch erinnerte, war der atemberaubende Ausblick auf Alicante, den man aus ihrem Büro aus hatte; wie sich strahlendes Himmelblau in rosarotes Orange verwandelt und schließlich von einer ozeanblauen Dunkelheit verschluckt worden war.
Jace lehnte den Kopf ein Stück zurück, um mein Gesicht besser betrachten zu können, machte jedoch keinerlei Anstalten, meinen Arm loszulassen. Er hob eine seiner geschwungenen, blonden Brauen und presste die Lippen aufeinander, als hätte ich etwas völlig Absurdes gesagt. „Du schaffst es ohne Hilfe nicht mal zum Ende der Straße, Clary", bemerkte er ernst, aber ein Schmunzeln stahl sich auf seinen Mund.
„Ich bin es leid, von euch allen bevormundet zu werden", murmelte ich und zog kräftig an meinem Arm, was dazu führte, dass Jace ihn losließ und ich zusammengekrümmt gegen die nächste Wand taumelte, weil die ruckartige Bewegung dazu führte, dass ich Sterne sah.
„Genau das habe ich gemeint." Jace' Stimme klang zwiegespalten. Als wollte er mir unter die Nase reiben, dass er recht hatte, seine Sorge aber nicht unterdrücken konnte.
Mittlerweile war der Schmerz unerträglich geworden. Jede Bewegung brannte, als würden meine Muskeln in Brand stehen. Jede Bewegung fiel langsam und steif aus, als bestünde mein Körper aus Stein und nicht aus Fleisch und Knochen. Mein Gleichgewichtssinn hatte mich in dem Moment verlassen, in dem ich im Büro der Inquisitorin Platz genommen hatte. Wem machte ich also etwas vor? Jace hatte recht und ich würde es niemals ohne seine Hilfe zurück zu den Basilias schaffen. Aber ich war stur. So stur, dass mich diese Charaktereigenschaft noch umbringen würde.
Ich lehnte gegen die Wand irgendeines Hauses und starrte in Jace' Richtung. Zumindest hoffte ich, dass er dort stand, wo meine Augen hinstarrten, denn meine Sicht war nichts als ein einziges Weiß, deren Intensität sich nur langsam verlor. Jace machte einige Schritte auf mich zu und griff wieder nach meinem Unterarm. Langsam nahm seine Gestalt wieder Form vor meinen Augen an und ich musste den Kopf in den Nacken legen, weil er näher war als erwartet. Frustration schlich über sein Gesicht als er aus verdunkelten Augen zu mir hinabschaute. Im Kontrast fühlten sich seine Finger um mein Handgelenk zu sanft an.
„Ich hoffe, wir können diesen Besuch zur Feenkönigin so weit nach hinten verschieben wie möglich", sagte er leise und mir wurde schlagartig klar, dass sein Frust gar nicht mir galt.
Verwirrt kniff ich die Augen zusammen und wollte gerade den Kopf schieflegen, als mir die Erinnerung wie ein aufblitzendes Licht durchs Hirn flackerte. Den Teil des Gesprächs mit Imogen hatte ich vollkommen vergessen. Den Teil, in dem sie schon wieder mich beauftragt hatte, sich um die Drecksarbeit des Rats zu kümmern. Vielleicht hatte ich sie bewusst ausgeblendet, während ich dabei zugesehen hatte, wie der Himmel am Horizont seine Farbe gewechselt hatte, weil ich mir ausgenutzt vorkam. Heute hatten sie mich bereits von der Abstimmung ausgeschlossen, obwohl sie mich für die Ausarbeitung des Vertrags eingesetzt hatten. Es würde immer wieder auf dasselbe hinauslaufen.
Der Vertrag mit den Unterweltlern umfasste nicht alle Clans. Vampire, Werwölfe und Hexenmeister hatten sich bereitwillig mit uns getroffen, um ihre Anliegen zur Bedingung für ihre Hilfe zu machen. Doch von den Elben hatte man seit Wochen nichts mehr gehört. Die Königin des Lichten Volks hatte keinen Vertreter geschickt, um sich mit den Schattenjägern zu treffen. Sie hatte nicht einmal auf die Einladung der Inquisitorin geantwortet. Ob das an mir als Verhandlungspartnerin oder allgemeinem Desinteresse lag, konnte niemand mit Sicherheit sagen. Der Rat schloss nicht aus, dass sie sich heraushielt, weil sie letztlich nicht abhängig vom Schicksal auf der Erde war. Sie hatte ihr eigenes Reich, das auch ohne die Nephilim weiterexistieren würde.
Imogen hatte Jace und mich beauftragt, der Königin des Lichten Volkes einen Besuch abzustatten. Um sie über den Ausgang der Abstimmung in Kenntnis zu setzen und ihre Haltung im Konflikt mit Valentin herauszufinden. Durch die Abwesenheit der Elben ging der Rat von ihrer Neutralität aus, aber vielleicht würden sie sich doch den anderen Clans anschließen, wenn sie von all den Neuerungen hörten, die der Vertrag versprach. Falls sie weiterhin neutral bleiben wollten, würde dieser nicht für sie gelten. Sie würden weiterhin nicht dieselben Rechte haben wie die Schattenjäger. Weder Malachi noch Imogen glaubten daran, dass das die Absicht der Königin war. Sie dachte für gewöhnlich mehrere Schritte voraus. Sie tat immer, was für ihr Volk von Vorteil war. Die Wahrheit war, dass ihre Neutralität den Rat beunruhigte.
Jace zog leicht an meinem Arm und mein Rücken löste sich von der Wand, sodass sich mein Gesicht nicht mehr in den Schatten des Gebäudes befand. Als ich zu taumeln begann, schoss seine zweite Hand hoch zu meiner rechten Schulter, um mich auf den Beinen zu halten. Er senkte den Kopf in meine Richtung und kniff verstohlen die Augen zusammen. „Hast du überhaupt eine Ahnung, wovon ich rede?"
„Natürlich weiß ich das", antwortete ich genervt und versuchte, mich aufrecht hinzustellen. Dem Drang, aus seinem Griff zu entkommen, widerstand ich. Langsam schien ich mich damit abzufinden, dass ich ohne Jace nicht auf den Füßen bleiben würde.
„Du hast schon während des Gesprächs mit der Inquisitorin so abwesend gewirkt", erwiderte er in schärferem Ton als ich erwartet hätte, als würde ihn diese Tatsache wütend machen. „Du hast dir nicht einmal Mühe gegeben, ihr zuzuhören. Sie hat dir zweimal eine Frage gestellt und du hast dich nicht einmal zu ihr umgedreht."
Diese Information war mir neu. Ich presste die Lippen aufeinander, um nicht zu grinsen. Natürlich war mein Verhalten nur dem Schmerz geschuldet, aber der Fakt, dass ich Imogen dadurch verärgert haben musste, machte ihn ein wenig einfacher zu schultern. Zumindest so lange, bis Jace weitersprach.
„Sie hat dir angeboten, jemand anderen zu schicken, weil sie deine Verfassung angezweifelt hat", bemerkte er und betonte dabei jedes Wort. „Wenn du ihr nur für ein paar Minuten mehr zugehört hättest, müssten wir jetzt nicht ins Feenreich reisen."
Ich seufzte. Die Luft drückte sich gegen meine Lungen, als bestünde sie aus tausend kleinen Nadeln, die mich von innen heraus aufspießen wollten. Für eine Sekunde schloss ich meine Lider und lauschte in die stille Nacht hinein. Dann zog ich mich Jace' Griff und ließ die Maske fallen, die mich selbst jetzt noch umgab. Es war einfacher, die Wahrheit auszusprechen, wenn er mich dabei nicht berührte. Ich drehte ihm den Rücken zu und machte einige schwankende Schritte in Richtung der Straße, die wir ohnehin lang mussten. Nun, wo Jace mein Gesicht nicht sehen konnte, nahm ich mir die Freiheit, es in lautloser Qual zu verzerren. Ich erlaubte mir keine Tränen, aber ich konnte die Lippen zu einem stummen Schrei entzweireißen.
„Du hattest recht, mit dem, was du heute Mittag gesagt hast", flüsterte ich und schaute auf das Wölkchen, das aus meinem Mund in den Himmel aufstieg. „Es bringt mich um." Eine Sekunde lang hielt ich inne, um auf das Gewicht der Worte zu warten. Schwäche war immer schon mein größter Feind. Sie zuzugeben war noch hundertmal schlimmer. „Ich bereue es trotzdem nicht, heute hergekommen zu sein. Diese Rede war wichtig. Vielleicht das wichtigste, was ich in meiner Zeit in Alicante getan habe."
„Das war sie", sagte Jace hinter mir, der Ärger aus seiner Stimme verschwunden. Nur etwas Unbeteiligtes blieb zurück. „Ich hoffe, der Schmerz ist es wert."
„Ich weiß nicht", lachte ich heiser und die Trockenheit meiner Kehle brachte mich zum Husten. „Ich möchte sagen, dass es so ist, aber ich kann kaum allein hier stehen, ohne das Bewusstsein zu behalten." In einer langsamen, kontrollierten Bewegung drehte ich mich zu Jace, der mich vorsichtig beobachtete. Der Zwiespalt war ihm aufs Gesicht geschrieben. „Ich habe wirklich versucht, deiner Großmutter zuzuhören, aber du siehst doch wie ich aussehe. Ich kann nicht mal richtig atmen, ohne mich anstrengen zu müssen, also wirf mir nicht vor, dass ich dir einen Besuch bei den Elben nicht ersparen konnte. Du hättest genauso gut für mich sprechen können."
Jace' Gesicht wurde undurchdringlich. So wie er meine Mauer nicht überwinden konnte, konnte ich es bei seiner ebenso wenig. Mit wenigen Schritten hatte er den Abstand zwischen uns überbrückt und hievte sich meinen Arm in einer so zögerlichen Bewegung um die Schultern, dass ich mir nicht sicher war, ob der Schmerz mein Nervensystem so sehr unter Kontrolle hatte, dass ich einfach nicht mehr in der Lage war zu fühlen.
„Wieso hast du mir nicht gesagt, wie es dir geht?", fragte er, als er sich ohne Vorwarnung in Bewegung setzte. Langsam. Ein Schritt vor den anderen und doch ließen wir die Garnison nun endgültig hinter uns. „Ich wusste, dass es dir schlecht geht. Vor allem nach der Versammlung konnte man es dir ansehen, aber du bist so gut darin, es zu überspielen. Selbst jetzt kann ich nicht einschätzen, wie schlimm es tatsächlich ist."
„Dann bin ich wohl besser als ich dachte", murmelte ich zufrieden und erntete einen herablassenden Blick von Jace.
„Darauf solltest du nicht stolz sein", erinnerte er mich. Eine ähnliche Konversation hatten wir vorhin bereits.
„Vielleicht wird das irgendwann verschwinden", sagte ich kaum hörbar. Der Gedanke trieb mir einen Kloß in den Hals. „Wenn das alles vorbei ist und es keinen Krieg mehr gibt."
Eine lange Zeit antwortete Jace nicht. Alles was man hörte, waren unsere Stiefel auf dem Kopfsteinpflaster. Die Welt drehte sich um mich herum und der Wind war stärker geworden. Mit Mühe hob ich den Kopf und stellte fest, dass wir uns auf einer Brücke befanden, die den südlichen Teil Alicantes vom Nördlichen trennte. Ein Seufzen entkam meinen Lippen. Es würde noch eine Weile dauern, bis wir den Platz des Engels und die Basilias erreichten. Der Hinweg war mir so schnell vorgekommen ...
„Das wird es. Und wenn nicht, dann helfe ich dir dabei", versprach Jace, dessen Ton noch hohler klang als eben schon. Als wollte er sich vom Inhalt seiner Worte distanzieren. Wenn ich an den Hass zurückdachte, der seit unserer ersten Begegnung zwischen uns gewesen war, verstand ich warum. Er fürchtete sich davor, die Worte ernst zu meinen. Also nickte ich nur als wir um die nächste Ecke bogen. Ich war nicht die Einzige, die Zeit brauchte.
Wir begegneten kaum einer Menschenseele, während wir durch Alicante gingen. Die meisten Straßen waren verlassen und man sah nur vereinzelte Nephilim, die Ware transportierten oder auf Patrouille waren. Die Abwesenheit der Menschen war neben dem schwarzen Himmel das einzige Indiz auf die Uhrzeit. Wir passierten gerade eine Gasse, als sich mir aus unerklärlichen Gründen die Nackenhaare sträubten.
Es war nicht mehr als ein Instinkt, ein Gefühl, dass ich nicht zuordnen konnte. Langsam hob ich den Kopf, der bisher auf das Pflaster gerichtet gewesen war. Jace warf mir einen kurzen Seitenblick zu, aber in seinen Augen erkannte ich nichts Auffälliges oder Beunruhigendes. Ich wartete und ignorierte die Trägheit meiner Muskeln, die zu müde waren, um meinen Körper aufrecht zu halten.
Meine Finger begannen zu kribbeln. Kein Geräusch. Keine Bewegung. Kaum ein richtiger Schatten aus dem Augenwinkel. Und doch strömte mir plötzlich das Adrenalin ins Blut. Ich hielt nicht inne, denn das hätte uns verraten. Doch ich erlaubte mir einen tiefen, langen Atemzug. Er klang wie Erleichterung und fühlte sich genauso an. Adrenalin wirkte nicht wie eine Iratze, war aber so stark mit dem Überlebensinstinkt des Menschen gekoppelt, dass mir jede Bewegung mit einem Mal etwas leichter fiel.
Wieder drehte Jace seinen Kopf in meine Richtung und diesmal sah ich meine eigene Erkenntnis in seinen Augen gespiegelt. Unsere Füße bewegten sich weiter über die Straße und ich warf einen schnellen Blick zum Namensschild, nur um zu erkennen, dass wir fast da waren. Nur zwei Straßen trennten uns noch vom Platz des Erzengels. So nah ... ich starrte herab auf meinen Körper. Und doch so fern ...
„Wir werden verfolgt", flüsterte ich, gerade noch laut genug, dass Jace mich verstehen konnte.
Jace nickte kaum merklich den Kopf. Er musste es ebenso bemerkt haben. Sein Gesicht verzog sich zu einer unzufriedenen Grimasse. „Wir hätten den längeren Weg nehmen sollen. Der hätte uns auf der Hauptstraße gehalten. Jetzt sind wir umgeben von kleinen Gassen. Bleib wachsam."
Jace bog in die nächste Straße ein und nun konnte man den Platz in der Ferne leuchten sehen. Ich presste unwillkürlich die Lippen zusammen, als ich die Strecke musterte, die wir noch zurücklegen mussten. Dieses Viertel von Alicante war direkt am Fluss erbaut worden und wurde von vielen kleinen Kanälen durchzogen. Die parallel verlaufenden Gassen waren nicht breit genug für eine Kutsche, sondern nur auf Fußgänger ausgelegt und mündeten gelegentlich in einem kreisrunden Platz. Die Erbauer hatten wohl gedacht, dass die antiken Springbrunnen in der Mitte der Plätze dem Viertel einen romantischen Schliff verleihen würde. Jetzt gerade sah ich nichts Romantisches in den hohen Mauern der Wohnhäuser, die uns so nah waren, dass sie einen leicht einzukesseln schienen.
Jace drückte seine Finger stärker in den Arm über seinen Schultern und nahm an Tempo zu. Ich gab mir Mühe, ihn dabei nicht zu behindern. Schritt um Schritt. Meine Füße gerieten ins Straucheln. Jace' Atem wurde intensiver und sein Arm an meiner Hüfte grub sich fest in meinen Mantel, als er meinen Körper davon abhielt, aus der Reihe zu tanzen. Ein dumpfer Knall hinter uns ließ ihn herumfahren und ich drehte mich mit ihm.
Es blieb kaum eine Sekunde, um zu reagieren. Es ging alles so schnell, dass mein angeschlagenes Gehirn keine Zeit hatte, zu reagieren. Jace wurde von mir gerissen und ich taumelte ihm hinterher, weil seine Finger sich tief in den Stoff meiner Jacke gruben. Zwei dunkle Gestalten zerrten an seinen Armen. Keiner von ihnen machte auch nur einen Laut. Dafür war Jace' Zischen umso zorniger und so laut, dass es durch die gesamte Gasse getragen wurde. Seine Finger waren immer noch um meine Hüfte geschlossen als eine dritte Person sich zwischen uns schob und mich mit einem gewaltsamen Ruck gegen die nächstgelegene Wand schleuderte. Mein Kopf knallte so heftig gegen den Backstein, dass mein Bewusstsein sich für einige Augenblicke verabschiedete.
Mein Körper fiel. Ich riss benommen die Augen auf und jemand riss meine Schultern nach oben. Ein Stöhnen kam mir über die Lippen und ich blinzelte, um in der Dunkelheit etwas erkennen zu können. Meine Augen fuhren zu Jace, dessen Arme ihm von zwei vermummten Personen auf den Rücken gedrückt wurden. Er versuchte sich zu befreien und ein fast wilder Ausdruck glühte in seinen vor Wut verzerrten Augen, als er eine Reihe an Flüchen auf die beiden losließ.
Jemand lachte ein dunkles, selbstgefälliges Lachen, welches mir irgendwie bekannt vorkam. Ich drehte den Kopf zur Seite und erstarrte, als ich die dritte Gestalt wahrnahm, die nur Zentimeter über mir aufragte. Mindestens so groß wie Jace, aber etwas schlaksiger vom Körperbau. Er hatte seinen Arm quer über meine Brust gedrückt und lehnte mit seinem Körpergewicht dagegen. Ich konnte kaum atmen, während er mich gegen die Wand fixierte. Als hätte er Angst, dass ich entkommen könnte.
Die Gestalt lachte immer noch und mein Herz begann wie wild zu klopfen, als ich mir keinen Reim daraus machen konnte, mit wem ich es zu tun hatte. Ich konnte spüren, wie die Innenseiten meiner Hände zu schwitzen begannen. Sein Gesicht war in einer tiefen Kapuze versteckt, sodass ich es nur erahnen konnte. Ich lehnte mich ihm entgegen, was ihn zu verwirren schien, denn er schob den Kopf zurück, um mir auszuweichen. Die Bewegung reichte, um mir seinen Geruch in die Nase zu treiben und mein Körper gefror augenblicklich unter mir. Eine Welle der Übelkeit überkam mich, als ich mich an das Aftershave erinnerte, das mir schon heute Nachmittag unangenehm erschienen war.
„Blake Ashdown", kam es mir über die Lippen. Es gelang mir nicht, die Überraschung zu verbergen.
Jace, der meine Worte gehört haben musste, wurde von der einen auf die andere Sekunde totenstill. In einer bedachten Bewegung drehte er sich zur Seite, bis unsere Blicke sich trafen. Der Horror in seinen goldenen Augen erschreckte mich. Er ließ meine Hände stärker schwitzen. Wenn er sagt, dass er dich töten wird, dann wird er es versuchen. Jetzt bist du ein einfaches Ziel. Ich war eine Idiotin. Eine närrische, arrogante Idiotin, die sich für unbesiegbar hielt und den Mund nicht halten konnte, nur weil ihr Stolz größer war als ihr Überlebensinstinkt.
„Clever bist du, das muss man dir lassen, Clarissa", lachte Blake und rückte etwas von mir ab, um mich zu betrachten. Nichts an seinem Lachen klang fröhlich oder zufrieden. Es war das Lachen eines wütenden, zerfressenen Jungen, der so weit abseits der Zivilisation war, dass er diese Seite nicht länger zu verstecken brauchte. Er winkelte den Kopf an, während seine dunklen, blauen Augen über mein Gesicht fuhren und ein hasserfülltes, rachdürstiges Lächeln breitete sich auf seinem Mund aus. „Ich werde es so genießen, dir wehzutun."
Irgendwie erschien mir die Situation surreal. Nichts an ihr ergab einen Sinn. Im Laufe der letzten Wochen hatte ich mir häufig meinen eigenen Tod vor Augen geführt. Aber zu keiner Zeit hatte ich gedacht, dass ich vielleicht so ehrenlos und unbedeutend sterben würde. In einer schwarzen Gasse, irgendwo in Alicante, ermordet von politischen Fanatikern. Nein, so hatte ich mir das definitiv nicht vorgestellt.
Blake ließ mich los und zog sich die Kapuze vollends vom Haupt. Sein braunrotes Haar wirkte beinahe Grau im fahlen Strahl des wenigen Elbenlichts. In einer Sekunde trafen sich unsere Augen, in der nächsten riss er mir meinen Mantel vom Körper und warf ihn über die Brüstung hinab in den Kanal, der uns von der anderen Seite der Gasse trennte. Dann, schneller als dass ich in meinem Zustand hätte reagieren könnten, wurde ich wieder gegen die Wand gedrückt. Meine Nerven zuckten einmal vor der Kälte des Gesteins zurück, die sich ohne die Jacke nun deutlich in meine Montur fraß.
„Meintest du nicht vor einigen Stunden noch, dass du mich selbst im Schlaf umbringen könntest?" Nun schlich sich ein abfällig amüsierter Ton in Blakes Stimme.
Ich nahm all meine Kraft zusammen, um meinen Körper aufrechtstehen zu lassen, während ich seinen Blick erwiderte. „Vielleicht habe ich mich etwas überschätzt", gab ich zu und erwiderte sein Lächeln mit einem giftigen Grinsen. „Findest du es nicht etwas unfair, mich gerade dann aufzugreifen, wenn ich in diesem Zustand bin?"
Blake schnaubte. „Fair? Komm schon, du solltest mich gut genug einschätzen können, um darauf zu kommen, dass ich nichts von Moral halte."
„Ein Feigling also", murmelte ich und mein Grinsen weitete sich. Ich konnte förmlich spüren, wie Jace versuchte, mein loses Mundwerk durch seinen bloßen Blick zum Schweigen zu bringen.
Etwas in Blakes rechter Hand glitzerte im fahlen Licht und mein Hirn brauchte mehrere Sekunden, um dem Silber einen Gegenstand zuzuordnen. Ein Messer. Kaum länger als meine Handfläche, aber solange die Klinge scharf war, würde das keinen Unterschied machen. Mein Blick wanderte von dem Messer zu seinem Gesicht. Das Grinsen auf seinen Lippen war von einem finsteren Ausdruck ersetzt worden, wie wenn meine Worte ihn aufgeregt hätten. Er hob den Arm und drückte mir das Metall präzise an die Kehle. Genau oberhalb meiner Halsschlagader. Plötzlich fiel es mir schwer, zu atmen.
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Hi,
sorry dass ich so lang auf mich hab warten lassen. Ich war im Urlaub zwischendurch. Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen!
LG
Skyllen :)
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