Kapitel 37.2. - Heavenly Fire
Adam und ich spazierten ein Stück über die Wiese, bis die Stallungen der Lightwoods in einiger Entfernung vor uns auftauchten. Jetzt würden uns die anderen nicht mehr hören können. Mit verschränkten Armen drehte ich mich zu Adam um, der mich vorsichtig musterte. Über seine Schultern hinweg konnte ich Alec, Jace und Isabelle sehen, die uns immer noch beobachteten. „Was gibt's?"
„Wir sollten uns aussprechen." Adam seufzte und fuhr sich durch sein Haar, das die Farbe der dunklen Baumstämme um uns herum angenommen hatte. „Ich weiß, dass ich mich dir gegenüber falsch verhalten habe. Ich habe mir Sorgen gemacht, so wie Freunde es nun mal tun. Ich hätte nicht gedacht, dass es dich so aufregen würde und jetzt, wo ich etwas länger darüber nachgedacht habe, ist mir klargeworden, dass ich wohl tatsächlich etwas überreagiert habe."
„Das hast du in der Tat", gab ich knapp zurück.
„Ich wollte dir nichts vorenthalten, Clary. Alles, was ich wollte, war, dass du von der Härte des Rates nicht erschlagen wirst, als sie über die Beerdigung deiner Mutter abgestimmt haben. Du kennst ihn nicht so gut und ich wollte es dir langsam beibringen."
„So ein Mensch bin ich aber nicht", entgegnete ich, ließ meine Arme sinken und begann vor ihm hin und herzulaufen. Die Erinnerungen an unseren Streit machten es nicht gerade einfacher, meine Wut zu kontrollieren. „Ich ertrage die Wahrheit, Adam. Ich bin stark genug dafür."
„Das weiß ich." Für einige Minuten schwiegen wir und Adam schaute mir mit wachsendem Bedenken dabei zu, wie ich durch den schmelzenden Schnee lief. „Unsere Freundschaft ist noch jung. Wir kennen den anderen kaum. Ich kann dich nicht zu hundert Prozent einschätzen und wissen, wie du dich in bestimmten Situationen verhalten wirst. Ich habe einfach meine allgemeine Menschenkenntnis auf dich übertragen, in der Hoffnung, dir etwas Gutes zu tun."
Meine Beine kamen unter mir zum Stillstand und eine kurze Zeit lang wandte ich ihm den Rücken zu. Ich lehnte meinen Kopf in den Nacken und starrte gen Himmel. Kleine, weiße Wolken bedeckten Teile des unendlichen Blaus. Die Sonne strahlte warm auf meine Haut herab und kämpfte gegen die Kälte des Winds. Einzelne Vögel flogen zwischen den Dächern der benachbarten Anwesen, die man in der Ferne erkennen konnte, hin und her. Ein friedlicher Anblick. Frieden, den es zu bewahren galt. Frieden, den ich zuerst mit mir selbst finden musste, wenn ich für ihn einstehen wollte.
„Du hast recht", sagte ich schließlich und blickte wieder zu Adam. Meine Haare wehten im Wind und mein Körper warf einen Schatten auf sein Gesicht. Das Licht der Sonne strahlte über meine Schultern auf seine Füße und er musste die Augen zusammenkneifen, um mich zu erkennen. „Wir kennen uns noch nicht so lange. Du hättest nicht wissen können, wie ich reagiere."
„Heißt das, du verzeihst mir?" Adams Stimme nahm einen hoffnungsvolleren Ton an und er trat näher an mich heran.
Ich kippte den Kopf ein wenig zur Seite und kniff die Brauen nachdenklich zusammen. „Wir sind Freunde. Freunde streiten sich. Das gehört dazu, denke ich."
„Du weißt gar nicht, wie erleichtert ich bin", gab Adam zu und eine Sekunde später hatte er mich zu sich gezogen und seine Arme um meine Schultern geschlungen. Die Umarmung dauerte nicht lange, kaum mehrere Sekunden, und doch rührte sie mich. Ein Lachen entsprang meiner Kehle als ich seinen Arm tätschelte. Unsere Augen trafen sich und wir lächelten uns an.
„Dich nicht um mich zu haben war seltsam, vor allem bei all dem, was geschehen ist, aber ich war wirklich sauer auf dich", gab ich zu und wippte auf meinen Fußballen vor und zurück. Dann verdrehte ich die Augen und schmunzelte. „Es ist so viel passiert, über das ich gerne mit jemandem geredet hätte, der nicht sowieso schon unter einem Dach mit mir wohnt und eh alles mitbekommt, egal ob ich will oder nicht."
Adams Enthusiasmus, den ich tatsächlich vermisst hatte, flammte in seinen smaragdgrünen Augen auf. Er erinnerte mich zurück an die Zeit im New Yorker Institut und unsere ersten Begegnungen „Erzähl mir alles."
Ich erzählte Adam vieles, das meiste, aber nicht alles. Einige winzige Details ließ ich aus, wie das Gespräch zwischen mir und Jace oder den Fakt, dass wir irgendwie mehr und mehr auf einer Wellenlänge zu sein schienen. Es kam mir nicht klug vor, diese Sachen weiterzusagen. Desto mehr Zeit Adam mit uns verbrachte, desto eher würden ihm die Dinge selbst auffallen. Es kam mir falsch vor, ihm davon zu berichten, auch wenn ich den Instinkt in meiner Brust nicht einordnen konnte.
„Also du glaubst, dass du Jonathan mit deiner Rune besiegen kannst", bemerkte Adam nachdenklich, nachdem ich geendet hatte. Wir spazierten langsam wieder auf die anderen zu, die nun dazu übergegangen waren, Dolche gegen die Baumstämme zu werfen. Ich konnte einen vielsagenden Blick in Isabelles Richtung nicht zurückhalten. Hattet ihr keine bessere Idee? Sie zuckte die Schultern und ihre Augen sagten alles, was ich zu wissen brauchte. Eine bessere Tarnung ist mir spontan nicht eingefallen. „Warum aber fokussierst du dich so sehr auf ihn? Wäre es nicht besser, eine Rune zu finden, die das Engelsschwert vielleicht ... neutralisiert oder so?"
„Das Engelsschwert hat Zeit. Seine Träger sind das eigentliche Problem. Mein Vater ist sterblich. Falls ich ihn ausschalten kann, bleibt nur noch Jonathan. Und da es nicht so einfach ist, ihn zu töten, muss ich mir eine totsichere Methode überlegen, bevor wir uns gegenüberstehen", erklärte ich knapp und schnappte mir einen der Dolche von Adams Gurt. Ich wog ihn in der Hand ab und nickte dann. Edler Stahl, beste Schmiedsqualität. Adam hob die Hand und versuchte, nach dem Dolch zu greifen. Bevor er sein Gewicht auch nur nach vorne verlagern konnte, drehte ich mich um meine eigene Achse und ließ die Klinge fliegen. Das Zischen des Metalls brachte ein Grinsen auf meine Lippen.
„Angeberin." Adam schmunzelte und verdrehte die Augen. Alec und Jace drehten sich reflexartig zu uns um, als der Dolch sich in ihren Trainingsbaum bohrte. Falls sie sich erschreckt hatten, ließen sie es sich nicht anmerken. Jace verengte seine Augen zu Schlitzen, als hätte er auf einen sauren Apfel gebissen. Die freundliche Version seiner Selbst war so schnell verschwunden wie sie aufgetaucht war. Adam wandte sich mir zu und lenkte meine Aufmerksamkeit zurück zu ihm. Er sah besorgt aus. „Bist du dir denn sicher, dass es keine andere Möglichkeit gibt, Jonathan zur Vernunft zu bringen als ihn zu töten? Gibt es keine Möglichkeit, das rückgängig zu machen, was dein Vater ihm angetan hat?"
Für einen Moment konnte ich nicht atmen. Etwas drückte gegen meinen Brustkorb, so mächtig, dass ich einen Wimpernschlag Sterne sah. „In der Vision, die Ithuriel uns gezeigt hat, klang Lilith ziemlich endgültig, als sie meinen Vater vor den Nebenwirkungen ihres Bluts gewarnt hat. Man könnte Jace und mir das Engelsblut ja auch nicht einfach entnehmen. Es ist ein Teil von uns. Mein Bruder ist bereits tot", brachte ich hervor und merkte, wie meine Füße mich einige Schritte zurücktrugen. Sie schwankten und Adam entging es nicht. Wieder ein Reflex, aber diesmal einer zur Flucht. „Ich habe keine andere Wahl, als den Dämon zu töten, der in ihm lebt. Entweder ich töte ihn, oder er tötet mich. Und wenn ich tot bin, wird er vor euch und dem Rest der Welt keinen Halt machen."
„Du denkst, dass er dich holen kommt, bevor dein Vater den eigentlichen Krieg beginnt?", schloss Isabelle aus meinen Worten. Sie hatte mit dem Messerwerfen aufgehört und hatte sich zu uns gesellt, die Arme vor der Brust verschränkt, weil es ohne Mantel doch ziemlich frisch war. Ihre Augen schweiften zwischen Alec und mir vor und zurück und ein zunehmend entsetzter Ausdruck trat in ihren Blick. Ob sie sich wohl gerade vorstellte, Alec töten zu müssen, wenn er und Jonathan Plätze tauschten? Für einen Außenstehenden musste es unvorstellbar sein. Ich konnte es mir selbst kaum vorstellen.
„Ich weiß es", war alles, was ich dazu sagte, und wandte den Kopf von ihnen ab, unfähig das Gefühlschaos eine Minute länger vor ihnen zu verbergen. Erchomai, ich komme. Oh ja, Jonathan würde kommen, um mich zu töten. Vielleicht würde er mich aber auch so lange am Leben lassen, um diese Welt brennen zu sehen. Als Strafe für meinen Verrat.
Für einen langen Augenblick dominierte das Gewicht dieser zerstörerischen drei Worte. Das niederschmetternde Schweigen, welches folgte, ließ den pfeifenden Wind überlaut erscheinen. Selbst Jace und Alec hatten in ihren Bewegungen innegehalten.
„Das werden wir nicht zulassen", sagte Isabelle bestimmt. Als wären wir ein Team. Als wäre es eine in Stein gemeißelte Tatsache, dass wir Seite an Seite bis zum Ende der Welt kämpfen würden.
Ein beinahe trauriges Lächeln stahl sich auf meine Lippen, als ich Isabelle in die Augen blickte. Ein warmes Gefühl breitete sich in meiner Brust aus. Dankbarkeit für diese Freundschaft. Freude, dass es jemanden gab, dem ich wichtig war. Niedergeschlagenheit, weil ich wusste, dass all das nichts bedeuten würde. „Ich wünschte, es wäre so einfach. Er ist gerissen und ist gezwungen, strategisch vorzugehen. Er wird sich einen Zeitpunkt aussuchen, wenn ich am wenigsten damit rechne. Er muss mich in einem Moment der Schwäche zu erwischen, weil ich ihm ebenbürtig bin."
„Wäre ich er, würde ich einfach nachts in dein Zimmer einbrechen", platzte Isabelle heraus, schien jedoch nicht sonderlich stolz auf ihren Kommentar.
„Ja", murmelte ich und verzog unzufrieden den Mund. Sie hob in Reaktion erstaunt die Brauen. „Das halte ich für höchst wahrscheinlich. Wenn er Zugang zu den Spionen meines Vaters hat, weiß er, dass es nicht viele Möglichkeiten gibt, mich allein und unvorbereitet abzufangen."
„Du sagst das so gelassen, als würden wir nicht gerade über einen potenziellen Mordversuch durch deinen Bruder reden." Isabelle erschauderte und rieb sich die Oberarme in Reaktion.
„Du weißt, dass er kommen wird und tust nichts dagegen?", mischte Adam sich nun erneut ein. „Eben hast du mir vorgeworfen, dass ich mir zu viele Sorgen machen würde, aber das ist anscheinend vollkommen berechtigt. Das ist fahrlässig!"
„Das ist nicht fahrlässig", entgegnete ich ernst und musterte ihn eingehend. Ich spürte die Blicke der anderen auf uns, die unserer Konversation folgten. „Wenn es passiert, dann passiert es. Mir bleiben da nicht viele Möglichkeiten, außer auf meinen Schlaf zu verzichten."
„Hast du überhaupt eine Waffe?", entgegnete Adam und warf die Hände in die Höhe. „Oder eine Stele?"
„Oh ja genau, wieso frage ich die Inquisitorin nicht gleich direkt persönlich, ob sie mir ein paar ihrer Leibwächter abkommandiert, damit sie in meinem Zimmer wachehalten?" Ich zischte Adam die Worte entgegen und er versteifte sich zunehmend. „Weil es in dieser dämlichen Stadt ja irgendjemanden interessiert, ob ich mit einer aufgeschlitzten Kehle aufwache. Die hälfte der Leute wäre froh, wenn das passiert, ganz gleich wer dafür verantwortlich ist."
„Du weißt, dass das eine Lüge ist", murmelte er und streckte die Hände nach mir aus, aber ich wich vor seiner Berührung zurück.
Isabelle drängte sich an meine Seite und zwang mich dazu, sie anzuschauen. Über ihren Kopf hinweg konnte ich Jace ausmachen, in dessen Augen so etwas wie Zorn flackerte. Warum er nun wieder wütend war, war ein Rätsel für mich. Er hatte kein Recht, irgendetwas derartiges zu empfinden. Nicht in diesem Moment.
„Es ist keine Lüge", seufzte Isabelle und griff nach meinen Händen, die ich zu Fäusten geballt hatte. Langsam versuchte sie, sie auseinander zu falten. „Clary hat recht. Wir alle wissen das."
„Ich habe wirklich jeglichen Respekt vor der Inquisitorin, aber meiner Meinung nach ist sie die Sache mit dir von Anfang an falsch angegangen", sagte Adam und warf Jace einen langen, dunklen Blick zu.
„Was meinst du damit?"
„Erst einmal ist es nicht die Aufgabe der Inquisitorin, Jugendliche zu foltern. Egal welchen persönlichen, familiären Groll sie gegen dich hegt", beantwortete Adam dann meine Frage. „Die Handhabung deines gesamten Aufenthaltes und was du ertragen musstest, ist geprägt von ihrer Subjektivität. Ihre Gefühle deinem Vater gegenüber trüben ihre Urteilsfähigkeit."
Ich öffnete meinen Mund, um ihm zuzustimmen, als Jace sich plötzlich zu Wort meldete. „Die Inquisitorin hat niemanden gefoltert, Adam. Das nennt sich Verhör. Wie immer überdramatisierst du." Er spuckte ihm die Worte vor die Füße. Er fühlte sich offensichtlich persönlich von seinem Vorwurf angegriffen, auch wenn er allein seiner Großmutter gegolten hatte. Doch es wunderte mich nicht. Jace schaltete immer sofort in Abwehrhaltung, wenn es um seine Eltern ging.
„Clary vor dem Rat vorzuführen war psychische Folter, ganz zu schweigen davon, dass sie auch körperliche Schmerzen dabeihatte. Noch dazu war es eine Demütigung vor einer Gesellschaft, die sie größtenteils sowieso schon verachtet", gab Adam sachlich zurück, ohne seine unbewegte Miene auch nur für eine Sekunde zu brechen. „Die Inquisitorin weiß ganz genau, dass Valentin Spione in Alicante hat. Sie wollte ihm nur die Nachricht überbringen, dass seine Tochter für seine Sünden bezahlt. Fandest du das etwa gerecht?"
„Seit wann soll Folter gerecht sein?", fragte Alec nun und hörte ebenfalls auf, seine Messer zu werfen.
„Hör auf Alec", sagte Isabelle und warf ihrem Bruder einen warnenden Blick zu. „Adam hat recht. Imogen belegt Clary schon seit ihrer Ankunft wahllos mit irgendwelchen Strafen oder Anforderungen. Vielleicht hätte Clary ihr freiwillig von ihrer Gabe erzählt, wenn Imogen nicht so feindselig gewesen wäre. Es ist nicht so, dass ich es am Anfang nicht nachvollziehen konnte. Aber mittlerweile ... Clary hat sich nichts zuschulden kommen lassen und das weiß Imogen, es ist ihr nur einfach egal. Es sit einfach ihre persönliche Agenda gegen Valentin."
Meine Augen huschten zwischen Isabelle, Adam, Jace und Alec hin und her, die sich wie eine kalte Kriegsfront gegenüberstanden. Ich seufzte und machte einen Schritt auf Adam zu, um ihm am Arm zu ziehen. Wieder versuchte er den Beschützer zu spielen. Dabei hatten wir gerade erst darüber gesprochen. „Solche Diskussionen führen zu nichts, Adam."
„Das sollten sie aber", sagte Adam und wandte sich nun mir zu. Ein Feuer brannte in seinen grünen Augen und es schnürte mir die Kehle zu. „Jeder hier weiß, dass du unschuldig bist. Jeder hier weiß, dass du die letzten Wochen durch die Hölle gegangen bist. Mich stört es, dass sie so tun, als wären sie deine Freunde, wenn sie in Wahrheit die Taten der Inquisitorin unterstützen."
Ein heiseres Lachen verließ meine Kehle. „Eigentlich ist nur Isabelle meine Freundin und ich weiß, dass sie nicht so denkt."
„Dankeschön", schnitt Isabelles melodramatische Stimme durch die unangenehme Stille, die auf meine Worte folgte. Sie machte einen Satz auf mich zu und umarmte mich in einer beinahe albernen Bewegung, die ihr fruchtiges Parfüm zu mir herüberwehte. Isabelle war wirklich ein Kaliber für sich. Ich konnte nicht anders als zu Lächeln, was in der momentanen Situation vielleicht eher unangebracht war. „Wirklich Adam, du bist so eine Dramaqueen", flüsterte sie dann in seine Richtung und verschränkte die Arme vor der Brust.
Adam zuckte nur mit den Schultern. „Es ist die Wahrheit."
„Okay, genug Wahrheit für einen Tag, mehr ertrage ich nicht", sagte ich dann und klatschte in die Hände. „Ich habe Adam übrigens von dem Feuer erzählt, ihr könnt also mit diesem Trauerspiel von Training aufhören."
„Ich werde mal schauen, was ich in der Bibliothek dazu finde", murmelte Jace mit neutraler Stimme. Seine Augen waren auf den Boden zwischen uns gerichtet und man konnte ihm ansehen, dass er Mühe hatte, seinen Gesichtsausdruck zu beherrschen. Was auch immer gerade in ihm vorging.
„Nicht nötig", fiel Adam ein und hob eine Hand in die Höhe. „Der Begriff, den ihr sucht, lautet himmlisches Feuer."
„Du kennst es?" Ich hob erstaunt die Augenbrauen. Himmlisches Feuer. Es passte. „Was weißt du darüber?"
„Nicht viel, um ehrlich zu sein." Adam zuckte die Achseln, ging zum Baum, um den Dolch aus dem Stamm zu reißen, den ich eben geworfen hatte und drehte sich dann lächelnd um. Er schien die Aufmerksamkeit zu genießen, die vielen Augenpaare, die ihm folgten, während er der Einzige mit der entscheidenden Information war. „Es gibt einige Legenden darüber. Keiner weiß wirklich, wie man es erschafft, aber es soll dazu in der Lage sein, Dämonisches und Böses zu verbrennen."
„Dann wird es das wohl sein", sagte ich, nickte und hatte das Gefühl, in ein tiefes, bodenloses Loch zu fallen. Dämonisches und Böses. Mehr war von Jonathan nicht mehr übrig.
„Hey." Adam drückte meinen Arm und sein Lächeln war nicht weniger traurig als ich mich fühlte. „Ich weiß, wie schwer das für dich ist. Wir müssen uns ja nicht sofort an den Plan für die Ausführung setzen. Du kennst die Rune und das reicht im Moment auch schon."
„Adam hat recht", flüsterte Isabelle, die immer noch neben mir stand und die Barriere zu Alec und Jace nur zu verstärken schien. Die beiden wirkten irgendwie fehl am Platz. „Jonathan wird ja nicht morgen hier aufkreuzen."
„Hoffentlich," murmelte ich, während ich mich langsam von der Gruppe entfernte und sie dem überließ, was auch immer so tun wollten. Ich war fertig. Ich hatte keine Kraft mehr in meinen Adern, um darüber nachzudenken, meinen Bruder zu töten. Ich hatte keine Kraft mehr, irgendetwas zu tun.
Erchomai, ich komme. Wieder fuhren meine Augen zum Himmel. Als würden sie nach etwas suchen, was sich noch nicht am Horizont abzeichnete. Ich hoffte, dass Jonathan sich Zeit lassen würde. Ich würde sie brauchen, um mich auf ihn vorzubereiten.
oOo
„Können wir kurz reden?"
Kein Licht drang in den Flur und selbst der Holzboden, der sonst ein verdächtiges Knarren von sich gab, blieb totenstill, sodass ich einen Moment brauchte, um ihn zu lokalisieren.
Jace lehnte gegen die geschlossene Tür der Bibliothek. In der Dunkelheit war er nicht mehr als ein Schemen und ohne seinen stetigen Atem hätte ich ihn wahrscheinlich nicht bemerkt. „Du klingst ja fast schon wie Adam."
Adam war der Grund, warum ich erst jetzt, spät in der Nacht die Treppen zur zweiten Etage hochstieg, um mich schlafen zu legen. Nach dem Training, das in einer eher unangenehmen Diskussion über Gerechtigkeit zwischen Adam und Jace geendet war, waren wir noch für eine Weile durch Alicante spaziert. Es war schön gewesen, sich gegenseitig auf den neusten Stand zu bringen. Einmal über etwas Normales nachzudenken. Es war gut zu wissen, dass Adam immer noch mein Freund war und mich unterstützte.
Jace gab ein Schnauben von sich und trat dann einige Schritte nach vorne. Er hatte sich wieder umgezogen. Seine Hände waren tief in den Taschen seiner schwarzen Jogginghose vergraben. Er hatte den Kopf leicht gesenkt und betrachtete mich gedankenverloren aus seinen goldenen Augen. „Es ist nicht viel, keine Sorge. Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich das, was meine Großmutter mit dir gemacht hat, nicht unterstütze."
Ich stand immer noch am Treppenabsatz, meine Hand beiläufig gegen das Geländer gelehnt. Nun war ich froh, mich irgendwo stützen zu können. „Du hast sie aber unterstützt."
„Das habe ich auch", gab Jace zu und ließ seinen Blick herabgleiten. „Aber ich habe dir schon mal gesagt, dass ich meine Meinung geändert hatte."
„Warum hälst du es dann für nötig, es mir nochmal zu sagen?", fragte ich dann, meine Stimme kälter als beabsichtigt.
„Weil ich sie heute verteidigt habe und ich glaube, dass du meine Worte falsch aufgefasst hast."
„Ich denke, dass ich sie ganz gut verstanden habe", entgegnete ich und machte Anstalten, mich an ihm vorbeizudrücken, um mein Zimmer zu erreichen. Wahrscheinlich hatte er sich mit Absicht mitten in den Gang gestellt. „Hör mal, Jace, du musst dich nicht für deine Weltansichten entschuldigen. Es ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal. Aber hör auf, dich danach bei mir zu rechtfertigen. Leere Worte verschwenden unserer beider Zeit."
„Ich musste sie verteidigen. Was hättest du getan, wenn- ... nein das ist kein gutes Beispiel." Jace seufzte frustriert in die Stille zwischen uns. „Das, was sie mit dir gemacht hat, war falsch."
„Es war nicht nur falsch", zischte ich ihn an. Die blassen Erinnerungen an das Verhör ließen meine Wangen vor Scham rot anlaufen. „Es war demütigend und herablassend und das hatte ich nicht verdient. Selbst wenn ich die Person gewesen wäre, für die ihr mich gehalten habt, wäre das ekelerregend gewesen."
„Ich weiß", murmelte Jace in derselben Schärfe zurück. Es war so leicht, ihn anzustacheln. „Das wusste ich auch damals schon, auch wenn es mir da noch egal war."
„Und weshalb ist es dir dann jetzt nicht mehr egal?"
„Soll ich dir jetzt alles wiederholen, was ich dir schon das letzte Mal gesagt habe?", fragte Jace und man konnte ihm ansehen, dass er es langsam, aber sicher bereute, dieses Gespräch begonnen zu haben. Er kam nicht zum Punkt.
„Nein, aber ich verstehe es trotzdem nicht", erklärte ich, zuckte die Achseln und hob die Hände in die Höhe. „Ich verstehe dich nicht. Manchmal scheint alles okay zwischen uns zu sein, aber dann benimmst du dich seltsam oder sagst Dinge, die nicht in Ordnung sind."
„Glaube mir eins, Clary, wenn ich mich verstehen würde, dann wärst du die Erste, der ich davon erzählen würde. Bis dahin musst du dich damit abfinden." Ein tiefer Atemstoß entfuhr seiner Kehle. „Eigentlich wollte ich über was ganz anderes mit dir reden."
„Vielleicht solltest du auch genau das einfach tun, denn ich verliere langsam die Geduld", bemerkte ich und gab mir Mühe, gelangweilt zu klingen.
„Ich kann nicht rückgängig machen, was du wegen der Inquisitorin durchmachen musstest, aber lass mich versuchen, es wieder gut machen. Zumindest ein bisschen", sagte Jace und nun sprudelten die Worte schnell und beinahe schon unverständlich aus seinem Mund, als hätte er nicht mehr die Kraft, seine Gedanken für sich zu behalten. Ich konnte seine drahtige Figur im Dunkeln immer noch kaum erfassen und für den Bruchteil einer Sekunde fürchtete ich, dass das hier nur ein dummer Traum oder eine Halluzination war und der echte Jace jeden Moment seine Schlafzimmertür aufreißen würde, um zu schauen, wer hier solchen Lärm machte. „Lass mich beweisen, dass ich nicht mehr so denke, dass ich meine Meinung geändert habe."
Ich zögerte und presste die Lippen aufeinander. Ein Friedensangebot also? Das zweite innerhalb einer Woche. „Und wie willst du das tun?"
„Heute Mittag hast du zu Adam gesagt, dass nur Isabelle deine Freundin wäre", fuhr Jace fort und zuckte die Schultern, als würde er sich bereits im Voraus für etwas entschuldigen, das er noch gar nicht getan hatte. Er senkte den Blick, als könnte er es nicht mehr aushalten, mir in die Augen zu schauen. „Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Meintest du das ernst?"
„Natürlich war das mein Ernst, wieso sollte ich lügen? Adam war vom Tag unserer ersten Begegnung mein Freund und das mit Isabelle hat sich mit der Zeit entwickelt, weil sie die Wahrheit akzeptieren konnte. Alec war nie mein Freund und wird es wahrscheinlich auch nie sein, das hat er mir in New York schon mehr als deutlich gemacht, aber das ist eine andere Geschichte." Wieder zögerte ich und meine Augen fuhren über sein Gesicht, über die Art wie er die Hände nur tiefer in seinen Hosentaschen schob. In dieser Pose wirkte er viel kleiner als er eigentlich war. „Und du ... ich bin mir nicht einmal sicher, ob wir jemals Freunde sein könnten."
„Bin ich dir etwa zu langweilig?" Ein gespieltes Grinsen breitete sich auf Jace' Lippen aus und er kippte den Kopf leicht zur Seite. Es änderte nichts daran, dass ich durch seine Mauern hindurchsehen konnte. In letzter Zeit fiel es mir überraschend leicht, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass er mehr preisgab als gewöhnlich. Etwas in dem Gold seiner Augen flackerte unruhig.
„Das hat nichts mit dir persönlich zu tun. Wir können unsere Herkunft nicht ändern, Jace. Wir ... stehen nicht auf derselben Seite."
„Jetzt übertreibst du aber", sagte Jace, holte die Hände aus den Hosentaschen und verschränkte sie vor der Brust. Nun, wo er sich wieder zu seiner wahren Größe aufgerichtet hatte, schaute er auf mich herab. Die markanten Gesichtszüge zu einer kritischen Miene verzerrt.
Ich zuckte die Achseln, erwiderte aber nichts. Eine Weile standen wir einfach nur da und wichen dem Starren des anderen aus. Ich überlegte bereits, wie ich mich höflich an Jace vorbeidrücken könnte, als er sich räusperte. „Ich möchte es versuchen."
„Was?" Ich war so in meinen Plan vertieft, dass ich den Faden verloren hatte.
Jace hob eine Augenbraue und ich kratzte mir verlegen den Kopf. Sein Gesicht blieb ernst als er weitersprach, er wirkte verloren. „Ich möchte versuchen, mit dir befreundet zu sein."
Einen Augenblick betrachtete ich ihn perplex. Dann verzog ich die Lippen. „Dir ist aber schon klar, dass man dafür auch miteinander reden muss, oder?"
„Tun wir das nicht gerade?", fragte Jace sarkastisch und schmunzelte. „Ich habe das Gefühl, dass ich in letzter Zeit mehr mit dir rede als mit Alec."
„Du weißt, was ich meine", sagte ich und verdrehte die Augen. Befreundet sein mit Jace Herondale? Ich konnte es mir beim besten Willen nicht vorstellen. Allein, dass der Vorschlag von ihm kam, überraschte mich mehr. In meinem Kopf hasste er mich immer noch.
„Du bist wirklich eine Herausforderung, weißt du das, Clarissa Morgenstern?" Jace seufzte. „Wir treffen uns morgen nach dem Frühstück und versuchen mehr über deine Runen rauszufinden. Reicht dir das für den Anfang?"
Jace wartete nicht darauf, dass ich ihm eine Antwort gab. Er schlenderte lässig an mir vorbei, grinste mir ein letztes Mal über seine Schulter hinweg zu und verschwand in seinem Zimmer. Ich konnte nichts anderes tun, als ihm verwirrt und erstaunt und mit halb geöffnetem Mund hinterher zu starren.
-
Irgendwie mögen viele Adam ja nicht haha. Jace gehört wohl auch zu den Leuten. xD Wie hat euch das Kapitel gefallen?
Liebe Grüße
Skyllen
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top