Kapitel 31.2. - About Enemies and Friendship

Nach dieser katastrophalen Trainingssession war ich aufgelöst zurück zum Hause der Lightwoods gestürmt, Adam dicht auf meinen Fersen. Ich hatte ihn angeschrien und ihm befohlen, zu verschwinden, bevor mir noch der Kragen platzte. Doch Adam hatte darauf bestanden, mich zu begleiten, auch wenn er nur dem Willen der Inquisitorin nachkam. Damit mir im Nachhinein niemand etwas vorwerfen konnte. Ich wusste, dass er nicht die Wahrheit sprach, aber Adam ließ sich einfach nicht abwimmeln. Er hatte einen störend hartnäckigen Charakter, wie mir in dem Moment aufgefallen war.

Adam hatte kein weiteres Wort gesprochen und das war mir auch nur recht gewesen. Ich war immer noch außer mir vor Wut gewesen und hatte meine Gedanken auf die Kleidungs- und Lebensmittelgeschäfte vor mir richten müssen, damit ich nicht umkehrte und Kadir doch einen Dolch in die Brust stieß.

Bei den Lightwoods angekommen war Maryse entgeistert über die Ereignisse. Ich erzählte ihr in knappen Sätzen, was geschehen war, fügte aber hinzu, dass Jace ihr später sicher die vollständige Geschichte erzählen würde. Ich fühlte mich nicht in der Lage dazu, die vergangenen Stunden nochmal Revue passieren zu lassen. Es war ein Empfinden von Aggression und Angst tief in meinem Magen, das mir die Galle hochkommen ließ, wenn ich mir Jace' zorniges Gesicht von vorhin vor Augen führte. Meine Beine begannen zu zittern und ich musste mich am blauen Tisch im Wohnzimmer festhalten, um den Halt nicht zu verlieren.

„Bist du sicher, dass es dir gut geht?", fragte Maryse in besorgtem Ton, aber als ich zu ihr aufschaute schienen ihre Augen weit entfernt. Etwas an meiner Erzählung beschäftigte sie.

Ich schüttelte verharmlosend den Kopf. „Mir geht es gut." Es war gelogen. Der Schock saß in meinen Knochen versteckt und ich fürchtete mich bereits davor, nach oben in mein Zimmer zu verschwinden. Das Gefühl in meinem Bauch machte mich unruhig. Die Innenseiten meiner Handflächen glühten. Bei dem Gedanken, gleich allein sein zu müssen, richteten sich meine Nackenhaare auf. War das hier der Beginn einer Panikattacke?

„Ich werde einen Heiler herbeten, der sich deinen Hals anschaut", fuhr Maryse fort und ignorierte meine Worte. „Er sieht nicht gut aus, Clary."

„Das wird schon wieder", log ich erneut und zuckte die Schultern, während ich mich vom blauen Wohnzimmertisch abstieß und einen Schritt zurückmachte.

„Wie konnte Kadir unser Vertrauen nur so missbrauchen?", raunte Isabelle vom Sofa. Sie war ebenfalls da gewesen, als ich in Begleitung von Adam zurückgekehrt war. Ihre glänzenden, schwarzen Haare fielen ihr in lockigen Strähnen über den Rücken und sie trug einen Waffengürtel mit mehreren Dolchen und einer Seraphklinge um die Hüfte. Sie hatte wohl ebenfalls trainieren wollen. „In New York ist er dein erster Offizier. Sowas darf er sich nicht erlauben!"

Es wunderte mich, dass Isabelle sich auf meine Seite schlug, aber das mochte auch nur daran liegen, dass Jace in dem Prozess von Kadirs Plan als Waffe missbraucht worden war. Ihre Augenbrauen waren zu wütenden Linien verzogen und sie hatte ihre rotbemalten Lippen zusammengepresst, als versuche sie, weitere Worte zurückzuhalten.

Im Kontrast zu ihr bewahrte Maryse Ruhe, auch wenn ihr anzusehen war, dass sie über Kadirs Aktion keineswegs erfreut war. „Ich werde mit ihm reden müssen", antwortete sie ihrer Tochter mechanisch, ohne von der Weltkarte des Tisches aufzuschauen, die sie mit ihren braunen Augen fixierte. „Imogen wird sein Verhalten keineswegs dulden. Das hier wird also Auswirkungen, auf seine Stellung in der Brigade haben."

Mein Kopf brummte. Ich wollte nichts lieber tun, als mich in mein Bett zu legen und eine lange Zeit zu schlafen. Isabelles Blick kreuzte meinen in dem Moment, als ich mich gerade zum Gehen abwenden wollte. Sie schien kurz zu zögern, biss sich auf die Unterlippe und sprang schließlich auf die Beine. „Du siehst blass aus, Clary", sagte sie in bemüht überschwänglichem Ton. „Komm, ich helfe dir auf dein Zimmer."

Ihre Hilfsbereitschaft überraschte mich. Da ich nicht wusste, wie ich sie auf freundliche Weise zurückweisen konnte, nickte ich nur und Isabelle durchschnitt mit hastigen Schritten das Wohnzimmer und harkte sich bei mir ein. Mit ihren Absatzstiefeln war sie ein gutes Stück größer als ich. Beinahe sorgsam schaute sie auf mich herab und ich fragte mich, wieso sie plötzlich so nett war.

Es stellte sich heraus, dass mir ihre Hilfe tatsächlich gelegen kam. Auf dem Weg zurück zum Haus war es mir noch gut gegangen, ich hatte den Schmerz von mir wegschieben können. Aber jetzt war er allgegenwärtig. Meine Lunge stach bei jedem Atemzug und das Schlucken fiel mir schwer, weil mein Hals angeschwollen war. Der Mangel an Sauerstoff beeinträchtigte meine Koordination und es war mir unheimlich unangenehm, dass Isabelle mehr zum Erklimmen der Treppen beitrug als ich.

Als wir letztlich in meinem Zimmer im zweiten Stock ankamen, war eine Viertelstunde vergangen und wir waren beide außer Atem. „Du hättest das nicht tun müssen."

„Ich weiß", antwortete Isabelle, als ich mich mit schwindelndem Kopf auf mein Bett setzte. So wie sie die beiden, kleinen Worte betont hatte, machte sie den Eindruck, noch mehr sagen zu wollen. Aber sie schwieg. Also schaute ich auf.

Isabelle war mir bisher meistens wie eine majestätische Persönlichkeit erschienen. Ihr Kopf war immer gehoben, ihr Rücken immer durchgestreckt gerade und ihr äußeres Erscheinungsbild immer geschmackvoll. Sie besaß eine gebieterische, wenn auch arrogante Ausstrahlung. Doch wenn ich sie jetzt ansah, wirkte sie ein wenig verloren. Sie stand in der Mitte meines Zimmers, die dunklen Augen auf den Teppich vor meinen Füßen geheftet und die Lippen unglücklich verzogen. Die selbstbewusste Schattenjägerin, die mir eben ungehemmt – wenn auch etwas unbeholfen – ihre Hilfe angeboten hatte, war verschwunden. Nun ähnelte sie ihrem Bruder um einiges mehr.

„Alles in Ordnung, Isabelle?", fragte ich vorsichtig. Ich fürchtete mich, dass sie abwehrend auf meine Sorge reagieren würde, so wie es Jace meistens tat.

„Ich versuche nur, die richtigen Worte zu finden", erklärte Isabelle und strich sich nervös durch ihr langes Haar. Dann richtete sie sich wieder zu ihrer vollen Größe auf und schaute mir direkt ins Gesicht. „Das mag jetzt vielleicht komisch klingen, aber ich denke, ich muss es sagen, um die Dinge richtigzustellen."

Ich wappnete mich auf eine Drohung, so wie sie sie kurz nach unserer ersten Begegnung in New York ausgesprochen hatte. Aber Isabelle überraschte mich, als sie mit unbehaglicher Stimme fortfuhr und den Blick wieder senkte. „Ich denke es ist an der Zeit, dass ich mich bei dir entschuldige, Clary. Wie du vielleicht weißt, war ich dir zu Beginn deiner Ankunft eher unfreundlich gesinnt. Das hatte seine Gründe und ich denke, du verstehst sie besser als jede andere."

Schweigend nickte ich und versuchte, mir keine Emotion ansehen zu lassen. Mein Herz pochte so heftig in meiner Brust, dass es jede Sekunde aus mir herauszuspringen schien. „Ich habe mich in den letzten Wochen so gut wie möglich zurückgehalten und versucht, mir unabhängig von Jace' Empfindungen eine Meinung zu bilden. Anders als Alec, der durch seinen Parabatai-Schwur nur eine beschränkte Möglichkeit dazu hat, kam mir dein Verhalten von Anfang an seltsam vor."

Verlegen trat Isabelle von einem Fuß auf den anderen. „Was ich damit sagen will: Ich habe dich in den vergangenen Wochen genau beobachtet und mich gefragt, ob eine Spionin Valentins sich so verhalten würde, wie du es getan hat. Zu Beginn habe ich dich für eine Verräterin gehalten, aber dann ist deine Mutter gestorben ..." Sie stockte, als sie sah, wie ich zusammenzuckte. „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, meine Mutter für meinen Vater zu opfern. Niemals. Egal, was er mir verspricht. Das Band zu deiner Mutter erschien mir schon seit eurer Ankunft viel enger als das, was ich mit meiner eigenen Mutter jemals haben könnte." Schließlich schüttelte sie den Kopf, als sie merkte, dass sie sich in einem unkontrollierten Strom an Worten verlor.

„Es tut mir leid, ich verliere den Faden", sagte sie und lachte aufgedreht. Dann hob sie die Hände in die Höhe, wahrscheinlich um sich selbst zu beruhigen. Was auch immer sie mir eigentlich sagen wollte, es fiel ihr unglaublich schwer, die eigentliche Message auszusprechen. „Ich schulde dir eine Entschuldigung. In den letzten Tagen ist mir klar geworden, dass du beim besten Willen nicht die Person sein kannst, für die dich der Rat halten will. Du bist eine verlorene Schattenjägerin. Du bist eine von uns und das habe ich endlich erkannt. Selbst Jace, der jeden Grund hat dich zu hassen, beginnt langsam aufzutauen. Wenn er dich anschaut, kann ich ihm ansehen, dass sich seine Meinung über dich langsam aber sicher verändert."

„Danke Isabelle", flüsterte ich. Ihre Worte rührten mich. „Das bedeutet mir wirklich viel, aber du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Eure Reaktion war gerechtfertigt. Ich glaube nicht, dass ich an eurer Stelle anders gehandelt hätte."

„Doch, ich musste mich entschuldigen", gab Isabelle schnell zurück und schüttelte rasch den Kopf, was ihre Haare in einer wilden Bewegung aufwirbeln ließ. „Natürlich bedeutet das jetzt nicht, dass wir alle fröhlich bis ans Ende unserer Tage leben können. Es ändert nichts daran, dass dein Vater unsere Welt bedroht. Daran trägst du keine Schuld, aber du musst trotzdem alles Mögliche tun, um ihn aufzuhalten. Und ich werde dich dabei unterstützen. Wir mögen zwar keine Freundinnen sein, aber vielleicht können wir das eines Tages werden, wenn das alles hier vorbei ist."

Es würde ein langer und beschwerlicher Weg werden und ich hatte keine Ahnung, wie ich meinen Vater und Jonathan aufhalten sollte. Wenn ich an sie dachte, erschienen sie mir mit dem Engelsschwert und den Heeren von Dämonen fast übermächtig. Was sollte ich schon gegen sie ausrichten? Trotzdem breitete sich bei dem Gedanken an eine Freundschaft mit Isabelle ein kleines Lächeln auf meinen Lippen aus. Ein bizarrer Gedanke, der mir bisher kaum möglich vorgekommen war. Isabelle und ich, Freundinnen?

Ich nickte langsam, hob den Kopf, um Isabelle anzuschauen, die immer noch unsicher vor mir stand und mein Lächeln wurde breiter. „Wenn das alles hier vorbei ist."



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Huhu, wer hätte das nur gedacht? Was haltet ihr von Isabelles Entschuldigung?

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