Kapitel 27.1. - Unbearable Pain

Kapitel 27 – Unbearable Pain

Das Krächzen eines Vogels weckte mich. Ich blinzelte gegen das Licht an und spürte, wie meine Gliedmaßen unter mir langsam wieder zum Leben erwachten. Ein kalter Wind wehte mir entgegen und ich zog mir die Decke automatisch hoch bis unters Kinn. Meine Augen brauchten einen Moment, um sich scharf zu stellen. Sie brannten als hätte ich nur wenig Schlaf bekommen.

Ich lag in meinem Bett im Haus der Lightwoods. Das gegenüberliegende Fenster war geöffnet und frische Morgenluft strömte herein. Ich wusste, dass es Morgen war, weil das Licht aus östlicher Richtung ins Zimmer fiel. Auf der rechten Seite des Bettes saß Adam auf einem Holzstuhl, den ich bisher noch nie benutzt hatte und der eigentlich für den Schreibtisch gedacht war.

Für einen Augenblick fühlte ich mich zurückversetzt zu dem Tag als ich auf der Krankenstation des New Yorker Instituts erwacht war. Nach dem Tod meiner Mutter. Der Gedanke an sie erinnerte mich wieder an das klaffende Loch in meinem Bauch, das an diesem Tag entstanden war.

Adams grüne Augen ruhten gedankenverloren auf mir, aber als er bemerkte, dass ich wach war, verzogen sich seine Lippen zu einem sanften Lächeln. „Du bist endlich wach."

Ich nickte, unsicher was ich sonst tun sollte. Eigentlich hatte ich mich aufrichten wollen, doch jeder Teil meines Körpers schmerzte. Meine Muskeln brannten bei jeder auch noch so kleinen Bewegung. Selbst als ich meinen Arm hob, um mir eine rote Strähne aus dem Gesicht zu streichen. Von einer plötzlichen Müdigkeit übermannt legte ich mich zurück in die Kissen und betrachtete ihn.

„Was machst du hier?", fragte ich und testete dabei meine Stimme. Sie klang in Ordnung, nicht rau und kratzig wie beim letzten Mal.

„Ich wollte da sein, wenn du aufwachst, nachdem was passiert ist", erklärte Adam in einem beinahe fürsorglichen Ton, der mich aufhorchen ließ. Doch mir blieb keine Zeit, nachzufragen. „Woran kannst du dich noch erinnern?"

„Ich habe eine Rune gezeichnet und ein Portal erschaffen, das uns zu einem Landhaus führte. Dort entdeckten wir Ithuriel in einer unterirdischen Höhle, so wie ich es auch schon in meinen Träumen gesehen habe", sagte ich, nachdem ich für mehrere Sekunden innegehalten hatte, um über meine letzten Erinnerungen nachzudenken. Es lag alles klar vor mir. „Ich konnte Ithuriel befreien, aber dann ist die Höhle eingestürzt. Wir haben versucht zu entkommen, aber es gab keinen Ausgang. Deshalb habe ich wieder ein Portal erschaffen."

Das letzte Bild vor meinem inneren Auge waren Jace' Arme, die mich hochhoben und durch das Portal trugen. Ich konnte mich nicht daran erinnern, auf der anderen Seite angekommen zu sein. Mit einem verwirrten Ausdruck wandte ich mich wieder Adam zu.

„Du hast uns mit dem Portal das Leben gerettet", sagte Adam in ruhigem Ton, senkte jedoch den Blick und starrte auf seine ineinander gefalteten Hände auf seinem Schoß. „Du warst sehr schwach und hättest es ohne Jace' Hilfe nicht hindurch geschafft."

Ich schluckte meine Worte hinunter. Also hatte Jace mir tatsächlich das Leben gerettet. Für einen Moment schloss ich einfach die Augen und seufzte in mich hinein. Das durfte doch nicht wahr sein. „Wo hat uns mein Portal denn hingebracht? Habt ihr an einen bestimmten Ort gedacht?"

„Ich habe einfach nur an Alicante gedacht, um so nah wie möglich an der Stadt zu landen. Wegen den Schutzschilden", erklärte Adam und hob wieder seine Augen, um mich anzuschauen. Sie funkelten im Licht der Sonne wie zwei Smaragde. Ein überwältigender Ausdruck lag darin und er verzog seine Lippen zu einem breiten Lächeln. „Aber es hat uns haargenau zu dem Trainingsraum zurückgeschickt, aus dem wir uns vorher wegteleportiert hatten. Es ist unglaublich."

Es interessierte mich herzlich wenig, wie unglaublich die Genauigkeit meines Portals war. Mein allgemeines Interesse für das Portal war verschwindend gering. Ich konnte nicht sagen, warum ich so fühlte. Womöglich lag es einfach an dieser allumfassenden Erschöpfung. Am liebsten hätte ich noch tagelang weitergeschlafen.

„Wir hatten Glück", fuhr Adam fort als ich nichts sagte. Er versuchte meine Gleichgültigkeit zu ignorieren. „Der Raum war leer als wir zurückkamen. Unser Trainer hatte ihn kurz davor verlassen, weil aus seiner Sicht niemand von uns zum Training aufgekreuzt ist. Wir haben Hilfe geholt, weil du bewusstlos warst. Wir hatten kurz Angst du seist gestorben, aber die Stillen Brüder meinten, dass du deine letzten Kraftreserven aufgebraucht hättest."

Bei der Erwähnung der Stillen Brüder fuhr ich hoch. „Die Stillen Brüder waren da? Was habt ihr ihnen erzählt?"

Adam nickte und braune Haare fielen ihm über die Stirn. „Wir haben sie verständigt, weil du nicht aufgewacht bist. Sie haben dich in den Basilias untersucht. Sie wissen nichts vom Portal. Ich hab ihnen erzählt, dass du seit Tagen keine Rune mehr aufgetragen bekommen hast und du beim Aufwärmen zusammengeklappt wärst."

„Und was ist dabei genau rausgekommen?", hakte ich ungeduldig nach. Der Gedanke, dass die Stillen Bruder mich auch nur angerührt hatten, jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Ich musste das Bild ihrer leblosen Gesichter abschütteln, um mich wieder auf Adam konzentrieren zu können.

Er schien meine Unruhe gar nicht zu bemerken, oder war einfach nur sehr gut darin, es zu überspielen. „Dadurch, dass man dir deine Stele weggenommen hat und du dir keine Runen auftragen durftest, hat sich eine Menge Energie in dir angestaut", erklärte er weiter. „Die Stillen Brüder konnten durch unser Weglassen von der gesamten Wahrheit nur mutmaßen. Aber es stimmt, dass Runen an unseren Kraftreserven ziehen. Die Rune für das Portal hat dich einfach kaltgestellt, weil sie zu mächtig war. Aber das hat auch einen Vorteil." Er nickte dabei in Richtung des Nachttisches auf meiner Linken. Dort lag eine Stele.

Ich stockte für eine Sekunde und betrachtete sie dann genauer. „Ist das ..."

In Antwort auf meine unvollendete Frage nickte Adam. „Ja, es ist die Stele deiner Mutter."

Beinahe sofort schnellte meine Hand unter der warmen Bettdecke hervor und griff nach der Stele, die die ganze Zeit nur wenige Zentimeter von meinem Kopf entfernt gelegen hatte. Die familiäre Kühle des Adamants strömte durch meinen Körper und beschleunigte meinen Puls. Für eine Weile starrte ich einfach nur auf die Stele in meinen Händen, auf der Suche nach Anzeichen, die auf meine Mutter hinwiesen. Es war nicht schwer, da der stiftähnliche Körper von einem Pinsel umschlungen war. Er war bei der personalisierten Herstellung an den Körper geschmiedet worden.

„Warum haben sie sie mir zurückgegeben?"

Erneut wich Adam meinem Blick aus und ein unangenehmes Gefühl machte sich in mir breit. „Die Stillen Brüder haben gesagt, dass du regelmäßig Runen auftragen musst. Sonst riskierst du einen weiteren solchen Ausbruch."

Wenigstens hatten sie mir die Stele meiner Mutter gegeben. Wenigstens erlaubten sie es mir nun, mich wieder wie eine Schattenjägerin zu fühlen. Runen waren ein Teil von uns, den man uns nicht einfach so wegnehmen konnte. Die schlimmste Strafe, die der Rat einem auferlegen konnte, war das Entziehen der eigenen Runen. Es bedeutete den Ausschluss aus der Nephilim Gemeinschaft und ein Leben in der Welt der Irdischen. Nicht an meinem schlechtesten Tag könnte ich mir ein solches Leben vorstellen.

„Das ist wirklich gut", versuchte Adam zu erklären. „Wir hatten Glück. Während du in den Basilias behandelt wurdest, war ich kurz zuhause. Unser Trainer hat Imogen erzählt, dass wir nicht im Trainingsraum waren, also wissen sie schon, dass wir ihnen nicht die volle Wahrheit auftischen. Aber da selbst Jace die Klappe hält, können sie uns nichts nachweisen."

Ein weiteres Seufzen entfuhr mir und ich ließ mich tiefer in die Kissen sinken, in der Hoffnung, von dem weichen Stoff verschluckt zu werden. „Das ist nicht gut", flüsterte ich und schloss müde die Augen. Wie gerne ich mich einfach umgedreht und weitergeschlafen hätte. „Die Inquisitorin wird ausflippen, weil früher oder später erfährt sie alles. Und dann dauert es nicht mehr lange, bis jeder es weiß. Der Rat wird es bestimmt mit meinem Vater in Zusammenhang bringen und denken, dass er irgendetwas damit zu tun hatte. So wie sie es bei allem tun, das sie nicht kontrollieren können."

„Der Rat ist eigentlich nicht so. Die Geschichte mit deinem Vater hat nur viele alte Emotionen wieder aufleben lassen. Ich wünschte, du würdest anders über uns alle denken", sagte Adam und massierte sich die Schläfe, als hätte er Kopfschmerzen. Seine Stimme war neutral, aber ich konnte einen leisen Ton des Bedauerns heraushören.

Er trug keine Schattenjägermontur mehr, sondern eine dunkelblaue Jeans und ein weißen, enganliegenden Strickpullover. Die schwarzen Runen schauten an seinem Hals heraus, ebenso wie an seinen Unterarmen. Er sah gut aus. Ich musste überraschend feststellen, dass ich das erste Mal aktiv darüber nachdachte. Ich hob meinen Kopf und schaute ihm direkt in die tiefgrünen Augen. Adam bemerkte es nicht, sein Blick war immer noch auf seine verschränkten Hände gerichtet. In diesem Augenblick saß er so ruhig da, dass er einer Statue hätte gleichen können. Einzig und allein seine Brust, die sich hob und senkte, verriet mir das Gegenteil.

„Dasselbe hat mein Vater auch manchmal gesagt", stellte ich leise fest. „Er sagte, dass die meisten Nephilim gute Menschen seien. Es gäbe nur eine wenige Handvoll, die das Gesamtbild schlecht aussehen ließen."

Adam lachte in sich hinein und hob endlich den Kopf. Grübchen bildeten sich auf seinen Wangen, wenn er lächelte. „Es hört sich wirklich komisch an, das zu sagen, aber ... ich stimme ihm zu."

Die Wärme seines Lächelns entspannte mich. Ich spürte, wie mich für einen Moment eine Woge der Zufriedenheit durchdrang und konnte nicht anders, als zurückzulächeln. Ich konnte wirklich froh sein, Adam meinen Freund nennen zu können. Er war ein begnadeter Kämpfer, unvoreingenommen, vertrauensvoll und hatte stets ein freundliches Wort auf den Lippen. Ihm war egal, wer ich war. Für ihn zählte nur was ich im Hier und Jetzt tat. Die Vergangenheit war unwichtig. Ich hatte schnell gelernt, dass es nur sehr wenige Menschen gab, die dazu in der Lage waren. 



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Hallo ihr Lieben,

hier bin ich wieder mit einem neuen Kapitel. Ich hoffe es gefällt euch!

Liebe Grüße

Skyllen :)

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