Kapitel 25 – What Lays in the Past
Für mehrere Momente schwebte ich in der Luft, unfähig zu schreien, weil mir die Luft wegblieb. Mein Magen machte einen unangenehmen Satz und ich versuchte, meine Hand auf meinen Bauch zu drücken. Doch es schien, als würde mein Körper nicht länger existieren. Es fühlte sich an, wie wenn ich nun Teil des leuchtenden Strudels wäre. Ohne Körper, allein meine Seele schien noch zu bestehen.
Aus weiter Ferne hörte ich ein Keuchen. Dann war mein Körper wieder da und ich traf mit voller Wucht auf dem Boden auf. Meine Finger gruben sich in kalte Erde und ich presste meine Lippen zusammen, in dem Versuch keinen Staub einzuatmen. Erst jetzt spürte ich die Kälte, die mich umgab. Ein eisiger Wind drückte sich gegen meine Glieder und wehte meine Haare wirr in die Luft. Der Boden unter mir war nass.
Ich versuchte aufzustehen, aber jede Kraft hatte meinen Körper verlassen. Schnaufend schaukelte ich mich auf die Seite und kippte schließlich auf den Rücken. Stechende Kälte bohrte sich durch meine Montur. Erschöpft schlug ich die Augen auf. Ein strahlend blauer Himmel nahm meine gesamte Sicht ein und für einen Moment zuckte ich vor dem strahlenden Licht zurück. Langsam wurden meine Augen scharf.
Ich lag auf einer zugeschneiten Grasfläche, die sich weit in alle Richtungen erstreckte. Irgendwo in der Nähe von Alicante, das wusste ich, weil sich der Wald überall weitab der Stadt erstreckte und die Wiesen dort um einiges kleiner waren.
Das Fluchen einer mir vertrauten Stimme ließ mich meine direkte Umgebung betrachten. Wenige Meter von mir knieten Adam und Jace, die wohl etwas bessere Landungen hingelegt hatten als ich. Adam hatte die Augen in einer gleichermaßen verblüffenden und belustigten Geste aufgerissen und schaute auf die Ödnis um uns herum. Jace klopfte sich die Kleidung zurecht und wirkte wütend, verwirrt und erstaunt zugleich. Dann drehten sie in einer synchronen Bewegung die Köpfe in meine Richtung. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich geglaubt, für einen kurzen Moment auf ihrer beiden Gesichter Schock aufblitzen zu sehen, als sie mich auf dem Boden liegen sahen. Doch selbst jetzt war Jace meisterhaft darin, diesen Ausrutscher hinter seiner Maske zu vergraben. Falls ich es mir nicht eingebildet hatte, weil ich mir den Kopf gestoßen hatte.
„Clary, geht es dir gut?", Adam kam auf mich zugelaufen und blickte in Sorge auf mich herab. Jace machte ebenfalls einen Schritt auf mich zu, nur um dann stehenzubleiben.
Ich nickte und bewegte meine Muskeln erneut. Sie waren steif und schwer, aber wenigstens konnte ich sie nun bewegen. „Die Rune", versuchte ich zu sagen und musste mich räuspern. „Sie hat mich all meine Kraft gekostet." Vorsichtig setzte ich mich auf und ließ meinen Blick erneut über die Eislandschaft wandern. In der Ferne konnte man Alicante tatsächlich erkennen, aber ein weißer Nebel lag über der Stadt.
Wir waren auf einer Anhöhe in der Nähe eines weiten Hügels gelandet. An seinem höchsten Punkt thronte ein dunkles Anwesen. Holzbretter waren vor die Fenster gehämmert, das Dach sah marode aus und die gesamte Erscheinung wirkte, wie wenn das Haus schon vor Jahren verlassen wurde. Es schien wie ausgestorben.
„Das ist das Anwesen der Waylands", sagte Jace, der meinem Blick gefolgt war. Seine Stimme konnte die offensichtliche Verwunderung über diese Situation nicht verbergen.
Ich lächelte in mich hinein, während ich ihn beobachtete. Beinahe automatisch musste ich an seine Worte zurückdenken, die er gesagt hatte, nachdem ich ihm von dem Traum mit Ithuriel erzählt hatte. Das alles hier ist eine große Show. Am liebsten hätte ich ihm genau dieselben Worte nun an den Kopf geworfen, aber er beachtete mich keine Sekunde lang.
Adam half mir, auf die Beine zu kommen. Sie zitterten vor Anstrengung, doch ich konnte spüren, wie mit jedem Atemzug neue Energie durch meine Adern floss. Wie wenn man sich von einem anstrengenden Sprint erholen musste.
„Du hast gerade ein Portal erschaffen", stellte Adam fest. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Ich dachte, nur Hexenwesen wären dazu in der Lage." Ein steiniger Pfad führte den Hügel hinauf zu dem dunklen Haus. Ohne sich mit uns abzustimmen marschierte Jace los. Wir folgten ihm.
Ich zuckte die Schultern und löste mich vorsichtig von Adam, der mich bis jetzt gestützt hatte. Seine grünen Augen blickten zu mir herab, ein unergründlicher Ausdruck darin. Ich schenkte ihm ein dankbares Lächeln und zuckte dann die Schultern. „Aber normalerweise muss man doch an einen Ort denken, bevor man hindurchgeht. Ich habe an keinen Ort gedacht und trotzdem wurden wir zum Anwesen der Waylands gebracht." Konnte das Zufall sein?
„Denkst du, wir sind absichtlich hier gelandet?", fragte Adam und sprach damit meine Gedanken aus. Er runzelte die Stirn und wandte den Kopf hinauf zu Jace, der ihm die Sicht auf das Anwesen versperrte. Er war auf einem kleinen Felsenvorsprung stehen geblieben, die Steine knarrten unter seinen Stiefeln. Beinahe gebieterisch blickte er auf uns herab.
„Natürlich war das Absicht", sagte Jace mit fester Stimme. Jede Spur von Verwirrung war verschwunden. „Clary hat anscheinend doch die Wahrheit gesagt. Der Engel hat ihr die Rune gezeigt. Er muss einen Grund dafür gehabt haben." Dann machte er einen eleganten Satz nach hinten, um uns den Weg freizumachen.
„Ithuriel hat uns mit Absicht hierhergeführt", flüsterte ich und meine Beine beschleunigten ihre Schritte von selbst. Ich ließ Adam hinter mir zurück und joggte den letzten, steilen Teil des Weges hinauf zum Landhaus. Nun da ich ungeschützt auf der Spitze des Hügels stand, hinterließ der eisige Wind eine unangenehme Gänsehaut auf meiner Haut. Genauso wie Adam hatte ich meine Jacke im Trainingsraum ausgezogen. Ich war nur in meine schwarze Montur gekleidet, die am Rücken vom Schnee feucht war.
Die beiden Jungs folgten mir schweigend, als ich langsam die steinernen Treppen hinauftrat und mich dann leicht gegen die Tür drückte. Sie gab knarrend unter meinem Gewicht nach und öffnete sich einen Spalt. Ein alter, staubiger Geruch kam mir entgegen. Ich zögerte und spürte, wie mein Herz in meiner Brust schneller schlug. Ithuriel hatte mich aus einem bestimmten Grund hergeführt. Dieser Grund befand sich irgendwo hinter dieser Tür, ich musste nur mutig genug sein. Ich rufe dich, weil ich deine Hilfe brauche.
Ich presste die Lippen zusammen, streckte meinen Rücken und öffnete die Tür vollständig. Mit vorsichtigen Schritten tastete ich mich durch die Dunkelheit. Das wenige Licht, das durch die Fenster ins Zimmer fiel, machte den Blick auf abgenutzte Holzdielen und einen feingewebten Teppich frei. Der Anblick ließ mich innehalten. „Warum verlässt jemand sein Anwesen und nimmt so einen Teppich nicht mit?"
Der Fußboden knarrte als Adam und Jace mir ins Innere des Hauses folgten. Jemand schloss die Tür und für einen Moment umgab mich Dunkelheit. Dann erleuchtete neben mir ein helles Licht, das lange Schatten durch den Flur warf. Jace hatte ein Elbenlicht aus seiner Tasche hervorgeholt. Der Flur war nicht groß und ähnelte vom Aufbau dem Anwesen der Lightwoods in Alicante. Rechts führte eine zertrümmerte Treppe auf die erste Etage und vor uns befand sich ein Türrahmen in dessen Angeln sich aber keine Tür mehr befand. Dahinter kam ein großer Raum zum Vorschein.
Jace ging vor und wir folgten ihm, als er sich mit achtsamem Blick auf den Raum zubewegte. Große staubige Bücherregale füllten das Zimmer. Die Bücher sahen aus, als würden sie bei jeder kleinsten Berührung in tausende Teile zerfallen. Dort wo jemand die Fenster zu gebrettert hatte, hingen löchrige Vorhänge in Purpur. Ein Kaminsims zierte die breite Seite Raumes und viele Möbel waren mit Leinentüchern zugedeckt worden. Es brauchte nicht viel Vorstellung, um den Raum in seiner Glanzzeit vor sich zu sehen. Das Landhaus hatte von außen so verlassen gewirkt, dabei sah es hier eher so aus, wie wenn die Besitzer es nur für eine Weile hatten verlassen wollen. Was war bloß passiert?
„Michael Wayland war der Parabatai von Robert", flüsterte Jace, der sich das gleiche zu denken schien. Mit Robert musste er Alecs und Isabelles Vater meinen. „Er ist vor Jahren einfach verschwunden, doch Robert wusste, dass er tot war. Seine Parabatairune hat sich aufgelöst." Mein Magen wurde schwer bei seinen Worten.
„Was ist das?", fragte Adam plötzlich und zeigte auf eine Stelle des Bodens in der hinteren Ecke des Raumes. Ich folgte seinem Blick, konnte jedoch erst nichts erkennen. Jace kam einige Schritte näher und hielt das Elbenlicht in Adams Richtung.
Es war eine Falltür. Ihre Konturen waren nun deutlich im Licht zu erkennen. Für eine Falltür war sie ziemlich breit, beinahe zwei Meter lang. Sofort knieten Adam und Jace sich auf den Boden und drückten ihre Finger auf die Umrisslinien, auf der Suche nach einem Henkel. Jace rollte einen Teppich zur Seite und griff dann nach etwas Metallischem, das im Licht aufblitzte. Einen Augenblick später hievten wir die schwere Tür nach oben. Sie war mehrere Zentimeter dick und bestand auf der Unterseite aus Beton. Ein ekelerregender Geruch kam uns entgegen und ich musste einen Schritt zurückmachen, um nicht ohnmächtig vornüberzukippen. Jace presste sich eine Hand vor den Mund, seine dunklen Augen waren zu Schlitzen verengt.
Wir ließen Luft für einige Minuten in den Raum diffundieren, bevor wir uns der Luke wieder näherten. Vor uns lag eine unebene Treppe, die tief in den Hügel hineinführte. Das Elbenlicht verlor sich in der Dunkelheit. Kein Laut kam uns über die Lippen und wir bewegten uns keinen Zentimeter vorwärts. Ich hielt die Luft an, um in den tiefen Raum zu lauschen und ich glaubte, dass Adam und Jace es ebenfalls taten. Doch außer einem verfaulenden Geruch konnte ich nichts wahrnehmen.
„Kommt schon", flüsterte ich mit neugewonnenem Mut und stieg über die Falltür auf die erste Stufe. Ich musste den Kopf einziehen, um die Treppe weiter hinabsteigen zu können. Als mein Körper in der Dunkelheit verschwand, drehte ich mich zu den anderen um. Adam stand noch zögerlich im Wohnzimmer des Herrenhauses, während Jace mir runter zur Treppe gefolgt war. Adam murmelte etwas das ich nicht verstand und stieg dann hinterher.
Jemand musste diesen Teil des Hauses nach der Fertigstellung des restlichen Anwesens erbaut haben. Die Treppe bestand aus ungeraden Stufen, die mal bucklig und mal vertieft waren. Wir kamen nur langsam voran, da Jace' Elbenlicht nur einige Meter weit strahlte und das Ende des Abstiegs noch nicht in Sicht gekommen war. Mit jedem Schritt, den wir taten, wurde der faulige Geruch nach Tod und Verwesung stärker. Meine Nackenhaare hatten sich aufgestellt und jede Faser meines Körpers wollte auf dem Satz umkehren und die Treppe wieder hinaufstürmen. Darüber hinaus bereitete mir der Gedanke, durch Meter von Beton, Stein und Schutt von der Oberfläche getrennt zu sein, zusätzliche Übelkeit.
Nach minutenlangem Stapfen in völliger Schwärze fiel endlich der Absatz in den Lichtkegel und ein glatter Betonboden kam zum Vorschein. Er war ebenfalls nicht professionell gefertigt worden, schien aber gleichmäßiger als die Treppe. Ich hob den Kopf und starrte an die Decke. Diese war unverändert. Wir befanden uns in einer Höhle.
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Hallo zusammen,
willkommen zurück zu einem neuen Kapitel. Jace scheint Clary nun doch etwas mehr glauben zu schenken, nachdem er gesehen hat, dass sie mit der Rune nicht gelogen hat. Was glaubt ihr, werden die drei in der Höhle finden?
Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen! :)
Skyllen
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