Kapitel 18.2. - Interrogation

Mein Körper begann zu brennen, während ich die Worte aussprach. „Jeder Tag war strikt geplant", sagte ich monoton und starrte geradeaus. „Wir hatten jeden Tag Kampftraining, mit und ohne Waffe. Überlebenstraining. Fremdsprachen, Latein, Französisch, Deutsch, Spanisch. Ich kann jede von ihnen flüssig sprechen. Dämonologie. Mathe. Diverse Naturwissenschaften wie Physik und Chemie. Soziales. Geographie. Doch das Wichtigste von allem war die Wissenschaft über den Menschen, Psychologie. Wie Menschen handeln und aus welchen Beweggründen und wie man lernt, sie zu manipulieren, ohne dass sie es überhaupt bemerken. Das gilt für Menschen wie für Nephilim." Es fühlte sich an, als stünde ich einer heißen Stichflamme, die mit jedem Wort, das ich sprach, größer und wärmer wurde.

Es fühlte sich an, als würde ich von innen nach außen verbrennen, als würde ich langsam vor mich hinschmelzen. Ich konnte die Verbrennungen auf meinem Körper spüren, auch wenn ich sie nicht sah. Mit hektischen Bewegungen fuhr ich mit meinen Fingern über meine Oberarme, im Versuch die Flammen zurückzuhalten. Doch es hatte keinen Zweck. Das Feuer breitete sich aus. Dort wo meine Finger meine Haut berührten, brannte meine Haut, als hätte ich in eine offene Wunde gefasst. Ich biss die Zähne aufeinander, um nicht laut aufzukeuchen. Meine Augen konnten keine Verbrennungen sehen, sie konnten auch nicht das Feuer sehen. Doch es war da, ich spürte es.

„Wie kommt dein Vater auf die Idee, dass er euch beibringen könnte, wie man Nephilim manipuliert?", fragte die Inquisitorin eisern. Doch noch etwas anderes schwang in ihrer Stimme mit. Angst.

„Jeder ist manipulierbar", flüsterte ich. „Auch Sie, Inquisitorin. Solange man etwas fühlt, solange man Menschen hat, die man liebt, wird man manipulierbar sein. Erst wenn man sich dieser Dinge entledigt hat, ist man unantastbar. Genauso ist Valentin auch manipulierbar. Ich weiß nicht, ob er uns liebt", gab ich zu und presste die Lippen zusammen. „Doch wir sind ihm so wichtig, dass er nach zwanzig Jahren aus seinem Versteck tritt und uns zurückholen will. Ohne Plan. So eine Situation macht ihn manipulierbar, wenn man es richtig anstellt."

„Was genau hast du gelernt in den ... Wissenschaften über den Menschen?", fragte die Inquisitorin und ignorierte meine vorherigen Aussagen.

„Alles, was mit den Menschen zu tun hat. Wie sie leben, woran sie glauben, ihre Kulturen, ihre Welt. Die Schattenwelt im Vergleich zu ihrer Welt. Menschliches Verhalten, Überleben in der Menschenwelt." Ich machte eine kurze Pause und räusperte mich. Der Saal war totenstill und ich konnte ihr panisches Erstaunen förmlich riechen. Nun wusste jeder, was mir beigebracht wurde. Jetzt konnten sie meine Gefahr einschätzen. Jetzt wussten sie, dass ich allen Nephilim in meinem Alter überlegen sein würde. „Abgesehen davon habe ich gelernt, wie man in freier Wildbahn überlebt. Ich bin vertraut mit der Kultur der Nephilim. Ich kenne alle Gesetze. Ich weiß, wer an der Macht ist. Ich weiß, wer darüber hinaus Einfluss in den Reihen der Schattenjäger hat."

„Also wusstest du bereits, wer ich und der Konsul waren, bevor wir uns vorgestellt haben?", fragte die Inquisitorin leise.

Ich nickte stumm. „Mein Vater wusste schon immer bestens über alles Bescheid, was sich in Alicante ereignete."

Ich schwieg und die Inquisitorin schwieg ebenfalls. Für eine Weile herrschte einfach nur Stillschweigen. Dann, desto länger die Stille verweilte, wurde die Panik, die Angst in den Schattenjägern größer. Einzelne in der Menge begannen zu flüstern und langsam wurde ihr Gemurmel immer lauter. Es mischten sich immer mehr verängstigte und erschrockene Stimmen in den Chor und bald brach lautes Chaos in den Reihen aus. Einige bezeichneten mich als Waffe meines Vaters, andere sahen mich als Gefahr für die Gemeinschaft an, da ich eine stärkere und intensivere Ausbildung als übliche Schattenjäger genossen hatte. Sie riefen, ich sei eine Spionin Valentins. Die Inquisitorin hatte sich von der Menge abgewandt und starrte mich mit einem undefinierbaren Ausdruck an. Eigentlich müsste sie sie zum Schweigen bringen, doch das tat sie nicht. Sie starrte mich einfach an und schien über etwas nachzudenken.

Ich versuchte, meine Augen auf sie zu fixieren, ich wollte sie klar und deutlich vor mir sehen. Doch sobald ich sie scharf vor mir sah, verschwamm das Bild auch schon wieder. Meine Augen brannten und Schweiß lief mir über die Stirn. War ich so ausgelaugt? Ich hatte die Anstrengung nicht einmal bemerkt.

Schließlich griff der Konsul ein. Ich hörte, wie er sich hinter mir von seinem Platz erhob und etwas rief, beinahe brüllte. Ich konnte es nicht verstehen. Doch es zeigte Wirkung, denn die Schattenjäger verstummten augenblicklich. Die Inquisitorin hob ihren Kopf und der Nebel verschwand aus ihren Augen und sie schien wieder vollkommen in der Gegenwart angekommen zu sein, denn sie streckte ihren Rücken durch und fuhr einfach fort, als wäre nichts passiert.

„Hast du Idris zu irgendeinem Zeitpunkt vor deiner Flucht verlassen? Warst du jemals in Alicante?" Ihre Stimme klang gefasst, möglicherweis einen Hauch zu gefasst. Ich konnte es nicht genau sagen, denn mein Gehirn beschäftigte sich bereits mit der Frage, die sie mir gestellt hatte.

Das Feuer in meinen Adern war unendlich warm. Ich konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Es war, als würde ich in einem brennenden Haus sitzen, ohne zu wissen, wie ich es verlassen konnte. Wir war so warm, ich spürte den heißen Schweiß, wie er mir vom Nacken den Rücken herunter rinnte. Meine Hände wanderten zum Wintermantel und versuchten, die Knöpfe zu öffnen. Meine Finger waren so feucht, dass sie die glatten Knöpfe nicht zu fassen bekamen. Ich versuchte, hinabzuschauen, aber mein Kopf wollte sich keinen Zentimeter bewegen. Ich atmete mit offenem Mund, in der Hoffnung, mehr Sauerstoff in meine Lungen zu bekommen.

„Nein", konnte ich schließlich unter viel Mühe hervorbringen. Meine Stimme lang heiser und weit entfernt, als würde jemand am anderen Ende des Raumes sprechen. „Mir war es verboten, Idris zu verlassen. Wir durften das Landgut auch nie alleine verlassen, mein Vater hat uns immer begleitet."

„Und Alicante?", forderte sie, nachdem ich aufgehört hatte, zu sprechen.

„Ich war nie in Alicante", gab ich zu und meine linke Hand schnellte hoch zu meiner Schläfe, als mir plötzlich schwindelig wurde. „Wir duften sie zwei Mal aus der Ferne sehen, doch weiter genähert oder betreten haben wir sie nie."

„Hat Valentin Spione in Alicante?" Trotz meines benebelten Geisteszustandes brachte mich ihre Frage zum Lachen.

„Natürlich" sagte ich und versuchte so spöttisch wie möglich zu klingen. Sie war schuld, dass ich hier zu leiden hatte. Sie hätte diese Verhandlung anders gestalten könne, doch sie wollte es so. „Das ist doch offensichtlich, oder etwa nicht? Wie könnte er so viel über innere Angelegenheiten wissen, wenn er nicht seine Spione überall hätte?"

Einen Augenblick später spürte ich, wie etwas meine Wangen berührte. Die Berührungen fühlten sich an, wie wenn etwas leicht meine Wangen gestreift hätte. „Wieso ist sie in der Lage mit Gegenfragen auf meine Fragen zu antworten?", fragte daraufhin die wütende Stimme der Inquisitorin. „Wie kann sie mit solch einer Arroganz antworten? Sie sollte doch nur Antworten geben können und nicht ihre eigene Meinung äußern!"

Plötzlich wurde mir klar, dass die Inquisitorin mein Kinn mit ihren Fingern gepackt hatte und es festhielt. Ich wollte mich losreißen, wollte meine Arme heben und sie von mir wegdrücken, aber meine Glieder bewegten sich nicht. Herondale hatte den Kopf abgewandt, sie starrte zu Magnus Bane, der etwas abseitsstand.

„Ihr Nephilim seid schon ein wenig eigen", sagte er und hob die Hände in einer unwissenden Geste. „Ich habe so etwas nie zuvor durchführen müssen, Ihr habt mich darum gebeten. Ich weiß nicht mehr darüber, als Ihr es tut, Inquisitorin. Sie muss einen starken Geist haben, anscheinend kann sie sich zur Wehr setzen, in einem gewissen Maße zumindest."

„Sie soll sich aber nicht zur Wehr setzen können", fuhr sie Magnus an und drückte ihre knochigen Finger stärker in mein Kinn. „Sie soll ohne Zögern und ohne persönliches Empfinden Antwort geben, mehr nicht!"

„Ihr könnet sie auch einfach freundlich darum bitten, die Wahrheit zu sagen, anstatt sie so vorzuführen", bemerkte Magnus knapp. „Ihre Abneigung Euch gegenüber wundert mich nicht. Euer Verhalten ist vergleichbar mit dem von Valentin. Ihr beweist dem Mädchen nur das Gegenteil von dem, was ihr behauptet zu sein. Ihr offenbart euch ihr als das, was Valentin ihr all die Jahre gepredigt hat."

„Schweigt jetzt, Bane!", fauchte die Inquisitorin. „Steckt eure Nase nicht zu tief in die Angelegenheiten der Schattenjäger."

Magnus verneigte sich in einer eleganten Geste vor Herondale. „Ihr habt natürlich Recht, Inquisitorin. Ich bin ja nichts als ein einfacher Hexenmeister." Seine Stimme triefte vor Spott.

Funkelnd drehte sich die Inquisitorin wieder mir zu und ließ mein Kinn los. „Keine Spielchen, Kleine. Ich habe genug von euch Morgensterns. Hat dein Vater das Landgut gelegentlich verlassen?"

Ich senkte den Kopf und dachte an meinen Vater. Er würde mit Sicherheit von diesem Verhör erfahren. Würde er es mir nachtragen oder würde er dem Rat die Schuld geben? Es spielte eigentlich keine Rolle, ich hatte ihn bereits verlassen und ich wollte nichts mit ihm zu tun haben. Er war ein Monster. Und doch war er mein Vater und doch fühlte es ich wie ein Verrat an, ihnen diese Dinge zu erzählen.

„Ab und zu hat er das Landgut verlassen, aber er hat niemandem von uns gesagt, wohin er ging. Vielleicht meiner Mutter, ich weiß es nicht. Sie erzählte uns immer nur, er hätte wichtige Dinge zu tun", sagte ich emotionslos und schaute wieder starr vor mich hin. Mein Körper stand in Flammen, doch niemand von ihnen schien es zu bemerken. Alles in meinem Kopf drehte sich und trotzdem brachte ich stets die Worte hervor, die sie hören wollte. Vielleicht wollten sie mich auch einfach leiden sehen, schließlich konnte mich niemand in diesem Raum wirklich leiden. Die Lightwoods hatten mich zwar aufgenommen, doch selbst sie würden nicht für mich einstehen, wenn es hart auf hart kommen sollte. Warum sollten sie auch? Mein Vater war Valentin Morgenstern und deshalb war mein Schicksal besiegelt.

„Nun gut", sagte die Inquisitorin und seufzte. Für einen Moment hoffte ich, sie hätte fürs Erste genug von mir. „Erzähle mir von deinem Bruder Jonathan. Was genau ist mit ihm passiert und was hat er getan?"

Mein Geist war eingesperrt im dunkelsten Teil meines Kopfes, weit weg davon, realitätsnah zu handeln und doch fühlten sich ihre Worte an, wie ein schmerzhafter Schlag ins Gesicht. Ich spürte, wie sich mein Körper unter mir weiter versteifte, mehr als ich überhaupt noch für möglich gehalten hatte. Das Bild von Jonathan vor meinem inneren Auge brachte meinen Körper zum Wanken. Der einzige Mensch auf dieser Welt, der mir noch etwas bedeutete. Und nun verlangten sie, dass ich auch ihn verriet.

Ich zögerte und presste die Lippen aufeinander. Ich versuchte, mich auf die Gedanken in meinem Kopf zu konzentrieren, sie durften mir nicht in Form von Worten entkommen. Ich klammerte mich an jede Erinnerung und hielt sie zurück. Ich kämpfte gegen den Zauber an. Erst als ich meine Augen öffnete, merkte ich, dass ich sie überhaupt geschlossen hatte. Mein Blick heftete sich auf Jace und zu meiner Überraschung konnte ich ihn klar und deutlich vor mir sehen. Er schwieg und starrte mich unverwandt und mitleidslos an.

„Antworte auf meine Frage", forderte mich die Inquisitorin harsch auf. Sie machte einen Schritt auf mich zu und ihre blauen Augen funkelten vor Wut.

Der Schmerz in meinem Körper brachte mich beinahe um den Verstand. Jetzt wo ich es schaffte, den Schwindel in eine Ecke meines Gehirns zurückzudrängen und die Kontrolle über meinen Geist zurückzuerlangen, kostete es mich eine Menge Kraft, den immer stärker werdenden Schmerz zu ertragen. Ich fürchtete, dass er mich jede Sekunde in Stücke reißen würde. Es war als würden tausende Schwerter mich gleichzeitig durchstoßen. Als würde man das Heft umdrehen, während es in meinem Körper steckte.

Ich wusste nicht, woher ich die Kraft nahm, doch ich hob den Kopf und schaute der Inquisitorin geradewegs in die Augen. Für den Hauch einer Sekunde glaubte ich, eine Mischung aus Überraschung und Entsetzen in ihren Augen aufflackern zu sehen. Meine Stimme klang völlig ruhig, als ich ein einziges Wort hervorbrachte. „Nein."



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Hi, da bin ich wieder.

Wie fandet ihr das Kapitel? Denkt ihr, dass der Rest der Befragung genauso schlimm verlaufen wird? bin gespannt auf eure Meinungen!

Liebe Grüße

Skyllen :)

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