Kapitel 14.1. - An Old Friend

Kapitel 14 – An Old Friend

Lucian Graymark. Mit diesem Mann hatte meine Mutter ihre gesamte Kindheit und Jugend verbracht, er war ihr bester Freund gewesen, die mit wichtigste Person in ihrem Leben. Bis Valentin kam.

Lucian und ich spazierten durch Alicante. Es war unangenehm gewesen, als er sich nervös am Hinterkopf gekratzt und mir dann die Hand hingestreckt hatte. Wir hatten beide nicht wirklich gewusst, wie wir reagieren sollten. Kurz darauf hatten wir die Garnison verlassen, nicht ohne eine scharfe Mahnung der Inquisitorin, dass ich mich pünktlich wieder hier einfinden musste.

Lucian war ein schweigsamer Mann, er strahlte Ruhe aus. Wir gingen durch die gepflasterten Gassen von Alicante, die Sonne stand hoch am Himmel, doch es war kalt. Ich erinnerte mich an unsere Flucht aus dem Herrenhaus, dort hatte es stark geschneit. Lucian hatte seine Hände immer noch locker in seinen Hosentaschen gesteckt und seine Kleidung schien keineswegs zu den äußeren Temperaturen zu passen.

„Frierst du nicht?", fragte ich ihn leise. Als ich ihn in der Garnison gesiezt hatte, hatte er mir sofort das Du angeboten. Ich glaubte, es war ihm komisch vorgekommen, von der Tochter der besten Freundin gesiezt zu werden. Wären die Dinge anders verlaufen, hätte ich ihn möglicherweise schon seit meiner Geburt kennen können.

Lucian schüttelte den Kopf. „Werwölfe frieren nicht so schnell, wie Menschen oder Schattenjäger. Wir haben eine viel höhere Körpertemperatur", erklärte er und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Die Schattenjäger starrten uns an, während wir an ihnen vorbeigingen. Die meisten schienen uns zu erkennen, denn sie kniffen die Augen zusammen, oder ihre Mundwinkel verzogen sich verächtlich als sie uns sahen. Wie ich mitbekommen hatte, hegten viele Schattenjäger eine Abneigung gegen Schattenwesen. Sie schienen Lucians Anwesenheit in der gläsernen Stadt nicht zu befürworten. Es wunderte mich nicht. Lucian war ein Werwolf, aber darüber hinaus war er auch der erste Kommandant Valentins und Teil des Kreises gewesen. Ihn zusammen mit Valentins Tochter zu sehen, konnte ihnen nicht gefallen.

„Du siehst deiner Mutter so ähnlich", sagte Lucian. „Jedes Mal, wenn ich dich ansehe, habe ich das Gefühl, als hätte jemand die Zeit zwanzig Jahre zurückgedreht."

Ich schwieg. Die roten Haare und die grünen Augen waren die Hauptmerkmale, die ich von meiner Mutter vererbt bekommen hatte. Ich hatte nie ein Bild von meiner Mutter als junges Mädchen gesehen, doch so wie Lucian mich anschaute, musste ich ihrem jugendlichen Ich sehr ähneln. Ich wusste nicht, was ich ihm antworten sollte. Der Gedanke an meine Mutter schmerzte. Eigentlich wollte ich nicht über sie reden.

„Meine Mutter hat erzählt, dass du ihr bester Freund warst. Ihr ganzes Leben lang, bis du dich eines Tages in einen Schattenweltler verwandelt hast und für immer fortgegangen bist. Valentin hatte geglaubt du seist tot, doch meine Mutter war sich sicher gewesen, dass du noch am Leben warst", sagte ich stattdessen mit härterem Tonfall als beabsichtigt. „Warum bist du nie zurückgekehrt?"

Lucian seufzte. „Es lag an Valentin. Du kennst ihn als deinen Vater, er hat sich dir gegenüber wahrscheinlich anders verhalten, als er sich anderen gegenüber verhalten hat. Er konnte ein sehr fürsorglicher Mann sein, aber in anderen Momenten dafür umso brutaler. Ich hätte alles getan, um Jocelyn zu beschützten, sie war meine beste Freundin. Ich wollte nicht, dass es so endet wie jetzt. Doch meine Anwesenheit hätte daran nichts verändert", versuchte er zu erklären. Seine Augen waren auf seine Schuhe gerichtet. „Das mag sich vielleicht nach einer Ausrede anhören, doch es ist die Wahrheit. Ich hätte nichts tun können, um sie vor deinem Vater zu bewahren oder sie zu schützen. Hätte ich ihr die Wahrheit erzählt, wäre sie sicherlich mit mir fortgegangen. Doch es gab euch, dich und Jonathan, ich wollte keine Familie auseinanderreißen."

Seine ausweichende Antwort tröstete mich nicht. Das was er sagte machte es nicht besser, es machte den Tod meiner Mutter nicht weniger schmerzhaft und es ließ ihn trotzdem wie einen Feigling aussehen. Ein Feigling, der sich jahrelang versteckt und seine Freundin im Stich gelassen hatte.

„Das hört sich für mich sehr nach einer Ausrede an, Lucian", gab ich neutral zurück und zog den Mantel fester um meine Brust. Ein kalter Wind hatte angefangen zu wehen, Ladenbesitzer eilten nach draußen und trugen Tische und Werbetafeln ins Innere ihrer Geschäfte. Es hätte sich hier um eine normale europäische Stadt handeln können: Gepflasterte Straßen, verrußte Straßenlaternen, altertümliche Häuser. Wären da nicht die außergewöhnlichen Läden gewesen. Schwerter, Äxte und Runen in den Schaufenstern. Bäckereien mit typischen Backwaren und Torten nach Tradition und Vorliebe der Schattenjäger. Man sah keine Autos auf den Straßen, wie in New York, sondern nur Pferde und Wagen.

„Nenn mich nicht so", sagte er, was mir einen verwunderten Blick entlockte. „Mein Schattenjägername war einst Lucian Graymark, doch diese Jahre liegen lange hinter mir. Heute bin ich nur noch Luke Garroway."

„Wieso hast du ihn geändert?"

„Ich wollte mit der Vergangenheit abschließen, als Schattenweltler ein neues Leben beginnen. Ich wollte die Schattenjäger aus meinem Leben streichen. Natürlich ging das nicht, sie sind die Beschützer dieser Welt und gleichzeitig die Richter der Schattenwelt. Obwohl Schattenweltler schon viel länger auf dieser Welt weilen als die Nephilim, scheinen sie ihre Rasse als auserkoren zu sehen, den Rest der Schattenwelt zu kontrollieren und zu beherrschen. Früher als ich noch Teil des Kreises war habe ich die Sache natürlich ganz anders gesehen, aber mittlerweile nach all der Zeit ist mir einiges klar geworden. Die Nephilim sind zwar ein stolzes Volk, doch bei weitem nicht die edlen und ehrenvollen Krieger, wie sie sich selbst gerne sehen. In den Reihen der Schattenjäger gibt es Hass auf Schattenweltler. Es gibt viele Konservative und die die einfach nur töten wollen, so wie es vor dem Abkommen möglich war."

„Also gibt es anscheinend einige die denken wie Valentin", schlussfolgerte ich.

„So würde ich das nicht sagen", Luke zögerte. „Valentin will die Vernichtung aller Schattenweltler, seine Anhänger sind aber deutlich in der Minderheit. Die Mehrheit der Schattenjäger ist halbwegs tolerant den Schattenweltlern gegenüber, sie dulden sie aber möchten aus verschiedensten Gründen einfach nichts mit ihnen zu tun haben."

„Das alles scheint mir so fürchterlich kompliziert zu sein", antwortete ich langsam. „Ich kann den Hass auf Schattenweltler verstehen, aber ich kenne sie zu wenig, um die Sorgen zu bestätigen."

Luke warf mir unauffällig einen Seitenblick zu, doch ich merkte es trotzdem. „Ach ja? Welche Gründe gibt es denn, Schattenweltler zu hassen?"

Ich überlegte. „Mein Vater hat immer gesagt, dass Schattenweltler wegen ihres dämonischen Blutes ihr Verhalten oft nicht kontrollieren könnten. Ihr Instinkt sei es, gewalttätig zu sein, anderen Lebewesen zu schaden und Menschen zu töten."

„Du zitierst nur deinen Vater", bemerkte Luke spöttisch. „Aber was denkst du selbst darüber?"

Achselzuckend wandte ich mich ihm zu. „Nun ja, ich habe bisher nur mit zwei Schattenweltlern gesprochen und das nur für eine kurze Zeit. Ich kann das schlecht beurteilen. Aber natürlich habe ich das, was mein Vater mir beigebracht hat im Hinterkopf, schließlich hat er uns dauernd vor ihnen gewarnt."

Luke seufzte. „Es scheint, als hätte Valentin einen großen Einfluss auf dich." Seine Stimme klang beinahe enttäuscht, als hätte er mehr von mir erwartet. „Aber das ist ja auch kein Wunder, schließlich hast du achtzehn Jahre mit ihm unter einem Dach gelebt. Und doch habe ich das Gefühl, als würde mehr in dir stecken als nur die Warnungen und Werte deines Vaters. Ich sehe Jocelyns Zuversicht und Verbissenheit in deinen Augen."

Mein Herz zog sich krampfhaft zusammen. So sehr ich versuchte die Vergangenheit hinter mir zu lassen, es würde länger dauern als diesen einen Tag, um sie zu vergessen. Gerade wollte ich nichts lieber, als sie zu vergessen. Erdrückt von meinen eigenen Gefühlen wandte ich den Kopf ab und wechselte das Thema. „Sag mir die Wahrheit. Was ist damals passiert?"

Doch Luke antwortete nicht direkt. Stattdessen schwieg er und in Stille überquerten wir einen runden Platz mit einem majestätischen Brunnen in seiner Mitte. Aus seiner Mitte ragte Raziel mit den Engelsinsignien in die Höhe. Sein steinernes Gesicht wirkte misstrauisch und überheblich, hatte er diese Eigenschaften an seine Nephilim weitergegeben?

„Ich war Valentins wichtigster Kommandant gewesen, wir waren beste Freunde, Parabatai. Wenn er litt, dann litt ich auch. Damals dachte ich, dass wir seine Vorstellung einer idealen Welt gemeinsam erreichen und Seite an Seite ein besseres Leben führen würden. Natürlich hatte ich nicht verstanden, dass ich zu dem Zeitpunkt bereits ein gutes Leben besaß. Man lässt sich einlullen in Lügen und Wunschvorstellungen und du musst wissen, dein Vater war ein ausgezeichneter Redner. Mit seinen Worten hatte er die Meisten überzeugen können."

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass mein Vater mit jemandem wie ihm befreundet gewesen war. Sie schienen mir überhaupt nicht zueinander zu passen. Valentin war zielstrebig und ambitioniert, während Luke ein wenig verloren in dieser Welt schien. Doch meine Mutter hatte selbst gesagt, dass sich Valentin in den Jahren stark verändert hatte, vielleicht war er früher anders gewesen, auch wenn ich mir das kaum vorstellen konnte.

„Eines Tages machten wir uns zu zweit auf den Weg zu einem Werwolfrudel, um die Schattenweltler zu töten. Sie hatten uns nichts getan, doch wir sahen es als unsere Pflicht die Schattenwelt von ihnen zu reinigen. Während des Kampfes wurde ich von einem der Wölfe gebissen und verwandelte mich am kommenden Vollmond das erste Mal. Ich wusste nicht, wie mein Leben weitergehen sollte. Doch diese Entscheidung hatte dein Vater mir bereits genommen." Er verstummte. Bisher ähnelte das, was er sagte dem, was meine Mutter mir auf dem Weg unserer Flucht erzählt hatte.

„Am Morgen nach meiner Verwandlung trafen wir uns im Wald hinter dem Landgut deiner Mutter. Ich kam zwar ohne Erwartungen, machte mir aber trotzdem Sorgen. Ich sorgte mich über seine Meinung zu mir, aber wir waren Parabatai gewesen, weshalb ich dachte, dass er mich verschonen würde. Schließlich hatte er mich für Jahre gekannt, er wusste, wer ich war und wie ich tickte. An diesem Tag gab Valentin mir einen Dolch. Er war enttäuscht, dass ich verwandelt wurde, jedoch fehlte ihm der Ausdruck wahrer Trauer in den Augen. Dein Vater wollte, dass ich mich mir mit dem Dolch das Leben nahm. Er wollte es nicht selbst tun müssen, den Respekt wollte er mir selbst erweisen."



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Ich würde mich wirklich interessieren, was ihr von Luke haltet! Der zweite Teil seiner Vergangenheit kommt dann im nächsten Kapitel ans Licht, bleibt gespannt!

Liebe Grüße

Skyllen :)

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