Kapitel 11 - A Turning World
Kapitel 11 – A Turning World
Jonathans triumphierendes Lächeln war in der Sekunde verschwunden, in der die Nägel meiner linken Hand seine Wange erreichten und sich tief in seine Haut bohrten. Sein Kopf neigte sich zur Seite, seine Beine taumelten für einen Augenblick, aber er hatte nicht damit gerechnet, dass ich mich völlig auf ihn werfen würde. Sein Kopf schlug auf dem steinernen Boden auf und ein Keuchen entwich seinen Lippen.
Er brauchte genau drei Sekunden, um sich zurecht zu finden. Dann spürte ich, wie sich die Muskeln in seinen Armen anspannten und ich zur Seite gedrückt wurde. Meine Sicht war schwach, ich konnte vor Schmerz kaum noch seine Umrisse erkennen, aber als ich den Kontakt zum Boden und zu seinem Körper verlor, war ich ihm hilflos ausgeliefert.
Orientierungslos röchelte ich nach Luft und versuchte blind, seine Arme von meinen Schultern zu bekommen. Die Schmerzen in meinem Körper kamen alle mit einem Mal zurück, als hätten sie sich abgesprochen. Wütend presste ich die Lippen zusammen, damit kein Laut meiner Kehle entweichen konnte. Ich war zu schwach, um mich seinem Griff zu entziehen. Alles, was ich tun konnte, war nach oben zu schauen, in der Hoffnung etwas zu erkennen.
Als die nächste Schmerzenswelle abebbte, wurde meine Sicht klarer. Aus dem Hintergrund vernahm ich ein leises Murmeln. Dann verlor mein Körper den Halt des Bodens und ich wurde auf die Füße gerissen. Ich taumelte einen Schritt nach hinten und wäre beinahe wieder gestürzt.
Valentin hatte sich vom Körper meiner Mutter erhoben und zwischen Jonathan und mich gestellt. Gebieterisch hob er seine Hand. Sein Gesicht glich einer emotionslosen Maske, die Lippen starr zusammengepresst. Doch seine Hand zitterte.
„So sollten Geschwister sich nicht verhalten", sagte er schließlich mit tonloser Stimme. Und doch klang er herrisch. „Clarissa, es wäre dumm von dir, wenn du uns nicht zurück nach Idris begleiten würdest. All diese Opfer wären umsonst gewesen." Im Gegensatz zu Jonathan ließ er mir eine Wahl. Er wollte niemanden an seiner Seite haben, die sein Handeln und Denken nicht selbst unterstützten.
So stand ich nun da, taumelnd und blutüberströmt. Der Raum drehte sich mittlerweile ein wenig langsamer und doch fiel es mir schwer, ruhig zu atmen. Dieser kurze Moment der Stille ließ mich innehalten und ich fragte mich, was ich hier überhaupt tat. Ich drehte den Kopf und schaute zu Adam, der wie die anderen noch lebenden Schattenjägern durch eine Horde von Dämonen daran gehindert wurde, uns zu erreichen. Keine der beiden Seite attackierte die andere. Ein Kampf wäre für die wenigen Schattenjäger sowieso in einer Niederlage geendet.
Alec lag immer noch regungslos auf dem Marmorboden, während Isabelle über ihm kniete. Maryse stand hinter ihr, schien jedoch zwiegespalten, welchem Geschehen sie ihre Aufmerksamkeit widmen sollte. Jace stand etwas abseits, in kampfbereiter Haltung mit seiner Seraphklinge in der rechten Hand. Er musste die Hand mit aller Kraft zusammendrücken, denn ich konnte von hier seine austretenden Adern an den Unterarmen erkennen. Mein Blick wanderte hoch zu seinem Gesicht und für einen Augenblick trafen seine Augen meine und die Zeit blieb erneut stehen.
Der Blick in seinen Augen hatte sich verändert. Der schmerzende Blick war einem kühlen, beinahe unbeteiligtem gewichen. Ich spürte, wie sich mein Magen zusammenzog. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.
„Clarissa." Ich zuckte zusammen, als hätte er mich geschlagen. Mein Vater wartete auf eine Antwort, doch ich hatte meine Entscheidung bereits gefällt.
Ich nickte und versuchte mit sicherem Schritt auf ihn zuzukommen. Valentins Miene milderte sich, als er meine Reaktion sah und streckte eine Hand nach mir aus. Unter größter Mühe hob ich meinen Arm und ergriff seine Hand. Seine Haut fühlte sich rau und uneben an. Als ich direkt vor ihm stand, blieb ich stehen und schaute zu im hoch. Dann fiel ich ihm um den Hals.
Ich spürte, wie mein Vater sich, überrascht von meiner Reaktion, kurz versteifte. Dann erwiderte er meine Umarmung. Valentin war nie ein Mann großer Gefühle gewesen. Ich löste mich von ihm und spähte über seine Schulter zu Jonathan, der uns skeptisch beäugte.
Langsam und bedächtig machte ich einen Schritt zur Seite und stand nun schräg neben meinem Vater, Jonathan war keine zwei Meter entfernt. „Um ehrlich zu sein hätte ich nicht gedacht, dass du deine Meinung noch änderst", sagte er und seine Stimme war kalt wie Eis.
„Manchmal überraschen Menschen einen", antwortete ich und diesmal war er es, der es nicht kommen sah. Mit überdurchschnittlicher Geschwindigkeit griff ich an den Waffengürtel meines Vaters, entriss ihm einen Dolch und schmetterte ihn Jonathan mit voller Wucht entgegen. Den Bruchteil einer Sekunde später bohrte er sich in seine Brust, direkt in sein Herz.
Als er versuchte zu reagieren, war es bereits zu spät. Jonathan kreischte auf und ich zuckte zusammen. Mein Vater drehte sich in Windeseile um und griff nach meinem Arm, doch ich hatte gewusst, was er tun würde. Ich hatte bereits die Augen geschlossen, meine letzten Kraftreserven zusammengeschöpft und sprang in hohem Bogen rückwärts über meinen Vater und landete in sicherer Entfernung von beiden.
In dem Augenblick in dem meine Knie den Boden berührten, schrie Jonathan wütend auf, während er den Dolch beobachtete, der immer noch in seinem Brustkorb steckte. Mir stockte der Atem. Mit einem wütenden Schnauben riss er sich den Dolch mit einer verächtlichen Bewegung ruckartig aus der Brust und warf ihn klirrend zu Boden. Aus der Wunde floss Blut in einem dunklen Strom seine Kampfmontur hinunter. Zu viel Blut. Doch das schien ihn keineswegs zu stören, er tat als hätte ich ihm kein Haar gekrümmt. Stattdessen fixierte er mich mit einem wilden Ausdruck in den Augen und preschte auf mich los.
Erst jetzt fiel mir auf, dass ich keine Waffe hatte. Ich hockte schwer atmend auf dem Boden und konnte mich kaum noch auf den Beinen halten. Jede Faser meines Körpers schrie vor Schmerz und das Dämonengift fraß sich immer noch durch meine Adern.
Doch Jonathan erreichte mich nicht, denn es geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Bevor Jonathan mir sein Schwert durch die Brust rammen konnte, hatte sich Jace an den Dämonen vorbeigestohlen und stand nun mit dem Rücken zu mir. Er hatte sich vor mich gestellt. Jeder seiner Muskeln war angespannt und er hielt abwehrend seine Seraphklinge vor sich in der Luft. Eingeschränkt konnte ich Teile von Jonathan erhaschen, er war nicht langsamer geworden und schlug Mellatach mit voller Wucht auf Jace' Schwert. Der metallische Klang ließ mich zusammenzucken.
Dann während Jonathan zum nächsten Schlag ausholte, ertönte ein berstender Laut aus dem Flur, der in die Halle führte und eine Sekunde später flutete eine Unmenge an Menschen in schwarzer Kleidung den Eingang der Halle. Es waren Schattenjäger.
„Die Division", hörte ich Valentin sagen. „Jonathan, es wird Zeit."
Doch Jonathan schüttelte den Kopf und fletschte die Zähne. „Ich werde euch beide töten", zischte er. „Dich für deine Torheit, Herondale. Und dich, Schwesterherz, werde ich langsam und qualvoll umbringen." Mir entfuhr nur ein qualvoller Laut.
„Jonathan", rief Valentin wieder. Die Division hatte sofort damit begonnen, die Dämonen anzugreifen und versuchte sich einen Weg zu Valentin zu bahnen. Der Mann den sie seit achtzehn Jahren für tot gehalten hatten.
Diesmal gehorchte Jonathan, wenn auch nur widerwillig. „Ich kann gar nicht abwarten, dich widerzusehen. Wir werden dich finden." Dann drehte er sich um und rannte zu meinem Vater. Einen Augenblick später waren beide verschwunden, als hätten sie sich in Luft aufgelöst. Die Dämonen verschwanden mit ihnen.
Meine Beine gaben nach und ich fiel auf die Knie. Für eine kurze Zeit hockte ich einfach weiter dort auf dem Boden und wusste nicht, was ich als nächstes tun sollte. Für mich gab es keinen nächsten Schritt. Langsam hob ich den Kopf und meine Augen suchten meine Mutter. Ihr rotes Haar lag wirr über den Marmor verstreut und war blutgetränkt. Ihre helle Haut schien jede Farbe verloren zu haben. Die zärtlichen Hände waren zu Fäusten geballt und die Schattenjägerkluft lag schwer und unförmig auf ihrem Körper, der Stoff noch dunkler verfärbt, als er sowieso schon war.
Es fühlte sich an, als würde ich ein Portal betreten. Mein Blick war in die Ferne gerichtet und vor meinem geistigen Auge war ich an einem völlig anderen Ort, weit weg von hier. Aus einiger Entfernung hörte ich Stimmen, die meinen Namen riefen. Dumpfe Berührungen drangen an meinen Körper und am Rande meines Blickfeldes konnte ich die Schatten von Menschen ausmachen. Doch ich konnte mich nicht bewegen, war unfähig zu antworten. Es fühlte sich an, als würde ich mich in einem nie endenden Albtraum befinden. Eine Reihe von Bildern raste an mir vorbei. Momente, Erinnerungen und Gefühle. Lachen, Weinen, Wut, Angst, Liebe.
Erst der brennende Schmerz einer Iratze brachte mich zurück in die Gegenwart. Maryse, Adam und eine mir unbekannte Schattenjägerin hockten vor mir. Maryse drückte mir den Arm, sprach etwas, was ich nicht verstand und ich konnte Tränen in ihren Augen sehen. Adam hatte sich vorgebeugt und trug mir die Rune auf. Nur dass sie nichts bringen würde. Iratzen halfen nicht gegen Dämonengift, so etwas konnte nur auf anderen Wegen behandelt werden.
Ich beachtete keinen von beiden. Stattdessen schaute ich an ihnen vorbei zu Jace, der noch am selben Platz wie eben stand, nur dass er sich nun mir zugewandt hatte. Mit einem befremdlichen Blick schaute er mich an. Ich konnte das alles hier nicht weiter ertragen.
Ohne Maryse und Adam zu beachten, richtete ich mich auf. Ich musste wie ein Wrack aussehen, denn genauso fühlte ich mich. Als hätte man mir jegliche Lebensenergie geraubt. Ich sagte nichts, drehte mich einfach um und versuchte, so standsicher wie möglich zu gehen, während ich die Halle verließ. Ich hörte, wie sie meinen Namen riefen, doch sie liefen mir nicht nach. Hätten sie gesehen, wie der Dämon mich gebissen hatte, dann hätten sie mich nicht einfach gehen lassen. Nur Jace hatte es gesehen.
Keiner beachtete mich, während ich mich den Gang entlanghievte. Sobald ich außer Sichtweise gewesen war, hatte ich aufgehört einen stabilen Gang vorzutäuschen. Mit jedem Schritt wuchs der Schmerz und die Orientierungslosigkeit nahm zu. Jeder Schritt der mich weiter vom Leichnam meiner Mutter entfernte, machte alles nur noch schlimmer. Irgendwann hatte ich angefangen zu wimmern, doch mittlerweile war meine Sicht so verschwommen, dass ich keine Ahnung hatte, wo ich langlief. Meine Finger streckten sich der Wand entgegen und mit einem Schluchzen ließ ich mich nach vorne fallen.
Mit dem Kopf gegen die Wand gelehnt, saß ich auf dem Boden und schrie mir die Seele aus dem Leib. Mein Körper bebte so heftig, dass ich das Gefühl hatte, mein Herzschlag würde sich daran anpassen. Ich schmeckte die salzigen Tränen auf meiner Zunge und spürte die Wärme in meinen geröteten Wangen. Es kümmerte mich nicht, ob mich jemand hörte. Sollte mich der Erzengel persönlich hören und mich von diesem Elend befreien. Meine hysterischen Schreie gaben mir den letzten Anker, den ich zu diesem Zeitpunkt noch besaß. Es kümmerte mich nicht, was mit mir passierte, ob mir das Dämonengift bald den Gar ausmachen würde oder ob Jonathan zurückkommen würde, um mich zu töten.
„Komm doch zurück", hörte ich mich selbst rufen, während ich wütend mit einer Faust gegen die Wand schlug. Dem Ausruf folgt ein qualvolles Schluchzen. „Töte mich, ich habe keinen Grund mehr hierzubleiben."
Doch Jonathan kam nicht, befreite mich nicht von meinem Leid. Stattdessen vernahm ich eine andere Stimme, die beinahe vorsichtig meinen Namen aussprach, auf eine Weise, wie ich es so noch nie vernommen hatte.
In jedem anderen Augenblick hätte es mich vielleicht überrascht oder sogar erleichtert, doch gerade jetzt war ich nicht bereit für ihn, weich zu werden.
„Verschwinde", fuhr ich Jace an, ohne den Kopf von der Wand zu heben. Es sollte wütend oder bedrohlich klingen, doch stattdessen war es eher ein kläglicher Ausruf.
Ich hatte die Augen geschlossen und doch spürte ich seine Präsenz, als er sich neben mich auf den Boden hockte. „Du musst dich behandeln lassen", antwortete er nur. Ich wusste natürlich, wovon er sprach, doch es interessierte mich kein wenig.
„Seit wann interessiert es dich, was mit mir passiert. Du warst es doch, der mich am liebsten eigenhändig umgebracht hätte. Hier hast du deine Chance." Ich versuchte mein Schluchzen unter Kontrolle zu bekommen. Ich kam mir schwach vor, so vor ihm zu stehen.
„Clary", sagte Jace und diesmal hob ich den Kopf und ein siedender Schmerz fuhr mir den Rücken hoch und ließ mich aufkeuchen. Seine goldenen Augen waren auf mein Gesicht geheftet und erneut sah ich Schmerz in seinem Blick. Zerrissenheit. Als versuchte er, etwas abzuwägen.
Meine Augenlider flatterten und der Schwindel erfasste mich. Sein Anblick verschwamm vor meinen Augen. Das letzte, was ich spürte, war sein Griff an meiner Hüfte.
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Dieses Kapitel habe ich damals vergessen hochzuladen. Aus welchem Grund auch immer. Eigentlich ziemlich mies, weil man hier einen wichtigen Teil der Story verpasst und das folgende Kapitel gar keinen Sinn gemacht hätte. Ich frage mich echt, wie ich das übersehen konnte.
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