Kapitel 5

Der Tag im Café verlief recht normal. Einmal hatte sich ein Kunde über sein Essen beschwert, denn seine Nudelpfanne war ihm nicht heiß genug und verlangte, dass es der Koch neu für ihn zubereitete. Astrid allerdings hatte die Situation im Griff.
Sie entschuldigte sich mit einem gezwungen falschen Lächeln, nahm den Teller und stellte besagtes Geschirr in die Mikrowelle, als sie in der Küche verschwand.
Fischbein, der Koch mit dem gutmütigsten Herzen überhaupt, sah sie schräg an, aber grinste belustigt, als sie mit den Augen rollte und lächelnd nach draußen zeigte. Er richtete einen neuen Teller für ihr aufgewärmtes Gericht und half ihr, es schön zu drapieren. So sah es weniger aus, als wäre es wieder aufgewärmt worden.

,,Man kann es den Gästen nie recht machen", seufzte er und zupfte an seiner Kochjacke. Astrid schüttelte den Kopf.

,,Mach dir da keine Gedanken drum, Fischbein. Der Mann hat sein Essen heiß bekommen. Ich hab mir fast die Finger beim Servieren verbrannt - aber er hat so lange mit seinem Partner geredet, dass sein Essen ausgekühlt ist. Sein schräges Hühnergegacker hallt nach - das vergisst man nicht, wenn man es einmal hört."
Fischbein nickte.
Alleine, dass wir Essen wie Spaghetti oder Putenstreifen auf gemischtem Salat anbieten, war für ein Cafe schon etwas Besonderes. Das war ihre Meinung.
Astrid ging mit dem Teller zu ihrem Gast und kümmerte sich, nach Ablieferung der wiederhergestellten Bestellung, um die nächsten Gäste.
Ihre Kollegin Elsa, die sie ablösen sollte, hatte Verspätung und Anna, ihre Schwester, die gelegentlich Fischbein in der Küche half, war krank. Für sie einspringen würde Taffnuss, aber Astrid war sich nicht sicher, ob das so eine gute Idee war. Ihr Kollege war für seine seltsam komische Art bekannt.
Länger bleiben konnte sie aber nicht und das wusste ihr Chef auch. ‚Es wird schon werden', hatte er gesagt und sie dabei aufmunternd angelächelt.
Nach ihrer Schicht holte sie Autumn von der Kindertagesstätte ab und quetschte sich anschließend mit dem kleinen Rotschopf in den Bus. Sanft strich sie dem Kind über den Kopf, während Autumns grüne Kulleraugen sich immer wieder schlossen und öffneten. Ihre Lider waren schwer. Der Herzschlag ihrer Mutter ruhig und gleichmäßig.
Sie war müde, das merkte Astrid sofort. Sie lächelte verträumt, als sie Autumn beim Kampf mit sich selbst zusah. Ein Stupser auf die Nase der Kleinen und sie hatte für einen kurzen Moment Astrids Aufmerksamkeit.
„Du darfst schlafen, kleine Maus. Du musst dich nicht zwingen wach zu bleiben", flüsterte sie ihrem Kind zu, und so schnell konnte sie gar nicht schauen, war das grünäugige kleine Mädchen in der Tragetasche an der Brust ihrer Mutter eingenickt. Woher sie diese Sturheit wohl hatte?
Astrid war froh, dass sie die Babytragetasche gekauft hatte, bevor es finanziell enger wurde. Ohne diese Tragetasche müsste sie ihre Tochter im Kinderwagen durch die Gegend schieben. Es wäre nicht einmal halb so schön, denn durch die Tragetasche war sie ihrer kleinen Tochter nahe, und das machte die blonde junge Frau glücklich. Gloria hatte ihr erklärt, dass Babys schon von Geburt an eine sehr nahe Bindung zu ihren Eltern haben. Viele Babys beruhigt es, den Herzschlag ihrer Eltern zu hören und so war es auch bei Autumn und ihr.

Der Bus war voller Menschen. Im vorderen Teil befanden sich hauptsächlich ältere. Mit Gehstock und Rollator bepackt besetzten sie die Einzel - und Doppelplätze. Sie beäugten ihre Umgebung skeptisch.
Eine Vierergruppe Teenager hatte es sich auf den hinteren Reihen gemütlich gemacht und lachte beherzt über etwas, dass einer der beiden Jungs aus der Gruppe auf seinem Handy gesehen hatte.
Hinter ihr, sie und Autumn befanden sich mittig vom Bus bei der hinteren Tür, denn sie mussten nur 4 Stationen fahren.
Der Rest der Plätze im Bus waren von Menschen im mittleren alter oder Volksschulkindern und ihren Eltern, die kein Auto besaßen, besetzt.
Astrid sah aus dem Fenster. Ihr Handy vibrierte.
Sie nahm es aus ihrer Tasche. Erin - ihr Ex-Freund. Allein beim Namen hätte sie fast erbrochen. Autumn gab ein Geräusch von sich, woraufhin Astrid von Display ihres Handys wegsah. ,,Nur ein schlechter Traum, wie es aussieht.", murmelte sie vor sich hin, bevor sie das Handy wegpackte.
Sie wollte mit ihm nichts mehr zutun haben und das ließ sie ihn spüren.
Einem so manipulativen Menschen war sie noch nie über den Weg gelaufen. Er war ein richtiges Arschloch.
Der Bus kam zum Halt und Astrid blickte nach draußen. Nadderweg - ihre Station. Geschwind drückte sie den roten Stop-Knopf und die Tür ging auf. Außerhalb des stickigen Busses war es kalt und sie konnte ihren Atem sehen. Es war Mitte November. Winter stand vor der Tür und Astrid konnte es kaum abwarten, denn Autumn liebte die Weihnachtszeit. Den glitzernden kalten Schnee, die Weihnachtsbeleuchtung in der ganzen Stadt, der bunt leuchtende Weihnachtsbaum Zuhause. Autumns Augen funkelten letztes Jahr wie hell am Himmel zu sehende Sterne, sobald sie die erste Weihnachtsbeleuchtung hängen sah. Scharf gesehen hatte sie da noch nicht ganz, denn sie war vor etwa einem Jahr erst 5,5 Monate alt.
Der Geburtstag ihrer Tochter war nämlich am 8. Juni. Heute war der 16.November.
„Wie schön", lächelte Astrid, als sie einzelnen roten-gelbe Blätter von den halb kahlen Bäumen  zu Boden fallen sah.
Herbst war ihr die liebste Jahreszeit, denn sie erinnerte Astrid nicht nur an schöne Momente in ihrem Leben, wie das Blätterhaufen bauen oder  das Herststräuße basteln mit Blättern in ihren Lieblingsfarben, sondern auch an traurige Momente. Im Herbst letzten Jahres hatte sie zuletzt versucht ihren Eltern ihr Enkelkind vorzustellen, denn es war ihr Wille gewesen, ihnen zu zeigen, dass sie einen Fehler begangen haben und nicht sie. Darunter hatte ein Kind nicht zu leiden.
Ihre Mutter hatte sie nicht hinein gelassen.

Autums Haarfarbe war ein weiterer Grund für ihren Namen. Hicks hatte dieselbe Haarfarbe und er schwor, es sei sein Naturhaar.
Astrids kleine Verliebtheit, machte die ganze Situation nicht besser, denn sie wusste, sie sieht ihn nicht wieder. Damit hatte sie sich irgendwie abgefunden.
Ihr Handy vibrierte erneut.
Bitte lass es nicht Erin sein! Warum hatte sie seine Nummer überhaupt noch? Er schrieb ihr jeden Tag. Sie antwortete nicht. Astrid hatte Glück, dass er nicht wusste, wo sie sich aufhielt, denn er wohnte damals mir ihr am anderen Ende der Stadt.
Ein Blick auf ihr Handy und sie seufzte. Ihr Chef aus dem Strip Club.

Astrid, heute Abend steigt eine riesen Mottoparty im Club. Kostüm liegt auf deinem Tisch. Wir haben zwei neue Bodyguard-Türsteher. Extra Sicherheit ist wichtig.
Keine Kinder erlaubt! Wenn das Balg hier aufkreuzt, bist du gefeuert.

Ihre Antwort war kurz, denn die hatte keinen Babysitter für heute.

Mein Babysitter ist krank.

Sie bekam keine Antwort.
Astrid hatte eine gewisse Vorahnung, dass dieser Abend der schlimmste der letzten Monate sein wird.

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