Kapitel 15




Sein Herz hämmerte gegen seine Brust, während sein ganzer Körper unkontrolliert zitterte. Astrid hatte ihm erzählt, dass sie während des Kampfes aufgewacht war. Sie war in Panik verfallen und ist aus dem Zimmer gestürmt, um Hilfe zu holen. Kurz bevor sie mit besagter Unterstützung angekommen war, hatte Autumn zu weinen begonnen, woraufhin Astrid die Kleine aus dem Zimmer geschafft hatte, nachdem die Security das Bad gestürmt hatte. Sie befand sich mit einer der Krankenschwestern in einem der anderen freien Zimmer. Er war froh, dass Astrid jetzt bei ihm war, denn wäre sie sie nicht hilfesuchend aus dem Zimmer gerannt, dann hätte Hicks ihren Ex Freund umgebracht. Irgendwie. Selbst der Tod war zu gut für ihn. Was er ihm im Laufe ihres Kampfes erzählt hatte, wird ihn nie wieder loslassen, dem war er sich sicher. Sie hatte nach ihm gerufen, wenn ihr Ex sie schlug. Wie konnte man sich nicht schuldig fühlen? Wie ging Astrid mit diesen schrecklichen Ereignissen um? Hicks hatte gesehen, dass sie Angst vor ihrem Ex hatte, aber Lorenz hatte sie im Club beinahe den Kopf abgerissen. Sie kam eindeutig besser klar damit als er. 

Drei Uhr früh. Es dauerte nicht lange, da bekam er Ersatzkleidung, obwohl er seine Sportkleidung nur aus seinem Auto hätte holen brauchen. Sie wurden in einen größeren Raum verlegt mit drei großen Betten, wovon eines leer blieb, und einem rollbaren Babybett. Autumn schlief darin und sah so friedlich aus, dass Hicks sie die ganze restliche Nacht verträumt hätte anhimmeln können.

Astrid fuhr beruhigend durch sein Haar, während er sie erschöpft musterte. Jede einzelne Strähne ihrer Haare funkelte golden im kalten Mondlicht. Die Deckenbeleuchtung blieb logischerweise aus. Er saß auf dem Bett und sie stand dicht bei ihm. Seine Verletzungen waren behandelt worden. Zwei geprellte Rippen hinten am Rücken, eine gebrochene Nase und ein paar Blutergüsse – nichts Wildes – da hatte er schon mal mehr abbekommen. Dennoch hatte ihm der Arzt viel Ruhe, diese ätzende Kühlkompresse, die mit einem Stück Verband auf seiner Nase fixiert worden war, und eine Nacht im Krankenhaus verschrieben. Sein Kopf dröhnte, seine Rippen stachen, seine Nase pochte – super Voraussetzung für eine ruhige Nacht.

Gerettet hatte ihn heute Astrid und nicht er sie.

                »Wie geht es dir?« fragte sie kaum hörbar, während sie sein Gesicht zwischen ihre Hände nahm und ihn eindringlich ansah. Ihre wunderschönen, himmelblauen Augen wanderten über sein ganzes lädiertes Gesicht und ihre Haut war warm und weich. Am liebsten hätte er lauter kleine Küsse darauf verteilt, aber er zwang sich ihr nicht näher zu treten, als sie sich jetzt waren. Er wollte seinem Drang nicht nachgeben.

                Hicks zwang sich zu einem müden Lächeln und umfasste ihre Hände. Er flüsterte: »Mir geht's immer gut, wenn ich dich sehe.« Das war nicht einmal gelogen. Etwas hatte sie an sich, dass ihn glücklich machte, sobald sie in seiner Nähe war, und das war schon bei ihrem ersten Treffen in dem Club so. Astrid rollte spielerisch mit den Augen und schmunzelte. Hicks bemerkte, dass ihre Wangen gerötet waren, ging aber nicht näher darauf ein. Sie wandte sich von ihm ab, und etwas enttäuscht war er schon. Er wollte sie zu sich ziehen und sein Gesicht in ihrer Halsbeuge vergraben – stattdessen setzte er sich auf seine Hände. »Dir geht es anscheinend gut genug um rumzuflirten. Ich muss mir also keine Sorgen mehr machen.« Sie hatte ihre Hände verschränkt.

Hicks ließ sich nach hinten fallen und zuckte schmerzerfüllt zusammen. Er stöhnte und Astrid verkniff sich das Grinsen, das sah er ihr an. »Ich leide hier und du lachst mich aus. Das ist aber nicht nett, Frau Hofferson«, sagte er leise schmollend mit vorgeschobener Unterlippe. Sie räusperte sich und lächelte ihn unbeholfen an. »Oh, du armer, armer Kautz. Das nächste Mal leg ich mich einfach wieder schlafen, wenn du dich mit jemandem im Badezimmer prügelst.« Sie schob ebenfalls ihre Unterlippe vor und klimperte mit den Wimpern. Sie neckte ihn – und es gefiel ihm. Er unterdrückte ein Lachen – es würde ihm den nächsten Schmerzensschrei entlocken. Er dachte daran, was passiert war und sein Herz wurde schwer und für eine kurze Weile blieb es still im Raum. Er wollte das Thema anschneiden, aber Astrid nahm ihm die Bürde ab. Sie sah Autumn reumütig an und setzte sich auf die Bettkante seines Bettes. Er hatte sich inzwischen auf die gute Seite gerollt und beobachtete ihre schwankenden Emotionen.

»Am liebsten wäre ich direkt mit Autumn davongelaufen, aber das konnte ich nicht. Du hast da dort gegen ihn gekämpft. Wer weiß, was passiert wäre, wenn du nicht dagewesen wärst. Das hat mir neuen Mut gegeben, Hicks. Allein hätte ich ihm nicht gegenübertreten können. Danke.«Ihre Augen waren glasig und ihre Lippen zitterten leicht, aber dennoch schenkte sie ihm ein Lächeln - eines voller Traurigkeit. Er hielt ihr seine Hand hin und sie legte ihre Hand direkt in seine. Ein Schritt in die richtige Richtung. Mit dem Daumen strich er ihr behutsam über den Handrücken. »Ich hab dir gesagt, dass ich euch nie wieder allein lassen werde, Astrid. Ihr beiden seid jetzt meine Familie. Meine erste Priorität. Selbst meine Aufträge stehen jetzt ganz hinten.« Er atmete tief ein und aus. Sie drückte seine Hand. »Während ich ihm gegenübergestanden bin, hat er mir einige Dinge an den Kopf geworfen.«

Astrid erstarrte und für einen Moment hatte sie ihn angesehen, als würde sie gleich das Weite suchen. Sie wich seinem Blick aus und drückte seine Hand, wollte sie loslassen, aber er ließ sie nicht und verschränkte seine Finger mit ihren. Sie ließ es zu. Hicks wollte, dass sie wusste, er sei da für sie. »Wärst du nicht um Hilfe zu holen aus dem Zimmer geeilt, hätte ich die Beherrschung verloren und würde jetzt in Einzelhaft sitzen. Du hast mich heute gerettet.«

Ihr Mund stand offen. Sie rührte sich nicht. Ihre Augen wanderten von ihm, zum Kissen unter seinem Kopf, auf ihre Hände und wieder zu ihm. Dann ließ sie den Kopf hängen und schloss den Mund. Einzelne Tränen tröpfelten auf ihren Schoß, aber sie lächelte liebevoll. Hicks Herz machte einen Satz. Warum war sie nur so süß? So wundervoll.

»Ich hab gehört, wie er begonnen hat dir schlimme Sachen aus meiner Vergangenheit zu erzählen. Danach bin ich rausgelaufen.« Sie sah ihn nicht mehr an. »Ein paar Informationen hatte ich schon fast vergessen, aber er hat auch etwas übertrieben. Als ich mit Autumn schwanger war, war es schwer ihn zufriedenstellen. Schließlich war ich seine Freundin, die von jemand anderen schwanger war. Er fand mich deshalb ekelhaft und hat mich meistens in Ruhe gelassen. Wenn er getrunken hatte, was gefühlt zwei Mal die Woche vorkam, wünschte ich mir, ich wäre wo anders. Ich wünschte mir, du wärst da gewesen und das ließ ich ihn wissen. Ganz kampflos hab ich ihn nicht gewinnen lassen, wenn es passiert war.« Sie versteifte sich und er hatte erwartet, dass sie jeden Moment in Tränen ausbrechen würde, aber sie sah eher traurig und wütend an. »Aber sobald man den Babybauch sehen konnte, hat er mich ignoriert, bis es Geld gab. Ich habe damals Vollzeit in einem Café gearbeitet und, weil ich wusste, er würde mir für Autumn keinen Cent geben, habe ich meinen Teil hauptsächlich für sie ausgegeben. Recht war ihm das nicht, schließlich verbriet er sein Gehalt innerhalb von zwei Wochen. Spielsucht. Dann musste ich hinhalten. Ich wollte ihn schon lange loswerden, aber er hatte mir mit allerlei Sachen gedroht und so blieb ich aus Angst bei ihm. Dumm von mir – ich weiß. Er schlief im Bett und ich auf dem Sofa, während Autumn in ihrem Bettchen neben mir schlief.«

»Astrid... du musst dich nicht zwingen.« Er wollte sie so gern in den Arm nehmen. Und dem Trottel den Schädel einschlagen und ihn aus Versehen aus dem Fenster werfen.

Sie schüttelte den Kopf. »Ist schon gut. Es tut gut darüber zu reden. Du musst mich auch nicht wie Porzellan behandeln.« Er nickte, nicht wissend, wie viel er davon noch ertragen konnte, bevor ihn seine Schuldgefühle verschlingen würden. Astrid musste ihm angesehen haben, was er dachte, denn sie befreite sich aus seinem Griff, legte sich mild lächelnd, aber mit etwas Abstand neben ihn und nahm erneut seine Hand. Er hatte instinktiv nach seinem Kissen gegriffen und es zwischen die beiden gelegt, aber ihre Hand hielt er fest. Astrid schenkte ihm einen verwirrten Blick, verstand aber schnell, warum er das gemacht hatte – so hoffte er zumindest.

                »Als Autumn dann auf der Welt war, war sie ihm ein Dorn im Auge und das sagte er mir auch jedes Mal, wenn ich ihm in der Wohnung begegnete. Er trank mehr und wurde schnell wütend, wenn sie weinte, was auch nicht oft vorkam, denn sie war ein recht ruhiges Baby. Mit ihm allein gelassen habe ich sie nie, dafür vertraute ich ihm nicht. Arbeiten ging er nur für einen kurzen Zeitraum und schmiss den Rest seines Geldes, das er nicht in Rechnungen investierte beim Fenster hinaus. Es war schwer ihm Geld für Lebensmittel abzuknöpfen.«
Sie lehnte sich an das Kissen und er hörte weiterhin aufmerksam zu. 

»Dann, als sie etwas älter als vier Monate alt war, begann er auch sie zu schlagen und dann hat es mir gereicht. Gleich beim ersten Mal. Mit mir hätte er machen können, was er wollte, aber bei ihr war Schluss. Ich konnte es nicht mehr, Hicks.« Ihre Stimme brach ab. Er wusste, dass es ihr weh tat, aber sie ließ sich nicht aufhalten. Ihn packte erneut die Wut. Wie weit waren die Security Leute mit Erin wohl schon? Ob er sie einholen würde, wenn er ihnen hinterherrannte? Um was zu tun - sein Kind und Astrid rächen? Seiner Wut freien Lauf lassen? Er hätte es getan, aber dann wäre Astrid wieder allein. Das konnte er nicht nochmal riskieren.

Welches Arschloch schlägt ein Baby?! Ganz zu schweigen davon, dass sie erst vier Monate alt war. Sie hätte sterben können.

                »Nachdem ich mit Autumn, dem Rest meines Geldes und einer Tasche mit verschiedenen Dingen aus seiner Wohnung geflüchtet war, bin ich auf direktem Weg zu meinen Eltern. Sie haben mich im Stich gelassen – wollten mich vertreiben – hatten mir aber nach viel Rederei mein Collegegeld ausgezahlt, dass sie für mich angespart hatten.«

Autsch. Grausame Eltern, die nicht mal ihr Enkelkind sehen wollen.

                Autumn gab ein paar niedliche Geräusche von sich, schien aber weiterzuschlafen.

»Ich hab mir geschworen, ihr ein schönes Leben zu schenken – egal was ich dafür tun muss. Deshalb habe ich einen Job in einem Striplokal angefangen. Nachts und mit Maske, denn ich wollte nicht, dass mich jemand erkannte. Lorenz hatte ich angelogen. Er glaubt bis heute, dass Erin, mein Ex, mit meinem Geld abgehauen war. Tagsüber arbeite ich in einem Café, aber nur für wenige Stunden. Sie werden sich Sorgen machen. Ich habe noch keine Nachricht geschrieben, dass ich ein paar Tage Urlaub nehmen muss. Das Gefühl ständig zu versagen, sobald etwas schief geht, lässt mich bis heute nicht los. Es verfolgt mich, egal wie sehr ich lächle. Ich bin gut so, wie ich bin, aber doch ist da etwas, dass mir sagt, es reicht nicht.«

Er strich ihr weiterhin sanft über den Handrücken. Ihr Gesicht hatte sie nun endgültig im Kissen versinken lassen, weshalb er nur ihren Haaransatz sah. Sie versteckte sich hinter einer Maske aus versuchter Perfektion, das kannte er von sich. »Wenn du möchtest, kannst du von meinem Handy aus eine Nachricht verschicken – hast du dir eine Nummer gemerkt, die du anrufen kannst?«

                Hicks wusste sonst nicht, was er ihr sagen sollte. Er befand sich noch in der Verarbeitungsphase und war müde – und wie es schien, galt das auch für Astrid. Sie hatten sich erst wenige Stunden wieder und waren bereits durch so viel gegangen. Sie wollte ihm erzählen, wie es ihr ging und was damals geschehen war und er war bereit zuzuhören.

                Astrid nickte stumm und setzte sich auf. Er tat es ihr gleich und ließ ihre Hand los, um nach seinem Handy zu kramen. Kaum eine halbe Minute verging, da wollte er sie wieder ergreifen, aber er zwang sich, nicht aufdringlich zu sein. Allein, dass sie ihm in die Arme gehüpft und ihn diese auch um sie legen hat lassen, war ein großer Vertrauensbeweis. Es zeigte ihm, dass sie vor ihm keine Angst hatte – dennoch reduzierte er den Körperkontakt um Ihretwillen; deshalb das Kissen. Sie sollte von sich aus zu ihm kommen. Das Händchenhalten war reiner Komfort für beide Seiten.

Während sie auf seinem Handy herumtippte, legte er sich wieder hin, deckte sich zu und schloss von Schmerz geprägt die Augen. Ein leises: »Hicks?« und ein warmes Gefühl an seiner Brust, war das letzte, was er mitbekam, bevor in den Schlaf sank.

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