3
Ich lasse mich auf die Matte fallen. Ein langer Seufzer entringt sich mir.
Nicht etwa, weil ich müde bin. Genau Wegen der selbst erzeugten Atmosphäre aufspringen musste, könnte ich bei dem Gedanken an die lange Nacht, die mir wie jeden Tag bevorsteht, laut schreien.
Die Matte fühlt sich kühl und angenehm an.
Der Raum sieht eigenartig aus, so völlig kahl und leer; jetzt liegen nur mein Körper und meine Haare auf dem Boden ausgebreitet.
Normalerweise sehen Wohnungen ja größer aus, wenn man alle Möbel daraus entfernt hat, aber für mich fühlt es sich immer noch beengt an. So sehr, dass ich kaum glauben kann, dass hier einmal so viele Möbel drinstanden und zwei Menschen darin gewohnt haben.
Meine Güte, die ganze Wohnung riecht nach dem Fadennudelsalat. Ich weiß nicht, warum im Laden gekaufte Lebensmittel immer riechen. Sie sehen im Regal so verlockend aus, dass ich sie kaufen will, aber am Ende esse ich sie nie auf.
Als ich meinen Kopf träge auf der Matte hin- und herdrehe, fällt mein Blick auf die Kratzer am Koffer, den ich als Tisch benutze. Ich strecke meine Hand aus und zeichne sie nach.
Das mit der Vietnamreise..., dachte ich und dachte an meine einzig beste Freundin, die nach der Aufführung morgen schon nach Vitamin fliegt.
Sie fliegt schon nächste Woche ... nach Vietnam.
Die Vorhänge wiegen sich, als ob etwas an ihnen flackert und tanzt. Sie verfärben sich zu einem weichen Grün.
Dann werden sie zu einem Wald mit gleißendem Licht. Eine tiefe Stimme erklingt.
»Eines Tages wird auch dieser Weg zerbröckeln und verschwinden.«
Auf einmal habe ich das Gefühl, ein starker Sonnenstrahl dringt mir direkt in die Augen, und öffne sie ruckartig.
Ich bin wieder in der frühsommerlichen Wohnung, natürlich. Die kahle Glühbirne, die von der Decke baumelt, blendet mich.
Kalter Schweiß rinnt mir den Rücken hinunter, und ich erhebe mich langsam vom Boden.
Das war die Stimme des Mannes, die ich schon vergessen zu haben glaubte, doch im nächsten Moment, war sie so tief in mein Gedächtnis gebrannt, dass ich hätte glauben können, sie nie mehr vergessen zu können.
Ich habe sie so klar und deutlich gehört, dass ich mir zunächst nicht vorstellen konnte, sie mir nur eingebildet zu haben, und einen Moment lang war ich wie erstarrt.
In meinem Hinterkopf herrschen noch lebhaft die Bilder des Traums von eben vor, der mir jedoch zerstört worden war. Grüne, leuchtende Schatten. Sie tanzen unheilvoll im Takt meines Herzschlags.
Ich greife nach meiner angebrochenen Bierdose und schlucke. Ich raffe mich auf und bewege mich Richtung Bad. Ich schaue in den Spiegel am Waschbecken, neben der Stelle, wo früher die Waschmaschine gestanden hat.
Unbeholfen krabble ich zum Fenster und starre durch das Fliegengitter in die Dunkelheit. Er hat diese Frau in den Tod geschickt, und irgendwann wird er mich töten. Wenn ich tot und begraben bin und nur noch aus Knochen bestehe, wird er immer noch mit dieser Frau zusammenleben, und die Welt wird sich weiterdrehen.
Der Nudelsalat auf meinem Koffer, die Gedanken der heutigen Nacht, all das wird verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen. Wenn mein Tod eine Folge dieser Nacht ist, wird der Nudelsalat nur wie eine von unzähligen zerplatzenden Seifenblasen sein. Ich spüre, wie mich wieder das flüchtige Gefühl heimsucht, das mich schon so oft überkommen hat, und mein Körper fühlt sich schwer an.
Mein Atem geht schwerfällig, und ich sauge die kühle Luft ein, die durch das Gitter strömt.
Der kleine Kinderspielplatz draußen scheint in diesem Moment weit weg zu sein.
Als Kind habe ich immer gewartet, bis ich mit der Schaukel an der Reihe war. Jetzt aber sieht es für mich so aus, als ob die Schaukel geduldig darauf wartete, dass jemand kommt und sie benutzt. Erwachsenwerden bedeutet, nicht mehr darauf warten zu müssen, bis man mit Schaukeln an der Reihe ist.
Wir haben einen langen Weg hinter uns und jetzt scheint es mir als würd eine neue Hölle geboren werden, seit dem die sieben tot sind.Ich höre ein Flüstern. Dieses Flüstern war in meinem Kopf und ich fürchtete bereits verrückt zu werden. Draußen regnete es fließend. Strömend. In Tränen. Tanzen die Tropfen an der Scheibe hinab. Ich liege auf meinem Futon sie eine Leiche. Ich würde am liebsten alles anbrennen wollen. Am liebsten würde ich dieses Bild aus meinem Gedanken löschen wollen, am liebsten wolle ich nie mehr einen Atemzug erleben wollen. Ja, ich hasste sie alle. Ich hasse sie dafür, was sie mir angetan haben, aber mussten sie so sterben? Welcher Mensch hat es verdient solch einen grausamen Tod zu ergehen? Es klopft an meiner Tür und ich bewege nur meine Augen, um zu Schielen, wer in mein Zimmer trat. Vielleicht war ich doch nicht mehr am Leben, vielleicht war ich bereits verstorben. Zumindest fühle ich mich, als wäre alles um mich herum nicht mehr die Realität. Das Zimmer ist so dunkel, draußen waren die Wolken so grell und dunkel als würde nie mehr Licht einkehren.
Ich richte mich reflexartig auf.
Er ist zurück.
Mein Körper reagiert instinktiv auf das Geräusch seiner Schritte. Ich weiß sofort, dass er es ist, der die morsche Türschwelle überschritt.
Der Türknauf dreht sich, und die Tür öffnet sich mit einem Klicken.
»Da bist du ja wieder.«
Ich verziehe mein Gesicht zu einem hinterhältigen Lächeln und begrüße den Mann, der mich vielleicht umbringen will.
Seine dunklen Augen streifen den meiner und dann bleibt sein Blick in meinem unweigerlich sicheren Ausdruck hängen.
Als ich diesmal die Türschwelle nach draußen betrete, die Türe hinter mich zu knallte und abschloss, die Treppe hinunter laufe, das Zwitschern eines Vogels am nächtlichen Himmel vernehme, das quietschen der Schaukel und ein lautes Gelächer, streift mein Blick die Fenster. Noch in den meisten kleinen Hütten, verdorbenen Wohnungen brennt noch Licht. Ich höre, wie Glas auf den Boden fällt. Dann ein schockierender Schrei. Meine brauen ziehen sich zusammen und ich steckte die Hände in die Taschen, während ich dem Weg entlang laufe.
Außerhalb dieser Straße fühlte ich mich zwar nicht besser, doch die nächtlichen Spaziergänge in den Laden meiner besten Freundin waren deutlich angenehmer als der Gestank der Menschen, mit denen ich im Haus leben musste, den Schreien, den engen Gassen und meinem Verdorbenen Wohnort. Mein einziger Fluchtort war in den Gassen des öffentlichen Harper's Ferry, einem Kiosk am Rande einer Straße, ebenfalls etwas außerhalb der belebten Straßen.
Ein kleines klingeln, als ich den Laden betrat. Der Besitzer des Ladens war der Vater meiner besten Freundin, Ava. Kaum hatte ich den Laden betreten, höre ich jemanden zischen, ein Karton fiel um die Ecke zu Boden. Ava war meine beste Freundin seit Kindergarten Tagen. Ich komme vor dem hingefallenen Karton zum stehen. Avas Blick wandert hinauf. Ihr Haar fiel über ihre Schultern. Ihr glasiges Gesicht sieht hinauf und ihre knopfaugen schauen mich an. Ihr Blick wird reichlich überrascht.
»Hey!«,rief sie, als wäre ich ihr gerade recht zur Rettung gekommen. Sie erhebt sich und flüstert mit einem Blick nach hinten zur Kasse:»Du bist meine Rettung!« Sie grinst mich an.
Ich gehe nun in die Hocke und greife nach den Tüten, die im Karton gelegen hatten und steckte sie in den Karton. »Ihr packt noch immer die Sachen?«,frage ich, dann sehe ich zu ihr hinauf. Sie weicht meinem Blick unsicher aus und zögert.
»Bist du sicher, dass du hier bleiben willst?«
»Genieß den Urlaub.«,sage ich ruhig und richte mich erneut auf. Sie packt den Rest ein, geht in die Hocke, steht auf und greift den Karton mit einem festen Griff. Sie schnauft. »Du bist so abwesend. Ich mache mir Sorgen.« Jemand betritt den Laden. Ein klingeln. Ava sieht hinauf. Ich sehe ihr Gesicht musternd an. »Mach dir keine Sorgen. Ich komme zurecht.«Seit dem Vorfall macht sie sich natürlich Sorgen.
»Ich möchte nicht, dass du mit ihm alleine hier bleibst.«
Ich bleibe still. Sie sieht von dem Eingang weg, und sieht in meine Augen. Sie presst die Lippen aufeinander. Dann beugt sie den Kopf. Dann sieht sie mich erneut an. Diesmal unsicher. Sehr unsicher. Ich greife ihr Handgelenk und setze ein Lächeln auf, um sie zu beruhigen.
»Wir sehen uns in vier Wochen. Außerdem haben wir noch den Tag morgen zusammen in der Schule.«
Sie nickt zögernd. »Wenn etwas passiert, dann ruf mich an.« Ich nickte. Sie scheint nun etwas sicherer zu sein und atmet aus.
»Wie war eigentlich deine Aufführung gestern?«
Sie wird etwas bleich im Gesicht. »Es war nichts besonderes.«, meinte sie bloß.
»Ava!«
Sie wird von ihrem Vater gerufen, der anscheinend Kartons im Lager sortiert. Sie sieht zurück.
»Ich komme!«
Sie sieht mich an. Ich lasse sie los. »Willst du noch Omija? Ich kann dir noch einige Flasche raussuchen.«
Ich setzte ein Grinsen auf und nickte. Sie strahlt nun etwas. »Okay, einen Moment!«Mit dem Karton dreht sie mir den Rücken zu, läuft zwischen die höheren Regale vorbei, um zur Kasse zu gelangen, läuft hinter den Tresen und marschiert zur offenen Lager Tür. Ich presste meine Lippen aufeinander und sehe durch die restlichen Gänge. Ich schritt über den Boden, ein leichtes quietschen, denn draußen war der Boden von dem letztem Regen ganz nass geworden. Ich schaute durch die Regale. Solange ihre Familie nach Vietnam Urlaub machen, wird der Laden logischerweise geschlossen sein.
Die Kühlschränke sind bereits ausgeschaltet, die Sachen sortiert und aussortiert. Die Lieferungen werden gestoppt, und die alten werden in den Gefrierfach oder die Lagerregale geräumt, das Geld verstaut. Ich atme leicht hörbar aus und sehe dann hinter mich zur Glasscheibe. Ich bemerke, dass es erneut regnet. Ich höre, wie die eintretende Person, mit einem Schirm in der Hand, den laden nun verlässt und sich hinaus begibt. Wasser rinnt aus den Lüften, Wasser steige auf aus Grüften, Wolke neige sich zur Erde, Erde blicke auf zur Wolke. Die leichten Tropfen klopfen gegen die Scheibe, tanzen rollend hinunter. Ich schritt auf das Transparente Glas zu, ich schon den Stuhl zurück und setzte mich. Meine Arme lehnen auf dem Tisch und ich sehe geradewegs aus dem Fenster.
Sekunden verstrichen und ich beobachtete die recht leere Straße mit einem ruhigen Puls, bis ich Ava aus dem Lager treten höre, dies mit einem leichten Schmunzeln. Dann höre ich Schritte, die mir nähr traten.
»Oh, nein. Es regnet schon wieder...«,murrt sie neben mich. Ich wendete den Blick von dem Glas und der Aussicht auf der anderen Seite des Glases ab und starre in ihre Augen. Ich sehe gerne in ihre knopfaugen. Sie scheinen mich immer beruhigen zu sollen, trotz dass ihr Blick meistens aus Sorgen besteht. Vielleicht hört sich dies sogar skurril an, doch ich mochte diesen Blick, vielleicht spielte dieser Blick mit meinem Herzen, denn dieser Blick beruhigte mich zutiefst, und ich schätze ihre Sorgsamkeit. Sie lächelt mich an, als sie mir in die Augen sieht und erhebt ihre Hand, in der sie eine Tüte hielt. Ich sehe hinab, nehme sie und steige von dem Stuhl hinab.
»Also ist es das vor letzte letzte mal, dass wir uns jetzt sehen. Einen Monat...«,murmelt sie.
»Einen Monat sehen wir uns nicht.«,stellt sie klar, als könnte sie es nicht fassen. »Wir waren lange nicht mehr so lange getrennt.« Sie schien etwas verlegen, als sie dies sagte und kratzt sich am Kopf. »Man, ich höre mich so kindisch an.«,lacht sie und Ich schmunzelte leicht. Ich umklammere die Türe in meinem Griff.
»Es geht schneller um, als du dir vorstellen kannst, Ava.«
Ich habe tatsächlich Angst vor diesen Mann. Ich habe Angst vor allem. Ich bin so ein Angsthase, deswegen muss ich jetzt stark sein, und sie gehen lassen. Es sind nur vier Wochen, prägte ich mir ein.
Sie mustert mein grinsen ausgiebig, dann lacht sie erneut zufrieden und nickt, als würde sie analysieren, dass ich dieses Schauspiel nicht einfach nur vortäusche. Sie breitet ihre Arme aus. Kaum zögernd tat ich es ihr gleich. Sie umarmt mich fest. Ich umarmte sie zurück. Wir scheinen wie versteinert und als es klingelt, zuckt sie, lässt zögernd von mir ab, und sieht hinauf zu einem kommenden Kunden. Dann sieht sie zu mir. »Trink nicht alles auf ein Mal!«,warnt sie mich. »Wenn ich wiederkomme, möchte ich, dass zwei Flaschen übrig bleiben, und wir dann gemeinsam anstoßen.«
Sie streckt mir die Zunge hinaus. Ich grinse erneut, diesmal aber, war es wirklich kein Schauspiel meinerseits.
Ich nickte. »Ist gut.«,sage ich, und laufe zwei Schritte Rückwerts. Mein grinsen verblasst etwas und ich winkte ihr mit der Tüte in der Hand zu, Drehte mich um und steuere dann auf die Türe zu, die sich gerade öffnet. Dunkle, braune Augen stechen mir entgegen, die mich ansahen, als ich zur Seite trat, um ihn vorbei gehen zu lassen. In diesen Millisekunden, in der sich unsere dunklen Augen treffen, spürte ich etwas bizarres zwischen unseren Blicken, die darauf bedacht waren, vielleicht an dasselbe zu denken. Ich verharrte für einen Moment vor der Türe, stehe im Regen, die Türe in meiner Hand und ich drehte mich um, doch dann sehe ich einen jungen Asiaten, der den Laden betreten hat. Ich schluckte mit einem rasenden Herzen. Ich werde bereits paranoid.
Niemand auf der Welt würde je wissen, wie jemand anderes über dich denkt. Man wird nie wissen, was Erfolg für jemand anderen bedeutet. Keiner wird je wissen, ob das Schicksal wirklich vorbestimmt ist.
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Als ich am Morgen erwachte fühlte ich mich seltsam. Ich war aufgeregt. Ich ging durch mein Haar, stützte mich von der Bettkante hinweg und schob die Vorhänge zur Seite, um einen Blick nach draußen zu riskieren. Die Sonne erhebt sich hinter den Häusern und dem finsterem Wald, der dort lauerte. Der Himmel war noch dunkel, doch dort wo die Sonne aufging wurde es farbig.
Der Weg zur Schule fühlte sich anders an. Ich laufe an der Geschichte von John Brown's Fort hinweg.
Es ist das letzte Gebäude auf der rechten Straßenseite. Ich musterte es im stillen. Dann bog ich ab.
»Gwen!«
Ich sehe vom feuchten Asphalt ab.
»Gwen!«
Ich drehte meinen Kopf über meine Schulter.
»Oh, Gwen!«
Arme stürzen sich hektisch um meinen Körper, besessen davon, ihn zu halten, ihn lieb und warm zu halten und nie mehr loszulassen. So fühlte es sich an. »Hey.«,murmelte ich und erwiderte ihre Umarmung leicht. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht...ich stand so oft vor deinem Haus, aber ich hatte Angst wegen deinen Vater...«,murmelte sie kaum hörbar, drückte mich fester. Als sie los lies, um mich anzusehen, entdeckte ich ihre glasigen Augen. Sie war blass und ihre Augen glasig, was bedeutete, sie habe geweint. Wir laufen schweigend zur Schule. Laufen die Treppen hinauf. Als ich die Blicke auf mich spürte, wurde mir unwohl und ich wollt sofort von hier flüchten. Ava umschling meinen Arm, als seien wir ein paar, damit wollte sie mich beruhigen. Wir holten unsere Bücher aus dem Spind und noch immer fühlte ich mich benebelt und unwohl. Ich will weg. Weg. »Hast du eigentlich was von Aiden gehört?«Bei dem Namen zuckte ich zusammen. Diese Worte waren trotz dass ich so benebelt war in meine Ohren gedrungen. Als ich Schließlich Liam entdeckte, sackt meine Nase wieder zum Spind. Doch ich glaube, er hatte hatte mich erwischt. Seine Augen glitten an die Person, die er gefragt hatte, einem Schüler über mir, vorbei zu mir. Ich schluckte und knallte den Spind zu. Ich umschließe den Saum meines Rucksacks und laufe eilig zu Ava, dessen Spind etwas weiter entfernt von meinem war.
»Wollen wir später etwas zusammen unternehmen, bevor ich um Mitternacht den Flug nehmen muss?«, fragt sie mich auf dem Weg in dem Biologieraum, in dem wir gemeinsam Unterricht haben würden. Darüber war ich froh, nur leider würde es nicht so bleiben, denn wir haben viel zu Heike Fächer getrennt zusammen, um so mehr wünschte ich mir jetzt, wir hätten alle Fächer zusammen. Die Stunde verging wie im Flug, die Stunden danach waren die Hölle für mich. Um so mehr war ich froh, dass jetzt Pause war. Ich machte mich auf den Weg in die Cafeteria, denn dort trafen Ich und Ava uns immer für die längere Pause. Ich suchte mir einen Platz weit hinten in einer Ecke aus, daneben waren die Fenster und die Sonne schien hinein. Ich setzte mich auf die Polsterbank in der Ecke und sehe um die große Cafeteria. Ich war schnell. Sie war noch recht leer. Viele Schüler und Schülerinnen betreten sie noch und stellten sich an, um das Essen zu holen. Ich erschrak, als es neben mir klopft. Liam schmunzelt leicht hinter der Scheibe. Ich runzelte die Stirn und musterte ihn genervt. Seine erhobenen Mundwinkel sanken und er zeigt auf etwas. Ich sollte das Fenster öffnen. Ich zögerte, lasse noch einen Blick durch die Cafeteria schweifen, doch dann tat ich es. Ich öffne das Fenster und er lehnt seine Arme auf die Fensterbank und beugt sich etwas zu mir vor. Ich nehme Abstand und lehne meinen Rücken gegen die Polster der Bank. Ich sehe nach rechts zu ihm. Er mustert mich, beisst von seinem anscheinend gekauftem Brötchen ab, dass er noch halb in der Tüte vergraben hatte.
Er wendet den Blickkontakt ab und kaut, sieht nach unten, und hielt mir dann eine Getränkedose hin.
Er wartet, dass ich sie annehme, doch das tue ich nicht.
»Was willst du?«
»Du bist aber nicht gerade freundlich...«,seufzt er leicht grinsend und lehnt seine Arme erneut auf die Fensterbank ab, mit der Dose in der Hand. Er macht ein nachdenkliches Gesichtsausdruck und zuckt mit den Schultern. »Aber das hat er mir auch gesagt...«Er schiebt sie schließlich auf meinen Tisch. Ich starre diese monoton an.
»Reden.«,sagt er dann ausdrucksloser.
»Was?«,erwiderte ich. »Wer hat dir was gesagt?«
»Na Aiden.«
»Aiden?«Ich sehe mich um.
»Ja, Aiden.«,versichert er und ich sehe ihn an, als hätte er etwas völlig absurdes gesagt, deshalb sieht er mich wahrscheinlich verwirrt an. Ich greife nach meiner Tasche. »Kenne ihn nicht.«,murrte ich und stehe auf, denn ich sah, wie Ava die Cafeteria betrat und ich wollte schnell weg.
Ich hänge sie mir eilig über die Schulter und wolle Ava über dem Weg laufen. Liam ruft mir stürmisch hinterher.
»Was will denn der von dir?«,fragt meine Freundin irritiert und sieht ihn musternd an. »Ich habe keine Ahnung, lass uns schnell weg hier, bevor er-«
»Er rennt.«Ich drehte mich um, er war vom Fenster verschwunden. Ich laufe an Ava vorbei, sie folgt mir eilig und fragt nochmals irritierter:»Was ist hier los?«
»Ich habe keine Ahnung, aber ich will nicht mit ihm reden, denn er will mich bloß über diesem Fall ausfragen, weil Aiden ihn nichts erzählt.«Aiden... dachte ich. Aiden ist nicht der Aiden, für den ihr ihn hält. Oder bin ich tatsächlich einfach nur verrückt? Seit dem Vorfall habe ich ihn nicht wieder gesehen. Das hat keiner. Ich dachte sogar, dass dieser unbekannte Schüler vielleicht etwas mit diesem Massaker zu tun hatte, doch ich stritt es schnell wieder aus meinen Gedanken, es war absurd. Wir liefen aus der Cafeteria und kommen hinter dem Schulgebäude an. Von dort aus stiegen wir den hinteren Treppen hinauf und kommen auf ein Dach an, ein Dach, dass von keinem anderen Schüler betreten wird. Es war etwas außerhalb der Schule, es war in einer Ecke und das Dach war höher als das Dach, auf welchem sonst jegliche Schüler Platz nahmen und ihr Pausenbrot genossen.
Hier weht ein starker und kühler Windhauch. Es war eisig. Es wird immer kälter. Bald schon würde es bestimmt schneien und der Boden wird weiss bedeckt sein.
Stille.
Wir setzen uns. »Sag mal, Gwen.«Ich sehe sie an. »Dieser Liam ist oft mit Aiden zusammen. Vielleicht macht er sich Sorgen um ihn, weil Aiden ebenfalls seit dem Vorfall nicht zur Schule kommt. Es ist genauso schlimm für Aiden, wie es für dich ist. Davon mal abgesehen ist Elisabeth ebenfalls vom Erdboden verschlungen. Nun, alle ihre Freunde sind gestorben...«,murmelte sie schaurig. »Ich möchte einfach nicht...dass mich jeder mit diesem Blick ansieht, etwas wissen will, es aus mir herauspressen will, weil sie neugierig sind.«Stille. Der Wind heult. »Vorhin in dem stunden war es so.«
»Liam und Aiden sind immer alleine und zusammen gewesen. Vielleicht spricht Aiden nicht mit Liam seit dem Vorfall.«
»Es ist besser, wenn er nichts weiß. Er soll ihm Zeit lassen.«
»Dann mach es ihm klar.«,sagt sie. »Oder soll ich es tun?«,fragt sie. Ich seufzte schwer und sehe in den bewölkten Himmel. Eben war es doch so schön sonnig und warm, wo ist das schöne Wetter hin? Es wird schaurig.
Der Dong hüllt meine Ohren. Ich stehe auf und steckte die Hände in die Taschen, während meine Augen ihre Gesichtszüge musterten. »Lass uns gehen.«,murmelte ich und stieg die Treppen hinunter. Liam sah bis eben nicht wirklich davon gekränkt aus, dass sein Freund Aiden nicht zur Schule kommt.
Als wir unten ankommen, und uns dem Gebäude und schließlich dem Flur nährten, mussten wir getrennte Wege gehen. Sie drückt meine Hand und sieht mich mit einem Schimmern in den Augen an, lächelt leicht. »Lass uns nachher in die Bibliothek gehen. Deinem Lieblingsplatz!«
Ich nickte. Ava will mir etwas geben, vorauf ich mich freuen kann. Etwas, damit ich diese nächsten zwei Stunden überstehen kann. Ich lächelte sie leicht an, dann drehte ich ihr den Rücken zu. Mein Lächeln verschwindet. Der Boden quietscht. Unter meinen Sohlen war es feucht von dem feuchten Asphalt. Leichte Tropfen und Spuren von Fußabdrücken zeichneten sich dort aus. Ich erhebe den Kopf. Ich bleibe stehen in der Menge von Schülern, die sich in ihre Räume begeben wollen. Ich höre das quietschen des Spinds. Der Knall von mehreren Spinden. Rufen der Schüler. Das quietschen der feuchten Sohlen. Sie laufen an mir vorbei, bis auf dieser eine Schüler, der mit weitem Abstand mir gegenüber stand, mich jedoch genauestens ansieht. Mein Herz raste. Meine Finger werden kalt, so wie der Rest meiner Umgebung, als ein Windhauch durch das geöffnete Fenster nur links quietscht und wie eine Türe von dem Druck des Windes hin und her geweht wird. Der Speichel auf meiner Zunge wird langsam hinunter geschluckt. Ich mache einen Schritt zurück. Ich höre das ticken der Uhr in meinem Kopf.
Das ticken des Zeigers, Sekunden vergingen. Ich schritt zurück, in diesem Moment werde ich angerempelt und ich schritt rückwärts.
Sein Blick durchbohrt meinen Rücken und meine Gedanken schreiten, dass er es war. Ich bin nicht verrückt. Ich sehe, dass es nicht Aiden ist. Ich war mir sicher. Das war ich. Dieser Blick war so grausam...doch warum bemerkte ich es erst jetzt? Ich beginne zu rennen. Ich renne dem Flur entlang. In die flache Richtung, in die Richtung in die Ava zu ihrem Klassenraum gehen musste.
Ich blickte über meine Schulter. Die Flure werden leerer und ich sehe, wie seine Beine sich in Bewegung machen. Seine Hände hatte er in den Taschen, so lässig, dass es mir noch mehr Panik machten Panik überkommt mich. So sehr, dass beim Rennen meine Beine so weich waren, ich spürte kaum, dass ich rannte. Das ist der Mörder meiner Mobber.
Ich schloss mich in der Toilette ein. Ich musste meinen lauten Atem beruhigen und hielt meine Hand schließlich auf meinen Mund. Ich sehe nach unten und kniff die Augen zusammen und betete. Ich bilde mir das nicht ein.
»Gwen?«
Ich sehe sie an. »Ist der Schüler neu?«,frage ich und sie kommt mir erneut nähr. Sie sieht noch ein Mal dort hin, jedoch ungewollt. Ihre Stirn raunzt sich nun.
»Neu? Das ist doch Aiden.«
Ich sehe genauer hin.
»Das ist nicht Aiden.«,sage ich doch sie lacht.
»Wer den sonst?«,lacht sie.
Die Tür öffnet sich. Ich hielt meinen Atem an. Die Augen starr auf den Boden. Der Wasserhahn wird betätigt. Das Wasser läuft in Strömen. Das Licht flackert für einen Moment. In diesem Moment bleibt mir die Kehle zugeschnürt. Ist das... ein Traum? Ich zuckte, als nichts mehr zu hören war. Schritte. Dann die Türe. Nach mehreren Sekunden, vielleicht waren es Minuten öffnete ich die Türe. Ich lies einen Blick um die leeren Toiletten schweifen, dann und die Becken. Ich bleibe stehen und sehe in den Spiegel. Als das Licht jedoch erneut grell flackert, öffnete ich die Türe und stehe im leeren Flur.
Ich erscheine in den nächsten zwei Stunden nicht. Stattdessen war ich auf dem Dach zurückgekehrt. Ich fürchtete, es wurde eine Art von Ort, an dem ich gerne flüchtete. Doch der Gedanke, dass dieser unbekannte Schüler, der jedoch nicht auf diese Schule ging, direkt auf der anderen Seite des Daches sein könnte, bereitete Nervosität in mir aus. Ich saß auf dem Boden, mein Rücken gegen die Wand gedrückt. Ich riskierte einen Blick zu dem niedrigeren Gebäude und des Schuldaches. Ich entdeckte niemanden und setzte mich wieder.
Ich streckte meine Nase in eines der vielen Bücher, die ich besitze und vertiefe mich viel lieber in diese Welt, als in der Welt der Realität. Ich hatte zuhause einen ganzen Raum voller Bücher, es war Gewohnheit immer eines in meiner Tasche zu haben.
Ich presste die Lippen aufeinander und doch konnte nicht mich nicht wie gewünscht in mein Buch vertiefen. Mein Blick schweifte immer wieder nach oben zu der Tür des Daches, die ich im Blick hatte. Ich Hauche meinen warmen Atem in meine Jacke, um es etwas wärmer zu haben, denn mir wurde kalt und ich sehe immer wieder auf die Uhr. Als die zwei Stunden endlich vorbei waren, stehe ich auf und machte mich auf den Weg. Ich steckte das Buch in die Tasche zurück und die Türe knallte hinter mir zu, ehe ich die Treppen hinunter laufe und vor Avas Klassenraum auf sie warte, meine Arme verschränkt sehe ich ständig rechts und links dem Flur entlang. Es klingelt zu schulende.
»Du bist aber pünktlich raus.«
Ich entdeckte sie. »Ja, er hat uns zwei Minuten früher raus gelassen.«,log ich. Zu sagen, dass ich zwei Stunden geschwänzt habe würde sie wohl weiter verunsichern. Ich wollte mit ihr in die Bibliothek. Ich wollte es nicht zerstören. Wir laufen den Flur entlang. Sie streckt sich und seufzt. »Wozu braucht man eigentlich diese ganzen Formeln?«Wir kommen dem Eingang näher. Ich schmunzelte leicht und steckte meine kühlen Hände in die Jackentaschen. »Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich wenn du Mathematiker werden willst?«
»Aber ich weiß, dass ich es nicht werde, also wozu muss ich es trotzdem machen?«
Die kühle Luft streift uns, ich war ums so froher, als wir in die Wärme der Bibliothek traten. Der Duft der Bücher und der heissen Schokolade, die wir uns gekauft hatten passte so perfekt zusammen, dass ich mir wünschte, es könnte jeden Tag so sein. Ich wünschte jeder Tag wäre mir diesem Geruch von Büchern, heißer Schokolade und dem Blick von tausenden von Büchern umhüllt zu sein.
»Hast du eigentlich das Geschichtsbuch, dass uns Brown gegeben hat bereits gelesen?«
Ich nickte still und laufe ihr hinterher. Die Bibliothek war etwas älter. Ich schätze aus dem mittleren 19. Jahrhunderts. Die Stufen waren schmal, kaum betretbar, die Wände waren aus Stein und manche Bücher sahen uralt aus. Die Regale wurden neu geordnet und es kommen beinahe jede Woche neue Bücher in irgendwelchen Regalen hinzu.
»Ich verstehe kaum etwas davon. Es scheint uralt.«
Wir kommen im dritten Stockwerk an. Ich laufe zwischen den Regalen. Das Mädchen folgt mir. »Dieses offenkundiges Schicksal kann alles bedeuten. Schicksal bedeutet für jeden etwas anderes.«Wir stehen vor dem Geschichtsregalen. Sie mustert die großen und langen Regale. »Sie besagt, ähnlich der Monroe-Doktrin, dass es eine teleologische Mission gibt, die kulturellen Vorstellungen der Vereinigten Staaten von Amerika zu verbreiten. Aber Im 19. Jahrhundert galt das nicht nur für das Land der Indianer in Richtung Pazifik, sondern auch für Konflikte mit Großbritannien und Mexiko. Aber was soll das mit O'Sullivan?«
»John O'Sullivan ist der Begründer des Begriffs Manifest Destiny, Ava.«
Sie sieht mich irritiert an. »Ach, wirklich?«Sie kratzt sich am Kopf. »Ich glaube so weit war ich noch nicht.«Ich schmunzelte leicht.
Ich hockte mich hin und stöberte. »Was die Redewendung, »unabwendbares Schicksal« bedeutet, hatte der New Yorker Journalist John L. O'Sullivan 1845 in Artikeln der Zeitschrift The United States Magazine and Democratic Review geprägt, als er schrieb, es sei »die offenkundige Bestimmung der Nation, sich auszubreiten und den gesamten Kontinent in Besitz zu nehmen, den die Vorsehung uns für die Entwicklung des großen Experimentes Freiheit und zu einem Bündnis vereinigter Souveräne anvertraut hat.«
Sie seufzt bloß.
»Bahnhof. Schon vergessen?« Sie trinkt ihre heiße Schokolade. Ich stehe mit einem Buch in der Hand auf und zeige in eine Richtung. Sie folgt mir erneut. Wir setzten uns an einem Fenster, einem kleinen Tisch und zwei gepolsterten Bänken. »Ich finde diese schulischen Geschichtsbücher sowieso langweilig.«Ich trinke einen Schluck von der heissen Schokolade und spüre, wie mir sofort wärmer wird. Ich lege den Becher auf den Tisch und lege den Kopf müde in den Nacken. Ich murrte leicht zustimmend.
»Ich finde deine Geschichtsbücher, die du in deinen Regalen hast viel interessanter. Und du weißt..., dass ich eigentlich keine Bücher mag.«Sie hebt die brauen. Über meine Lippen kehrt ein raues lachen ehr ich sie wieder anblicke.
»Wie zum Beispiel die Leichenfarm, habe ich recht?«
Sie runzelt irritiert die Stirn, schien nachzudenken, doch schließlich nickt sie und sagt hektisch:»Ja. Genau! So gruslig.«Sie verschränkt die Arme auf dem Tisch, so wie ich. »Bei deinem nächsten Geburtstag schenke ich dir den fünften Band.«Sie zwinkert mir amüsiert zu. Ich hebe die brauen. »Und ich dir die CD's von deiner altmodischen Lieblingsband.«
Sie sieht mich misstrauisch an. »Du wärst mein Schatz, wenn du sie tatsächlich bekommen würdest. Denn die alten gibt es so gut wie nicht mehr zu kaufen.«Ich sehe aus dem Fenster und trinke den letzten Schluck meiner heißen Schokolade.
»Glaub mir, dass bin ich.«Sie sieht mich misstrauisch an, doch nickt dann leichtfältig. Jeden anderen würde es vielleicht überraschen, doch ich kenne diese Mimik bereits besonders gut an an ihr. Und dann plötzlich hielt sie inne und zeigt auf mich mit großen Augen und starren Körper. Ich stehe auf und ihr Blick verfolgte mein Gesicht, dass ich von ihr wegdrehe und die eine freie Hand in die Tasche der Jacke steckte. Ich werfe den Becher in einen Mülleimer in der Nähe und drehte mich dann zu dem Mädchen um, die mich mustert, wohin ich bloß lief. Ich nickte in eine Richtung. Hektisch steht sie auf. »Diese Bibliothek ist ein Labyrinth. Manchmal habe ich Angst davor, alleine hier rumzulaufen.«,murrte sie.
»Du hast doch vor allem Angst, Ava. Deswegen bin ich dein Schatz. Ich bewahre dich vor allem Unheil.«Wir steigen die Treppen hinauf, ein Stockwerk höher.
Ich hielt an vor den Regalen der tausenden CDs.
»Du hast recht, du bist ein Schatz.«,murmelte sie. Ich nehme die neuen CDs ihrer Band in die Hände und zeige sie ihr, sie nickt. »Das sind sie.«Ich sehe sie mir an.
»Victoria.«
Ich sehe sie an. Ihre Augen fixierten mich bittend und augenblicklich wird mir mulmig. »Was willst du?«,frage ich. Sie würde niemals einfach so mit mir in eine Bibliothek gehen. »Würdest du vielleicht mit mir zu der Party gehen?«Schnell fügte sie hinzu:»Ich will einfach Spaß mit dir haben und nachdem du so lange zuhause warst, ist vielleicht sowas etwas hilfreich. Außerdem bin ich doch dann vier Wochen lang weg....« Sie neigt den Kopf wie eine ängstliche Katze und flüstert:»Und feiern Aidens Geburtstag...«
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