15

Harper's Ferry 1985
20. Oktober

Ich liebte den Geruch des Herbstes. Es roch nach Moos, herben Holznoten, Laub vermischt mit braunroten Kastanien. Es ist eine Mischung aus Blättern, feuchter Erde, den letzten warmen Sonnenstrahlen auf der Haut und ein Potpourri aus Früchten wie Äpfeln und Mandarinen. Es liegt ein Umschwung in der Luft, den man förmlich riechen kann. Im Sommer begann mein erstes Jahr als Studentin. Mit letztem Blick zurück, einem winken drehte ich mich um und verzog mich in die angesehne Cafeteria. Sie war riesig, meist um die Uhrzeit leer, deshalb machte es um so mehr Spaß, sie zu besuchen. Ich legte das Tablett und meine Tasche auf der Bank ab und setzte mich in eine Ecke.  Wenn ich aus dem Fenster sehe, sehe ich die Hälfte eines Hofes. Leere Bänke und leere Tische. Es zieht ein Regen auf, die dunklen Wolken ziehen geradewegs über den Dächern und die Luft wird erdrückend. Ich nippte an dem Wasser und klappte dann mein Laptop auf.  Als ich nach wenigen Augenblicken, unter anderem mein Computer gerade erst hoch gefahren wie ein kurzzeitiger Lichtbogen innerhalb von Wolken aufblitzte. Mein Blick zuckte erneut hinauf zum Fenster. In meinen Ohren nun ein folgender Donnerschlag. Leichte Regentropfen fallen nun auf den Asphalt. Ich widmete mich nun meinem Laptop. Ich führe die Maus bereits an einen bestimmten Ort, doch meine Hand verharrte als ich bestimmte Nachrichten erblickte. Der Name war so scharf wie die spitze eines Dolches. Meine Augen, mein herz, mein Körper fühlten sich an, als würde  jemand direkt einen Dolch an meine Haut entlang schleifen.

Fall des Greifers&der Sohn eines Polizisten
Ist der damalige beliebte Sohn in der Schule und einzige Sohn  (Aiden 17  Jahre) des Polizisten, der sich zurück gezogen hat und seine Arbeit als Polizist aufgab, vielleicht ein mutmaßlicher Mörder gewesen? Hinweise deuten nun darauf hin, dass er ein Mörder gewesen sein könnte. Ist der dank des Greifers und den Teenagern noch immer ein ungelöster Fall? Weitere Ermittlungen folgen. Wir halten sie auf den Laufenden.

Ich presste die Lippen aufeinander. Ein weiterer Blitzschlag.
»Lernst du so spät am Nachmittag hier noch?«Ich erschrak. Der Donner schallt durch Harper's Ferry. Ich sehe meinen Dozenten direkt in die Augen. Er war mittel dreißig, hatte einen Bart, dunkles braunes Haar, grüne Augen und einen meinst gütigen Gesichtsausdruck.
»Kommst du nicht mehr weiter mit dem Stoff?«Er hielt ein Tablett in der Hand. Ich sehe mich um, dann sehe ich ihn wieder an. Ich schüttelte den Kopf. »Das ist es nicht.«Ich schließe die Seite, als ich bemerkte, dass er auf meinen Bildschirm starrte. Er sieht wieder mich an und nickt.
»Dann guten Appetit. Wenn du Schwierigkeiten hast, dann sag immer Bescheid. Du bist in letzter Zeit etwas ruhiger als gewöhnlich schon, deswegen die frage.«
»Ich... habe viel um die Ohren.«,weichte ich aus. »Wenn ich dir helfen kann, sag mir Bescheid.«,wiederholt er, und ich nickte. Dann geht er.

Ein seltsames Gefühl überrumpelte mich. Ich habe die letzte Nacht nicht gut geschlafen, obwohl es mir eigentlich gut gehen sollte, vernahm mein Körper eine seltsame Art. Es war etwa nicht, dass ich mir im Herbst etwas eingefangen hatte, es war anderes. Irgendwie... schaurig. Ich sehe nach rechts zum Fenster. Meine Luft erstickte, mir war plötzlich so, als wäre ich gefangen in einer Winternacht und könne mich vor Frost nicht eine Fingerspitze mehr bewegen. Ich sehe Michal direkt in die Augen. Sein Haar war ihm vor Nässe auf der Stirn verteilt. Regen Tropfen laufen seinem Gesicht, seiner Nase und seinen Lippen entlang, eine rollte tanzend seinem markanten Kinn entlang, schließlich Tropfen sie alle einzeln, doch rasend schnell hinunter. Seine schuluniform durchnässt. Ich greife den Laptop, packte ihn schnell ein, nahm das Tablett, von welchem Teller noch voll war, und ich kein einziges Stück angerührt hatte zur Hand und meine Tasche über die Schulter. Ich schob das Tablett zu den anderen und eilte hinaus und sehe schließlich unter dem Dach aus in die Richtung. Ein Donner kracht und Grummelt im Grauen, fast nächtlich wirkenden Himmel.

Doch da war niemand mehr. Ich sehe mich um.
»Michal...«,murmelte ich und laufe dem trockenen Gang entlang, der überdacht war.
»Michal...!«,rief ich etwas lauter und bleibe auf der anderen Seite stehen, erneut sah ich mich um, doch ich entdeckte ihn nicht. Ein Kloß bildet sich in meiner Kehle. »Verdammt!«,fluchte ich und lief der Überdachung nach, schließlich wollte ich in Richtung Zimmer gehen noch immer mit dem unguten Gefühl und voller Gedanken. Was tut er hier? Warum ist er hier? Warum? Warum bloß? Ich knallte gegen jemanden, der zu abrupt aus der nächsten Ecke kam. Mein Herz setzte aus, ein glänzendes Messer in seiner Hand, ein schwarzer Handschuh. Ich sehe hinauf. Mir blieb nicht die Zeit, um zu schreien vor Schock. Die Maske von Michael Myers entpuppte sich mir, und ich stieß diesen jemanden mit voller Wucht Weg.
Zwei lachende Gesichter kommen aus der Ecke, in die ich ihn gestoßen hatte. Als sie mich sahen, verging ihn das Lachen.
Der Träger der Maske nimmt sie ab, und entpuppte sich als Jaime. Er sieht mich mit einem Grinsen auf dem Gesicht an. »Sorry, Gwen.«,murmelt er nicht ernst gemeint und dreht sich zu den beiden anderen Jungs, seinen Freunden. Ich runzelte die Stirn.

»Ein Michal Myers macht ihr bestimmt nichts aus, denn gibts nicht mehr, so wie den Greifer. Aber dafür hat sie ein ziemlich ängstliches Gesicht gemacht, zum totlachen, man!«

Sie lachen, während sie den Flur entlang liefen. Ich atme mit einem zittern ein. Menschen sind grausam. Nicht die Welt ist grausam, sondern die Menschen, die auf ihr Leben und sie zerstören. Sie sind die wahren Monster der Welt.
»Happy Halloween, Mrs Pierce!«,schrie einer von ihnen mit einem Lachen, gefolgt von einem schallenden Pfeifen durch den Flur. Ich runzelte die Stirn und umfasste den Saum meiner Tasche fest. Ich bemerkte das knirschen meiner Zähne erst in diesem Moment und hielt inne, dann wollte ich so schnell wie möglich in mein Zimmer flüchten. Ich schloss die Türe und sehe sie mit einem Entsetzen an, als würde jeden Moment irgendjemand hinein kommen an.

»Hör nicht auf sie...« Ich sehe zurück. April war meine Mitbewohnerin. Eigentlich ganz nett. Ich fuhr mir gestresst durch mein Haar. »Ab morgen kannst du die freien Tage genießen. Es wird Halloween sein. Du gehst doch zu bestimmt weg, oder?« Ich nickte still und sie erwidert es mit einem Lächeln. Sie legt das Buch aus ihrer Hand und richtet sich von dem Bett auf. »Na also. Kopf hoch.« Sie hält neben mir an der Türe an. Sie umschließt den Türgriff. Sie war beleibt, zumindest alles andere als ich es auf dieser Schule war, aber wir verstanden uns gut.
Sie sieht mich an. Ihre Augen trugen ein dunkles Blau. »Du kannst gerne zu der Halloween Party kommen.«
»Ich habe niemanden, mit dem ich hingehen könnte.«
Sie verzieht ihre Mundwinkel. »Ich bin sicher, meine Mädels würden sich freuen, dich mal richtig kennenzulernen.«
Damit verlies sie das Zimmer.
In Wirklichkeit fahre ich nicht weg. Zu wem sollte ich denn gehen? Ich hatte keinen und das brauchte ich auch nicht, denn ich hatte niemanden, der mich liebte.
Ich verbrachte meine Zeit, wenn die meisten Schüler verschwinden und zu ihren Familien gingen, hier alleine im Zimmer oder in der Bücherei.

Ich legte meine Tasche ab und holte meinen Laptop hinaus. Ich legte ihn auf meinen Schreibtisch ab und schob den Stuhl zurück, und setzte mich schließlich. Meine Gedanken führten erneut zu einem dieser großen mysteriösen Rätsel. Es ist Zeit vergangen. Er müsste in dem Paradies seines Lebens sein, so wie alle anderen auch. Oder habe ich mir ihn eingebildet? Das kann nicht sein.
Plötzlich wird die Türe aufgerissen. Ich erschrak so sehr, dass ich dachte mein Herz würde in die Hose sacken.
»MORDE IN HARPERS FERRY! Sie wollen es nur nicht zugeben, aber er Greifer ist wieder da!«
»Du wichser! Das ist das Zimmer von Gwendolyn!«
Sofort verstummte der Junge, der durch die Gegend schrie und in jene Zimmer drängte.
Ich runzelte die Stirn. Ein seltsames Gefühl von Verunsicherung dringt in meinen Gefühlen ein. Ich zischte Maul hörbar.

Kurz danach verschwand meine Mitbewohnerin April mit 19 Jahren spurlos.

Ich legte den Karton auf den Schreibtisch ab. Ich musste das Zimmer umgehend wechseln.

Tod.
Ein Wort mit nur drei Buchstaben. Ein Vokal, zwei Konsonanten, eine Silbe.

Ein Klopfen hinter mich. Ich drehte mich um und hebe den Blick. Eine Frau, recht elegant gekleidet mit einem herbstlichen Mantel und einem strengen Zopf, leicht geschminkt sieht mich mit einem ansehenden Ausdruck im Gesicht an. »Gwendolyn?«,fragt sie.
»Wer sind sie?«
»Ich bin die Schwester deiner Mutter, deine Tante.«
Damit war meine Welt vollkommen auf den Kopf gestellt.
25 Stunden nach dem vermissten Fall meiner Mitbewohnerin April und sich meine Tante Avery vorstellte, stellte sich heraus, dass die Polizei mich erneut verdächtigte, wie der Anfang des Falle des letztes Jahres, der gerade mal ein halbes Jahr her ist.
Ich presste die Lippen aufeinander. Eigentlich sollte ich Avery danken. Dank ihr Auftreten als mein neuer Vormund musste ich vorerst nicht aufs Revier als verdächtiger. Harper's Ferry Polizei ist der reinste Mist.

Avery sah mich an. »Pack ein paar Sachen ein. Du wirst für die Tage zu mir kommen.«,trotz dass ihr Ton sehr kühl war, und etwas abfällig wirkte, hatte ich das Gefühl, ich sollte einfach auf sie hören und ich packte meine Sachen in wenigen Minuten.
Ich verlies das Zimmer und lief mir ihr durch die Gänge.
»Du Greifer- Helfern! Stirb!«
»Lass dich hier nie wieder blicken!«
»Du Mörderin!«
»Ich hasse dich! Verrecke du Miststück!«
Ich werde mit etwas beworfen. Avery nimmt mich zur Hälfte in eine Umarmung und zieht mich mit sich, die Treppen hinunter, durch die Menge und dann durch den Parkplatz. Ihr Wagen war eine große Kiste und es verwirrte mich etwas, der Fahrer dort drin sieht in den Rückspiegel. »Fahr zum neuen Anwesen.«,berichtet die elegante Dame neben mir, als war sie aus einem anderen Jahrhundert aus einem Film oder einem Buch entsprungen.
Dann streift sie meinen Blick, hielt inne und starrt in meine Augen.

Plötzlich wurde ihr Blick zarter, oder bildete ich es mir ein? Ich spiegelte mich in ihren dunkelblauen Ozean Augen, kurz vor  der Mitternachtstunde. Ein Rauschen, ein dunkles Rauschen. Tiefe Wasser sind tief, so könnte man ihre Augen am besten beschreiben.
Dann zuckte ihr Mundwinkel etwas und mein Blick neigt sich. Sie hielt mir ihre Hand vor. Ich sehe sie zögerlich an. »Warum kommst du erst jetzt?«Sie lässt ihre Hand sinken und als ich zu ihr auf sah, sah ich einen stechenden Schmerz.
Sie schwieg.
»Es tut mir leid.«,kommt jedoch nur über ihre Lippen und das für den Rest einiger Minuten, stille.
»Wenn ich je die Chance dazu gehabt hätte, dann hätte ich es getan.«
Ich wendete meinen Blick vom Fenster nicht ab. Ich spüre, wie müde ich werde.
»Und diese hattest du nicht? Ich hätte dich gebraucht, seitdem Mama Tod ist.«
»Er hätte mich nicht gelassen. Das hat er noch nie.«Sie sprach von meinem Dad. Und das verstand ich. Selbst ich, mein Körper erschütterte bei dem Gedanken an sein Gesicht und seiner selbst.
Ich hatte große Angst vor ihm, und er ist verschwunden ohne jedmögliche Spur.

»Es tut mir leid, Gwend-«

Ich wirkte mit meiner Hand ab.
»Ich verstehe.«,meinte ich ausdruckslos, dann war wieder stille. »Und jetzt...?«,frage ich, doch sie antwortete nur zögernd. »Du müsstest vielleicht aussagen, aber mehr sagen, als dass du nicht der Täter bist, genügt. Wenn die Spurensicherung keinerlei Spuren findet, dann bist du aus dem Spiel.«
»Und wenn mir jemand etwas unter jubeln will?«
Ich drehte den Kopf zu ihr. Ich erkenne ihren schon an, auch, wenn sie es versucht zu verbergen.
»Hat es denn schon jemand versucht?«
Ich wende den Blick wieder ab und widmete mich dem Fenster zu. Ich Lehne meinen Ellbogen links gegen die Türe und stütze meinen Kopf leicht. Ich schloss meine Augen für einen Moment. Harper's Ferry anzusehen, das will ich nicht, denn eigentlich war die Stadt ein reines Grauen,  vor das man sich fürchten sollte.

»Es waren Späße...«,murmelte ich schließlich verbittert und öffnete die Augen. Der Friedhof starrt mir entgegen mit einer dunklen Herbst Brise. Die Blätter liegen auf dem Boden, Laub und Staub. Die Bäume verloren ihre Herbst Farbe schneller als man sehen konnte. Über den Friedhof schleicht sich ein leichter Nebel. »In letzter Zeit verschwanden mehrere Kinder und Jugendliche...«,sagt Tante Avery mit einem zitternden Ton in ihrer recht rauen Stimme.  Ich grübelte. »Harper's Ferry verliert den Verstand...«
»Ja.«,stimmt sie ruhig zu.
»Damals als ich hier mit deiner Schwester und unseren Eltern lebte, war es so friedlich und unbekümmert.«Ein Rauschen des Wagens. »Ich hätte nie gedacht, dass Harper's Ferry sich so verändern könnte.«
»Warum bist du weggegangen, wenn du es so geliebt hast zu dieser Zeit?«
»Ich bin nach Seattle, um dort zu studieren und schließlich mein Traum zu verwirklichen. Ich habe es geschafft.«
Stille.
»Was ist dein Traum?«
Ich lache ironisch auf und meine Finger vergruben sich in meinem Haar. »Traum?«,wiederhole ich.
»Harper's Ferry zu verbrennen.«
Sie schwieg. »Gibt es etwas, dass du magst?«
Ich starre weiterhin aus dem Fenster. »Warum willst du das alles von mir wissen? Ich habe dich 18 Jahre nicht gesehen. Du bist nicht meine Tante, nur eine fremde.«
Jetzt sah ich sie an, denn ich konnte meine Wut nicht mehr zurückhalten. »Das verstehe ich.«,sagt sie kühler und äußerst beruhigend.
»Ich habe deiner Mutter immer gesagt, dass sie sich von ihm trennen solle, aber sie tat es nie. Ich war nie für dich verantwortlich, Gwendolyn. Deine Mutter hat den Kontakt zu mir abgebrochen, bis ich sie Nachricht erhielt, sie sei Tod.«
Ich biss mir auf die Lippen. Der Wagen stoppt. »Aber jetzt bin ich es. Und ich will  dir ein Zuhause schenken und jemanden, denn du außerhalb deines Studentenheim besuchen kannst.«Und damit stieg sie aus dem Wagen. Ich zögerte. Ich sehe nach links zu meinem Fenster. Kleine Regentropfen fallen auf die Scheibe. Ich stiege aus.

Ein Wirbelwind streift mich kalt und meine Haut umstreich eine Gänsehaut. Ich streifte ihrem Blick erneut auf der anderen Seite des Autos stehend, dann sieht sie nach vorne. Ich tat es ihr gleich.

Tod.
Ein Wort mit nur drei Buchstaben. Ein Vokal, zwei Konsonanten, eine Silbe.
Was ist die genaue Definiton? Gibt es eine genaue Definition?
Wenn man ein Wörterbuch aufklappen und die Seiten nach dem Wort Tod überfliegen würde, könnte man so etwas wie das finden:
Tod
Substantiv
1. Der Akt des Sterbens: das Aufhören des Lebens.
2. Das dauerhafte Enden von lebenswichtigen Prozessen in einer Zelle oder eines Gewebes.
3. Die Handlung oder die Tatsache zu sterben oder getötet zu werden.
Und es fährt fort zu erklären, wie das Wort Tod benutzt werden könnte, um den Zerstörer des Lebens zu personifizieren. Aber das ist so fachsprachlich, so recherchiert und tatsachenbezogen. Was ist der Tod wirklich? Ist er lediglich das Ende vom Leben?

Nun, keiner von uns weiß es. Niemand von uns ist schon einmal tot gewesen. Und auch wenn manche von uns sagen können, dass sie über die Grenze zwischen Leben und Tod gestrichen sind, ist keiner von uns wahrhaftig tot gewesen. Wie fühlt es sich an? Ist es friedlich, ist es Seligkeit?
Gedanken wie diese peinigen mich Tag und Nacht. Hauptsächlich Fragen, darüber, wie es ist, auf die andere Seite überzuschreiten? Und seit langer Zeit wünsche ich mir, ich könnte überwechseln, und diese Welt hinter mir lassen. Wenn es einen Himmel und eine Hölle gibt, ist der Tod der Himmel und das Leben ist zweifellos die Hölle.

Meine morbiden Gedanken daran, mir das Leben zu nehmen, hatte meinen eigentlichen Pflegeeltern, zu denen ich nach über zwei Staaten rüber fliegen musste da ich noch nicht nach dem Fall des Greifers erwachsen war,  Angst gemacht, also haben sie ihre Taschen gepackt und entschieden, dass ich erneut über zwei ganze Staaten ziehen mussten, um den Dämonen, die in mir gebrannt waren, zu entfliehen und schickten mich wieder nach Harper's Ferry zurück. Und dann war ich die letzten zwei Monate, bevor ich achtzehn werden würd in dem Waisenhaus von Harper's Ferry gebracht, dann schließlich ins Studentenheim.
Als ob in dieser kleinen, kalten Stadt nicht mehr in mir brennen würden.

.
.
.

Und das war vor genau einem Jahr. Ich sehe das Bild von April im Fernsehen an. Sie und viele andere Kinder und Jugendlichen zwischen 14-19 Jahren sind verschwunden.

»Gwen, Gwen, hörst du mir zu?«

Ich sehe zu meiner Tante herüber, die mit ihren Händen auf ihren Hüften neben mir steht, ihre dunklen Haare zu einer chaotischen Hochsteckfrisur zusammengesteckt.
Damals war es der der zwanzigste Oktober, bald ist Halloween, dachte ich damals.
»Pack diese Teller aus. Du kannst sie da drüben in den Küchenschrank stellen.«
Das sagte April zumindest, ich solle auf sie Halloween Party gehen. Vielleicht wäre ich wirklich mit ihr hingegangen und vielleicht hätten mich die Mädels gemocht.
Ich gebe widerwillig nach, schiebe den Karton über die Theke und nehme Stapel von weißem Porzellan heraus.
»Dieses Haus ist seltsam«, bemerke ich, runzele bei der Schicht Staub, die die Regale des Küchenschranks schichten, die Nase.

»Es ist nicht seltsam, es ist historisch. Es wurde 1857 gebaut, weißt du.«

Ich seufze, räume vorsichtig die Teller ein. Wir sind umgezogen. Es ist nicht schwer zu glauben, dass dieses Haus rund neunzig Jahre alt ist. Die Außenseite besteht aus grauem Stein, und ich bin mir sicher, dass es zu seiner Zeit sehr teuer war. Es ist wie eine Villa grundiert, was viel zu groß ist für drei Personen, aber mein Onkel Fabio ist nach allen Antiquitäten süchtig- Häuser inbegriffen. Auch wenn das Haus zwei Meilen vom Rest der Stadt entfernt ist, und in einer schmutzigen Straße.
Irgendwie war ich aber dann doch froh, dass ich Harper's Ferry nicht mehr direkt vor der Haustüre hatte.
Das Haus scheint die Art zu sein, das in einer wohlhabenden Familie weitergegeben wurde, mit seinen hohen Decken und großen Eingangstüren aus Holz. Zwei prachtvolle Treppen verbinden das Erdgeschoss mit dem zweiten Stock im großen Foyer, und ein riesiger Kristallkronleuchter hängt über der Haustür.

Mein Onkel, der ein Geschichtsfanatiker ist, war begeistert, als wir das Haus in all seiner Retro- Schönheit gefunden haben. Nein, wir hätten nicht einfach ein Haus in einer der Nachbarschaften in der Nähe der Schule nehmen können, wir haben ein historisches Haus gebraucht.
Die beiden sind, was man als skurril bezeichnen würde. Sie sind beide Lehrer; meine Tante Grundschullehrerin und mein Onkel ein Professor. Sie machen sich über nahezu alles in meinem Leben Sorgen, von, ob meine Socken warm genug sind bis hin zu meiner nahen Begegnung mit dem Tod.
Ich gebe ihnen keine Schuld. Suizid wird nicht auf die leichte Schulter genommen. Aber sie behandeln mich, als wäre ich ein Kartenhaus, eine zerbrechliche Glasscherbe, die nur darauf wartet, wieder zu brechen. Und ich möchte so nicht behandelt werden.
Ich breche in einen Hustenanfall aus, als ich einen weiteren Schrank öffne, Staub fliegt heraus und in meine Lunge.

»Gott, hätte der letzte Besitzer dieses Hauses nicht wenigstens ein bisschen putzen können?«, stottere ich, als mein Husten aufhört.

»Niemand hat hier in den letzten Jahren gelebt, das Haus war lange auf dem Markt«, sagt Tante  schlichtweg.

»Das merkt man.«, murmle ich und sie wirft mir einen Blick von der Seite zu.

»Warum gehst du nicht dein Zimmer auspacken, ich bin mir sicher, da gibt es weniger Staub.«

»Ich weiß nichtmal mehr, ob ich mich an den Weg zu meinem Zimmer erinnere.«

Meine Mutter schüttelt ihren Kopf, ein leichtes Lächeln auf ihrem Gesicht von meinem Sarkasmus. »Kopf hoch, Liebling. Erinnerst du dich daran, wie du gesagt hast, dass du versuchst optimistischer zu sein?«

Ich seufze, schließe den verstaubten Schrank. »Ja.«, grummel ich.

»Gut. Jetzt setz ein Lächeln auf und geh die Sachen in deinem reizenden, neuen Zimmer auspacken.« Sie lächelt breit und ich setze ein aufgesetztes Lächeln an sie zurück auf.

Ich stapfe die Treppe hinauf, sehe zu dem gewaltigen Kronleuchter hoch, der über dem Foyer hängt.
Gott, ist dieses Haus alt.
Die oberste Stufe knarrt, als ich den Treppenabsatz zum zweiten Stock erreiche, meine Augen bewegen sich an jeder der Schlafzimmertüren vorbei, bis sie auf dem Zimmer landen, den ich als meinen bezeichne.

Ich drücke die prunkvolle Holztür auf und nehme das Zimmer nochmals auf.

Mein weißer Bettrahmen ist bereits aufgestellt, mit Kartons, die in etwa jede Ecke des Zimmers füllen. Ein riesiges Fenster schaut aus der Rückseite des Gebäudes heraus, wo sich der große Hinterhof erstreckt, das Gras in dem Hof ein lebendiges Grün. Ein alter Spiegel ist gegen die Wand aufgestützt- wir haben ihn in diesem Zimmer gefunden, als wir eingezogen sind. Er ist ganz nett, denke ich. Avery hat mir gesagt, ich könnte ihn behalten, wenn ich will, oder sie werden ihn in das Gästezimmer tun.
Ich laufe zu einem Karton, der mit 'Klamotten' ettiketiert ist und entscheide mich ihn als erstes
auszupacken.
Der Kleiderschrank ist begehbar, und groß genug, um meinen beschränkten Kleidungsstil aufzunehmen. Wenn es um die meisten Dinge geht, bin ich ein Minimalist, Mode inbegriffen.

Ich seufze und öffne den Karton, eine Lawine Styropor schüttet aus dem Karton. Ich verziehe das Gesicht. Ich ziehe Jeans und Shirts aus dem Karton, bewege mich zu meinem Kleiderschrank.
Ich stöhne, als ich die verstaubten Regale erblicke.
»Verdammter Staub.«, murmle ich, wische meine Hand über die Oberfläche und hinterlasse eine Spur von sauberem Platz auf dem Regal auf meiner Augenhöhe. Der Staub fliegt in einer widerlichen Wolke in die Luft, wirbelt durch die Luft.
Ich hänge ein paar Kleiderbügel auf die Stange, versuche den Überfluss des Staubes zu ignorieren. Ich bin kurz davor runterzugehen und einen Staubwedel zu holen, als meine Augen etwas erblicken.

Es ist eine kleine Box, die in eine Ecke des Regales geschoben ist. Ich runzle meine Stirn, strecke meine Hand aus und nehme sie, mehr Staub fliegt vom Regal. Ich huste und fahre meinen Finger über die Oberseite der Schachtel, beseitige den Staub ein wenig.

Ich setze mich auf die blanke Matratze, die in meinem Bettgestell liegt, lege die kleine Box auf meinen Schoß. Sie ist schwarz, mit einem kunstvollen, silbernem Design darauf. Ich fahre fasziniert meine Finger über die weiche Außenseite.
Vielleicht hat sie den Vorbesitzern gehört, und sie haben vergessen sie mitzunehmen, als sie umgezogen sind?
Neugierig hebe ich den Deckel der Schachtel hoch.
Das Innere ist schwarzer Samt. In der Box ist nicht ein einziger Staubkorn- doch das ist nicht das Seltsame daran.
Das einzige, was darin liegt, ist ein einzelnes Polaroid Foto Das einzige, was darin liegt, ist ein einzelnes Polaroid Foto.
Es bildet einen Jungen ab, der ein bisschen älter aussieht als ich, mit dunklen Haaren und dunklen Augen. Ein Schmunzeln ist über seine Lippen gemalt, seine Hände hinter seinem Rücken, während er gegen eine Wand lehnt. Er trägt einen weißen Pullover und schwarze Jeans, das halbe Lächeln auf seinem Gesicht fast eindringlich. Ich war so schockiert, dass mein Herz aufhörte zu schlagen.
Ich drehe das Foto um, suche nach irgendeinem Hinweis.
Nichts steht da, bis auf zwei ordentlich geschriebenen Initialien:

M.D.

Ich drehe es wieder nach vorne, starre eine Weile das Foto an, betrachte es.
Michal.
Und die einzige Sache, die ich denken kann, während ich dieses simple, ziellose Bild analysiere ist, dass dieser Junge auf dem Foto einer der faszinierendsten und wunderschönsten Anblicke ist, die ich je gesehen habe, trotz dass ich eine gewisse Angst vor ihn hatte als wir uns begegnet waren.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top