Kapitel 12: Die Nachfahrin

Sie wusste nicht genau, was sie sich davon erhoffte.

Gemeinsam mit Ginny und Luna hatte sie die Ruine bereits genaustens untersucht und absolut nichts gefunden. Aber jetzt war wirklich klar, dass mit den Edelsteinen etwas nicht stimmte.

Mia war in Trance, vermutlich in einer Vision gefangen. Und wenn Rose Vermutung zutraf, hatte das etwas mit dem Edelstein zu tun.

Sie war eine Ravenclaw, was hieß, dass sie nicht gerade dumm war. Ganz im Gegenteil.

Was stand in dem Buch? Aus dem Nachnamen Ravenclaw wurde Calraw. Sie hatten sich verstecken müssen, den Grund hatte Rose nicht herausfinden können.

Sie hatten untertauchen müssen, und dafür war es hinderlich wenn der Nachname gleich blieb. Aus Calraw wurde Callon.

Aus Callon wurde Aldon.

Und aus Aldon? Wenn man die Buchstaben wieder umstellte und ein weiteres N hinzufügte wurde aus Aldon Landon.

Rose Nachname.

Wenn ihre Vermutung also stimmte, war sie eine Nachfahrin von Rowena Ravenclaw.

Es war bekannt, wie schlau Rowena Ravenclaw gewesen war. Dieses Diadem, das sie immer trug, gehörte zu ihr, war ihr Markenzeichen.

Es bedeutete ihr so viel wie ihre Tochter Helena. Deshalb erschien es nur logisch, dass sie es mit einem Zauber geschützt hatte.

Allerdings hatte Rose schon viele Bilder gesehen, auf denen auch Helena Ravenclaw das Diadem ihrer Mutter trug. Dabei sah sie nicht so aus, als würde sie gerade Albträume duchleben. 

Was wäre also, wenn dieser Fluch, oder was genau auch immer das Schmuckstück und somit auch die Edelsteine schützte, nicht für Familienmitglieder wirkte.

Also auch nicht für Rose.

Zusätzlich hatte sie überlegt, dass man das Diadem als Nicht-Ravenclaw-Familienmitglied nur finden konnte, wenn es mit allen Edelsteinen bestückt war.

Jetzt gerade müsste einer fehlen. Niemand konnte es finden.

Außer es gab eine Verbindung zu Rowena.

Und die gab es, wenn Rose Gedankengänge der Wahrheit entsprachen.

Deshalb betrat sie zum zweiten mal die Rabenruine, mit demgleichen Ziel wie davor auch. Und dieses mal wurde sie fündig.

Fast sofort entdeckte sie das Diadem. Es lag halb versteckt hinter einer staubigen Truhe.

Wie erwartet fehlte ein Edelstein. Der Edelstein aus Rose Tasche.

Sie konnte es nicht fassen, sie hatte Recht!

Überwältigt von dem, was sie erfahren hatte, griff sie vorsichtig nach dem Diadem.

Genauso schnell wie sie das Schmuckstück gefunden hatte wurde ihr schwarz vor Augen. Den Aufprall auf dem steinernen Boden spürte Rose schon nicht mehr.

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"Hast du Rose gesehen?". Luna sah mit großen Augen von ihrem Buch auf: "Wie bitte?"

"Hast du Rose gesehen?", wiederholte Sam nervös.

Luna klappte ruhig ihr Buch zu und sah sich einmal im Raum um, bevor sie sich wieder an Sam wandte: "Nein."

"Weißt du vielleicht wo sie ist?"

"Wo ist sie denn nicht?", fragte Luna.

"Nicht in der Bibliothek, nicht hier, nicht am See, nicht auf dem Quidditchfeld, nicht-"

"Vielleicht ist sie ja im Wald."

"Warum sollte sie in den Wald?"

"Wegen der Ruine."

"Welche Ruine?!"

"Na, wegen der Rabenruine. Wir haben schon nach dem Diadem dort gesucht, aber mein Gefühl sagt mir, dass sie ein zweites mal dorthin gegangen ist. Auch wenn ich nicht verstehe, warum."

"Wo ist diese Ruine?", fragte Sam nervös.

"Na, im Wald!", antwortete Luna.

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Es war wunderschön. Der Himmel leuchtete tiefblau, die Äste waren verziert mit roten, orangen und goldenen Blättern.

Und inmitten der Natur saßen Rowena Ravenclaw, unverkennbar an dem Diadem und ein Mann, den Rose nicht erkannte.

Auf der Wiese spielte ein kleines Mädchen, das musste Helena sein.

Trotzdem fühlte Rose sich unwohl. Als wäre das alles hier nur inszeniert, nur eine Kulisse.

Es donnerte, sie zuckte zusammen.

Binnen Sekunden wurde der Himmel grau, Blitze zogen darüber, die Bäume wurden kahl und standen dichter aneinander. Sie sah eine Hütte und trat näher darauf zu.

Fenster gab es nicht, nur quadratische Löcher in der Wand.

"Aber Mutter, weshalb müssen wir weg?", fragte eine zarte Mädchenstimme.

"Du wirst es noch verstehen, Helena!", antwortete eine Frau.

Wieder wechselte das Szenario, jetzt sah Rose sich selbst, sie lag in ihrem Himmelbett in ihrem Schlafsaal in Hogwarts. Damals waren ihre Haare noch länger gewesen, das musste in ihrem ersten Jahr gewesen sein.

Damals, als sie noch Albträume hatte. Jede Nacht derselbe, immer wieder. Sie hatten nichts mit Ravenclaw zu tun, sie durchlebte nur typische Horror-Fantasien, sah wie Leute ermordet wurden.

Das war die Zeit, in der sie Angst davor hatte, einzuschlafen.

Und dann war sie in der Bibliothek von Hogwarts, ihre Haare gingen nur noch leicht über ihre Schultern, ihre Augenbrauen waren zusammengezogen, hinter ihr stand Mia.

Vor ihr saß Sam, ebenfalls hochkonzentriert. Er betrachtete allerdings nicht das Spielfeld - sondern warf ihr immer wieder Blicke zu.

Es war ihr erstes Damespiel gewesen, das erste mal, dass sie etwas mit Sam zu tun hatte. Wieder donnerte es, Blitze fingen an über den Himmel zu zucken, irgendwo kreischte jemand ...

Und dann spürte Rose es. Sie spürte eine kalte Hand an ihrer Wange. Ganz leicht.

Sie hörte, wie jemand ihren Namen sagte. Sie spürte, dass ihr alles wehtat, als wäre sie gefallen.

Und dann wachte sie auf.

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Ruckartig setzte Rose sich auf. Ihr Herz schlug zu schnell, draußen hörte sie Regen. Sie hielt sich die Ohren zu, wartete auf den Donner.

Aber er kam nicht. Stattdessen hörte sie jemanden ihren Namen sagen, mit weicher Stimme.

Ihre Wangen waren nass, als hätte sie geweint.

Sie öffnete die Augen.

Vor ihr kniete Sam. Seine Haare waren klatschnass, er sah sie besorgt an.

"Was machst du hier?", fragte Rose leise. Sam lächelte schief: "Na, was wohl. Dich retten. Könnte ich mich echt dran gewöhnen."

Rose lachte und stand auf. Ihre Ellenbogen waren aufgeschürft, sie war tatsächlich gefallen.

"Wo ist das Diadem?", fragte sie.

"Ich weiß es nicht. Ich habe nur den blauen Edelstein aus deiner Tasche geholt. Da war kein Diadem.", meinte Sam.

"Sam? Ich glaube ... ich glaube ich habe etwas mit Rowena Ravenclaw zu tun. Ich glaube, ich bin ihre Nachfahrin oder so."

"Lass uns zurück gehen.", meinte Sam. "Der Regen wird immer stärker."

Rose nickte. Sam hielt ihr seine Hand hin, sie sah ihn verwirrt an.

"Der Wald ist gefährlich wie du weißt. Außerdem siehst du so aus, als könntest du jeden Moment umkippen!", meinte er und griff nach ihrer Hand.

Dann liefen sie zurück zur Schule.

Hand in Hand.



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