Kapitel 13
Etwa so wie auf dem Bild, stelle ich mir Kalia vor. :)
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Erschrocken reiße ich meine Augen auf und stoße mich von dem Prinzen ab. Oh Gott, was habe ich mir nur dabei gedacht? Jeder hätte uns hier sehen können. Offensichtlich hat uns auch jemand entdeckt. Hätte dieser jemand nicht eine Sekunde länger warten können?
Vor Peinlichkeit rast mein Herz, falls möglich, noch schneller und die Schmetterlinge in meinem Bauch sind offiziell verrückt geworden.
Neben mir räuspert sich Rohan und kratzt sich verlegen am Nacken. Ebenfalls beschämt, dass uns jemand erwischt hat, drehe ich mich zum Ursprung der Stimme. Als ich den Besitzer der Stimme erkenne, würde ich am liebsten weglaufen und mich vergraben.
Vor uns steht der König. Er hat uns eben beim Küssen, oder eher fast Küssen, gesehen. Sofort senke ich meinen Blick und bringe ein erbärmlich-klingendes „Eure Hoheit" heraus. Darauf lacht der König herzlich, scheinbar belustigt von meiner Verlegenheit. Wenigstens war es nicht die Königin, die uns entdeckt hat, sie kann mich sowieso schon nicht leiden.
Erneut spüre ich Rohans blick auf mir, doch ich bin noch nicht dazu in der Lage ihn direkt anzuschauen. Er räuspert sich schließlich nochmal und bricht die peinliche Stille. „Vater?"
„Kann ich dich kurz sprechen?", fragt der König. Doch Rohan bewegt sich nicht von der Stelle.
„Unter vier Augen", fügt der König nun etwas strenger hinzu.
Rohan macht einen kleinen Schritt vorwärts, wendet sich mir aber wieder zu. Seine Augen bitten mich lautlos um Verzeihung und widerwillig dreht er sich zu seinem Vater. Gemeinsam verschwinden sie um die nächste Ecke. Als wäre ich dort festgewachsen starre ich dem leeren Gang hinterher.
Niemals hätte ich erwartet, dass er an mir interessiert wäre. Mein Gehirn begreift es immer noch nicht recht, aber ich kann ja wohl schlecht für immer hier stehen bleiben. Ungern mache ich mich auf dem Weg zurück in mein Zimmer.
Bevor ich dort ankomme, klopfe ich spontan an Morgans Zimmertür, doch vermutlich ist sie noch nicht da. Als ich von der anderen keine Geräusche erkenne, ziehe ich mich in mein Gemach zurück. Meine Augen spielen stets das gleiche Szenario ab, wie auf Dauerschleife. Immer wieder sehe ich Rohans Gesicht vor mir und seine warme Hand zärtlich auf meine Wange legt.
Erschöpft lasse ich mich auf mein riesiges Bett fallen. Auf Anhieb fallen meine Augenlieder zu und bevor ich es weiß, schlafe ich schon.
Ein dumpfes Geräusch zerrt mich aus meinen wunderschönen Traeumen. Als dann die Tür abrupt aufschwingt, öffne ich meine Augen gänzlich. Im Türrahmen steht Morgan mit den Händen auf ihrer Hüfte. „Ich habe dich schon überall gesucht! Keiner wusste, wo du warst, als du nicht zum Mittagessen gekommen bist. Du hättest wenigstens Bescheid sagen können, dass du nicht kommst", wirft sie mir vor während sie die Tür wieder schließt.
„Was? Ich hab' das Mittagessen verpasst?", entgegne ich ernüchtert.
„Ist das wirklich das einzige, das du da raus gehört hast?" Amüsiert von meiner Aussage, rollt sie ihre Augen.
„Was? Ich bin hungrig", verteidige ich mich.
„Okay, versteh schon, aber wo warst du? Hast du die ganze Zeit geschlafen? Ich habe nämlich vor einer Weile auch hier angeklopft, aber keine Antwort bekommen, deswegen dachte ich du wärst woanders."
„Nach meinem Training bin ich sofort eingeschlafen", erzähle ich ihr, als sie sich neben mich setzt. „Naja, vielleicht nicht sofort danach", sage ich mit einem verstohlenen Grinsen.
„Was meinst du?"
„Womöglich ist mir auf dem Weg zurück der Prinz begegnet."
Sofort richtet sie sich auf und beobachtet mich aufmerksam. „Habt ihr geredet? Und was hat er gesagt?"
Mit einem Dauergrinser erzähle ich ihr von dem Vorfall im Gang und wie uns dann der König unterbrochen hat.
„Oh. Mein. Gott!", ruft sie durch das Zimmer. „Du hast den Prinzen geküsst!"
„Also theoretisch ni-", fange ich an, doch Morgan unterbricht mich schleunigst. „Das zählt. Ihr habt euch so gut wie geküsst. In meinen Augen zählt das."
Darauf rolle ich spielerisch meine Augen.
„Komm wir holen uns jetzt was zu essen." Und schon zieht sie mich aus meinem gemütlichen Bett.
Am Ende des Tages stehe ich wieder in Valaias Zimmer. Gelassen habe ich es mir auf ihrem Sofa gemütlich gemacht, während sie im Badezimmer ist.
Schon wieder muss ich an Rohan denken und kann das Grinsen nicht sein lassen.
„Du bist heute aber gut gelaunt", stellt die Prinzessin fest als sie mit nassen Haaren aus dem Bad kommt. Da ich das wohl schlecht verneinen kann, zucke ich lediglich mit den Schultern.
„Schön, dass du so gut gelaunt bist. Mein Tag hingegen war nicht allzu gut", ausgelaugt lässt sie sich gegenüber von mir auf das Sofa fallen.
„Was ist passiert?", frage ich besorgt. Valaia lässt sich selten ihre Erschöpfung ansehen, auf die Außenwelt macht sie immer den Anschein eine perfekte Prinzessin zu sein.
„Vater hat uns heute Mittag alle zu sich gerufen. Eigentlich dürfte ich dir das nicht sagen, aber ich vertraue, dass du mit niemanden darüber redest." Sie blickt mir erwartungsvoll in die Augen bis ihr verspreche nichts zu verraten.
„Also wir haben heute Rohans Verlobte kennengelernt und sie ist die nervigste Person, die ich je..." Den Rest bekomme ich nicht mehr mit. Sofort schießen mir die Tränen in den Augen, doch ich zwinge sie wieder zurück. Ich kann nicht vor ihr zu weinen anfangen.
Rohan ist verlobt? Das kann doch nicht sein. Er würde sich doch nicht mit jemanden verloben, oder? War alles nur gespielt? Viel zu viele Fragen schießen mir durch den Kopf um klar denken zu können.
„Kalia? Hörst du überhaupt zu?" Das bringt mich wieder zurück in die Realität.
„Ehm, was?", frage ich angestrengt.
„Ich wollte wissen, was du davon hältst."
„Tut mir leid, aber ich muss gehen", sage ich ohne auf ihre Frage zu antworten. Mit tollpatschigen Schritten eile ich zur Tür. So schnell wie es geht schlüpfe ich in den verlassenen Gang und lehne mich an die kühle Wand. Einatme. Ausatmen. Einatmen.
Etliche Male befehle muss ich mir das Atmen vorsagen, sonst würde ich höchstwahrscheinlich zusammenbrechen.
War klar, dass es nicht echt war. Endlich mal lasse ich Gefühle zu und schon läuft alles den Bach hinunter. Was habe ich mir bloß gedacht, mich darauf einzulassen. Dumme Gefühle.
Mit Tränen in den Augen zwinge ich meinen Körper sich zu bewegen. Unbeholfen taste ich mich zu meinem Zimmer voran und fummle an der Türklinke, durch die vielen Tränen bin ich kaum noch in der Lage zu sehen. Ich lasse die schwere Holztür hinter mir mit einem lauten Knall zufallen und stolpere erschöpft ins Badezimmer.
Dort lasse ich meinen Tränen schließlich freien Lauf. Könnte ich doch nur die Zeit zurückspulen, dann wäre das alles nicht passiert. Und mein Herz wäre noch ganz.
Ich stütze mich auf dem Waschbecken ab und drehe das Wasser auf. Ich feuchte mein Gesicht mit dem kühlen Wasser an, in der Hoffnung die Abkühlung würde meinen Verstand klären.
Am liebsten würde ich für immer von hier verschwinden, nie mehr müsste ich dann den Prinzen sehen. Ich blicke in den Spiegel, mit der Erwartung meine roten geschwollenen Augen zu sehen, doch stattdessen sehe ich nichts, nur Luft.
Ich kann glatt durch mich hindurchsehen. Was ist jetzt los? Bilde ich mir alles nur ein?
Erschrocken taste ich meinen Körper ab, welcher sich völlig normal anfühlt, doch der prüfende Blick in den Spiegel zeigt noch immer ein leeres Badezimmer. Verwirrt drehe ich den Wasserhahn ab und beobachte währenddessen den Spiegel. Dort sehe ich jedoch nur wie sich der Hahn von alleine zudreht.
Was ist hier los? Ich habe das Verschwinden doch nicht wortwörtlich gemeint. Wie kann es sein, dass ich mich nicht sehe?
Sobald ich den Gedanken beende, breitet sich ein Kribbeln in meinen Füßen aus und plötzlich fängt mein Körper an sich vor dem Spiegel zu materialisieren. Stück für Stück erscheint mein Körper wieder und einige Sekunden danach blicke ich einem verwirrten Mädchen mit roten Augen und nassem Gesicht entgegen. Kann es wirklich sein?
Geschockt laufe ich aus meinem Zimmer uns klopfe an Morgans Tür. Von drinnen hört man leise Schritte und etwas später blickt mir meine Freundin entgegen. Sie mustert mein unordentliches Aussehen und zieht mich sofort zu ihr ins Zimmer.
„Was ist passiert?", fragt sie besorgt.
„Erzähl ich dir später, zuerst muss ich dir etwas anderes sagen. Ehm, also vorhin in meinem Badezimmer ist etwas Komischen passiert", fange ich zögerlich an zu berichten, „ich wollte eben in den Spiegel schauen, aber konnte mich nicht sehen." Erstmals bleibt sie still, man kann sogar fast die Raeder in ihrem Kopf rattern sehen.
„Was meinst du, du konntest dich nicht sehen?", fragt sie als wäre ich verrückt.
„Naja, du weißt schon. Es war so als würde ich in ein leeres Badezimmer sehen, obwohl ich vor dem Spiegel war. Als wäre ich, nun ja, unsichtbar."
mit hochgezogenen Augenbrauen mustert sie mich. „Unsichtbar?", fragt sie.
„Als wäre ich ein Obscuri", sage ich schließlich. Nach meiner Behauptung herrscht Stille. Es ist mucksmäuschenstill, man könnte eine Feder fallen hören.
Die Obscuri sind eine weitere der fünf Klassen. Die Angehörigen dieser Klasse können sich für einen beliebigen Zeitraum unsichtbar machen. Den Obscuri wird oft misstraut, da sie ungesehen andere Leute ausspionieren können.
„Aber du bist doch ein Animator, wie sollt du auch noch ein Obscuri sein?"
Darauf fällt mir keine logische Erklärung ein, daher zucke ich mit meinen Schultern.
„Du behauptest also, du könntest dich unsichtbar machen?" Wortlos stimme ich mit einem Nicken zu.
„Naja, dann zeig's mir", fordert sie mich auf.
Nervös stelle ich mich vor Morgan und schließe konzentriert meine Augen. Vorhin im Bad dachte ich daran zu verschwinde, also wiederhole ich den Gedankengang. Schon bevor ich meine Augen wieder öffnen kann, spüre ich in meinen Zehen ein leichtes kribbeln.
Ich öffne meine Augen und mustere Morgans Gesichtsausdruck. Dieser verwandelt sich von zweifelnd zu purem Schock. Ihre gelben Augen weiten sich automatisch und ihr Mund fällt vor Staunen nach unten.
„Kalia?", fragt sie etwas ängstlich.
„Siehst du mich?"
„Nein. Kein bisschen. Wo bist du?" Sie beginnt sich im Zimmer umzusehen. Langsam schleiche ich mich zu ihr hin, vorsichtig, damit ich meine Position nicht verrate.
„Kalia? Ernsthaft, wo bist du?", fragt sie offensichtlich schon genervt von meinem Versteckspiel.
Ich krieche um sie herum und nähere mich ihrem Rücken.
„Buh!", rufe ich als ich nah genug zu ihrem Gesicht bin.
Sie fängt an zu schreien und springt quer durch das halbe Zimmer. Ich fange an lauthals zu lachen, wobei ich scheinbar wieder sichtbar wurde, denn Morgan dreht sich um und fixiert ihre zornigen Augen auf mich.
„Das war jetzt notwendig", äußert sie sich sarkastisch. Sie rollt ihre Augen und verschränkt genervt ihre Arme.
„Schon." Nur mit Mühe bringe ich vor Lachen das Wort heraus.
„Also bist du auch ein Obscuri?"
„Wie es scheint, schon."
„Du solltest es melden, was wenn jemand entdeckt, dass du es die ganze Zeit verschwiegen hast?"
„Ich weiß, aber irgendwie habe ich das Gefühl, ich sollte es für mich behalten. Und ist ja nicht so, als würde mich jemand auf frischer Tat ertappen können, wenn ich unsichtbar bin." Auf meinem Gesicht breitet sich ein Schmunzeln aus. Mir fallen bereits so viele Sachen ein, die ich machen könnte, ohne, dass es jemand sehen würde.
„Wenn du meinst, ich kann dich wohl schlecht dazu zwingen", sagt sie schließlich widerwillig.
Als wir es uns auf ihrem Bett gemütlich machen, dreht sich Morgan zu mir und sieht mich erwartungsvoll mit ernsten Augen an. „Willst du mir jetzt sagen, warum du geweint hast? Ich kann es nicht ausstehen dich traurig zu sehen."
Sofort spannt sich jeder Muskel in meinem Körper an. Ich seufze bitter und richte meine Augen auf meinen Schoß. „Okay. Naja, du weißt ja schon von Rohan", bei seinem Namen muss ich mich räuspern damit ich nicht wieder anfange zu weinen, „und als ich heute Abend bei Valaia war, hat sie mir etwas erzählt, was sie eigentlich nicht erzählen durfte. Anscheinend hat sie heute Rohans Verlobte kennengelernt."
Nach meinen Worten kehrt wieder Stille ein.
„Was meinst du, seine Verlobte?", fragt Morgan vorsichtig.
„Genau das, seine Verlobte."
„Seit wann ist er verlobt?", fragt sie fassungslos.
Da sich erneut Tränen in meinen Augen sammeln und ich daher nicht mehr wirklich sprechen kann, zucke ich mit meinen Achseln.
Morgan springt blitzartig von ihrem Bett auf und läuft wütend auf und ab. „Er kann doch nicht verlobt sein, dieser A****! Was fällt ihm ein dich zu küssen und dir nicht zu sagen, dass er eine Verlobte hat?!"
„Theoretisch haben wir uns nicht geküsst", erwidere ich kleinlaut.
„Aber so gut wie", kontert sie. „Warts nur ab, morgen werde ich ihm gehörig meine Meinung sagen."
„Bitte nicht, Morgan. Ich sollte es nicht einmal wissen und falls du es weitererzählst, weiß Valaia, dass ich es dir verraten habe", versuche ich sie zu überzeugen.
Das bringt sie zum Schweigen. Besorgt prüft sie meinen Ausdruck. „Aber ich kann doch nicht einfach Nichts tun. Ich kann doch nicht zusehen, wie dieser Idiot dich verletzt."
„Im Moment schon. Ich bitte dich, sag es keinem."
Widerwillig stimmt sie mir zu.
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