Kapitel 3
Everly
Geradewegs schlenderte ich zu meinem Spind, nachdem es endlich zum Stundenende geklingelt hatte. Glücklicherweise konnte man wohl sagen, da ich langsam echt keine Lust mehr hatte. Allerdings lagen immer noch zwei weitere Stunden von mir und es fühlte sich so an, als würde dieser Tag nie zu Ende gehen. Lediglich die einstündige Mittagspause verschaffte mir eine kurze Atempause, in der ich endlich richtig Zeit mit meinem Freunden verbringen konnte. Sie waren nämlich so ziemlich der einzige Grund dafür gewesen, warum ich heute nur halbwegs motiviert aus dem Bett gestiegen war.
Geschickt gab ich die Zahlenkombination in das Schloss meines Schließfachs ein und öffnete die Tür, um meine Jacke und meinen Rucksack hineinstopfen zu können. Lediglich mein Essensgeld behielt ich bei mir, da mein Magen langsam wirklich zu knurren begann.
Gerade als ich die Tür wieder schließen wollte, trat jemand neben mich.
„Hey", eine mir nur allzu bekannte, männliche Stimme drang an meine Ohren. Mit leicht hochgezogenen Augenbrauen drehte ich mich zu dem Jungen, der sich just in diesem Moment neben mir gegen die Spinde lehnte.
„Hey, Hayden", begrüßte ich ihn ebenfalls, konnte meinen kritischen Blick aber nicht verbergen.
Ein breites Grinsen zeichnete sich auf seinen Lippen ab und er hielt seinen Blick konsequent auf mich gerichtet.
„Du hast heute Morgen bei unserem neuen Lehrer ja schonmal einen guten Eindruck gemacht", ich verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte mich selbst ebenfalls gegen die Schließfächer.
„Natürlich", sein Grinsen wurde breiter: "Ich muss meinem Ruf doch treu bleiben."
„Was für einem Ruf?", zweifelnd sah ich ihn an: "Den des verwöhnten reichen Jungen?"
„Nein", er grinste breit und schüttelte den Kopf: "Den des Badboys."
„Pff", machte ich zweifelnd und musste mir ein breites Grinsen verkneifen: "Höchstens in deinen Träumen."
Er beugte sich leicht zu mir nach vorne und warf mir einen vielsagenden Blick zu: "Oh, meine Träume drehen sich um etwas ganz anderes."
Genervt aufstöhnend rollte ich mit den Augen und drehte mich wieder zu meinem Spind, um die Tür fest zuzuschlagen. Das war mal wieder so typisch Hayden. Wenn er alleine mit mir sprach, wirkte es fast so, als würde es ihn nicht im Geringsten interessieren, dass ich die Freundin seines besten Freunds war.
„Hey, warte. Wohin gehst du?", fragte er und ich konnte hören, wie er sich von den Spinden abstieß, um mir zu folgen.
„Irgendwohin, wo ich mich nicht mehr mit dir unterhalten muss", antwortete ich.
„Warum?", schon war er wieder neben mir, sodass ich seinen ehrlich verwunderten Blick bemerkte. War ihm tatsächlich nicht klar, warum ich ging?!
Abrupt blieb ich stehen, sah kurz den Gang hinauf und hinab. Als ich sicher war, dass keiner uns zusah, packte ich ihn sanft, aber dennoch entschlossen, am Arm. In einer Ecke, in der wir uns ungestört unterhalten konnten, kam ich zum Stehen.
Sofort wanderte seine rechte Augenbraue in die Höhe und er sah mich mit fragendem Blick an. Allerdings verriet mir der Ausdruck in seinen Augen, dass er schon wieder falsch dachte: "Du willst also mit mir alleine sein, hm."
„Erst, wenn die Hölle zufriert", lachte ich mit einer Spur Bitterkeit.
„Ich will, dass du aufhörst, mich anzumachen", ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn ernst an.
„Warum? Wegen Brad?", das humorvolle Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden und durch einen ersten Blick ersetzt worden.
„Ja, wegen Brad", stimmte ich ihm zu: "Er ist dein bester Freund und deshalb kannst du deine Freundin nicht anmachen."
„Aber er merkt es doch gar nicht", warf er ein. Sofort schüttelte ich den Kopf: "Doch, tut er."
Das Bild von Bradleys misstrauischem Gesichtsausdruck als Hayden mir zugezwinkert hatte, bahnte sich einen Weg in meine Gedanken und sorgte dafür, dass ich mich augenblicklich schlecht fühlte. Zwar lief es zwischen uns beiden schon lange nicht mehr so gut wie früher, doch trotzdem war er mir noch wichtig, weshalb ich es hasste ihn verletzt zu sehen.
Jetzt, wo ich so darüber nachdachte, war da aber auch noch etwas anderes, was mir wieder einfiel. Fast in jeder Stunde war mir heute eingefallen, dass Heather und Bradley sich immer wieder Blick zugeworfen hatten. Als wüssten sie beide etwas, wovon ich nichts ahnte.
Hayden hatte die ganze Zeit über zu Boden gesehen, hob dann aber den Kopf und seufzte: "In Ordnung, meinetwegen versuche ich es, wenn dir das so wichtig ist."
Er machte einen kleinen Schritt auf mich zu und streckte seine Hand nach meiner aus. Sanft berührten sich unsere Finger und zu meiner eigenen Überraschung zuckte ich nicht zurück, sondern ließ es zu.
„Hauptsache du bist glücklich", hauchte er und lächelte matt.
„Danke", murmelte ich und blieb wie angewurzelt auf der Stelle stehen.
Dann nahm er wieder Abstand von mir und wendete sich zum Gehen. Bevor er die ungestörte Ecke aber verlassen hatte, drehte er sich nochmal zu mir herum und sah mich mit ernstem Blick an: "Vielleicht solltest du deine Beziehung mit Brad aber nochmal überdenken."
Daraufhin verschwand er ganz und ließ mich mit mir selbst alleine.
Mit gerunzelter Stirn lehnte ich den Kopf gegen die Wand hinter mir. Vielleicht war es nur ein dummer Spruch gewesen, doch irgendwas an seinen Worten war merkwürdig. Während er sprach, war in seiner Stimme keine Spur des üblichen Sarkasmus zu hören gewesen. Stattdessen schien er völlig ernst gemeint zu haben, was er sagte. Doch warum sollte er sowas sagen? Schließlich hatte er mir nur kurz zuvor versprochen, dass er mich nicht mehr anmachen würde und ich hatte ihm wirklich geglaubt, dass er es so meinte. Und obwohl es ihm eigentlich üblich sehen würde sowas zu sagen, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen, hatte es dieses Mal nicht so gewirkt.
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