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Es ist ein kalter Mittwochabend. Ungeduldig wippe ich auf meinen Fußballen auf und ab. Meine Hände sind klamm von der Kälte – natürlich liegen meine Handschuhe irgendwo zu Hause. Endlich grün! Hastig überquere ich die Straße. Jemand hupt. Geh mir nicht auf den Geist, ich beeil mich doch schon. Wenigstens sitzt du in einem warmen Auto! Arschloch...
Meine Schläfen beginnen zu stechen. Bekomme ich jetzt eine Erkältung? Das fehlt mir jetzt gerade noch! Zwei Wochen vor Weihnachten, acht Tage vor meiner nächsten Deadline – und ich erkälte mich. Typisch! Das Wochenende werde ich dann wohl im Bett verbringen. Verdammt, dabei wollte ich endlich die Geschenke kaufen gehen... Wahrscheinlich werde ich wieder erst am dreiundzwanzigsten dazu kommen, und da sind dann die ganzen schönen Sachen schon weg. Muss ich wohl wieder Bücher verschenken. Mein Bruder wird sich freuen. Der interessiert sich ja im Moment für vieles, aber nicht für Bücher.
Da vorne abbiegen. Achtung, Glatteis! Böse Falle, wenn man hier ausrutscht, weckt man den Hund, der im Garten mit dem großen Kirschbaum schläft. Die Gartentür steht immer einen Spalt offen, aus welchen Gründen auch immer! Böse Falle, sehr gefährlich. Beweis? Die Narbe an meinem linken Bein. Wie alt werden Hunde eigentlich? Dieser Köter könnte gerne mal ins Gras beißen...
Nochmal abbiegen, die lange Straße geradeaus. Ob wohl noch was vom Mittagessen übrig ist? Ich bin hungrig. Irgendwann diese Woche wollte Mama noch Wuchteln kochen. Hoffentlich mit Vanillesauce. Wahrscheinlich auch mit warmen Punsch. Alkoholfrei, natürlich!
Da vorne ist endlich die Siedlung. Vorbei an dem Haus mit der Nummer Eins, Drei und Fünf. Vor Haus Nummer Sieben hole ich meinen Schlüsselbund aus der Jackentasche. Ungeschickt nestle ich daran herum. Wo ist denn nur wieder dieser verdammte Haustürschlüssel? Radschlüssel, Wohnungsschlüssel, Büroschlüssel, Schlüssel zur Wohnung meines Exfreundes – Arschloch, ich hoffe du schmorst in der Hölle! - Schlüssel für den Müllraum – warum auch immer man Müll einsperrt, ist ja nicht so, als wäre Müll als Diebesgut so beliebt – Büroschlüssel....ach, da ist er ja.
Ist die Heizung im Stiegenhaus schon wieder kaputt? Oder immer noch? Hat die eigentlich irgendwann funktioniert? Wenn diesen Winter wieder die Wasserleitung einfriert bekomme ich die Krise, dann mache ich meinem Vermieter Feuer unterm Arsch, so viel kann ich versprechen. So schwer kann das doch nicht sein, das verdammte Haus in Schuss zu halten, selbst wenn es ein Altbau ist! Immerhin müssen wir auch Miete bezahlen. Hoffentlich ist es wenigstens in der Wohnung selbst wärmer. Wozu baut man überhaupt eine Heizung ein, wenn die dann sowieso nicht funktioniert?
Haben wir die letzte Stromrechnung bezahlt? Wann war das.... Ja, das habe ich erledigt. Da bin ich mir ziemlich sicher.
Erster Stock. Der Hund der Familie Gruber hatte mal wieder besonders viel Spaß im Schneematsch. Wie kann ein einzelner Hund so viele Spuren hinterlassen? Ist das...? Oh wie schön, ein Matschfleck an der Wand! Dummes Vieh. Ich wette, dass die Grubers alles abstreiten werden. Als ob nicht jeder wüsste, wer dafür verantwortlich ist.
Zweiter Stock. Wo ist denn unser Namensschild hin? Wurde das schon wieder gestohlen? Ich fasse es nicht, das ist einfach nur erbärmlich! Wohnungsschlüssel...Wohnungsschlüssel... Wo ist mein Wohnungsschlüssel? Hier ist der Haustürschlüssel, der Radschlüssel, der Büroschlüssel, der Schüssel zur Wohnung meines Exfreundes – Ach, egal! Ich drücke den Klingelknopf. Ein fremder Kerl öffnet die Tür, wahrscheinlich so um die neunzehn, zwanzig Jahre alt. Haben wir Besuch?
„Kann ich Ihnen helfen?", fragt er mit ruhiger Stimme. Er trägt einen handgestrickten Schal. Ich kenne diesen Schal. Ich habe ihn gestrickt.
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