[09]
Jisung PoV
Ich wachte nackt in meinem Bett auf. Die Erinnerungen von gestern tauchten bildhaft vor mir auf. War das wirklich passiert?
Ich hätte erwartet, dass ich mich jetzt in irgendeiner Weise schlecht fühlen müsste, da ich mein erstes Mal und meinen ersten Kuss Minho geschenkt hatte, obwohl ich ihn eigentlich hasste, doch ich fühlte mich wie immer. Ein wenig besser sogar. Auch wenn ich dringend unter die Dusche sollte. Im Nachhinein bereute ich ein wenig, was wir getan hatten, aber dennoch störte es mich weniger als ich erwartet hatte. Es verwirrte mich eher als alles andere. Warum sollte er seine Freunde wegen ihrer Sexualität ausschließen, wenn er doch selbst schwul war? Zumindest ging ich davon aus. Mit einer Person zu schlafen, die das gleiche Geschlecht hatte, kam mir schon ziemlich schwul
vor. Es war einfach seltsam, dass wir es getan hatten.
Doch noch etwas anderes war seltsam, was mir klar wurde, als später das kalte Wasser der Dusche meinen Körper hinab lief. Ich hatte nichts geträumt. Zum ersten Mal seit ich denken konnte, hatte ich nicht eine einzige Sekunde lang geträumt. Kein einziger Alptraum hatte mich diese Nacht heimgesucht.
Frisch angezogen und immer noch grübelnd, ging ich in die Küche, um mein Frühstück zu essen.
"Du musst ja gestern echt müde gewesen sein, wenn du während Minho's Besuch einfach eingeschlafen bist. Er meinte, er hat dich einfach nicht mehr wach bekommen." Die vorwurfsvolle Stimme meiner Mutter drang an mein Ohr. Zumindest wusste sie nicht, was gestern wirklich passiert war und ich hatte auch nicht vor es ihr zu erzählen.
"Ja, ich war wirklich super müde. Dafür fühle ich mich jetzt ausgeschlafener als je zuvor."
Zumindest der letzte Teil war nicht gelogen. Ich war seit langem nicht mehr so ausgeschlafen gewesen.
"Das ist kein guter Grund, um einfach einzuschlafen, wenn man Besuch hat."
"Was hätte ich denn machen sollen? Du hättest mich ihn eh nicht wegschicken lassen und ich hab wirklich mein bestes gegeben, um nicht einzuschlafen."
"Darüber reden wir später nochmal, Jisung. Jetzt solltest du erstmal zusehen, dass du in die Schule kommst."
Ich frühstückte noch schnell zu Ende und ging dann zur Schule. Die ersten beiden Stunden vergingen recht schnell. Kunstunterricht zog sich einfach nicht so in die Länge wie die anderen Fächer und mit der Aufgabe, ein Selbstporträt zu zeichnen, war ich auch mehr als einverstanden. Besser als wenn ich irgendwas zusammenkleben musste, dass am Ende wieder auseinander fiel.
Nach der Stunde hielt ich Minho auf, der gerade vor mir lief, und offensichtlich zu seinem üblichen Platz wollte.
"Minho, wir sollten reden. Über das gestern.", sagte ich und hielt ihn am Handgelenk fest, damit er aufhörte weiter zu laufen.
"Es gibt nichts zu bereden. Was auch immer du jetzt von mir erwartest, du bekommst es nicht. Du hast Ja gesagt , also kannst du dir eine Entschuldigung abschminken."
"Ich will, dass wir es nochmal machen."
Für diesen Satz hatte ich all meinen Mut zusammen nehmen müssen. Vermutlich war ich komplett durchgeknallt geworden, das überhaupt zu sagen.
"Du willst was?", er sah mich verwirrt an. Das war nicht die Reaktion, die er erwartet hatte.
"Ich will, dass wir es nochmal machen. Nicht weil ich auf dich stehe oder so, denn das tue ich nicht. Auch wenn du, um ehrlich zu sein, ziemlich heiß und dann auch noch so gut bist."
"Aber warum willst du es dann?", Minho schien es immer noch nicht wirklich zu verstehen, aber das würde in seiner Situation vermutlich niemand.
"Geheimnis. Das verrate ich dir nur, wenn du mir sagst, wieso du überhaupt mit mir geschlafen hast, wenn du doch so straight bist. Ich hab im Übrigen immer noch Schmerzen, aber hey, ich bin bereit mich nochmal zu opfern."
"Meine Sexualität geht dich nichts an."
"Da wir es miteinander getrieben haben, geht es mich zwar schon etwas an, aber okay. Also... machst du es?"
"Was soll ich machen?"
"Mit mir schlafen, du Idiot!"
Anscheinend war ich ein wenig zu laut gewesen, denn ein paar der wenigen Schüler, die hier waren, sahen zu uns.
"Musst du unbedingt so schreien?"
"Wenn du meine Frage nicht beantwortest, schreie ich gleich noch lauter. Und dann schreie ich noch ganz andere Dinge. Was du gestern alles mit mir gemacht hast zum Beispiel."
"Ich werde nicht mit dir schlafen, Jisung. Das war ein Ausrutscher, okay? Eine einmalige Sache."
"Komm schon, Minho. Nur noch einmal. Du weißt doch: Zwei Mal ist kein Mal."
"Erstens: Das Sprichwort ist falsch. Zweitens: Nein. Es ist und bleibt eine einmalige Sache."
"Bitte. Danach lass ich dich auch in Ruhe. Du mochtest es doch, oder nicht?"
"Nur weil du 'bitte' sagst, macht es das nicht wahrscheinlicher. Ich sagte, dass ich es nicht noch mal mache. Auch wenn du nicht schlecht bist."
Ab hier blieb mir nur noch eine Möglichkeit, wie ich versuchen konnte ihn zu überzeugen. Wenn das nicht funktionierte, hatte ich keine Ahnung mehr was ich machen sollte. Vermutlich würde ich dann wohl oder übel akzeptieren müssen, dass ich meine Alpträume nicht los werden konnte. Mit meinem gesamten Selbstbewusstsein stellte ich mich näher an Minho, legte meine Hände hinter seinen Nacken und küsste ihn verlangend. Was das bewirken sollte, wusste ich auch nicht wirklich, aber irgendwie sagte mein Kopf mir gerade, dass ich das machen sollte.
Minho erwiderte, allerdings vermutlich eher instinktiv als wirklich absichtlich.
"Machst du es?"
"Nei-"
Bevor er zuende reden konnte, drückte ich ihm wieder meine Lippen auf. Dieses Mal schien er schneller zu realisieren, was passierte und schubste mich weg, sodass ich, geschickt wie ich war, rückwärts über meine eigenen Füße stolperte und auf dem Boden landete.
"Warum bist du so versessen darauf, Jisung? Es wird nicht wieder passieren."
"Das verstehst du sowieso nicht. Es ist zu verrückt."
"Genauso verrückt wie du? Du hasst mich, also warum willst du unbedingt mit mir schlafen?!"
"So verrückt wie du. Ich meine, wer schläft mit jemanden vom gleichen Geschlecht, den er auch noch hasst, und grenzt dann seine Freunde aus, weil sie schwul sind?"
Ich ließ Minho einfach stehen und ging dann zu Felix, Changbin und Hyunjin, die mich geschockt ansahen. Vermutlich hatten sie alles gesehen, aber nichts gehört.
"Also ich hätte nicht erwartet, dass euer Treffen so gut abläuft, dass ihr am nächsten Tag in der Schule rumknutscht.", meinte Felix, "Vor allem nach dem gestern mit Binnie."
"Ich bin so überrascht wie ihr.", meinte ich nur. "Aber ganz offensichtlich ist er immer noch das gleiche Arschloch wie davor."
"Deshalb küsst du ihn auch.", erwiderte Changbin.
"Ja, das ist eine ziemlich seltsame Geschichte. Ich erkläre sie euch morgen. In der dritten Stunde ziehen sie mir endlich die Fäden aus der Wunde an meinem Kopf und vermutlich muss ich davor noch Ewigkeiten im Wartezimmer sitzen und jetzt gerade haben wir nicht mehr genug Zeit dafür. Oder ihr kommt mich heute Nachmittag besuchen, ich erkläre euch alles und wir machen was Lustiges."
"Klingt gut. Deine Eltern freuen sich bestimmt, wenn sie deine Freunde kennenlernen.", antwortete Felix.
"Hyunjin, du kommst auch. Sonst bin ich irgendwie überflüssig, weil die beiden ihre Augen nicht voneinander lassen können."
"Einverstanden."
"Okay, dann um 3 Uhr bei mir?"
Alle stimmten zu und nach Ende der Pause, machte ich mich auf den Weg zum Arzt. War es wirklich eine gute Idee, ihnen zu erzählen, was zwischen Minho und mir vorgefallen war?
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