70 | gehen müssen.

An diesem Nachmittag war Hogwarts in einem Chaos versunken, das das Schloss schon viel zu lange nicht mehr gesehen hatte. Madam Pomfrey versorgte letzten Endes drei Schüler, deren Füße in einem magischen Verschwindesumpf Blasen geschlagen hatten, vier Hufflepuffs, die dazu verdammt gewesen waren, erfolglos gegen die unerklärliche Flut in Umbridges Klassenzimmer anzukämpfen, und drei Slytherins, die man lädiert und ohne klaren Verstand in dem Büro des Schulleiters aufgegriffen hatte.

„Ich hab gehört, sie haben eine Überdosis Dös-Trüffel aus Dumbledores Regal genascht! Wie irre kann man sein?", war das Gerücht, das sich am kommenden Morgen dazu verbreiten würde und das Tina Bigstein mit flammendem Blick über den ganzen Ravenclawtisch rief.

Als Logan jedoch noch an jenem Tag, während die letzte Wogen des Durcheinanders durch die Gänge schweiften und in der Ferne gelegentlich noch der ein oder andere Böller explodierte, den Gemeinschaftsraum betrat, saßen Naome und Anne bereits in den Sesseln vor dem Kamin und spielten Zauberschach.

Noch nie war Logan so erleichtert gewesen, sie zu sehen.

„Wo bist du gewesen, Ainsley verdammt?", begrüßte Naome sie halbherzig, ohne von ihrem Spielbrett aufzusehen. „Sag nicht, du hast den krassesten Tag in Hogwarts' Geschichte verschlafen?"

„Wieso?", fragte Logan und glitt mit reueloser Unschuldsmiene neben sie. Brixton war soeben die Schlafsaaltreppen hinunter geeilt und steuerte geradewegs auf sie zu. „War was?"

Naome grinste.

Logan hörte ihre Geschichte noch ganze sieben Mal, bevor sie an diesem Abend schlafen ging. Wie George ihnen die Kotzpastillen zugesteckt hatte. Wie sie sie heimlich in den Keksgebäcken auf den Gryffindor- und Slytherintischen verteilt hatten. Und wie es geklungen hatte, als es losgegangen war.

„McGonagalls Blick hättest du sehen müssen", jauchzte Naome zum wiederholten Mal, als sie Abends im Schlafsaal lagen und an die Holzbalken über ihren Köpfen starrten. Allesamt durchflutet mit dem seltsamen Gefühl, alles schaffen zu können. „Als wäre sie am liebsten davongerannt."

Es war einer dieser siegreichen Abende, von denen man spürte, wie sie sich ins Gedächtnis brannten. Jene, an denen die Luft zuckerwattensüß schmeckte, weil man selbst unschlagbar war.

Und später dann, als Logan im Einklang mit Naomes dösigem Schnarchen durch die Geheimnisse der Dunkelsten Kunst blätterte, wusste sie, dass sie es auch nie vergessen würde.

Blaise Zabini, Janette Parkinson und Markus Flint konnte man selbst dann kein Motiv für ihr Vergehen nachweisen, als sie den Krankenflügel am Ende des Wochenendes verließen. Keiner der Drei erinnerte sich auch nur im Entferntesten daran, Albus Dumbledores Büro betreten zu haben. Geschweige denn, in den Trümmern seiner Vitrine gelandet zu sein.

Und selbst, als sie am Montag bei Pflege Magischer Geschöpfe Nester für Bowtruckle basteln sollten, wirkte Flint benebelt.

„Bei Merlin, was ist mit ihm?", raunte Brixton ihnen zu und musterte, was für Schwierigkeiten Markus dabei hatte, das Brett vor seiner Nase mit seinem Zauberstab zu fixieren.

Naome zuckte resigniert mit den Achseln. „Manchen macht das Abschlussjahr echt zu schaffen, hm?"

Die einzigen, die nicht aalglatt aus dem Durcheinander davon rutschten als hätten die großen Zauberer sie mit Dummheitsglück gesegnet, waren die Weasley Zwillinge. Und die betraten die Große Halle am Morgen nach dem Chaos mit feierlicher Gefasstheit. Vermutlich, weil Lee ihnen gesteckt hatte, dass eine raketenkörperschwenkende Umbridge und eine zerknirscht dreinblickende McGonagall bereits zwischen den Häusertischen auf sie warteten.

Also traten Fred und George ohne Umschweife an sie heran, würdigten den herzhaft duftenden Croissants keinerlei Blicke, und verbeugten sich vor den beiden Professoren so devot, dass ihre Nasen den Steinboden berührten.

Die Hälfte der Halle starrte in erwartungsvoller Hochachtung. Die andere Hälfte kicherte.

Ansonsten war es totenstill.

Bis Umbridge in einer fuchsteufelswilden Tirage losbrach. So grellend laut, dass selbst unter zusammengekniffenen Augen nur Bruchstücke zu verstehen waren - Bodenloses Fehlverhalten; Scham für die ganze Zaubererwelt; Peitschen in den Kerkern; Filchs Bestrafungsvorschlag; Daumennägel an den Wänden; Wenn Cornelius das nur wüsste; Drei Stunden jeden Morgen.

Das war der Moment, an dem Filch mit verhängnisvoll rasselnden Metallketten in die Halle getaumelt kam, um sie abzuführen. Mit einer gierigen Vorfreude, die auch Freds schamloses Zwinkern nicht wettmachen konnte, bevor er und George die Große Halle verließen.

„Ich hab gehört, Harry Potter ist aufgelaufen."

Die Bank ächzte, als Corben sich neben Logan fallen ließ. Prompt riss sie sich von den Zwillingen los.

Corbens Ausdruck war nüchtern. Undeutbar als wäre ihre letzte Unterhaltung kein Streitgespräch gewesen.

„Hat wohl versucht, während des Tumultes gestern in Umbridges Büro einzusteigen."

„Pff", machte Naome und löffelte herzhaft ihr aufgeweichtes Müsli „Anfänger."

Umbridge stöckelte mit rasender Brust zum Lehrertisch zurück, ihre Schleife ertrank wie ein sinkendes Boot in ihrem Haar.

„Aber ernsthaft", kam es von der Seite und Rob fiel überaus genüsslich neben Corben nieder. Ein generös belegtes Käsebaguette schwingend. „Hätten wir besser gemacht."

Gegen ihren Willen feixte Naome.

Corben hingegen blieb kalt. „Dass du überhaupt was zu lachen hast", konterte er und deutete zur Juwelenglaswand hinter dem Lehrertisch. „Slytherin wurden wegen Flints Aktion hundertfünfzig Punkte abgezogen. Was hatte der überhaupt in Dumbledores Büro zu suchen, hm?"

„Ich hab andere Sorgen als Hauspokalruhm, Corbs."

„Ich kauf euch erst ab, dass ihr mit der Sache nichts zu tun hattet, wenn du auch nur für drei Sekunden mit dem Grinsen aufhörst."

Rob schnaubte gegen sein Baguette. „Sorry, Mann, dafür bin ich einfach ein zu großer Sonnenschein."

Anne gluckste in ihren Tee. Und sogar Corbens Mundwinkel zuckten. Einen minimalen Augenblick lang, bevor Brixton begann, über ihre Kräuterkundeabschlussprüfung zu fachsimpeln. Und darüber, ob die im Gewächshaus eingeschlagene Rakete die Benotung milderte. 

Naome und Logan blieben bei den verstohlenen Blicken, die sie noch für den Rest des Tages teilten.

Auch, wenn Corben Logan ins Ohr flüsterte, bevor er ohne sie in die Bibliothek aufbrach: „Ich weiß, dass ihr eure Finger im Spiel hattet. Und dass das nicht einfach nur eine Racheaktion war."

Als hätte sie das nicht längst geahnt.

„Er kanns nicht lassen. Er kanns einfach nicht lassen." Rob kickte später sein metallenes Feuerzeug gegen die Steinwand – ein blechernes Scheppern, das fast wie Geschirr klang.

Sie hatten sich grade erst aus der Großen Halle gestohlen und der Frühstücksduft haftete noch an ihrer Kleidung, als Logan den Bucheinband zuschlug. Rob klopfte mit seinem Hintergrund gegen die Wand des Geheimgangs.

„Alles auf der Welt kann er hinnehmen, aber jetzt auf einmal ist er –"

Logans Finger glitten über den Ledereinband. „Und wenn wir ihm die Wahrheit sagen? Dass wir den Kompass –"

„Dann wird er uns begleiten, wenn wir losgehen." Rob schnappte sich sein Feuerzeug zurück. „Wir tun ihm hiermit einen Gefallen, alles klar? Damit er das glamuröse Leben haben kann, das er haben will. Eines Tages versteht er das."

Bei dem trockenen Kommentar konnte Logan nicht einmal schnauben, so wahr war er. Und allein Corbens wissender Blick, als er gegangen war, hatte gereicht, um Logans ganze Kehle auszutrocknen.

Auch, wenn sie hoffte, dass er ihre Abweisung hinnehmen würde, wenn sie nur noch ein wenig länger durchhielten – dass Corben auch dies eines Tages akzeptierte und dass es dann nur ihr schmerzen würde, wenn sie ihn als guten Freund verlor.

Mit zusammengepresstem Kiefer starrte sie auf den Ledereinband. So konzentriert, sie hatte beinah das Gefühl, in der schwarzen Maserung zu versinken. 

„Und jetzt?", hauchte sie schließlich und sah sich in dem Gang um, in den Fred sie vor einer Unendlichkeit einst vor Umbridge davongezogen hatte. Vor ihrem ersten Saisonspiel, Nordwest.

Noch immer tropfte Nässe von den Wänden und im blassen Tageslicht sah dieser Ort viel beklemmender aus. Genau so wie die ziellose Dunkelheit, in die er führte.

Robs Augen glitten über das Buch, das sich durch Logans Hände wand als wäre es federleicht.

„Ich weiß nicht, ob ich es überhaupt lesen will." Die Naht seines Hauspullovers spannte sich über sein Kinn. Und in seinem Ausdruck lag die Abscheu, die auch Logan empfand, wann immer ihre Kuppen den Einband striffen. Den inneren Ekel und den keilenden Widerstand, der ihr Galle die Speiseröhre hochjagte. 

Kaum, dass sie gestern Abend einen ersten Blick in das Buch geworfen hatte, wusste sie: Nichts von all dem, was sie erfahren musste, wollte sie wirklich wissen.

„Wir haben aber keine andere Wahl", sagte sie trotzdem, weil sie selbst das dringend hören musste. War eine Art des Schmerzes, die milder wurde, wenn man ihn teilte. „Ich bin das Inhaltsverzeichnis durchgegangen. Einige Dinge können wir vielleicht auslassen. Dämonenbelebungen oder so."

Robs Nasenflügel blähten sich.

„Wir sollten uns abwechseln", befand er und nahm ihr das Buch aus der Hand. Bedachte es mit einer Ehrfurcht, die alles möglich werden ließ. Als könne sich irgendeine Offenbarung jederzeit aus dem Einband lösen. „Damit wir nicht verrückt werden. Wenn wir uns vorm Frühstück hier treffen, können wir gemeinsam arbeiten."

Und prompt erschuf er ein Duplikat, das wie in halbherziger Transparenz in seinen Händen erschien. So, wie sie es damals im Ruinenzimmer immer getan hatten; solch eines, das verpuffen würde, sobald sich ihre Wege trennten.

Logan schwieg und nahm das Original entgegen. Folgte Rob, als er bei seinem Exemplar das Inhaltsverzeichnis aufschlug. Seine schmalen Augen brannten sich in die Worte.

„Kapitel eins, Gebeine der Wiedergeburt. Kapitel zwei, Inferie lebender Toter." Er las mit einer Kälte, die die Lettern beinah noch schrecklicher machten. „Kapitel sechs, Bänne der blutenden Unsterblichkeit – Glaubst du das ist, was Du-Weißt-Schon-Wer wollte?"

Logan blinzelte. „Unsterblichkeit?" Diese Vermutung hatte sich schon gestern Abend in ihr Unterbewusstsein geschlichen. Gestern war ihr bei diesem Gedanken schwummrig geworden, sie hatte das Buch zugeschlagen und sich krampfhaft an das Hochgefühl des Allesschaffens geklammert, als sie eingeschlafen war. Diese Befürchtung nun trotzdem laut auszusprechen war allerdings, wie ein Brandmal ins eigene Fleisch zu senken.

Dennoch klammerte Logan sich an eigener Nüchternheit: „Vielleicht."

„Klingt zumindest nach etwas, wobei mein Dad mit seiner Forschung hätte helfen können. Seelen. Unsterblichkeit."

Logan runzelte die Stirn. „Gibt's eine Möglichkeit, Seelen unsterblich zu machen?"

Robs Miene schmälerte sich. Glitt an die Geheimgangswand und verfing sich dort. 

„Gerüchte", sagte er schließlich und Logan sah an seinem Ausdruck, dass er soeben einer Überlegung hinterhergehangen hatte, die er lieber nicht aussprechen wollte. „Hoffen wir einfach, dass nichts davon hier drin steht." 

Er blätterte durch die fahlen Seiten, die keinen Luftfächer erzeugten; die Locken in seiner Stirn blieben platt. Er schlug sein Duplikat zu, kein Staub wich aus ihm heraus.

„Ich kann anfangen", sagte er dann. „Kapitel eins."

Der Wiederwille war zu Logan zurückgekehrt und Rob musste das sehen. 

„Wir müssen das lesen, Logan. Egal, was drin steht. Die Chancen, dass auch Du-Weißt-Schon-Wer es gelesen hat –"

„Sind gigantisch, ich weiß." Ein kleiner Wasserfleck hatte sich in Logans Sweater gesogen und sie genoss die Kälte zwischen ihren Schulterblättern, als verriet sie ihr was. „Rob?"

„Hm?"

„Niemand darf dieses Buch sehen. Schon gar nicht Corbs", beteuerte sie und schob es zurück in ihren Rucksack, weil sie es nicht mehr sehen wollte; nicht mehr sehen konnte. Den Antworten so nah und sie nahm am liebsten reißaus. „Wenn auch nur irgendwer weiß –"

„– dass wir im Dreck von Du-Weißt-Schon-Wem wühlen, werden wir zum Dreck von Du-Weißt-Schon-Wem. Hab ich verstanden. Mein Vater hat danach gelebt."

Die Verbissenheit, die bei jeder von Kalgans Erwähnungen in Robs Ausdruck schimmerte, spannte sich bis an sein Kinn.

„Wir rächen ihn", flüsterte Logan, weil sie wusste, dass Rob diese Hoffnung nun brauchte. Was auch immer sie bedeuten mochte, es war das, was auch sie über Wasser hielt, während die Furcht vor der Wahrheit sie in die Tiefe sog.

„Ich weiß", raunte Rob und starrte den Geheimgang entlang, bis die Dunkelheit seinen Blick verschlang. „Wir haben keine Wahl."

Für den Rest des gesamten Wochenendes tauchten die Weasleyzwillinge nirgendwo auf. Nicht im Innenhof, wo sich eine Gruppe Drittklässler fehlgezündete Raketen vom Freitag zuwarf, und auch nicht beim Mittagessen, als die Hauselfen der Küche Kartoffelgratin servierten, nach dem es in jedem Gang des Schlosses roch.

„Glaubst du, es wär berechtigt, sich Sorgen zu machen?", raunte Naome Logan am Sonntag zu, als sie zum Frühstück kamen und die beiden Rotschöpfe noch immer fehlten. Umbridge hingegen saß erhaben, aber mit vor nachträglicher Wut geschwollenem Kiefer, inmitten des Lehrerpultes.

„Ich hab gehört, dass sie direkt nachsitzen mussten." Auch Logans Blick war die Halle hinab gewandert. Angelina sah genau so unschlüssig drein. „Lee sagte, sie müssen jetzt jeden Tag hin, die ganzen nächsten zwei Wochen. Danach haben sich gestern im Schlafsaal verbarrikadiert. Lee musste auf dem Sofa geschlafen."

Und genau so sah sein verwobener Afro heute auch aus. Immerhin etwas, das Logan von zu großer Sorge abhielt.

Dabei war das nächste Mal, an dem sie den Zwillingen wirklich begegnete, erst der kommende Abend. Die Tore der Großen Halle waren bereits zum Abendessen geöffnet und Logan hatte sich gerade von einem raschen Wortwechsel mit Rob aus dem dritten Korridor geschält – ihr schwierte immer noch der Kopf von dem Kapitel über Inferi, das sie so taub wie möglich verschlungen hatte –, da erspähte sie sie: An der Wand neben dem Schlossportal. Bandagierte Hände in den Taschen vergraben. Augenringe tief, Mienen verkeilt.

Und Marcus Flint, der sich mit einem unverkennbar knallroten Raketenkörper vor ihnen aufbaute.

„Ich bin nicht blöd, Weasley", zischte er und die ersten Schülergruppen waren bereits stehen geblieben, als Logan am Fuße der Treppe ankam. „Ich weiß, dass ihr das wart."

„Was, das Feuerwerk?"

Die Zwillinge blickten unschuldig. Scheinheiligkeit, die man nur an dem schamlosen Zucken ihrer Mundwinkel erkannte.

„Freut uns, dass es dir gefallen hat, Flint."

Rasch holte Fred aus, um nach dem Feuerwerkskörper zu schnappen – „Kostet dich übrigens zwei Galleonen, das Ding."

„Kann mich nicht erinnern, dass du die je bezahlt hast."

Doch Flint war schneller.

„Ah ah ah", machte er und reckte den Böller gewinnbringend in die Höhe. „Das ist mein Souvenir, aus Dumbledores Büro." Und mit dem nächsten Schritt, den er vortat, verfinsterte sich sein Gesicht. „Ich weiß nicht wie, aber ihr hattet eure Finger im Spiel. Ihr und dieser Pierce."

„Hey", Fred hob theatralisch die Arme vor die Brust. „Wenn ihr geheime Dates in Dumbledores Büro ausmacht, ist das nicht unser Ding."

„Ja Flint. Es gibt Dinge, die wir gar nicht sehen wollen."

Die Ader an Flints Schläfen ballte sich. „Ich mach euch kalt", raunte er.

Fred feixte hohl.

„Ich meins ernst."

„Wieso, weil sie in Askaban schon 'ne Zelle für dich reserviert haben?"

Die Stimme erklang so plötzlich, dass Logan herum fuhr – und erst da bemerkte, wie sehr die Szenerie sie in den Bann gezogen hatte.

Rob sprang neben ihr auf den Treppenabsatz. Verschränkte die Arme vor der Brust und schlenderte auf Flint zu, dessen Knöchel um den Feuerwerkskracher gefährlich weiß hervorstachen.

„So eine schöne kleine Kammer", sinnierte Rob. „Direkt neben deinem Dad."

„Da spricht genau der Richtige, Pierce." Auf Flints Miene breitete sich genussvolle Gehässigkeit aus. Und auf die Art und Weise, wie Robs Lippen zusammen schossen, wusste auch er, welche Steilvorlage er gerade gegeben hatte. „Ich hab gehört, dein Vater –"

Silencio. Logans Zauberstab zuckte kaum. Und der grellblaue Lichtblitz, der Flint im Magen traf, erschien nur flüchtig. Ein Blinzeln, und man hätte ihn kaum gesehen –

Alle weiteren Worte blieben ihm in der Kehle stecken.

„Danke für den äußerst spannenden Vortrag, Marcus", flötete Fred und klopfte ihm fröhlich auf die Schulter, um sich an ihm vorbei zum Essen zu schieben.

Den freien Arm schlang er bereits um Logans Schulter. Zuckte nicht einmal, trotz seiner bandagierten Hand; trug nur einen Hauch beflügelten Stolz.

Und Flints Augen ballten sich als würden sie platzen. Hatte schon seinen Zauberstab gezogen zielte geradewegs auf Logans Brust –

Doch brachte keinen Ton heraus. Und damit auch keinen noch so blamablen Kitzelfluch.

„Na na, nicht so aggressiv", befand Rob und umklammerte Flints Zauberstab. Stemmte sein Gewicht dagegen, dass das Holz verboten ächzte. „Wär doch schade, wenn er kaputt geht."

„Rob. Das reicht."

Abrupt fuhr Rob herum. Corbens eiskalter Ton fegte den gesamten Schlosseingang leer. Hinter ihm lugte Professor Flitwick aus der Halle.

„Meine Herren, wenn ich bitten darf", fiepte er, doch in seinen Worten schwang eine Anspannung mit, die eher ein Appell als eine Zurechtweisung war. Eine Erinnerung daran, dass Umbridge womöglich am Lehrertisch saß. Und ihre nächste Bestrafung bloß einen Pechmoment weiter entfernt.

Also ließ Rob die Hände sinken. Vergrub sie in den Taschen und schlenderte zur Großen Halle hinein. Raunte trotzdem, so trocken leicht, dass nur noch Logan es hörte: „Corbs, verdirb mir nicht immer den Spaß."

Doch der hatte dafür nur ein Schnauben über. Und keinen einzigen Blick, den er Logan schenkte. Also zog Fred sie bloß noch enger an sich heran, bevor er sie zum Ravenclawtisch gehen ließ.

„Sie hat euch sowas von am Haken, oder?", tippte Logan dann am Montagnachmittag, als Freds sie am Handgelenk aus der Schülermasse zog, die nach Unterrichtsschluss die Ländereien ansteuerte.

Draußen schien die Sonne. George lehnte an der Mauer des Innenhofes und ruckte mit den Achseln: „Naja, ist ja nicht so, dass wir es ihr schwer gemacht haben."

Fred verschränkte die Arme vor der Brust. „Die Böller trugen unsere Unterschrift."

Mit einer Belustigung, die sich wie Magensäure in ihrer Kehle anfühlte, blinzelte Logan gegen das grelle Sonnenlicht. Sie ahnte es schon. Freds Ausdruck fühlte sich nach Abschied an.

„Ist das euer Zeitpunkt, zu gehen?"

Fred seufzte. Der Verband an seiner Hand hatte schon begonnen, sich aufzulösen. „Ja. Vielleicht schon."

Und mit dieser Offensichtlichkeit fühlte sich der Sieg und die greifbare Unsterblichkeit des vergangenen Freitags nicht mehr so beflügelnd an. Als hätte ein gewaltiger Anker Logan zurück auf den Boden der Tatsache gezogen.

„Ich kann mir zumindest Schöneres vorstellen als in der großen Halle ausgepeitscht zu werden", sagte George und verzog seinen Mund.

Fred runzelte die Stirn. „Oder an den Daumen aufgehangen."

„Mann, Filch wird enttäuscht sein."

Die Nachmittagssonne war kalt geworden.

„Es wird schrecklich hier, wenn ihr geht", flüsterte Logan und hoffte, dass sie es verstanden, ohne dass sie es je aussprechen musste; Geht nicht.

„Hey", raunte Fred, „es sind bloß drei Monate."

Logan jedoch wusste, es wäre vielleicht auch eine Lebenszeit. Und in der Hoffnung, dass Fred auch das verstand, sagte sie: „Drei Monate können lang werden."

Er tat einen Schritt auf sie zu, die Fingerkuppen rau von Politur und Schießpulver. „Nicht lang genug, um dich zu vergessen."

George hustete trocken. Fred verzog sein Gesicht. „Dann hör halt kurz weg, macht dir das was aus?"

Abwehrend hob sein Bruder die Hände vor die Brust, glitt einen Schritt beiseite. Als gäbe dies ihnen die Privatsphäre, die sie brauchten; den Moment, den Logan niemals loslassen wollte. Als könnte sie sich an Freds Iris klammern und mit ihr an all die Wärme, die darin lag.

„Was habt ihr vor, mit dem Buch?", fragte er und gab ihr wie immer das Gefühl, dass sie über mehr sprachen als Worte es erlaubten.

„Wir lesen es", antwortete Logan. „Von vorne bis hinten. So lange, bis wir etwas wissen."

„Versuch nur, nichts Dummes zu tun, nur weil ich jetzt gehe."

Logan lachte. „Nichts Dummes, ist klar."

Doch Fred versuchte sich an Ernst: „Du kannst Hogwarts nicht einfach so verlassen, das weißt du?"

Logan seufzte. „Ich weiß."

„Hey", scherzte Fred „ich hab schon ein Bein für dich hingehalten." Dramatisch führte er ihre Hände um seinen Hals. Kam auf sie zu, damit er noch näher war. „Wenn du so weitermachst, hab ich irgendwann keine mehr."

„Ist schon verstanden", beteuerte Logan. „Ich pass auf mich auf."

Zufrieden glitten Freds Augen über ihr Gesicht. „Wenn die drei Monate vorbei sind, werden wir eine Lösung finden. Für alles."

Wenn Logan sich genau genug konzentrierte, hörten diese Worte sich nach einem Versprechen an. Auch, wenn Fred es gar nicht geben konnte. Auch, wenn sie nicht wusste, ob diese drei Monate nicht eine zu lange Zeit waren.

Einfach, weil Logan tief in sich ahnte: Sie würde vielleicht nie zu ihm zurückkehren. Und die Zeit, die sie hatten, war womöglich vergangen.

„Fred?", flüsterte sie, weil sein Name ein Balsam für ihre Seele war und der Gedanke daran, ihn gehen zu lassen, Gift. „Was passiert, wenn ich Hogwarts verlasse?"

Sie wusste, dass er die Wahrheit kannte. Doch sie hoffte, dass er log.

„Ich weiß es nicht", sagte er jedoch und war näher an der Wahrheit dran als jeder von Logans Entschlüsseln. „Was passiert dann?"

„Keine Ahnung." Logan musterte, wie die Kuppen seiner Finger vor ihrer Stirn tänzelten; als suchten sie den perfekten Wimpernschlag, um sie zu berühren. Und schon glitten seine Finger durch ihr Haar und es war als schenke er ihr Sauerstoff. „Wo seid ihr, wenn ich Hogwarts verlasse?"

„In unserer Wohnung über dem Laden." Eine Haarsträhne fiel aus dem Brillengestell, landete hinter Logans Ohr. Freds Mundwinkel zuckten. „Wir haben noch ein Zimmer frei, weißt du. Du könntest vorbeikommen."

Logan presste die Lippen zusammen. Sie hatte noch nie über ein tatsächliches Leben nach diesem Schuljahr nachgedacht; baute sich vor ihrem inneren Auge auf wie eine schwummrige Idee, die sie mal gehabt, doch lange hinter sich begraben haben musste.

„Bei dir leben?" Noch während sie es aussprach, noch während sich die Bilder vor ihren Augen formten wie ein Willkommensgruß, verschloss sich etwas anderes davor.

George räusperte sich hohl, korrigierte: „Bei uns."

Logan schielte zu ihm. „Bei euch."

Dabei zuckte Fred nur die Achseln. Als wäre es nur eine Idee gewesen, flüchtiger als eine Einladung zum Ufer des großen Sees.

„Ich mein ja nur. Solange, bis du eben weißt, was du tust. Nach der Schule."

„Ich geh wahrscheinlich nach Irland zurück."

Sie wusste, dass sie ihm diese Vision nicht ewig geben konnte: Die Vorstellung von ihnen beiden in Freiheit. Von ihnen beiden mit einer Lösung. Also nahm sie sie ihm mit ihrer Ehrlichkeit.

Und Fred ließ es geschehen.

„Das wäre okay", befand er und lächelte tatsächlich, sein Atem umhüllte sie wie ein Ruf in die Ferne und Logan konnte nicht anders als ihm zu glauben. Es wäre okay.

„Wann werdet ihr gehen?", fragte Logan, bevor sie zu lange schweigen konnten. Bevor Freds Blick und der Ausdruck auf seinem Gesicht Oberhand über ihren Verstand gewann.

Er bestätigte, womit Logan gerechnet hatte: „Morgen." Und dann holte er tief Luft.

„Hör mal, Logan", sagte er und musterte, wie ihre Finger um seine glitten als wären sie nie für etwas anderes gemacht. Doch dann stieß er die Luft aus seiner Lunge heraus und starrte zu ihr. Das Grinsen ein Hauch von Qual. „George wird mich das hier nie vergessen lassen."

Den Schritt, den George sich eben entfernt hatte, trat er wieder auf sie zu, selbstgefällig: „Hmmmm."

Dabei sah er sie nicht an, konzentrierte sich bloß auf die Vögel, die über den Baldachin am anderen Ende des Innenhofes tanzten. Über Nacht war es Frühling geworden.

„Kannst du bitte gehen?"

George lachte. „Kommt gar nicht in Frage. Ich muss dich das laut sagen hören, sonst glaub ich's nicht."

Fred stöhnte. „Ach bei Merlins –" und schließlich sah er wieder Logan an. Und in seinem Blick lag dieser Ausdruck, der ihn nach Worten suchen und Wahrheiten finden ließ.

„Wir beide wissen –", fing er an und mied dabei alles und vor allem ihren Blick, „dass ich ne Weile lang echt Mist geschwafelt hab, hm? Dass Liebe überbewertet ist und all so'n Zeug."

Logan schmunzelte. „Dass sie dir dein Herz bricht. Das hast du auch gesagt."

Fred rollte theatralisch mit den Augen. Wohlige Hitze brannte sich in Logans Kehle, hämmerte ihr bis in den Hals. Doch Fred löschte das Feuer nicht.

„Ja, das auch." Stattdessen sah er sie wieder an. Sein Grün geradewegs in ihr Blau. Entschlossen, fes:. „Jetzt tut sie das nicht mehr."

Vor einer ganzen Weile hätte Logan vielleicht gedacht, dass wenn Fred Weasley ihr je ein Liebesgeständnis machen würde, er es mit einem Grinsen im Gesicht und Schalk in den Augen tat. Dabei schenkte der Fred, der nun vor ihr stand, bedingungslose Ergebenheit. Und damit auch sein ganzes Herz.

„Versprich mir einfach, dass du nicht einfach so nach Irland gehst", sagte er nämlich und die Dringlichkeit in seinen Worten wäre ihr fremd gewesen, hätte sie ihn nicht aus Geheimgängen oder im Raum der Wünsche gekannt. „Versprich mir, dass du dich verabschieden wirst."

Logans Lippen kräuselten sich. „Sagst du mir grade, dass du auf mich wartest, Weasley?"

Freds Lachen war kehlig. Heiser und rau und unglaublich verlockend. „Treib es nicht zu weit, Ainsley."

Aber auf die Art und Weise, wie er sie an sich zog, ihre Stirn küsste und seine Atmung fiel, wusste sie: Es war ein Ja.

„Winkelgasse 173?", flüsterte sie also nur, lag in seinem Arm und roch sein Shirt. Blinzelte gegen die Sonne zu George hinauf.

Fred küsste ihren Scheitel, damit es ein Versprechen war: „Winkelgasse 173."

An diesem Abend brachte Logan es nicht über sich, Fred zu erzählen, was ihre und Robs Theorien zu dem Buch aus Dumbledores Büro waren. Sprach nicht über Unsterblichkeit, Inferie oder Rheinar Kalgan. 

Stattdessen konzentrierte sie sich auf die Berührungen seiner Haut, auf sein Lächeln in ihrem Haar und den leichten Klang seiner Stimme, wenn er im Wind der Ländereien verwehte.

Sie atmete Frühlingsduft und blendete sich bloß einen Abend lang mit Hoffnungslicht. Weil sie wenigstens für eine Nacht und für einen Tag, bevor Fred von ihr ging, ganz fest daran glauben wollte, dass sie ihn eines Tages wiedersah.

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Und? Glauben wir auch daran? 

Ja, Fred und George werden Hogwarts im nächsten Kapitel verlassen. Das lässt Logan und Rob mit dem Buch alleine zurück. Aber denkt ihr, dass Fred und Logan sich wirklich für immer voneinander verabschieden werden? 

Oder werden sie eines Tages doch gemeinsam über dem Laden der Zwillinge leben? Hach, schön wäre das wirklich.

Aber gut, wir werden's schon noch herausfinden. Lange bleibt uns in Hogwarts zumindest nicht mehr, aber nächsten Samstag genießen wir erst einmal den letzten großen Knall, den uns die Zwillinge fürs Erste bescheren. 

Can't wait; let's blow shit up. 

See you there, Ally x

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