62 | die DA.
Sie konnte sich selbst nicht erklären wieso, doch an diesem Abend wartete Logan vor dem knisternden Feuer des Kamins, bis die Flammen zu Glut und ihre Finger taub geworden waren.
Vielleicht, weil Freds Wärme sie nicht verließ. Vielleicht, weil seine Worte in ihren Ohren klingelten wie ein Rufgesang, dem sie nicht mehr widerstehen konnte. Du liebst ihn nicht. Du magst mich.
Und wenn sie ganz still war, wenn Logan ihre Augen schloss und ihren Rücken spannte, dann verspürte sie überall dort, wo Fred sie berührt hatte, noch immer ein seichtes Prickeln unter ihrer Haut. Als hätte er einen Teil von sich dort gelassen.
Der Gemeinschaftsraum der Ravenclaws war mittlerweile leer, auch die letzte Gruppe Drittklässler hatte sich mit ihren Gobsteinen in den Schlafsaal geschlichen und Logan hatte schon drei Mal nachgesehen: Naome, Anne und Corben waren noch immer nicht zurück. Nicht einmal Chos dunkles Haar glitzerte auf ihrem weißen Kissen.
Es war als hätte der Erdboden sie verschlungen, denn an anderen Tagen blieben sie nie so lange weg. An anderen Tagen schlug die Turmuhr im Zentralgebäude nicht zwölf, wenn sie noch fehlten.
Logan verharrte also unabdingbar auf ihrem Platz am Sofa; manchmal, wenn sie sich nicht mehr konzentrierte, glitten ihre Augen zu. Doch aus irgendeinem Grund brannte in ihr das Verlangen, jemanden zu sehen; mit jemandem zu sprechen. Als hoffe sie, irgendwer konnte ihr all die Sehnsucht nach ihrer Bindung zu Fred aus dem Verstand fegen – oder ihr zugestehen, wie berechtigt sie war. Irgendwer, der ihr ihre Fehler verzieh; irgendwer, der Corben war. Allerdings kam Corben nicht zurück.
So lange, bis um halb eins die Gemeinschaftsraumtür aufschlug.
So laut, Logan zuckte aus ihrem Schlaf und war prompt hellwach.
„Was ist los?", schoss sie hervor, bevor sie das einstürzende Chaos zuordnen konnte.
Eine Schülerschaar war eingefallen, Naomes Bruder allen voran, Ruß im dunklen Haar und Brixton hintenan, eine Schramme an der Stirn – Logan kämpfte sich durch sie hindurch.
„Wo seid ihr gewesen?"
„DA", war alles, was sie hörte. Ein beißendes Keuchen, das Naome kaum atmen ließ. Vor Schmerz presste sie ihren Handballen in die Seiten.
Irgendwer hinter ihnen schlug die Türe zu. Logan hatte Naome noch nie panisch gesehen. Und jetzt wünschte sie sich, sie könnte den Anblick aus ihrem Gedächtnis löschen, doch Naome starrte sie immer noch an, als sie sagte, was Logan die Nackenhaare zu Berge stehen ließ: „Aufgeflogen. Umbridge."
„Bei Merlin, was –", hatte Logan ansetzen wollen, wich zwei Drittklässlern aus, von denen eine weinte und ihr Begleiter humpelte. Naome hatte sie so fest am Arm gepackt als müsse sie ihr dringend noch etwas sagen, aber Logan hatte sich schon auf die Zehenspitzen gestellt, ihr Blick war die Gruppe entlanggewandert, da – „Corben!"
Der Junge im nachtblauen Mannschaftshoodie fuhr herum. Auch er atmete schwer, durchquerte ihre Distanz binnen Sekunden und Logan war noch nie so froh gewesen, ihn vor sich zu sehen. Auch, wenn er aus einem tiefen Riss unter seiner Augenbraue blutete.
„Jemand hat uns verpfiffen", zischte er, ließ aber zu, dass Logan ihm den Stoff ihres Sweaters auf die Wunde drückte. Ein dünnes Rinnsal seines Blutes sickerte in ihren Saum. „Wir stehen auf Umbridges Abschussliste."
„Wenn sie uns alle erkannt hat." Naome hatte aufgehört, die Fäuste in die Seite zu stemmen und verschränkte sie vor ihrer Stirn. Sie hatte noch nie so blass ausgesehen.
Logan sah sich um. „Wo ist Anne?"
Eine Fünftklässlerin hinter ihnen zog Glassplitter aus ihrem Haar.
Corben verzog das Gesicht. „Ein paar vom Inquisitionskommando haben sie erwischt. Tina auch."
„Wir sind gerannt, bevor sie uns kriegen konnten. Guter Klammerfluch übrigens, Corbs, danke."
Naome klopfte Corben auf die Schultern, doch der winkte bloß ab und hob Logans Arm von seiner Braue.
„Aber wie kann das sein?", fragte Logan. Corben ließ ihr Handgelenk nicht los ließ als brauche er ihren Halt. „Wer hat euch verpfiffen?"
„Ich weiß es nicht", erwiderte er und gemeinsam mit Brixton verzogen sie sich an die Tische unter die Treppe.
Einige Schüler waren von dem Lärm geweckt worden und stolperten in Pyjamas aus ihren Schlafsälen.
„Dabei hatten wir Glück", befand Brixton, als er sich den Stuhl zurechtschob. „Sie hatten's vor allem auf die Gryffindors abgesehen, denen haben sie den Weg versperrt."
Mit einem elendigen Übelkeitsgefühl starrte Logan aus dem Fenster, als könne der viel zu ruhig daliegende Gryffindorturm auch nur irgendetwas verraten.
„George ist geschnappt worden", sagte Naome, die quer über den Tisch Logans Gedanken gelesen haben musste. Und dann etwas leiser als wäre das ihr Anstand: „Von Fred hab ich keine Ahnung."
„Er hat mir Flint vom Hals gehalten." Corben starrte äußerst konzentriert auf die Nat seines Hoodies. Nüchtern. „Er hats vielleicht geschafft."
Und dann, mit einem Ausdruck, der Logan mehr gestand als sie je von Corben hätte verlangen können, begegnete er ihrem Blick und sagte, was viel zu viel verriet: „Du hast recht. Er ist verdammt gut in Schutzzaubern."
Logans Mundwinkel zuckten. Aus irgendeinem Grund hätte sie nie mehr von Corben gebraucht. Außer etwas, das wie ein Einverständnis klang.
Auch, wenn in dem Grau seiner Augen derselbe Schmerz lag wie an jenem Morgen, als er sie gehen gelassen hatte. Dabei hatte er schon lange erkannt, dass es nicht mehr nur Fred war, der Logan ansah. Denn mittlerweile sah sie zurück. Und Corben musste all die Dinge, die er nicht ändern konnte, lange verstanden haben.
Zumindest sprach der Seufzer davon, den er mit einem festen Blick auf die Ländereien entließ.
Solange, bis die Tür aufging.
Naome und Brixton schossen sich auf Zehenspitzen empor und spähten über die erregt diskutierenden Schülergrüppchen hinweg. Von Anne fehlte jedoch jede Spur. Stattdessen rieselten ein paar verrußte Nachzügler in den Raum hinein.
„Hey, hör mal", zischte Corben Logan zu, als Naome und Brixton noch außer Hörweite waren und flux beugte sie sich zu ihm über den Tisch.
„Das könnte etwas viel Größeres sein", sagte er und spannte die Schultern, sein Ausdruck nun viel Gequälter als eben noch. Und aus irgendeinem Grund ahnte Logan, was jetzt kam. Als hätte sie es tief in ihrer Magengegend lange gespürt: „Dumbledore hat angeblich die Schule verlassen."
Sie warteten in dieser Nacht noch lange, bis Anne wieder in den Gemeinschaftsraum kam. Naome war lange über drei Stuhlflächen ausgestreckt eingedöst und Brixton schnarchte gegen den Tisch. Corben hielt Logans Beine auf seinem Schoß und als schliefe er mit geöffneten Augen hatte sich sein Blick in der Ferne verloren.
Für einen kurzen Moment spielte Logan mit dem Gedanken, ihn zu fragen, worüber Fred mit ihm gesprochen hatte. Was er ihn hätte fragen und was Corben daraufhin hätte erwidern können. Doch weil sie nicht wusste, wie fest Naome döste, blieb sie stumm.
So lange, bis um drei Uhr zum wiederholten Mal die Adlertür aufging.
„Es tut mir leid für Sie alle, aber es liegt nicht mehr in unserem Ermessen", weckte Flitwicks quietschige Stimme sie aus ihrem Schlaf. Die Müdigkeit, die bis eben noch in Logans Kopf pulsiert hatte wie eine sich ankündigende Migräne, war verflogen. „Wir tun unser Bestes, um die Maßnahmen zu lockern. Eine gute Nacht."
Seine Worte verklangen und vier Schüler betraten den Raum: Eine Viertklässlerin mit tiefroten Augen, ein Sechstklässler mit einer Schramme im Gesicht, und Tina und Anne.
Logan hatte keine Ahnung, was sie von Anne erwartet hatte. Ob es tränenverschleierte Blicke waren oder auch vielleicht, dass sie am ganzen Körper zitterte. Dabei tat Anne gar nichts davon. Sie spitzte lediglich pikiert ihre Lippen und blinzelte ein paar Mal zu oft als sei sie just aus einer Trance erwacht. Ihre Hände hatten sich so fest in ihrem Umhang verkeilt, der Stoff müsste reißen, als sie zu ihnen an den Tisch trat.
Für einen Moment nur stand sie da und starrte sie alle an. Für einen Moment nur sagte niemand ein Wort. Bis –
„Dieses vermaledeite Biest!", spie Anne aus, ohne jegliche Vorwarnung. „Diese ätzende, eklige Kröte, ich werde sie –"
„Pscht!", machte Naome und taumelte, bevor sie Anne die Hand auf den Mund presste. „Du weckst noch alle."
„Mhmt mir doch mshmegal!", beteuerte Anne und riss Naomes Handfläche davon: „Sie ist die grauenvollste Person, die mir je begegnet ist."
Tina, die sich schleichend zu ihnen gesellte, zog sich ein Büschel loser Haare vom Kopf. Corben verzog das Gesicht.
„Sie hat uns gezwungen, Veritaserum zu trinken", murrte Tina und Logan hatte sie noch nie so kleinlaut gesehen. Allein die Blässe um ihre Nase machte diesen Augenblick noch viel schlimmer.
Brixton hatte die Luft eingezogen: „Und, habt ihr –?"
„Nein", grinste Anne und nickte zu Logan. „Deine Weasley-Freunde haben uns den Arsch gerettet, Merlin!"
„Fred und George?"
„Waren auch beide da, ja." Selbstzufrieden verschränkte Anne die Arme vor der Brust. „Haben uns aber kleine Ampullen zugesteckt, als wir von dem Inquisitionskommando in Umbridges Büro gezerrt wurden." Siegesgewiss streckte sie ein leeres, winzig kleines Glasfläschchen empor. „Gegengift."
Erleichterung flutete Logans Brust –
„Wie habt ihr das trinken können?" Selbst Naome konnte ihre Anerkennung nicht verbergen.
„In dem Klassenzimmer vor ihrem Büro ist ein irrer Tumult losgegangen, kaum waren wir drin." Tina schmunzelte. „Trötende Minroboter und kleine Feuerwerkskörper und irgendwer hat sich übergeben –"
„Das hättet ihr sehen sollen", seufzte Anne und klang als erinnere sie sich an ihren letzten Sommerurlaub. Oder an das Weihnachtsfestessen.
„Es hat aber nicht alle gerettet", erklärte Tina und nahm der Leichtigkeit den Wind aus den Segeln. „Timothy aus dem Sechsten hat versucht nichts auszuplaudern, aber was hätte er tun sollen?"
Anne sah dem Jungen hinterher, der eben noch über ihnen in die Schlafsäle verschwunden war.
„Es waren aber auch ein paar mehr, die geredet haben. Umbridge hat fast alle Namen."
„Sie lässt uns nachsitzen. Montag morgen."
Aus den Augenwinkeln konnte Logan sehen, wie sich Corbens Kiefer verhärteten. Für einen flüchtigen, unkonzentrierten Moment fragte sie sich, was mit ihm passieren könnte – und wie viel seiner Zukunft in Gefahr war.
„Es war die Bullstrode, die uns verraten hat."
Brixton ließ seine Hand auf die Tischplatte knallen. „Millicent?"
Anne nickte bedeutungsschwer.
In dieser Nacht fand Logan kaum Schlaf und innerlich dankte sie allen großen Zauberern, dass ihre Zwischenprüfungen grade so hinter ihr lagen. Denn auch hinter den Vorhängen von Chos, Naomes oder Annes Betten erlosch nicht das Licht.
Logan jedoch hatte den Stoff um ihr Bett einen Spalt breit offen gelassen und starrte aus dem Fenster hinaus. Das Licht im Gryffindorturm war verblasst. Und doch verließ die Nervosität sie nicht.
Denn aus irgendeinem Grund war die Ungewissheit zu dem Knall, den sie nicht gehört hatte, bloß wie ein Vorbote für ein gewaltiges Nachbeben gewesen. Ein Nachbeben, das sich ihnen mit den Morgenstunden näherte. Unabsehbar und wie ein fieser, drückender Kloß im Hals. Wie schweißkalte Finger und kribbelnde Nervosität.
Und alles, was Logan durch den Kopf spukte, war ein einziger Satz, den Sirius mal in einer vollkommen anderen Welt zu ihr gesagt hatte: Solange Dumbledore da ist, kannst du in Hogwarts sicher sein.
Dabei war der Gryffindorturm stumm. Fred und George saßen vielleicht noch immer in Umbridges Büro. Und Logan bildete sich ein, dass Dumbledores Präsenz hinter diesen Mauern tatsächlich fehlte.
So lange, bis etwas Kleines, Leichtes gegen ihre Scheibe klopfte. So zart, niemand der anderen hatte es gehört. Überrascht zog Logan ihren Vorhang beiseite, schlüpfte aus dem Bett –
Und starrte geradewegs in das Gesicht einer tennisballgroßen Schneeeule.
Ohne zu zögern ließ sie den Vogeln hinein. Der schüttelte jedoch bloß ein handflächengroßes Paket von seinem Fuße und flatterte als harmloser, weißer Schneeball in die Nacht hinaus, bevor Logan irgendetwas begriff.
„Alles gut?"
Naome hatte ihren Kopf aus ihren Vorhängen gesteckt. Rasch schloss Logan das Fenster; das Paket landete auf ihrer Matratze, bevor es jemand sah.
„Brauchte frische Luft."
Mit gerunzelter Stirn, aber kommentarlos, fiel Naome in ihre Kissen zurück.
Logan schlüpfte zurück ins Bett, zog die Decke über ihre Knie und den Vorhang zu. Mit einem letzten Blick hinaus in den Nachthimmel, doch die Eule war verschwunden. Als hätte sie sie sich genau so gut einbilden können.
Allerdings wandte Logan nun ein hellbraunes Paket in dem matten Licht, das von der kleinen Lampe hinter ihrer Kopfleiste drang. Nicht größer als ihre Faust, von Nachtkälte vollgesogen. Die Enden waren verbeult, das Papier eingerissen als hätte sich jemand beeilt. Dunkle Schatten tanzten am blauen Vorhangstoff.
Kein Adressat. Keine Gewissheit, dass diese Botschaft für sie war. Flüchtige Hoffnung, dass es eine Nachricht von Sirius war.
Und dann überwog die Neugier und Logan zog die rote, knittrige Schlaufe auf.
Ein hölzerner, handflächengroßer Gegenstand segelte in ihren Schoß. Beinahe hätte sie das Atmen vergessen.
Er war schmal und flach und eiskalt; ihr Kompass.
Ihr Kompass, gemeinsam mit einem Brief.
Seine Fehler sind behoben. Er hört bloß auf dich. Du bist die einzige, die ihm folgen kann. Sahnesorbet.
A.D.
Wie durch einen wässrigen Schleier starrte Logan auf die grüne Tinte und eine Handschrift, die sie noch nie so krakelig gesehen hatte. Ohne zu wissen, was geschehen war, geschehen würde oder gar geschehen sollte, legte Logan den Pergamentfetzen beiseite und sah auf den Kompass hinab. Die Kuhle, die er in ihre Bettdecke warf, glich einem Krater.
Die goldene Nadel hatte tatsächlich aufgehört, sich zu drehen und sein Gehäuse war gefrorenes Eis unter ihrer Haut. Als hätte er den Winter im tiefsten Schnee verbracht.
Albus Dumbledore hat angeblich das Schloss verlassen.
Einen kurzen Moment lang wusste Logan nicht, was passieren würde. Ein aberwitziger Sekundenbruchteil und alles erschien ihr möglich. Vorsichtig schlang sie ihre Finger um das Holz und so, als wäre er mehr als jedes Galleonensäckchen wert, hob Logan ihn ins warme Licht empor.
Und es stimmte. Er drehte sich nicht.
Er zuckte bloß, als Logan ihn berührte. Als wäre er aus einem langen Schlaf erwacht. Und dann rotierte seine Nadel, einmal ganz herum – und deutete auf die Ländereien hinaus.
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So. Da isser. Und er hat endlich ein Ziel. Hat schon wer eine Idee, was er wollen oder wohin er Logan führen könnte?
Glaubt ihr, sie wird ihm direkt nachgehen oder noch einen Moment abwarten?
Und was haltet ihr von Dumbledores Notiz? Ideen und Gedanken dazu?
Hach. Ich hoffe sehr, diese ganzen vielen Kapitel haben sich für euch gelohnt, denn from now on shit is about to go down.
Hier könnt ihr gerne noch letzte Theorien dalassen: Falls Logan mit dem Kompass geht, geht sie alleine oder wird sie begleitet? Von wem?
Danke für eure ganze liebe Rückmeldung. Ich finds so wunderschön, dass ihr alle schon so lange dabei seid und hoffe einfach so so sehr, dass die Auflösung dieser Geschichte gerecht wird.
Da dieses Kapitel "kürzer" war und ich mich auf das nächste SO SEHR freue, kommt das nächste Update schon wieder Sonntag. Drei Kapitel in einer Woche kann man mal machen.
Unendlichst viel Liebe, Ally x
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