29 | zeit.

Am nächsten Morgen wütete ein Sturm über Hogwarts und ein Tosen dröhnte durch Logans Kopf.

Der Samstag begrüßte sie und das zweite Quidditchspiel der Saison mit nieder hagelnden Gewittertropfen, die die Ländereien in ein Moorgebiet verwandelten. Eine Gruppe an Erstklässlern stackste in hüfthohen Gummistiefeln zum Stadion und der Lehmpfad, der den Weg eigentlich säumte, rann in einem Bach aus Ruhe und Gelassenheit davon. Und ein klein wenig riss er Logans Empfinden glatt mit sich.

Denn egal wie sehr sie sich konzentrierte, wie gefasst sie nach dem Aufwachen auf die am Fensterglas hinab rinnenden Regentopfen starrte oder den Blick in Annes wippende Lockenmähne verlor, während sie zum Frühstück aufbrachen - es kam ihr vor als begreife sie nichts. Als versuche sie, sich an die Gegenwart zu fesseln, sie zu fassen, dabei entwischte sie ihr wie dünsener Rauch.

Corben McLaggen hatte sie geküsst. Und zwischen all der Freiheit, der Geborgenheit und der drückenden Schuld wusste sie nicht, was sie tun sollte. Ihre Lippen waren selbst unter der Marmelade taub.

„Kaum zu glauben, dass er es geschafft hat, oder?", sinnierte Naome und ihre Miene sprach von wohlwollender Zufriedenheit, als sie ihr kurzes Haar aus dem Slytherinschal schlang, den sie sich extra für das Spiel geborgt haben musste. Beinahe glaubte Logan, Robs Initialen an der Innenseite eingeschrieben zu sehen, aber sie hätte sich auch täuschen können.

„Hm?", machte sie stattdessen und blinzelte.

„Sag mal, was ist los mit dir?"

Jetzt war die Zufriedenheit von Naomes Blick verschwunden. Hohn hatte den Platz eingenommen.

„Hat dich was aus dieser Welt gekickt, oder wie?"

Das ganze Schloss sprach über Corben. Und alles, woran Logan denken konnte, war sein brennend heißer Atem auf ihrer Haut. Und daran, wie offensichtlich es doch sein musste. Dabei wusste es beim Frühstück scheinbar immer nur noch George. Denn als das Gryffindor'sche Team sich um ihren Haustisch reihte, um ihm zu gratulieren - allen voran Angelina, die noch keinen Brief des Vorstandes erhalten hatte - lag nur in Georges Blick giftige Verschwörung.

Logan verschluckte sich fast an ihrem Toast, als er sich hinter ihnen vorbei schob und ihr zuhauchte, so leise, dass nur sie es verstand: „Frustrierend. An deine Glückwunsche kommt ja niemand ran."

Am liebsten hätte sie mit den Weintrauben nach ihm geworfen. Doch etwas in ihr lähmte sie. Vielleicht war es Corbens durchdringender Blick von der anderen Seite des Tisches. Die Dinge, die er sprach, ohne sie zu sagen, die Nervosität und das, was Logan ahnte; Müssen wir reden?

Dabei konnte sie nicht den Blick von seinen Lippen lösen. Samtweich und ein mildes Grinsen. Freds hatten neben ihrem Ohr wie ein Feuer gebrannt. Corbens hatten sich auf ihren angefühlt wie ein Reißbach. Sie wünschte, sie hätte sich mit Leichtigkeit gegen preschende Leidenschaft und unaufhaltsame Flammen wehren können, aber das Gefühl von Freds Körper an ihrem verließ ebensowenig ihren Kopf.

Nach dem Frühstück schützte nur Naomes Gruppenregenschirm vor den Wassermassen, die lauter aufschlugen als die Anfeuerungsrufe der antretenden Mannschaften kräftig war. Logan drängte sich zwischen ihre beiden Freundinnen auf einen Rang in der Ostkurve und sah mit einem Dankesgebet gen Himmel dabei zu, wie sich die grellen Roben der Slytherins matschgrün färbten, kaum waren sie auf den Platz getreten. Zum Glück hatten sie für ihr Spektakel vor vier Wochen Traumwetter gehabt - heute sah man durch die dichten Regenfäden keine drei Meter weit.

Also konnte sie das Meiste des Spielgeschehens auch nur erahnen, kaum hatten sich Slytherin und Hufflepuff in die Luft gedrückt. Genau so wie Lee Jordan, dessen Kommentare nicht hilfreicher waren als eine Landkarte von Manhattan in Peking.

„Und Montague hat den Quaffel gefangen - nein, es ist Simpson von den Hufflepuffs, er - nein wartet, kein Quaffel, es war ein Klatscher und er hat ihn erwischt! Au, das tut weh! Wo ist Madam Hooch, hat sie das gesehen?"

Doch die meiste Zeit des Spiels über sah Logan sowieso nicht hin. Stattdessen starrte sie auf den brünetten Hinterkopf, drei Reihen vor ihnen, der sich mit seinen Freunden ein Fernglas teilte. Und dann wieder zu dem rothaarigen Zwilling auf der anderen Seite des Stadions, der Wetteinsätze vertickte. Und Angelina Johnson die Kapuze in den Nacken zog.

Ihr Kuss war zwölf Stunden her, als Flint das Vierzig zu dreißig für Slytherin schoss und plötzlich erschien es für Logan wie ein Erinnerungsfetzen, der sich in die falsche Realität verirrt hatte. Hatten sich Corbens Lippen wirklich warm auf ihren angefühlt? War da ein Kribbeln in ihrer Magengegend gewesen und hatte sie ihn zu sich gezogen? Oder war das ein trügerischer Teil ihrer Erinnerung?

Letzten Endes gewannen an diesem dahin tosenden Morgen, der sich in Ereignislosigkeit verlor, die Hufflepuffs, weil Zacharias Smith Draco Malfoy den Schnatz vor der Nase weg fischte. Doch als sie nach neunzig Minuten Spielzeit, durchgefroren, durchnässt und bereit fürs Mittagessen die Tribünen verließen, konnte kaum jemand irgendetwas zu dem Spielgeschehen sagen.

„Das Scheppern von Montagues Kopf gegen den Torring hab ich aber gehört", versicherte Brixton, als er zu ihnen unter den Schirm schlüpfte. „Dachte erst, das wär nur wieder Donner, aber 'ne, sag ich euch, das klang vielleicht dumpf."

Er musste beinahe Schreien, um den Regen zu übertönen - bis sich eine Hand auf Logans Schulter legte.

„Du und McLaggen, also?"

George beugte sich so nah zu ihr, dass das Wasser seiner Kapuze auf ihre Schulter tropfte. Reflexartig ließ Logan sich aus ihrer Gruppe zurückfallen. Naome und Brixton waren so in das nicht gesehene Foul vertieft, dass sie es gar nicht bemerkten.

George feixte. Er hatte sich ein quietschgelbes Regencape übergeworfen und die Hände samt aller Wetteinsätze in der Bauchtasche verstaut. Die Wangen rau vom Winterwind und die Strähnen in seiner hohen Stirn patschnass.

Erwartungsvoll sah er sie an. Du und McLaggen also?

„Hast dus schon wem erzählt?"

George schüttelte den Kopf. „Nein." Und dann sah er Logans Blick, der prüfend über die Menge glitt. „Keine Sorge, auch nicht Fred."

Sie seufzte, der feuchte Schal scheuerte über ihr Kinn.

„Ich weiß nicht, was das war", erklärte sie ihm und die verpuffte Süffisanz aus Georges Blick verleitete sie dazu, ehrlich zu sein. „Ich weiß echt gar nichts über irgendwen."

Sie gingen mittlerweile so schlendernd langsam, dass sich der Schülerstrom um sie teilte wie der Nil und aus den Augenwinkeln erfasste sie, wie sich auch Angelina und Fred an ihnen vorbei schoben. Auch sie waren in eine Diskussion über das Spiel vertieft, Fred gestikulierte wild.

George duckte sich derweil unter einem gefährlich tief schleifenden Schirm hindurch, als er unangebunden nachsetzte: „Magst du ihn?"

Logans riss sich los. Fred und Angelina waren in der Menge verschwunden.

„Wen?"

Die Belustigung war zwar aus seinem Blick verbannt, trotzdem zuckten Georges Mundwinkel. „McLaggen."

„Er ist super."

Gemeinsam hüpften sie über die Türschwelle am Eichenportal.

„Er ist viel zu - viel zu gut zu mir."

Herzhaft stampften sie die feuchten Erdklumpen aus ihrem Schulprofil und hinterließen, genau so wie alle anderen, eine Schlammspur.

„Hör zu George", sie beobachtete, wie sich zwei Siebtklässler am Hufflepuff-Tisch einen Berg Kartoffelbrei aufluden, ihr Magen grummelte gewaltig, „kannst du es bitte niemandem erzählen?"

George hob eine Braue und sie begegnete seinem Blick mit aller Ausdruckslosigkeit, die sie fand. Sie wollte ihm keinen Platz für Interpretation geben. Sie wollte nicht, dass jemand anders irgendetwas verstand, bevor sie es selber tat.

Die Schülermasse, die sich an ihnen vorbei schob, wurde dünner und das hallende Gebrabbel aus der Halle ferner.

Und weil er nichts sagte, fügte Logan hinzu: „Ich weiß, dass ihr Corben nicht mögt und dass es wahrscheinlich ein Sensationsknaller wär und Fred das bestimmt ur witzig -"

„Ich schweige."

George Weasley riss seinen Blick vom Braten auf dem Tisch der Hufflepuffs.

„Wie bitte?"

Er ruckte mit den Schultern. „Ich schweige."

„So einfach?"

Ein Grinsen. „Wir sind Freunde", beteuerte er ihr mit einer Nüchternheit, die Logan gar nicht zweifelhaft finden konnte, auch wenn sie nach dem Haken an der Sache suchte. George schien das zu bemerken: „Hey, ich bin vielleicht ein Unruhestifter, aber kein Vollidiot."

Und mit diesem kleinen Funken an Selbstgefälligkeit setzte er sich Richtung Essen in Gang. Nicht, ohne geschäftsmäßig zu ergänzen: „Allerdings sind alle Angaben ohne Gewähr. Wenn's jemand von selbst rausfindet, werde ich nicht lü-"

Doch Logan lächelte bloß und sie war sich sicher, ein Teil des Felsbrockens in ihrer Magegengegend war abgesplittert. „Danke."

Corben McLaggen fand an diesem Tag keinen einzigen Moment der Ruhe. Und Logan war beinah dankbar dafür.

Belanglos, ob es Ernie McMillan war, der ihm gratulierend auf die Schulter klopfe, oder Tina, die einerseits nicht von den Spielerkabinen in York aufhören konnte, und andererseits dauernd betonte, wie jetzt ihre Chancen um die Meisterschaft standen.

„Ich mein ja nur", beteuerte sie mit vollem Mund und Logan ahnte, dass sie es beim nächsten Training bereute; Corbens Blick sah nach Sprinttraining und Leistungsverbesserung aus „wir sind jetzt wieder voll mit dabei im Rennen um den Pokal."

Selbst, als er sie bei ihrem Gang aus der Großen Halle unauffällig am Arm nahm - „Logan, können wir -?" - kamen sie keine zwei Meter weit.

„Ey McLaggen, du Superstar!"

Lee Jordens breite Hand patschte auf Corbens Schulter, der prompt unter dem Gewicht einknickte.

„Glückwunsch zur fabulösesten Leistung seit sechs Jahren. Nicht mal Wood haben sie -"

Corben grinste, doch es war gequält: „Danke, Lee."

Fred schlenderte hinter seinem Freund herbei, hatte sich einen Pudding unter den Arm geklemmt. „Stimmt, richtig super, McLaggen. Hab gehört, die Yorker Lions haben's seit vierzehn Jahren nicht zur Meisterschaft gebracht. Der Wahnsinn."

„Schonmal auf die Idee gekommen, dass ich die Lösung für das Problem sein werde, Weasley?"

„Wenn wir nur ein klein bisschen weniger quidditch-versessen wären, kämen wir in dieser Welt alle besser aus." Robs Stimme triefte beinahe mit demselben Hohn wie Freds, aber sie lockerte die drückende Spannung, die sich mit einem Mal in die Eingangshalle gelegt hatte.

Beinahe glaubte Logan, sie sähe eine Fata Morgana: Rob verlor sich Samstags nie zu Stoßzeiten - und Merlin bewahre, es war nach einem Quidditchspiel - in die Große Halle. Doch nun stand er da in aller Leibhaftigkeit und stieß Corben, der allen Trotz gegenüber Fred weg blinzelte, gegen den Oberarm.

„Irre, Corbs. Die Yorker Lions?"

Mit einem demonstrativen Löffel seines Puddings wandte Fred sich ab; eindrucksvoller als jedes Augenverdrehen. Jedoch nicht, ohne sich mit leichter Süffisanz zu Logan zu beugen: „Wenn dir die Im-Quidditch-Bin-Ich-Die-Lösung-Angeberei zu viel wird, spendier ich dir umsonst 'nen Kopfloshut. Hilft bestimmt."

Beinahe hatte sie ein schlechtes Gewissen, ob seiner Trockenheit schnauben zu müssen. „Fred -"

„Schon okay, du kannst ihm Glückwunsch von mir sagen, habs grad wohl vergessen." Die Spitzen seiner Haare waren noch nass vom Regen und beinah roch er genau so nach frischem Gras wie damals nach ihrem Quidditchspiel. Dabei sah er nun nicht bedeutungsschwer zu ihr hinab und bot ihr auch keine Hand an. Stattdessen grinste er: „Aber sag es mit etwas Trotz. McLaggen ist eingebildet genug, das will ich nicht noch fördern."

„Eingebildet?", wiederholte Logan, während Fred sich elegant Richtung Treppenstufen davonschob, auf denen George und Lee warteten. „Und was bist dann du?"

Er simulierte eine Verbeugung. „Nur ein verdammt guter Redner."

„- nicht wahr, Logan?"

Abrupt riss Rob sie aus ihrem Schmunzeln. Ein Schnipsen neben ihrem Ohr -

„Hey Logan, ob ich Recht habe? Du musst 'JA' sagen."

Überrascht, dass Corben und Rob noch immer beieinander standen und erwartungsvoll zu ihr schielten, fuhr sie herum. Fred bloß noch im Hintergrund.

„Was war?"

Rob rollte nun die Augen. Demonstrativ. „Ob wir es wagen. Zur Feier des Tages." Schwungvoll schlang er einen Arm um Corben, der ihm sofort den Ellenbogen in die Seite stieß - „Ich mein, wer 'nen Stipendium kriegen kann, kann auch 'nen schwarzmagischen Fluch abspal - aua!"

Zufrieden wich Corben aus seinem Griff, zupfte sich den Pullover zurecht. Steifer Stoff um breite Schultern. Zuckende Mundwinkel und graue Augen von Rob zu Logan. Und wieder zurück. Als sammle er Überzeugungskraft, wenn er zu ihr sah.

„In Ordnung, dann machen wirs."

Und schon zog ihn im nächsten Moment Tina zu einer intensiven Kabinenbesprechung davon - „Ernsthaft, die haben in York angeblich sogar Handgelenkwärmer, Corbs, was ein Traum!"

So dass er nichts von sich bei ihnen zurück ließ, außer einen entschuldigenden Blick und den kurzen Moment, in dem er Logans Oberarm streifte. Als wolle er sagen: Ich habe nichts von gestern vergessen. Denn das hatte sie genauso wenig.

Was jedoch nichts an dem Druckgefühl in ihrer Magengegend änderte, die sie bis in die Nacht mit all ihrer Unentschlossenheit hinunterwürgte. Bis Naome ihr den Wälzer über Wahrsagen vor der Nase zuschlug und mit einem Kopfrucken zur eingedösten Anne darauf verwies, dass es Zeit war, in den Schlafsaal zu gehen.

Für Logan bloß ein Weg in die Stille hinein. Unmittelbar zu dem niemals enden wollenden Konflikt dazu, was Corben McLaggens Kuss in ihr ausgelöst hatte. Denn nach allem, was geschehen war, war dieses Schloss und seine Hallen immer noch ein Ort der Zuflucht. Hogwarts war ihr Ort des Schutzes. Und Corben McLaggen hatte diesen Ort und all ihre Verschwiegenheit mit seinem warmen Versprechen gegen die Einsamkeit gewalitg erschüttert.

Das begriff sie, als sie am kommenden Morgen beim Frühstück zusah, wie ihn zwei Hufflepuffs aus dem sechsten Jahr in ein Lobgespräch über die Yorker Lions vertieften. Dass er eine Hoffnung war. Das erste Bisschen Nähe seit einer Ewigkeit. Ein winziger Hauch Vertrauen. Aber auch, dass es Dinge gab, die sie ihm nicht erklären wollte. Und die er mit Sicherheit nicht in seinem Leben verdient hatte.

Im Angesicht dieses Konflikts verbrachte sie den Nachmittag mit Corbens Wälzer zu Spaltungsflüchen in ihrem Schlafsaal und war so darin verbissen, ihrer Realität aus dem Weg zu gehen, dass sie beinahe die Zeit vergaß.

Es war bereits zwei Minuten nach Acht, als sie auf den Wecker auf Naomes Nachttisch schielte und vom Bett aufsprang - das Ruinenzimmer.

„Was soll das Logan? Wir haben gewartet", begrüßte sie zwölf Minuten später, in denen sie sieben Stockwerke hinab gespurtet war, Rob in vorwurfsvollen Ton. Die Scharniere des Klassenzimmers quietschen.

„Wir dachten schon, Filch hätte dich erwischt und aufgeschlitzt." Sie saßen bereits an ihren Plätzen, alle beide, mit einem Wälzer zwischen ihnen und Corben mit dem Rücken zu ihr, während Rob weiter feixte. „Oder noch schlimmer, Umbridge hätte dich gesehen."

„'Tschuldigung."

Logan schob sich an ihnen vorbei um den Tisch herum, langte in ihre Umhangtasche und zog den surrenden Kompass hervor.

„Gib her das Ding." Rob schnappte ihn aus ihrer Hand.

Ohne den Blick zu heben, glitt Logan auf ihren Stuhl und musterte, wie sich die langen Finger des Slytherins um das hölzeren Gehäuse schlängelten. Bis er ihn Achtung heischend auf die Tischplatte donnerte.

„Also. Heute wagen wirs? Nach allem Üben tun wir's?" Er rieb sich die Hände. „Wir gehen ihn an?"

„Ich bin das elfte Kapitel nochmal überflogen", wandte Logan ein und bemühte sich, möglichst nahtlos an ihr Thema aus der vergangenen Woche anzuknüpfen; durch ihren dichten Haarschleier hindurch konnte sie nicht sagen, ob Corben sie oder den Wegweiser anstarrte. „Ich glaube, Corben hatte Recht, als er letzte Woche meinte, wir sollten besser mit Impedimenta starten, weil -"

„Also das war nur ein Vorschlag." Corben klang sanftmütig. Behutsamer Nachdruck, als müsse er sich auch nur irgends rechtfertigen. „Wir müssen das nicht tun."

„Ich weiß", erwiderte sie und zog seinen Wälzer aus ihrem schwarzen Rucksack hervor. „Aber ich finds gut." Der Einband landete auf dem Tisch. „Allerdings glaub ich, Surgito wäre für die Spaltung besser als Locomotor."

Corben zeigte ein Lächeln - „Klar."

„Also, weil das Verlangsamen kontrollierbarer ist als das ganze Lahmlegen und wir den Zauber mit Surgito vorsichtiger entnehmen können." Aus irgendeinem Grund erfasste nun auch Logan das drängende Gefühl, sich zu rechtfertigen. „Ich wollte jetzt nicht sagen, dass du mit Locomotor falsch-"

„Ich weiß, alles gut", versicherte Corben.

„Nein, also wenn du meinst, wir sollten -"

Rob räusperte sich. Und riss sie aus ihrem fadenlosen Argumentationsstrang. Hartnäckig trommelte er mit seinem Metallfeuerzeug auf die Tischplatte.

„Sorry, aber was geht hier ab?"

Er war an die Kante seines Stuhls gerutscht, hatte die Ellenbogen auf den Tisch gestemmt. Sein Blick sprang zwischen Logan und Corben hin und her.

„Wann haben wir angefangen, uns mit Samthandschuhen anzufassen und wieso - Logan, guck ihn an."

Sie seufzte. Biss sie sich an dem Wegweiser in der Tischmitte fest. Versuchte es resigniert: „Was soll schon sein?"

„Ich kann die peinliche Spannung zwischen euch mit 'nem Buttermesser schneiden."

Wieder huschte Robs beißendes Irisgrün von links nach rechts.

Rechts nach links. Links nach Rechts. 

Logan schwieg. Corben noch viel mehr. 

Und da entgleiste Rob das Grinsen im Gesicht. Als ob er plötzlich verstand.

„Oh nein", machte er und stemmte sich auf die Tischplatte. „Nein, nein, nein! Hast du - habt ihr -"

Corben stöhnte und vergrub das Gesicht in den Händen.

„Bei Merlin, ihr habt doch nicht -"

„Rob. Bitte lass es."

Sein strenger Ton konnte gerade noch unterbinden, dass der völlig entgeisterte Rob seinen Finger auf ihn hob und dann zu Logan deutete.

Es dauerte eine Sekunde, dann zwei.

Und dann hatte er verstanden, die Augen riesengroß.

„Merlin, Corbs! Endlich!"

Feierlich klopfte er gegen Corbens Oberarm, doch der zehrte bloß die Finger über seine Wangen und lugte zwischen ihnen hindurch. Robs Grinsen erstarrte bei seinem strafenden Blick sofort - „Lass es einfach."

Rob, der in diesen zehn Sekunden ganze Stimmungsschwankungen passierte, sank in seinen Stuhl zurück, die Augen immer noch fest auf Corbens gepinnt. So, als könnten sie sprechen, als könnten sie miteinander reden und hätten Worte nie dazu gebraucht.

Corbens unveränderter, strenger Ausdruck. Unlesbar. Robs sich in fragende Falten werfende Stirn, das Zucken einer Braue.

„Habt ihrs?" Logan klang bissig.

Corben fuhr zu voller Gänze auf, als wäre nichts gewesen. Entschuldigend.

„Ich werd das hier nicht mir Rob besprechen. Und wir haben nur noch vierzig Minuten, also würd ich mich gern da drauf konzentrieren."

Der Kompass zwischen ihnen rotierte seelenruhig.

Wieder räusperte Rob sich. Nun legerer. Beinahe selber peinlich berührt. „Also schön." Erneut langte er nach dem Kompass, rotierte ihn, bis das dicke Glas das matte Deckenlicht reflektierte. „Impedimenta zuerst. Corben?"

Der hatte sich vorgebeugt. „Also ich finde immer noch, wir sollten erst -"

Rob feixte: „Komm. Bei anderen Dingen fällt dir der erste Schritt ja scheinbar nicht so schwer."

Corben fauchte - „Rob!"

Doch von Logan kam ein Lachen. Ein gedämpftes, kurzes. Tief und eher ein Prusten, das sie nicht hatte unterdrücken können. Verblüfft sah Corben auf, schmunzelte bei ihrem Ausdruck - Komm, da hat er recht.

„'Tschuldigung", korrigierte sie sich trotzdessen und deutete auf den Kompass. Fokus. „Ja, Rob hat recht, Corben. Los jetzt."

Also gab er sich geschlagen. Drei Wochen lang hatten sie geübt. Die Kunst des Zauberformens auswendig studiert, sich an Spikosopen und Feindspiegeln aus den Regalen erprobt - Metall zerspringen, Lichter zerschießen, rußig Flecken an die Decke jagen lassen.

Trotzdem waren sie nicht bereit. Das sah man ihnen an, dass sah Logan ihnen an, als sie alle ihre Stühle an die Wand und sich in sicherem Abstand um den Tisch platzierten. Es fühlte sich falsch an, grundlegend. Anders, als Corben zu küssen. Diesmal breitete sich ein Ziehen in Logans Magengegend aus, sie ahnte: Sie waren noch nicht so weit. Doch unter der pulsierenden Ungeduld wollte sie selbst es nicht glauben.

Also hob Corben seinen Zauberstab. Atmete fest. Die Sehnen an seinen Fingern traten unter der rauen Haut eines Jägers hervor. Spannte die Schultern, zielte. Sah noch einmal auf: Seit ihr euch wirklich sicher? Das geht doch nicht einfach so.

Aber am liebsten hätte Logan erwidert: Alles passiert einfach so. Also ließen sie es zu.

Corben holte Luft. Flüsterte die Worte nur: Impedimenta.

Und ein lila Lichtstrahl schoss aus der Spitze seines Zauberstabs hervor, traf den Kompass mitten im Gehäuse - und jagte ihn gegen die Wand.

Logan musste zur Seite springen -

„Fuck!"

Das Holz schoss gegen den Stein, schepperte ohrenbetäubend, sie alle duckten sich -

„Merlin!"

Ein Schulbuch plumpste aus einem wackeligen Regal. Die Deckenlampe über ihnen ebbte nach.

Rob richtete sich auf. Corbens Ausdruck war in alle Richtungen entgleist. Fassungslos: „Was in aller Welt war das?"

„Ich glaube, dass wir ihn fixieren müssen", tippte Rob dreißig Minuten später, als sie sich in den Schatten der Korridore umherdrucksten und Logan den Kompass in ihre Hosentasche gleiten ließ. Er glänzte so glasklar, als hätten sie ihn nie auch nur berührt.

„Das kann gut sein", entgegnete sie und schielte zu den Treppen. „Die Flüche prallen von ihm ab. Er nimmt die Energie des Lähmzaubers gar nicht auf."

Sie hatten es noch drei Mal versucht. Jeder von ihnen. So lange, bis ihre Arme schwer und das Knallen des Kompasses gegen die Wände zu verräterisch geworden war. Doch niemandem von ihnen war es gelungen, die Nadel mit einem Lähmfluch anzuhalten. Weder mit Impedimenta, noch mit Petrificus Totalus und aus Frust hatte Logan sich gar an Aresto Momentum versucht. Es war ihnen nicht gelungen, ihn anzuhalten. Geschweige denn, ihn an Ort und Stelle zu lassen. Er hatte mindestens vier neue Kuhlen in der Steinwand hinterlassen und das Glas eines Spikoskopes wie ein Geschoss in tausend Teile zersplittert. Und all das, ohne selbst einen Kratzer davon zu tragen.

Dabei hatte Logan nun, wenn sie ihn in ihrer Umhangtasche umklammerte, das beißende Gefühl, dass ihr Puls darin rasender wiederhallte als er tatsächlich schlug.

„Wir müssen weitermachen. Solange, bis wir durchdringen", befand Rob, bevor sie sich an den Stufen verabschiedeten. Die Dunkelheit verschluckte ihn schon. „Solange, bis der Zauber, der sich darin wehrt, endlich bricht."

Diese Erkenntnis war alles, was er zurück ließ, bevor er in Richtung der Kerker verschwand.

„Hab ich da 'ne Delle reingehauen?"

Erst Corbens behutsame Stimme riss Logan aus ihrer Gedankenflut. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie den Kompass wieder unter ihre Nase gehoben hatte, doch nun flackerte der Fackelschein auf dem reinen Glas.

„Ne." Sie drehte ihn, bis sie Corbens Spiegelbild darin sah. „Schon okay."

Ihre Schritte hallten matt von den Wänden, draußen auf den Ländereien ergoss sich der Halbmond über das ruhige Gras.

Es war das erste Mal seit ihrer unangekündigten Nähe, dass sie wieder mit Corben alleine war. Und zu ihrer Erleichterung fühlte es sich schon gar nicht mehr so verbissen an wie noch vor zwei Tagen. Auch, wenn die Spuren seiner Finger an ihrem Hals geblieben waren. Für niemanden zu sehen, aber für sie zu fühlen.

„War 'ne miese Stunde, oder?"

Corben versuchte sich an einem aufmunternden Tonfall, als sie auf den Gemeinschaftsraum zusteuerten. Schmale Wände, dunkelblaue Tür. Neugieriger Adlerkopf.

Logan hielt an, weil sie nicht bereit war, sich von ihm zu verabschieden. Und weil die sechzig Schritte und zwanzig Treppenstufen nicht reichten, um sich darüber klar zu werden, was seine Gegenwart ihr bedeutete.

Wenn er atmete, konnte sie die Nat an seinem blauen Trainingshoodie spannen sehen.

„Hat man mal", befand sie und ließ den Kompass wirklich verschwinden, in den Umhang hinein, ließ ihn los. Corben war am Rande des Geländers stehen geblieben. So, wie letztes Mal. „Ist nur Übung."

Er lachte. Kurz und gebrochen, weil dort diese Falten um seine Brauen zurückgekehrt waren und seine Hand nirgendwo hinzugehören schien. Wie in Hogsmeade, damals, also fuhr er sich durch sein halblang werdendes Haar.

„Hör zu, Logan."

Wenn er ihren Namen aussprach, tat er es vorsichtig. Als wäre es etwas, das man zerbrechen könnte.

„Das am Freitag. Wir beide."

„Du meinst den Kuss?" Sie versuchte, herausfordernd zu klingen, dabei nahm es nicht einmal ihr die Anspannung.

Corben starrte in die Dunkelheit hinein. Das deutlichste Ja, das er hätte geben können. Der Kuss.

„Ich hab dich nicht überrumpeln wollen." Er sprach plötzlich. Und mit einer Gefasstheit, die Logan vermittelte, wie oft er diesen Satz in seinem Kopf durchgegangen war. „Es war viel zu - ich hätte -"

„Du hast mich nicht überrumpelt, Corben", erwiderte sie und die Nervosität, mit der sich seine Brust hob und senkte, sorgte dafür, dass Logan sich wohler fühlte. Ihre Unsicherheit kam ihr nicht mehr wie etwas Verbotenes vor. Überrascht sah Corben zu ihr, war erleichtert, sie korrigierte: „Naja, also schon. Aber darum geht es nicht."

Er raffte die Brauen. „Worum dann?"

Jetzt war es an Logan, in die Schwärze zu starren. Als ob man dort je eine Antwort fand. Dabei, das wusste sie, war ihre Antwort schon lange Corben selbst.

„Weil ich nicht weiß, was ich will." Sie sprach es mit einer Nüchternheit, die ihn schützen sollte. „Und es wäre dir gegenüber nicht fair -"

„Glaub mir", lachte er „ich hab mich selbst auch noch nicht verstanden."

Und sie glaubte es ihm. Glaubte und wusste, dass der Kuss jenes Abends viel mehr ein Impuls als etwas Absehbares gewesen war. Was ihn nicht weniger ehrlich machte.

„Gib mir etwas Zeit", wisperte Logan also mit einer Sanftmütigkeit, die die Sorgenfalten um Corbens Miene glättete.

Sie wusste nicht, wann er einen Schritt auf sie zugetan hatte, aber trotzdem war er da. Nicht mehr als eine Armlänge entfernt. So, als könne er das auch immer sein.

„In Ordnung", hauchte er und wieder fand er eine Strähne auf ihrer Stirn, ein dünnes Haar in ihrem Brillengestell. Er musste ihren Herzschlag in ihren Augen sehen, denn er lächelte nun. Corben McLaggen war jemand, der vielleicht irgendwann alles gewann. „So viel Zeit, wie du willst."


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It took her five years. Joking.

Na, was glaubt ihr, kann George das alles für sich behalten? Wann lassen wir es Fred herausfinden? Ich vote für verdammt bald.

Glaubt ihr, Corben und Logan kommen fest zusammen oder grätscht Fred vorher noch dazwischen?

War letztens ganz erschrocken, als ich festgestellt habe, dass wir  in 8 Kapiteln eine ganz andere Hogwarts-Welt vor uns haben werden, so we might enjoy it while it lasts.

Ich würde sagen, wir sehen uns Mittwoch in den Korridoren, und lassen Fred wissen, was Sache ist. Alright? Alright. 

See you there. All the love, Ally.

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