24 | flitwicks tipp.

Tiefdrückender Staub tanzte  im Einklang mit der schwankenden Deckenlampe durch die diesige Luft.

In die Klassenraumruine des zweiten Stocks drang kein Tageslicht. Zum einen, weil es draußen längst stockdunkel war und der Winter mit der Nachtschwärze erstmals über die Ländereien zog. Am meisten aber, weil es einfach keine Fenster gab.

Umgestürzte Bücherregale begruben Tische. Zerfledderte Seiten, zerborstene Vasen und silbrig fahle Gerätschaften dekorierten den Boden wie vor einer knappen Woche das Konfetti den Ravenclaw-Gemeinschaftsraum.

Doch die Stimmung hier war nicht losgelöst. Sie war trist.

Der Kompass, der inmitten des einzig freien Tisches lag, den Rob und Logan bei ihrer Ankunft hatten freischaufeln können, ohne eine Lawine aus Schulbüchern und Runenmessgeräten auszulösen, präsentierte seine rotierende Nadel in die Blässe hinein.

Zehn Minuten warteten sie schon.

Elf.

Zwölf.

Corben kam zu spät. Er kam zu spät, Schweiß schob sich zwischen Logans Handflächen und sie fixierte die Maserung der Holzplatte, um nicht zu Rob hinaufzusehen, der gedankenverloren die Flamme seines Feuerzeuges um seinen Finger zucken ließ.

Es war zwanzig nach acht, als die Tür aufschwang und gegen einen Spahnberg bretterte. Der Junge, der erschien, zuckte beim entstehenden Knall zusammen; Rob sprang auf - „Und?"

Corben McLaggen surrte den Gurt seiner Tasche zurecht.

„Hab nachgefragt, wie versprochen."

Sein Blick brannte sich auf den Kompass. In die Mitte des Raumes. Toternst.

„Was hast du ihm gesagt?"

Corben schob den einzigen freien Stuhl zurück und fiel nieder; die Tasche polterte gegen sein Bein.

„Dass ich mich umfassender für die UTZs vorbereiten will", erklärte er in einem Tonfall so nüchtern, dass Logan schon vermutete, was es bedeuten musste. „Hab was davon gefaselt, wie ich Kenntnisse aus Verwandlung und Zauberkunst verbinden will und was weiß ich, aber -" er hielt kurz inne, saugte die staubbelastete Luft ein „er hat nein gesagt."

Robs Feuerzeug schlug auf der Tischplatte auf. Logan konnte die Enttäuschung in sich sinken spüren wie ein Lastschiff am tiefsten Eisberg.

„Er meinte, ich könnts gleich vergessen." Corben hievte die Tasche in seinen Schoss, eine Schnalle ploppte auf. „Umbridge lässt ja nicht mal wen Schwarze Magie aussprechen und wenn sie mitkriegt, dass ein Lehrer so ein Buch an 'nen Schüler rausgibt -"

„Setzt sie ihn gleich auf die Abschussliste", schlussfolgerte Logan.

„Genau."

Die zweite Schnalle seiner Tasche klickte. Und als wolle er den Hauch einer Vermutung bestätigen, die sich in Logans Unterbewusstsein festgebissen hatte, fügte er anbei: „Aber ihr wisst ja, Professor Flitwick ist korrekt." Mit beiden Händen langte er in den Lederbauch hinein. „Deswegen hat er mir etwas anderes vorgeschlagen."

Mit einem so gewaltigen Rums, dass die restlichen Geräte in den umgestoßenen Regalen zitterten, schlug ein tonnenschwerer Einband vor ihrer Nase auf.

Corben grinste. „Hast du mal Die Kunst Des Zauberformens durchgeschaut?"

Logan ruckte mit dem Kopf und auch Robs Brauen waren bis unter seine Locken geschossen.

„Dacht ichs mir."

Er schlug den Wälzer auf und eine sandige Staubschicht stob empor.

„Klingt ja auch harmlos." Er blätterte die erste Hälfte dicker Pergamentseiten um, die bloß unter einem Ächzen zur Seite sanken. „Aber es hat ganze neun Kapitel darüber, wie man mehrere Flüche, die zeitgleich auf einem Gegenstand lasten, physisch voneinander trennt. Und, wie man deren Bindung zueinander klassifiziert."

Robs Handflächen schlugen auf der Tischplatte auf.

„Corben", rief er und starrte mit offenem Mund zu seinem besten Freund hinüber. „Ich liebe dich."

Corben grinste selbstgefällig. „Weiß ich doch."

Und in diesem Augenblick hätte Logan gerne das selbe gesagt. Corben spannte gelassen die Schultern, blätterte noch ein wenig, bis er anhielt. Obgleich sie es kopfüber las, war die Schrift gewaltig genug, um sie zu entziffern: Kapitel 12, Feste Fluchvereinigungen.

Die Aufregung in ihrer Brust hatte gerade begonnen, kribbelnd ihre Kehle hinaufzusteigen, da schlugen Corben seine Unterarme auf die Doppelseite und nahm ihr die Sicht. Er beugte sich vor und sah sie an. Auffordernd.

„Bevor wir jetzt aber eine Lesestunde machen", setzte er an und eigentlich hätte es Logan freuen sollen, dass er scheinbar wieder solch guter Laune war, doch in diesem Moment schlug es nicht auf sie zurück. Sie wusste, was folgte. „Stehen uns Erklärungen in der Schuld." Ohne zu zögern deutete er auf den Kompass, den das Aufschlagen des Einbandes an die Tischkante befördert hatte. „Wieso -"

„Ich weiß selbst nicht viel, in Ordnung?" Logan glitt in ihre Stuhllehne zurück. Sie hatte Corbens Blick sonst immer bloß auf dem Quidditchfeld so beißend erlebt.

Die Erleichterung war aus dem Raum verflogen. Nun sog sich beißender Ernst durch die Luft und sogar Rob beugte sich vor. Ernster als sie ihn je gesehen hatte: „Logan, wieso gehört der Kompass dir?"

„Ich weiß es nicht."

Corben schob das Buch beiseite. „Wer hat ihn vor dir besessen?"

„Das weiß ich auch nicht."

Rob seufzte.

„Hört zu", begann Logan und sie spürte wallende Hitze, die sich durch ihren Körper zog. In den vergangenen zwei Tagen hatte sie kaum an etwas anderes als an diesen Moment gedacht. Und daran, wie viel sie erlügen sollte. „Mein Dad arbeitet in Irland, im Ministerium, für internationale Kooperationen. Deswegen war er zu Besuch in England." Ab hier endeten ihre Wahrheiten. „Anfang des Jahres war er in London, hatte ein paar Dienstgespräche. Und er wollte meinem Bruder und mir Souvenirs mitbringen."

Corben und Rob klebten an ihren Lippen.

„Für mich hatte er diesen alten Koffer dabei. Einen mit magischem Doppelboden, kennt ihr die?"

Rob pfiff. „Oh ja, die sind der Wahnsinn -"

„Genau. Und so einen wollt ich schon immer haben. Aber meiner hatte ein drittes Fach an der Seite. Ich glaube nicht, dass mein Dad das wusste. Er hatte ihn von so einem Antiquitätenhändler aus der Winkelgasse."

„Und in dem Fach -"

„War der Kompass drin, ja." Für einen Moment wartete sie. Corbens Brauen zuckten nicht, er blieb ausdruckslos. Als überlege er noch. „Ich habs ihm nicht erzählt weil ich sicher war, dass er ihn wegnehmen würde. Aber ich wollt ihn beobachten. Die Nadel hat nämlich damals schon nicht so richtig funktioniert und -"

„Wusstest du, dass man die Dinger auf jemanden prägen muss?" Corben verschlang die breiten Finger ineinander, die ihr vor sechs Tagen noch den Quaffel übers Spielfeld zugeworfen hatten als hätten sie nie etwas anderes getan.

Logan antwortete ehrlich: „Nein."

„Also muss es durch Zufall geschehen sein", schlussfolgerte er und sah eindringlich zu Rob hinüber, der nun in seinen Stuhl zurückglitt. Beruhigt? „Vielleicht ist der alte Besitzer des Kompasses längst verstorben und du -"

„Ich war einfach die erste, die ihn wieder herausgenommen hat", beendete Logan seinen Gedankengang von dem sie froh war, dass er plausibel erschien. „Zufall. Anders kann ich's mir auch nicht erklären."

„Und seitdem du hier in Hogwarts bist, spielt er richtig verrückt?"

„Exakt."

„Und du bist sicher, dass du ihn aus Zufall bekommen hast?"

„Ja."

„Niemand hat ihn dir gegeben?"

Ihre Augen schmälerten sich. Rob hatte sich doch wieder über den gesamten Tisch gelehnt. Nur noch der Kompass lag zwischen ihnen. Sie konnte die Minze aus seinem Atem riechen.

„Nein", antwortete sie zäh wie Gummi. „Wieso?"

In Robs Blick flammte etwas. So kurz, dass es auch die Reflektion des Kompass' hätte sein können.

„Gut." Rob fiel auf den Stuhl zurück als hätte er Logans Frage nie gehört. Stattdessen visierte er Corben an. „Reicht an Backstory."

Und dabei blieb es auch, denn Corben gab den Wälzer frei. Die Spannung, die in der Luft getanzt hatte, verpuffte. Robs streng gepresste Lippen lockerten sich, als er das Buch herüberzog.

„Fabelhaft. Dann lasst uns mal rausfinden, was Flitwicks Geheimtipp zu sagen hat."

Als sie das nächste Mal auf die Uhr an Corbens Handgelenk schauten, war es schon beinahe neun und das Ausgangsverbot näherte sich ihnen so drückend, dass sie hastig den Band in der Ledertasche vergruben.

Die zwei Kopien, die Corben mit einem Zauberstabschnippen von dem Wälzer hatte erscheinen lassen, verpufften und Logan musste blinzeln, damit sich ihre Augen wieder ans weite Sehen gewöhnten. Und doch flammte eine gewisse Unruhe in ihr.

„Das Ding ist goldwert", beschwor Rob, als sie das Ruinenzimmer verließen. Ekstase zog sich bis in seine zerzausten Haarspitzen. „Die Analogie mit dem von zwei Zauberern verhexten Besen, der sich nicht für eine Richtung entscheiden konnte und dann zerborsten ist -" Abrupt blieb er stehen, starrte verträumt in die dunkle Korridorluft hinein als müsse er seine Euphorie erst verinnerlichen, bevor er sie teilen konnte. „Das ist, als würd Flitwick genau wissen, wonach wir gesucht haben!"

Nun war es Corben, der stehen blieb. „Das kann er doch gar nicht, oder?"

Rob lachte. „Nein Corbs, Mann. Woher denn?"

Corben ruckte die Achseln.

„Zumindest", fuhr Rob ganz unberührt weiter fort, als sie auf die Haupttreppen einbogen „können wir lernen, wie wir den Zauber abspalten. Vielleicht funktioniert der Kompass dann wieder."

„Nur, wenn es darin wirklich zwei Zauber gibt, die gegeneinander ankämpfen." Logan hatte geschwiegen, seitdem sie Die Kunst des Zauberformens vor sich geschlossen hatte und noch immer schwirrten ihr einzelne Phrasen durch den Hinterkopf. So omnipräsent, sie verstand kaum, dass sie es war, die sprach. „Und das werden wir erst sehen, wenn wir sie voneinander trennen."

Irgendetwas an diesem Gedanken schmeckte wie Säure in ihrem Hals. Doch die ganzen Schlussfolgerungen, die daraus resultierten, schluckte sie. 

Als sie die Zentraltreppe des Schlosses erreichten, fühlte sich die Korridorluft bedeutungsvoll in ihren Lungen an. So als hätte sie zum ersten Mal seit einer ganzen Weile das Richtige getan. 

Sie waren gerade dabei gewesen, sich von ihrem slytherin'schen Begleiter zu verabschieden, als einige Stufen unter ihnen eine Stimme ertönte: „Wo kommt ihr denn her?"

Logan fror an Ort und Stelle fest. Und auch das, was eben noch Robs freimütiges Grinsen gewesen war, schwebte nun bleich vor Schreck durch die Nacht.

Für einen entsetzlich zehrenden Moment glaubte Logan, Professor Umbridge hätte sie erwischt.

Doch die Gestalten, die am Fuße der Treppen standen und zu ihnen empor blinzelten, waren von ganz anderem Kaliber. Fred und Georges Sporttaschen baumelten über ihre Schultern und ihre Wangen waren von der peitschenden Kälte gerötet.

Rob verschränkte die Arme vor der Brust, fing sich. Wo kommt ihr denn her?

„Gegenfrage."

Die beiden Zwillinge tauschten einen Blick. George sagte: „Quidditchtraining."

Dann glitt ihr Visier an dem ungewohnten Trio vor ihnen hinab. Corben schob seine Ledertasche hinter sich.

Fred folgte seiner Bewegung, dann schielte er zurück zu Logan. „Also, was tut ihr hier?"

Die Hand, die sie in ihrem Umhang verborgen hatte, verfestigte sich und auch, wenn Rob sich am Treppengeländer nach hinten lehnte, gab ihm das nicht mehr Gelassenheit. Und seine Lüge war auch nicht viel besser: „Zaubertränke."

George runzelte die Stirn. „Zaubertränke?"

Corben mit seinem Skeptizismus war wesentlich hilfreicher: „Wirklich nur Quidditchtraining?"

Für einen Moment starrten sie sich an. Vollkommene Absurdität. Die Zwillinge und ihre beißend grünen Augen in Logans Blau, als erwarteten sie das verräterische Zucken eines Muskels oder einen Hinweis darauf, das sie nicht hinter ihren beiden Begleitern stand. Keine ihrer Fasern regte sich. Bis Rob sich räusperte.

„Also", mimte er ein theatralisches Gähnen und schob sich an den beiden Gryffindors vorbei. „sehr Aufschlussreich, das alles. Ich hau mich aufs Ohr. Ausgangssperre und sowas." Und schon glitt er die sandsteinernen Treppenstufen ins Erdgeschoss hinab, bis er mit den Schatten der Schlosswände verschmolz.

„Seid ihr schon in den Vorbereitungen fürs nächste Spiel?"

Corben war schneller als Freds skeptische Miene.

Gemeinsam wandten sie sich um.

Einen kleinen Moment lang erschien George abzuwägen, ob er darauf überhaupt antworten sollte. Am Ende ruckte er die Achseln.

„Naja, nicht wirklich." Sie übersprangen eine Fallstufe. „Ist ja erst im Dezember."

„Solange die Hufflepuffs die Slytherins bald schlagen, ist alles locker."

Die Unüblichkeit dieses Momentes verdickte jedes einzelne Worte wie schwerfälliger Treibsand. Logan war beinahe froh, als sich der fünfte Stock vor ihnen auftat.

Sie setzte just die Hand zum Gruß an, als George ihr Vorhaben unterband: „Logan?" Sie blieben stehen. „Wir hätten ne Frage."

Freds Blick war durchdringend. „An dich allein."

Mit einem Widerwille bekundenen Seufzer trat Corben zehn Schritte in den Korridor hinein.

Logan hingegen betete, dass sie keine Erklärung für ihr Rumtreiben mit Rob wollten.

„Es geht um das nächste Hogsmeade-Wochenende."

Erleichterung flutete sie.

„Ist in drei Wochen, wie du vielleicht gehört hast", erklärte Fred und wenn sich seine Pupille nicht in ihre bohrten, huschten sie hinüber zu Corben, der sie nun bloß noch als weit entfernte Silhouette musterte. Fred senkte seine Stimme noch ein wenig mehr. „Harry, Ron und Hermine haben da so 'nen Vorschlag gemacht. Und wir denken, du wärst bestimmt gerne dabei, wenn -"

Ein Räuspern zerschnitt ihm die Worte. Corben deutete durch den matten Fackelschein auf sein Handgelenk: „Haut rein, Logan, es wird spät."

Freds Mund stand bereits zu einem abfälligen Konter offen, George war schneller: „Naja zumindest planen wir was, so 'ne Art Gruppe, die sich gegen Umbridge zur wehr setzt." Er grinste. Stolz. „Damit wir ein bisschen was lernen. Zur Verteidigung."

„Harry will uns was beibringen. Patronus und all das."

„In Hogsmeade ist das erste Treffen, wir könnten dich -"

Weiter kam er nicht.

„Mr. Weasley, Weasley, McLaggen und Miss Ainsley."

Eine Stimme, so geradlinig streng, dass sie gar nicht erst von den Wänden widerhallte, zerschnitt ihm das Wort.

„Was haben Sie hier noch zu suchen? Es ist Nachtruhe."

Ein grüner Abendmantel samt kariertem Spitzhut blitzte ihnen vom anderen Korridorende zu. Professor McGonnagal rauschte an sie heran.

„Wenn Professor Umbridge -"

Fred schenkte Logan ein Augenzwinkern - Fortsetzung folgt - während George straff die Hand zur Befehlsbefolgung an seine Stirn hob: „Sind schon verschwunden, Professor."

Damit hasteten sie davon und Logan stob mit Corben, der sich äußerst konzentriert jeglichen Kommentar verbiss, in die Wochenendnacht davon.


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Okay. 'nen Batzen Fragen hab ich jetzt.

Habt ihr schon 'ne Idee, worauf Fred und George hinauswollen? Was ist nächste Woche wohl in Hogsmeade? 

Glaubt ihr, Logan macht da mit?

Und habt ihr auch das Gefühl, dass Rob und Corben ein klein Bisschen skeptisch Logans Lüge gegenüber geblieben sind? Wieso wohl?

Zu guter Letzt aber, weil ichs die ersten Kapitel echt vergeigt hab, die Basics über euch zu lernen: Welches Buch der HP-Reihe habt ihr am liebsten gelesen? 

Ich freu mich so auf alles, was noch kommt. Ganz viel Liebe, Ally x

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