23 | ruinenzimmer.

Die Enttäuschung über den Verlust dreier Siegpunkte und die Chance seiner Lebenszeit wurde in den kommenden Tagen zu einer Bürde, die nur Corben McLaggen tragen musste.

Denn für all die Schüler auf den Fluren sah es nicht danach aus als wenn sie je verloren hätten. Sie sprachen kaum über den Fang in letzter Sekunde und den Wurf, der daneben gegangen war. Sie sprachen darüber, dass noch keine Mannschaft in den letzten vier Jahren Gryffindor so sehr überrollen konnte wie bei diesem einen Spiel. Sie sprachen über Gordon Wamseys Glanzparaden, Logans und Pauls Doppelpassspiel und Corbens Treffsicherheit.

Nicht über eine Fehlentscheidung, nicht über Tinas Foulspiel oder über den Klatscher, der Logan eigentlich hätte aus dem Spiel nehmen sollen, wäre Fred nicht gewesen. Stattdessen sprachen sie über Cho und ihren Glanzeinsatz, diese nie zuvor so gut gefahrene Taktik und dass das nächste Spiel der Ravenclaws leider erst im Januar war.

Corben selbst jedoch war froh darum. Er nickte zwar tapfer wie höflich bei allem Lob, das er und sein Team bekamen, und schob den Mitgliedern seiner Mannschaft gerne bei jeder Gelegenheit Massen an Lob zu. Doch das Grau in seinen Augen blieb matt, solange keine Eule mit einer Antwort kam.

Dabei hatte auch Angelina noch nichts von den Scouts des Ligavorstandes gehört, als sie sich am Montagmorgen mit einem „War aber ein wahnsinns Spiel, Corben, hat richtig Spaß gemacht; ihr seid ein gutes Team" von ihrem Frühstückstisch verabschiedete.

Auch, wenn sie Logan dabei keines Blickes würdigte.

„Merlin, ist sie ausgerastet", murrte Fred später auf ihrem Weg zu Verwandlung und massierte seine Schläfen. „Ich mein, ist doch klar, dass ich's nie wieder tun würde."

„Hey!" Logan stieß ihm gegen den Arm, doch Fred schenkte ihr nur einen finsteren Blick.

George pfiff amüsiert.

„Kann ich ja nichts für, dass ich so ein guter Samariter bin", fuhr Fred seinen Monolog weiter aus. „Ich helfe eben, wo geholfen werden muss."

Logan verlor ihre Empörung nicht. „Hör mal, ich hab deine Hilfe gar nicht gebraucht."

„Ach, wärst du lieber im Krankenflügel gelandet?"

„Wärst du mich da besuchen gekommen?"

„Wenn die Decke zu deinen Augen gepasst hätte."

„Was in Merlins Namen ist los in diesem Schloss?", stöhnte George, noch bevor sie die Klassenraumschwelle überquerten. Auch, wenn Fred lachte, während er Logan hinterher sah.

Schlussendlich war es also gar nicht so leicht, das Quidditchspiel und seine Folgen aus ihrem Interessenfeld zu streichen, so wie Logan es noch vergangene Woche geglaubt hatte. Dabei traf sie Rob kein einziges Mal auf den Gängen. Auch ihr Kompass, den sie nach wie vor in ihrer Umhangtasche trug, surrte schuldlos um sich selbst als wäre er vergangenen Freitag nicht wie wild umher gesprungen.

Fred und Angelina brauchten fünf Tage, bis sie wieder gemeinsam über die Gänge liefen. Trotzdem verfolgte Logan das Ziehen ihrer Eingeweide, als George sich bei der nächsten Stunde darüber in Rage redete.

„Sie verzeiht ihm einfach immer wieder." Verheißungsvoll ertränkte er seine Feder in Tinte. „Egal was er tut, sie würd' ihn nie verlassen. Falls verlassen überhaupt geht, sie sind nicht mal zusammen!"

Und Logan glaubte Missmut in seiner Stimme zu vernehmen, als er später noch sagte: „Vielleicht kann man nur hoffen, dass er sich irgendwann doch noch in sie verknallt."

Sie musterte, mit was für einer Strenge er seinen letzten Absatz durchstrich.

„Ja, vielleicht sollten wir wirklich darauf hoffen."

Dabei verriet irgendetwas in Georges gefalteten Brauen, dass er genau das nicht tun würde.

Die Tage schritten davon, die Lehrer sprachen mehr und mehr über die bevorstehenden UTZ-Prüfungen und als wäre dies Grund genug, häuften sie ihnen Unmengen an Zusatzaufgaben auf.

Und Logan schielte auf das Ziffernblatt ihres Kompasses, spähte zum Slytherintisch und stierte gelegentlich die Kerkergänge entlang, doch von Rob fehlte jede Spur.

Bis sie ihn, gemeinsam mit Corben am Mittwoch Muggelkunde verlassen sah. Seine offenen Haare hatte sie schon über die ganzen Erstklässlerköpfe hinweg erkannt. Hastig schulterte sie ihren Rucksack und sprintete die Menge entlang.

„Du hast dir das Spiel nicht mal angesehen, Mann", konnte sie Corbens vorwurfsvollen Ton schon von Weitem hören und die beiden blieben stehen, als sie Logan am Rande des Ganges sahen.

„Sorry, aber ich hatte Besseres zu tun." Rob schob sich gelassen eine frisch gedrehte Zigarette hinters Ohr, bevor er bei Corbens verhärtetem Ausdruck nachsetzte: „Für uns natürlich - hey Logan."

„Gibts was Neues?"

„Darum gings gerade." Rob deutete mit einem Kopfnicken an, dass er das Zentralgebäude ansteuern musste und sie folgten ihm. „Glückwunsch übrigens zu eurem Wahnsinnsspiel."

Logan hob die Brauen. „Wir haben verloren."

„Trotzdem wars ein Wahnsinnsspiel."

Er knotete die grüne Krawatte los, seufzte bei der frischen Brise, die seinen Hals traf.

Schließlich zwinkerte er Logan zu: „Flint hat jetzt Angst vor euch." Und schlug dann so gebieterisch auf Corbens Schulter, dass der ächzte. „Wie auch immer. Ist der Quidditch-Druck jetzt weg? Können wir uns wieder auf deine Expertise verlassen? Ändern kannste jetzt eh nichts mehr, da sollten wir uns -"

Wir, uns?", wiederholte Corben scharf und war am Treppenabsatz stehen geblieben, bevor die Stufen ihre Richtung änderten. Angriffslust flammte in seinem Grau und zum ersten Mal seit Samstag schien die Trübheit daraus vertrieben. „Seit wann ist das eigentlich eine Sache von uns geworden?"

Rob hob die Hände vor die Brust. „Hey, du wolltest uns nicht alleine nach Hogsmeade gehen lassen."

Er schob sich die Zigarette in den Mundwinkel; in seinen Taschen kramte er nach einem Feuerzeug.

„Außerdem glaube ich, dass es dir helfen könnte, dich mit was anderem als mit UTZs und Besen zu befassen. Wirst ja noch chronisch depressiv dabei."

„Was genau fesselt dich eigentlich an diesem Teil?", harkte Corben nach und machte eine Kopfbewegung, die wohl auf Logans Umhangtasche deuten sollte. Doch seine Stirn warf sich in solch heftige Falten, dass sein Blick Rob etwas anderes fragte - Was bringt dir das?

Und Rob, der inhalierte den ersten Zug frischen Qualms, bließ ihn hinaus in die Herbstluft - Erzähl ich dir noch.

„Ernsthaft, Corbs, das Ding ist faszinierend!"

Corben schnaubte. „Faszinierend sagen auch die Heiler, wenn sie uns wegen dem Teil mal von den Wänden kratzen."

„Nicht so makaber bitte."

„Ich mein ja nur."

„Also ich werd das Ding unter die Lupe nehmen." Rob ließ Asche auf den Steinboden rieseln, Logan sah den grauen Blättchen nach, wie sie im nächsten Windstrom tanzten. „Ob du dabei bist oder nicht."

Widerwillig vergrub Corben die Hände in seinen Taschen.

„Na schön, ich helf ja wohl." Und Logan konnte schwören, dass er nuschelte: „Irgendwer muss ja auf euch aufpassen", bevor er nachharkte: „Also habt ihr schon nen Plan, was wir damit jetzt tun?"

„Ich hab mir in der Bücherei die Verbotene Abteilung angesehen." Logan warf es ein, ohne nachgedacht zu haben und Corbens Blick bohrte sich in sie. Sie überging ihn. „Da ist eins, das uns helfen könnte." Rob pfiff heiser durch seine gespitzten Lippen, bevor er sie mit seiner Zigarette stopfte. „Schwarzmagische Possessionen und Bannbrüche von Quentin Orkins."

Corbens Schuhspitze bohrte sich in eine Fuge und stob feuchte Erde hervor. Er wusste, dass sie ihn erwartungsvoll ansahen.

„Corbs", hauchte Rob und tippte ihn mit seinem Ellenbogen an. „Flitwick würd dich dranlassen. Wegen der Niederlage vielleicht auch aus Mitleid."

„Umbridge aber nicht."

„Also wenn du's nicht versuchst -"

„Ja ist ja gut, ich sprech mit ihm", wehrte Corbe sich und beobachtete Finster den Qualm, der mit Robs Lachen in den Himmel quoll. „Freitag, nach'm Unterricht."

Und bevor er sich verabschiedete, weil es läutete und sie alle drei in unterschiedliche Schlossecken mussten, setzte er noch hinzu: „Aber ich bleib dabei: Die Dinger sind gefährlich."

Das Grau seiner Iris glitt über seine Freunde und hielt dann an Logan fest.

„Und wenn wir daran arbeiten, müssen wir alles wissen. Ganz genau. Bis ins kleinste Detail. Wo du es herhast, seit wann du es hast, wieso du es hast. Ich will einschätzen können, wie schlimm es ist."

Und mit diesem Entschluss, mit diesem Zwang zum absoluten Lügenkonstrukt, ließ er sie in dem eisigen Herbstwind im Innenhof zurück.

Die folgenden beiden Tage verbrachte Logan, wenn sie nicht mit George in der hinteren Reihe Zauberschnippschnapp spielte, mit Naome und Anne an den Aufsätzen für Snape schuftete oder sich die wund werdenden Schreibfinger in Umbridges Stunden rieb, damit, sich zu überlegen, wie sie Rob und Corben die ganze Geschichte erklären sollte, ohne sie tatsächlich zu erklären.

Für eine Weile trug sie sogar die Überlegung, ihnen die Wahrheit zu sagen. Doch die verbannte sie noch am selben Abend zu allen weiteren Unmöglichkeiten tief in ihren Hinterkopf.

So kam der Freitag ins Land, am Donnerstag hatten neue Aushänge auf den schwarzen Brettern in den Gemeinschaftsräumen die nächsten Termine für Hogsmeadwochenenden verkündet und weil das nächste schon wieder in drei Wochen anstand, fand sich kaum ein anderes Thema mehr. Bis zu jenem Freitag Morgen, an dem Rob am Fußende der Osttreppen bereits auf sie wartete, zwei Zigaretten hinterm Ohr und die Haare diesmal fest im Nacken zusammengeknotet.

Langsam drohte er, seine Sommerbräune zu verlieren.

„Also", begrüßte er sie und schenkte Naome und Anne, die sich unbeirrt an ihnen vorbei schoben, ein gezwungenes Lächeln. Dann sah er zu Corben und drängte: „Du fragst später bei Flitwick nach?"

Zu Logans Überraschung kam kein Widerspruch.

„Ich dachte, wir sollten was ausmachen, wo wir uns treffen und -" angestrengt suchte Rob nach dem passenden Ausdruck - „dran arbeiten."

„Ich nehme an, du hast dafür den perfekten Vorschlag?", tippte Corben und sprang die letzte Treppenstufe hinab.

„Du kennst mich", bestätigte Rob im Singsang. „Im zweiten Stock gibts doch den alten Ersatzraum für alte Runen, den Peeves letztes Jahr mit Knallkanonen gesprengt hat. Ist zwar etwas staubig und chaotisch, aber reicht."

„Und da ist auch ganz sicher nichts los?"

Logan fragte sich, wie merkwürdig es wohl aussehen musste, wenn zwei Ravenclaws und ein Slytherin mit einem Buch aus der Verbotenen Abteilung in einem ruinengleichen Klassenzimmer verschwanden.

Rob reckte das Kinn. „Naja, heute ist Freitag. Wenn wann in den Verwandlungsräumen nix los ist, dann heute Nacht."

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Oh wie derb ich mich auf Dienstag freue! Glaubt ihr, Corben kommt an das Buch dran?

Und welche Frage würdet ihr gern als erstes über den Kompass gelüftet haben? 

Mir ist übrigens aufgefallen, dass wir hier schon beim 23. Kapitel sind und ich euch die wichtigste Frage aller Zeiten noch gar nicht gestellt habe: Was ist euer Hogwarts Haus?

Ich hoffe, ihr habt ein genau so schönes Wochenende wie ich und könnt die Zeit genießen. Hats bei euch geschneit?

Ganz viel Liebe and see you on tuesday: Acht Uhr, Ruinenzimmer.
Ally x

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