17 | fred weasley.
„Und warum genau nochmal soll ich dabei helfen, dich in die Illegalität zu stürzen?" George Weasley rümpfte die Nase und auch auf dem Rest seiner Mine lag theatralische Erhabenheit.
Der Duft frisch gekochten Rühreis und aufquellenden Schokomüslis hatte sich unter die Freitagsmüdigkeit der anwesenden Schüler gemischt und am Gryffindortisch herrschte reges Treiben.
„Es gibt keinen Grund", erwiderte Logan und brach eine Käsestange entzwei, bevor sie sie in Kräuterdip tunkte. „Ich wills einfach mal sehen."
Georges Blick wurde mit dieser unkonkreten Begründung nicht weniger spekulativ und die Schläfrigkeit, die vor zehn Minuten noch um ihn gelegen hatte, war verschwunden. Nachdenklich kaute er auf einer Scheibe Honigbrot.
„Naja", schmatzte er mit vollem Mund und es war schwer zu erkennen, was mehr triefte: Seine Stimme vor Sarkasmus oder die Scheibe in seinen Händen vor flüssigem Zucker. „Also so cool ists auch nicht. Gibt gute Läden, 'ne Menge Süßes, wahnsinniges Butterbier. Braucht doch keiner."
Logan stöhnte. Sie wusste, dass er ihre Worte der vergangenen Wochen rezitierte. Sie hatte seinen Vorschlag, mit nach Hogsmeade zu gehen, wirklich zehn Mal abgelehnt.
„Ich meins ernst, George, könnt ihr mir nun helfen, oder nicht?" Energisch versuchte sie, die Dringlichkeit mit dem Schwingen ihrer Käsestange zu untermalen, doch es gelang eher wenig.
„Wobei sollen wir helfen?"
Die helle Stimme war abrupt erschienen, irgendwo hinter ihr und schob sich nun ganz knapp an ihrem Ohr vorbei, auf den freien Platz nebenan.
Fred Weasleys Hausshirt war zerknittert und die Uniformhose, die er trug, sah verdächtig nach Tiefschlaf aus. Auch sein verzwirbeltes Haar und die Körner an seinen Augenwinkeln sprachen keinen Konter. Einzig sein Geist war längst hellwach. Neugierig sprangen seine grünen Augen von seinem Bruder hinüber zur Ravenclaw und wieder zurück.
„Ainsley hier will nach Hogsmeade." George behielt seinen falschen, vorwurfsvollen Ton bei, der Logan bloß mit den Augen rollen ließ.
„Gute Entscheidung." Fred schenkte sich Orangensaft ein. „Wahnsinns Butterbier. Zonkos und der Honigtopf erst!"
„Aber sie hat keine Erlaubnis und jetzt diesen Sinneswandel", fügte George anbei und Freds Blick klärte sich. „Und aus irgendeinem unerklärlichen Grund glaubt sie, wir können ihr helfen."
Freds schmale Lippen zogen sich zu einem süffisanten Grinsen, noch während er den Unterarm auf die Tischkante stemmte und seinen Oberkörper Logan zuwandte.
„So so", säuselte er und schnippte sich eine Weintraube in den Mund. „Und wie kommst du darauf?"
„Man munkelt", erklärte ihm Logan gedämpft „dass ihr euch mit geheimen Wegen in diesem Schloss gut auskennt."
„Also das halte ich für ein Gerücht!"
Gespielt entblößt schlug Fred seine Faust auf den Holztisch.
Wieder stöhnte Logan. „Ach kommt schon, Jungs ehrlich, es ist wichtig."
„Du sagtest, es gibt keinen Grund." Nun lag es an George, mit den Brauen zu wackeln.
Logans Lippen schürzten sich und sie verwandte all ihre Energie darauf, nicht irgends ertappt auszusehen. Diese beiden Jungen waren allem Anschein nach ihre letzte Chance, morgen doch noch nach Hogsameade zu kommen. Und damit, ganz vielleicht, auch Antworten zu bekommen.
„Also ersteinmal unterstützen wir keine geheimnisvollen Dates mit irgendwelchen Zwielichtigen gestalten." Fred tat, als würde er angespannt die Halle entlangsehen, weil sich der entsprechende Kandidat jederzeit zeigen müsste. „Aber weil wir dir mal 'nen Rundgang durchs Schloss versprochen haben, können wir ja für Hogsmeade damit anfangen."
„Allerdings wirst du an Professor Umbridges Büro vorbei müssen, um zum Gang zu kommen und ich fürchte, dass das ziemlich riskant wird."
„Also zeigen wir dir dafür am besten auch direkt 'nen Alternativweg vom Ravenclawturm aus", schloss Fred und biss feierlich in die kalt gewordene Frühstücksbratwurst. „Später nach unserem Quditchtraining ist gut, da patrouilliert Professor Sprout in euren Korridoren und bei aller Liebe, die kriegt wirklich gar nichts mit."
Vielleicht vergingen die anschließenden vierzehn Stunden deshalb so schnell, weil ihre Lehrer sie mit Hausaufgaben beluden und sie, wie Professor Umbridge demonstrierte, leidenschaftlich viel aus ihren Büchern abschreiben ließen. Vielleicht aber auch, weil Logan gemeinsam mit ihrer Neugier auf die nächtliche Tour durch das Schloss ziemlich gut von dem inneren Durcheinander abgelenkt war, an das sie der Kompass in ihrer Umhangstasche immer erinnerte. Er ist ungewöhnlich. Er reagiert nicht, egal, was ich tue.
Auch Corben erschien gegen seinen Willen kurzzeitig vom Quidditchspiel abgelenkt zu sein und hatte Logan noch auf dem gesamten Rückweg zum Ravenclawturm, nach dem Rob verschwunden war, über den Kompass ausgehorcht.
„Du weißt aber schon, dass die Dinger eigentlich verboten sind?", hatte er am Ende gesagt, als sie schon am Fuß der Treppe zu den Mädchenschlafsäälen gestanden hatten. „Mein Vater ist Vertreter der Strafverfolgungen für den Missbrauch schwarzmagischer Artefakte und er - hasst diese Dinger."
Und Logan hatte ihm seine Abneigung auch gar nicht übel nehmen können, verstand aber gerade deshalb nicht so ganz, warum er weiterhin darauf bestand, sie zu begleiten.
„Ich mags nicht, wenn Rob zu den Gormocks geht", erklärte er ihr nach Zauberkunst auf dem Weg zum Mittag „das ist er im vergangenen Jahr zu oft und es, naja, war anstrengend und ich will nicht, dass die ihm Flausen in den Kopf setzen."
Doch auf Logans Frage hin, wer die Gormocks eigentlich waren, bekam sie keine konkrete Antwort. Und so sah sie der Zeit beim Verstreichen zu, bis es Abend wurde und Fred und Georges Versprechen immer näher kam.
Und als sie im Schein der über dem See untergehenden Sonne beobachtete, wie sich die Nadel im Kreis drehte und selbst nicht fand, zählte sie die Minuten bis zu dem Moment, an dem die vielen, winzigen Gestalten, die hoch über dem Quidditchfeld schwebten, wieder zu Boden gesunken waren.
Fast pünktlich um viertel nach neun, als sich die Dunkelheit längst über das Schloss gelegt hatte und die Fackeln Schattenspiele an die Steinwände warfen, lugte ein Rotschopf eine Etage unter dem Eingang des Ravenclaw Gemeinschaftsraumes hervor. Fred Weasleys Haare waren an den Spitzen nass vom Duschwasser und der Trainigspullover, den er trug, ließ ihn mit der Dunkelheit verschmelzen. Er grinste, als Logan die Holztür mit dem Adlerkopf hinter sich zufallen ließ und zu ihm hinuntergeschlichen kam.
„Wo ist George?", war, womit sie ihn begrüßte, während sie sich die verrutschten Brille auf der Nase zurecht schob.
„Kleiner Trainingszwischenfall", erklärte Fred und wandte sich bereits zum Gehen, „Katie hat 'nen Klatscher abbekommen und jetzt ist er bei ihr im Krankenflügel, während Pomfrey die Schwellung absenken lässt." Dann bot er ihr seinen Arm zum einhaken an: „Also stehe ich dir heute ganz allein zur Verfügung."
Mit anerkennendem Blick nahm sie sein Angebot an – „Was eine Ehre!" – und schob ihre Hand in seine Ellenbeuge, bevor sie sich mit leisen Sprüngen zwei weitere Stockwerke hinab in die Abendstille begaben.
Fred Weasleys Schritte auf dem kalten Stein waren lautlos und elegant. Kein einziges Mal schürfte seine Sohle über eine Kuhle und immerzu horchte er aufmerksam in die Leere hinein, bevor sie um eine weitere Ecke bogen.
„Eigentlich", erklärte er, als sie sich einem Wandvorhang aus schwerer Wolle näherten, der zwei ältere Hexen beim Kaffeeklatsch zeigte „gibt's gar nicht viel zu erzählen."
Und bevor Logan wusste, was geschah, hatte er mit seinem rechten Fuß gegen den untersten Stein neben dem Vorhang gekickt und prompt schwang der Stoff beiseite – bloß einen Spalt breit, aber genug, um sie mit angehaltenem Atem und eingezogenem Bauch hindurch huschen zu lassen. Unmittelbar hinein in einen finsteren, kühlen Gang.
Das Rascheln von Freds Kleidung verriet ihr, dass er noch immer irgendwo hinter ihr sein musste, doch die Wände um sie herum hielten den Weg so schmal, dass er sich nicht an ihr vorbei drängte. Lediglich sein Flüstern erfüllte die Luft, kaum war der Vorhang lautlos zu geglitten: „Lumos."
Die Spitze eines Zauberstabs erhellte sich und nun konnte sie die ungefähren Ausmaße der Passage erkennen, die steil bergab einen ungepflasterten Lehmpfad hinab führte.
„Du musst nur hier rein gelangen." Fred klopfte sich etwas Schutt von seinen Schultern, der auch schon auf Logans Brillengläsern nieder gerieselt war. „Ab hier geht's vier Stockwerke abwärts Richtung Südturm, einfach dem Weg nach. Wenn du da unten auskommst, warten wir zwei Korridore weiter auf dich."
Die Luft um sie herum war klamm und Logan konnte ihren eigenen Atem von der Tiefe des Ganges widerhallen hören, als sie sich zu Fred herum drehte. Sein blasses Gesicht schimmerte in dem Licht seines Zauberstabs und das Grün seiner Augen wirkte fast bräunlich.
„Wie habt ihr das gefunden?"
Logan ließ zu, dass Fred sich galant an ihr vorbei schob, den Weg voraus. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte sie die Quidditchumkleide und den ständig an ihm haftenden Duft nach Feuerholz riechen, doch dann war er in der Kälte des Raumes wieder verschwunden.
„Das bleibt unser Geheimnis", grinste Fred über seine Schulter hinweg, bevor er seinen Zauberstab vorausstrekte und ihr seine freie Hand anbot: „Vorsicht, ist rutschig, also festhalten bitte. Wenn ich heute Abend auch noch mit jemandem im Krankenflügel lande, hab ich ja nix mehr, womit ich George aufziehen kann."
So folgte Logan ihm, den Weg hinab, Stockwerk um Stockwerk, Lehmbrocken um Lehmbrocken. An einzelnen Steinhaufen vorbei, geleitet von der Wärme in seiner Hand und ständig gegen den Gedanken ankämpfend, wie sie sich von dort aus in ihren ganzen Körper ausbreitete. Fred hielt kein einziges Mal und jeder Schritt, den er tat, lag trittfest auf dem unebenen Boden. Sein Griff um ihre Finger verfestigte sich, wann immer Logan das Gleichgewicht zu verlieren drohte.
Irgendwann, nach einer Zeit, die sie gar nicht schätzen konnte und an einem Ort, den sie nicht zu kennen glaubte, hielten sie an.
„Am Samstag musst du noch eine Wendung tiefer."
In dem gleißenden Licht, das Fred vor sie her führte, konnte Logan die Umrisse einer hüfthohen Holztür erkennen, die inmitten der Steinwand schwebte, „aber heute bringen wir mal etwas Spaß in die Runde und steigen hier schon aus. Dann kann ich dir den Weg in die Küche zeigen."
„Küche?" Logan hatte bis zu diesem Moment gar nicht bemerkt, was für ein Leeregefühl sich in ihrer Magengegend ausgebreitet hatte. „Wo sie diesen richtig guten Pudding machen?"
Fred gluckste. „Mehr als das."
Er drehte den metallenen Türknauf zwei Mal um sich selbst, bevor die Scharniere knatschend nachgaben.
„Manchmal, wenn sie gut drauf sind, bekommt man extra Pfannkuchen."
Vorsichtig spähte Fred auf den dunklen Korridor hinter der Tür, die sich im einbrechenden Licht der Fackeln als Hinterseite eines Bildes entpuppte. Schließlich stieß er den Rahmen gänzlich auf und schwang sich elegant durch die Öffnung hindurch – wieder machten seine Sohlen keinen Laut, als er den festen Boden unter sich traf. Dann erlosch er das Licht und ließ Logan ihm folgen. Nicht ganz so flüssig und nicht ganz so gewandt. Und mit Sicherheit auch nicht ganz so leise. Ihre Füße erzeugten ein Patschen auf dem Stein; es war laut genug, um von den Wänden widerhallen.
Fred schien diese Tatsache nicht zu beirren, er hatte sich bereits zur nächsten Biegung gewandt - bis das hohe Klackern schmaler Absätze von genau dieser Richtung zu ihnen hinüber schwappte. Das Bild hinter ihnen war noch nicht ganz zugefallen, da waren sie beide erstarrt.
„Das ist nicht Sprout", wisperte Fred, noch immer an Ort und Stelle, während sich die gezielten Schritte graduierlich auf sie zubewegten. Und dann, mit einem Mal, fiel bei ihm ein Schalter um. „Komm", forderte er, schnappte sich Logans Handgelenk und nun kaum noch auf die Lautstärke ihrer Schritte achtend, huschten sie den Flur in die andere Richtung entlang.
Gerade noch rechtzeitig, um Professor Dolores Jane Umbridge zu entgehen, die bloß einen Wimpernschlag zu spät erschien, um das Bild der Zauberer-Versammlung aus dem 16. Jahrhundert zucken zu sehen.
„Was tut sie hier?", hauchte Logan Fred zu, als sie ihre Schulterblätter gegen die Korridorwand presste. Die Wärme aus Freds Hand kam nun bei weitem nicht mehr gegen das Adrenalin an, das sich in ihr ausbreitete wie ein wachsender Schwarm Hornissen.
„Keinen Schimmer."
Fred stierte den Rest des Ganges hinab, auf der Suche nach einem Plan. Es gab keine einzige Tür in diesem vierten Stock. Für einen Ausweg müssten sie noch zwei Abbiegungen weiter. Doch Umbridge hastete schneller als sie schleichen könnten.
Allerdings brauchte es nur drei weitere Absatzschläge, gemeinsam mit ihrer schweren Atmung, um Fred wieder in Bewegung zu setzen, Logan unmittelbar hinter sich im Schlepptau. Ein klein wenig zu schnell vielleicht, denn ihre Zehenspitze streifte eine Rüstung und schon erklang ein erschauderliches Klappern.
„Wer ist da?" Umbridges schrille Stimme erfüllte die schattengeprägte Leere und beinahe wäre Fred fluchend stehen geblieben, doch er rang sich den Instinkt ab und zog sein Anhängsel um die nächste Biegung davon.
Die Worte ihrer Professorin klangen nach. „Ich habe Sie gehört! Bleiben Sie stehen!"
Doch die Aufforderung einer Lehrkraft riefen immer bloß gegenteilige Reaktionen in Freds Kopf hervor und so schleifte er Logan weiter hinter sich her, während Umrbidges Schritte immer schneller wurden.
„Das Aufhalten außerhalb der Gemeinschaftsräume nach neun Uhr ist untersagt!"
Und für die nächste Biegung, näher heran an die Klassenzimmer, waren sie nicht schnell genug.
„Weasley!" Das Poltern glich schon beinah einem Kreischen und noch bevor sie hinter der nächsten Ecke verschwanden, konnten sie Umbriges hochroten Kopf erspähen und nun, ohne nachzudenken, rannten sie. „Weasley bleiben Sie stehen!"
„Können wir irgendwo rein?
Panik breitete sich in Logan aus und sie merkte gar nicht, dass sie es nun war, die Fred Handgelenk unter ihrem Griff zerquetschte.
„Ja -" Er wagte einen Blick über seine Schulter, bloß um festzustellen, dass Umbridge am Ende des Flurs aufgetaucht war, nun mit einem Zauberstab in der Hand und irgendetwas an ihrem Ausdruck ließ ihn wissen, dass sie sich nicht scheuen würde, ihn einzusetzen - „Da vorne!"
Beinahe wären sie vorbeigerannt. Im letzten Moment schwang Fred sich an eine der vielen Fackeln, ein Donnergrollen folgte und schon schoben sich drei Steinreihen am Ende des Ganges beiseite.
„Bleiben Sie stehen, Weasley!", spie die Frau in gleißendem Pink und nun war ein hellgrauer Lichtblitz aus ihrem Zauberstab emporgeschossen – Momentere! – doch er verfehlte sie knapp und traf eine der Fackeln, die sich nun bloß noch in Zeitlupe bewegte.
Fred schob derweil Logan an sich vorbei, hinein in einen breiteren und matt erleuchteten Gang, folgte ihr und ließ die Mauer mit dem Schlenker seines Zauberstabs zuschnappen.
Das klapprige Kreischen von Umbridges Absätzen war nun bloß noch ein dumpfes, langsamer werdendes Trommeln – „Ich kriege Sie, Weasley!"
Auf Freds Lippen lag ein Grinsen und sein Atem ging so rasch, dass sein Pullover kaum noch Zeit hatte, sich um seine Schultern zu spannen und wieder zusammenzuziehen. Logan löste ihren Griff von seinem Handgelenk und eine ihrer Schultern knackte, während die Taubheit bloß langsam daraus entwich. In der Hoffnung, Fred würde die weißen Flecken an seinem Arm gar nicht erst bemerken, schüttelte sie den Umhang über ihre Finger. Umbridges Schritte verstarben in der Ferne.
„Und jetzt?", hörte sie sich nach einem Moment selber flüstern. Sie musterte ihn, während Fred seinen Hinterkopf gegen den kühlen Wandstein presste und belustigt zu ihr hinüberschielte als hätten die vergangenen dreißig Sekunden seine gesamte Woche erhellt.
Der Anblick von Logans sorgenvollen Ausdruck beförderte seine Amüsanz bloß noch mehr.
„Schau mal nicht so trübe", verlangte er, als er sich von der Wand stieß und den breiten Gang, der sich in drei Richtungen spaltete, mit seinem Zauberstab erleuchtete. „Sie hat uns nicht erwischt."
„Aber sie hat dich gesehen."
Fred quittierte das bloß mit einer unwirschen Handbewegung.
„Du weißt schon, dass es mehr als einen Weasley gibt und wir von hinten ungefähr alle gleich aussehen?"
Das lenkte Logan für einen kurzen Moment ab. Dabei dachte sie trotzdessen an den mies gebundenen Verband um Freds Hand und die wulstige Narbe, die dort drunter war. Eine Stimme in ihr, tief verankert, flüsterte, dass sie vielleicht lieber zu ihrem Gemeinschaftsraum zurückkehren sollte. Doch ein anderer Teil, und vermutlich war es der, der Freds Duft tief in sich inhalierte, zwang sie, zu bleiben.
„Zur Küche sollten wir jetzt aber lieber nicht mehr", überlegte Fred laut, als sie vor der Weggabelung kurzzeitig zum Stehen kamen. „Und zurück auch nicht, also erst einmal nicht, bis sich Umbridge beruhigt hat." Plötzlich schnippte er laut hallend mit den Fingern. „Du hast Astronomie nie gewählt, hm?" Logan schüttelte den Kopf - „Oh perfekt!"
Binnen einer Sekunde verschwand er in dem linken Weg. Und der Teil von Logan, der sich von seiner Wärme ernährte, folgte ihm.
Sie liefen ein gepflastertes Stück hinauf, die Fackeln an den Wänden wurden kleiner und schwächer, manchmal verloren sie sich hinter einer Biegung und zwei Mal mussten sie über zwei Korridore ausweichen. Allerdings verriet ihnen der kurze Blick, den sie durch ein Fenster auf den verbotenen Wald erhaschen konnten, dass sie sich längst nicht mehr im Westende des Schlosses befanden.
Den ganzen Weg über sprachen sie kaum ein Wort. Fred, weil sein Gesicht zu sehr vor Begeisterung glühte, und Logan, weil sich ihr äußeres, ablenkendes Chaos der vergangenen Tage nun wieder in ihr Inneres kehrte, beherrscht von Sorgen um Umbridge, von Corben und seinen Trainingsreden zu Fred Weasley, dessen schemenhafte Gestalt sie nicht auch nur für den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen ließ.
Irgendwann hielt Fred an. Der Weg war schmaler geworden und nun mussten sie sich beide rücklings an die verputzten Wände pressen, um noch nebeneinander zu stehen. Ein Wandvorhang versperrte ihnen den Weg, Logan sah auf. Fred musterte sie.
„Machst du dir Sorgen?"
Das Licht seines Zauberstabes schwebte zwischen ihnen wie ein verlorenes Glühwürmchen auf seinem Heimweg. Logans Mine verwandelte sich bloß in einen fragenden Ausdruck.
„Wegen Umbridge? Also ich glaube, sie hat dich nicht erkannt. Und wenn, dann -"
„Nein", warf Logan ein. „Das ist es nicht."
„Sondern?" Fred wedelte kurz mit seinem Licht.
Logan seufzte. „Vieles. Alles auf einmal. Können wir nicht reden?"
Fred schmunzelte und er hatte den Kopf schief gelegt, das Grün seiner Iris schien noch durchdringender als an dem Tag im Grimauldplatz, als er sie auf ihrem Weg hinauf zum Dachgiebel abgefangen und sie zu seiner Komplizin im Zauberschach gemacht hatte.
Und dann plötzlich tat er etwas, das für Fed vielleicht ein klein wenig untypisch war. Oder zumindest für den Fred, den sie bisher kennen gelernt hatte. Denn er schwieg. Als konzentriere er sich lediglich auf das Schmunzeln seiner Lippen und den Anblick dessen, was vor ihm lag. Darauf, wie sein heißer Atem Logans Gesicht erreichte und wie statisch die Luft um sie tanzte, als hätten sie einander nie berühren dürfen, dabei zogen sie sich doch an -
Und genau so schnell, wie er gekommen war, brach Fred den Moment, ließ ihn verfliegen, und gluckste: „Im Reden bin ich sowieso nicht so gut."
„Das sagt wer?"
Logan starrte ihm nach als er den Vorhang beiseite schob. Vor ihnen offenbarte sich das Pfeifen des Windes und ein kleiner, eckiger Vorraum. Bloß alte Mikroskope und kaum identifizierbare Gegenstände surrten im Dunkel ihrer Glasvitrinen und gaben dem Nichts um sie herum einen Funken Leben.
„Angelina", erklärte Fred, kaum hatte er begonnen, an einer Falltür über ihren Köpfen zu fisteln, an der einsam und verloren eine Stofflasche baumelte. „Meine Mum, George, Ginny, Katie, Jo -"
„Ich halts für ein Gerücht."
Prompt erstarrte er in seiner Bewegung, die Finger längst um die Schnalle geschlungen. Ungläubig blinzelte er zu ihr hinüber, wie sie die Arme vor der Brust verschränkt im Halbdunkeln stand, neben dem schmalen Turmfenster mit Blick auf den Wald hinaus.
„Ich finde, du bist ein guter Redner." Sie trat ein paar Schritte auf ihn zu, während er die Klappe langsam aufgleiten ließ, den Blick dennoch unabdingbar an sie gebunden. „Du machst nur nicht das Beste draus."
Es dauerte noch eine winzige Sekunde, in der Fred vor Verblüffung erstarrt war. Einen Atemzug, ganz kurz nur bis die Klappe auf glitt. Das Heulen der Nachtluft brach hervor und mit ihm Freds Feixen.
„War das ein Kompliment?"
Er schwang sich die Stufen hinauf.
Logan hob die Achseln. „Das muss ich mir noch überlegen."
Der Astronomieturm hoch über den Dächern Hogwarts war eisig und rundherum offen, bloß ein unsichtbarer, im Herbststurm wehender Wall aus Schutzbannen hielt den anklopfenden Winter von ihnen ab. Ein großes Teleskop, gerichtet in den fernen Abendhimmel, thronte in der Mitte. Darum herum Schränke, Kissen, Bücherstapel und ausklappbare, lasch an der Wand baumelnde Spikoskope. Ein klein wenig roch es nach quellendem Papier und dicken Schichten aus Staub, doch die Notizen an einer Tafel verrieten, dass vor einigen Stunden erst jemand hier gewesen war.
Jeden zweiten und dritten Donnerstag im Monat, erklärte Fred ihr mit einem vielsagenden Blick, während er einen ganzen Arm voller Sitzkissen ausklopfte und von einem hohen Turm hievte, gab Professor Sinistra hier ihre Stunden und viel zu gerne vergaß sie, die Luke im Anschluss zu verriegeln. Ob die Zwillinge schon öfter daraus Profit geschlagen hatten, brauchte Logan dabei gar nicht zu fragen; die Routine, mit der Fred sie auf ihren Platz verwies und die Dachklappe zum Himmel hin öffnete, sprach genug.
Mit einem ergiebigen Seufzen und eng im Nacken verschränkten Armen ließ Fred sich neben ihr nieder, die langen Beine von sich gestreckt, so dass die Jeans an seinen Knöcheln bis zu den Waden rutschte. Schließlich inhalierte er die Nachtluft, genüsslich, und sah Logan an.
„Besser als Pfannkuchen?", fragte er.
„Mehr oder weniger."
„Naja, besser als Ärger mit Umbridge."
Das entlockte Logan ein Schnauben.
„Mit George wäre das nicht passiert."
Entblößt saugte Fred einen Schwall Luft ein, hielt den Atem an – und blies ihn heiß und schamlos in Logans Gesicht: „Autsch."
Unter einem stummen Lachen schüttelte sie den Kopf. Sie wusste nicht genau, wie spät es war, Freds Existenz hatte ihr jegliches Gefühl für ihre Umwelt genommen. Genau so, wie es ihr die Sorgen genommen hatte, für einige kurze Augenblicke lang.
Und in der Kälte der Nacht, die ihre Venen flutete und jeder Faser ihres Körpers neues Leben gab, da dachte sie an alles, was um sie lag. An die Dächer von Hogwarts, die sie aus den Fenstern hinter sich vermutlich sehen könnte, an alles, was sie gewonnen hatte und alles, was sie dafür verlor. An John, der seit letztem Jahr Astronomie belegt hatte und Gus, der nie gut darin gewesen war. Ihre Mutter, die sich in ihrer magischen Welt bloß dafür interessiert hatte und wie keines ihrer Kinder diese Begeisterung jemals teilte.
„Vermisst dus?", brach Fred schließlich die Stille.
Beinahe hätte Logan vergessen, dass er direkt neben ihr saß und nicht am anderen Ende des Raumes, in seiner eigenen kleinen Kapsel der Realität. Stattdessen hatte er die Füße an seine Brust gezogen, umklammerte die Knie und starrte sie aus tiefen Falten an.
„Irland, deine Schule, deine Freunde?"
„Natürlich."
Logan nahm den Blick von der leuchtenden Unendlichkeit über ihren Köpfen, sah nun ebenfalls zu ihm. In sein schmales Gesicht, auf die Sommersprossen, die sie zählen könnte und die Haarsträhnen, die in alle Richtungen abstanden, vom Wind, vom Rennen, vom Schutt. Und wenn sie ihn sah, während sie daran dachte – an Irland, an ihre Familie, an alles – dann blutete es zwar, irgendwo in ihr, doch aus irgendeinem Grund tat es nicht mehr so schrecklich weh.
„Aber es gibt zu viele Dinge, die mich an alles erinnern, als dass ich was vergessen könnte."
„Du kannst ja auch zurück", sagte Fred und nun war er es, der von ihr weg in den Sternenhimmel sah. „Nach diesem Jahr, meine ich. Du gehst doch bestimmt wieder nach Irland."
Logans Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, er bemerkte es nicht. „Ich weiß es nicht." Jetzt sah er wieder zu ihr, die Brauen gehoben. „Ich weiß nicht, ob ich das kann." Und sie wusste, es konnte nicht sein, und doch hatte sie das Gefühl, dass Fred verstand. „Was ist mit euch? Du und George, was macht ihr, wenn Hogwarts vorbei -"
Er lachte. „Wir sind nicht so planlos, wie alle immer sagen."
„Irgendwie habe ich das auch nie geglaubt." Logan musterte, wie er sich aufraffte. „Hat es was mit diesen Pillen zu tun?"
Und Freds Miene begann zu strahlen. „Schon irgendwie. Es sind Nasch-und-Schwänz Süßigkeiten", erklärte er und schon war seine Hand in den Tiefen seiner Pullovertasche geglitten, etwas rappelte, er kramte - „Pass auf."
Ein kleines, smaragdgrünes Säckchen voller bunter Kügelchen fiel in seinen Schoss. Flink fischte er ein grün-lilanes hervor.
„Stell's dir vor. Du hast eine Doppelstunde bei Binns - nein schlimmer noch, Donnerstags Morgens bei Snape. Und du hast echt keine Lust, du hast den Aufsatz nicht und dein Trank ist zum dritten Mal hart wie Stein." Logan musterte die kleine Pille im silbernen Sternenschein, wie sie durch Freds Finger wanderte und zwischen ihren Gesichtern schwebte, als wäre sie ein Heiligtum. „Da isst du einfach diese eine Hälfte, und dir wird schlecht oder du kriegst Nasenbluten oder sonst was, dann schickt Snape dich raus." Fred deutete auf das lilane Ende, feixte: „Selbst er mags nicht, wenn du in seine Kerker kotzt." Dann hob er das grüne Ende in die Luft. „Da gehst du und draußen beißt du in die andere Hälfte -" er warf sie in die Luft, schnappte sie in seiner Faust - „Und voila, dir gehts wieder gut." - und mit einem leisen Klimpern landete sie wieder im Säckchen. „Die beste Freistunde des Tages steht dir bevor."
„Wow." Logan starrte ihn an. „Der Unterricht hier muss echt mies gewesen sein, wenn man mit sowas um die Ecke kommt."
„Wir machen noch mehr. Es sind Scherzartikel." Selbstzufrieden rasselte er mit dem Säckchen, ließ ihn wieder in seinem Pullover verschwinden, unsichtbar. „Und ob dus glaubst oder nicht, es läuft. Die Menschen brauchen was zu Lachen in dieser Zeit."
„Eure Mum -"
„Hasst die Idee." Fred erhob seinen Finger. „Erzähl ihr niemals davon." Jetzt reckte er ihn vor ihre Nase: „Und auch sonst niemandem."
„Aber Angelina -"
Sein Finger bohrte sich fast in ihre Augen: „Ihr erst recht nicht." Dann sank er zurück gegen die Holzwand, ein Seufzen auf den Lippen. „Sie hätte es lieber, wenn ich wie sie Quidditch spielen oder zum Ministerium gehen würde."
„Sie mag dich, Fred", beteuerte Logan und wusste nicht, warum sie sich unwohl fühlte, ausgerechnet das zu betonen. Aber so war es nunmal. „Sie macht sich Sorgen." Fred runzelte die Stirn, der Sternenhimmel spiegelte sich in seiner Iris. Der Verband an seiner Hand war vom Training zerfleddert, aber die Schwellung, das konnte Logan sehen, war nicht weg. „Und ich kanns verstehen."
Fred war ihrem Ausdruck gefolgt. „Es ist fast wieder verheilt."
„Es ist schrecklich."
Er ruckte mit den Achseln, doch an der Säuerlichkeit, die seine Stirn in Falten warf, konnte sie sehen, dass es ihn noch beschäftigte.
„War auch nicht cool aber - Ach komm, schau nicht so sorgenvoll."
Hastig nahm er seine linke Hand aus ihrem Blickfeld, verborg sie unter seinem Arm und allein mit seinem beißenden Blick zwang er sie, ihn anzusehen. Süffisanz auf den Lippen.
„Ich versprech dir, den Klatscher schwingen kann ich nächste Woche."
Logan lachte. „Treffen würdest du mich sowieso nie."
Fred rollte mit den Augen als wäre es das ödeste Comeback, das ihr hätte einfallen können.
Für einen Moment schwieg er. Und sie sah zu den Sternen empor, Irland ferner und greifbarer denn je.
„Hat mich überrascht, dass du dabei bist", durchbrach Fred wieder ihre Gedankenwelt, bevor sie sich aufbauen konnte. „In McLaggens Team."
Logan zögerte, ob sie sich rechtfertigen musste, doch Fred schien von ihr keine Antwort zu erwarten. Es war eines der Dinge, die man sagte, weil man sie loswerden musste und nicht, weil man sie erklärt haben wollte.
Und einen weiteren Atemzug lang verweilte Fred an ihr, schien die Sekunden gefrieren und alles an ihr in sich aufzunehmen. War ihr näher als in Professor Binns Klassenräumen und auch irgendwie fern. Und dann, gerade dann, als es schien, als würde er seinen Blick vielleicht gar nicht mehr von ihr wenden, da inhalierte er die Abendluft, so fest, dass sich sein Quidditchpullover stram um seine Schultern zog, bevor er von plötzlichem Tatendrang gepackt in die Hände klatschte und sich in die Luft schwang.
„Ich glaube, es wird Zeit für den abenteuerlichen Rückweg."
Erwartungsvoll reichte er ihr seine Hand und so, als wären sie nach diesem Abend lange ein eingespieltes Team, zog sich Logan an ihm hinauf. Und die Distanz zwischen ihnen, die sieben Sitzreihen und neun Meter Luftlinie aus Professor Binns Klassenzimmer, hatte sich wieder zwischen sie geschoben.
Ihr Weg zurück in Richtung des Ravenclawturms war um einiges ereignisloser als der Anfang ihrer nächtlichen Reise. Mittlerweile war der Mond nah an die Baumkronen des Waldes gewandert, als Fred am Ansatz der vielen Treppenstufen hinauf zum Ravenclaw zum Stehen kam.
„Danke", hauchte Logan ihm in der Stille zu. Die sich in ihr ausgebreitete Müdigkeit erschien selbst die Fackeln an den Wänden langsamer tanzen zu lassen.
Fred zeigte ihr ein unterdrücktes Gähnen und ohne nachzufragen, was es war, das Logan nun so leise lächeln ließ, deutete er eine galante Verbeugung an, sein Tonfall war theatralisch: „Stets zu Diensten."
Und dann, vierzehn Sekunden später, konnte sie das feurige Rot seiner Haare in der Dunkelheit des Nachbarkorridors verschwinden sehen. Doch die Wärme an ihrer Hand, die er bis zum Ende des verborgenen Ganges gehalten hatte, war noch immer da.
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Ehm, can they kiss already? Okay, ich gebs ja zu: Team Fred all the way. Bis hier her, ersteinmal. Wartet das nächste Kapitel ab, da gehts mit Rob und Corben nach Hogsmeade. Und wer weiß, was da auf uns wartet? Habt ihr schon eine Idee?
Ich liebe diese Geschichte. Sorry, aber es bringt mir so einen Spaß, diese Charaktere und Momente mit euch zu teilen. Danke, dass ihr dabei seid!
Dienstag gehts also nach Hogsmeade. In dem Sinne: Würdet ihr lieber in die Drei Besen, den Honigtopf oder zu Zonkos?
(Spoiler: Wir gehen zu allem nicht.)
Raging Fire ist oben übrigens angehängt, weil es dieselbe Art von Freiheit versprüht wie Nachts durch die Korridore Hogwarts zu rennen.
See you Dienstag am Geheimgang. Ganz viel Liebe, Al
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