15 | ein ziel.

Auf dem restlichen Weg zu ihren Zaubertrankklassenräumen sprachen Logan und der gelegentlich unvermittelt den Kopf schüttelnde Fred kaum ein Wort. Auch, als sie versuchte, an ihn zu appellieren, ließ er bloß ein Schnauben hören:.

„Sie hat schon irgendwie Recht, Fred, weißt du? Vielleicht war's echt eine unnötige Aktion."

Die gesamte Doppelstunde über würdigte Fred Angelina keines Blickes und Alicia musste ziemlich dagegen ankämpfen, die drückende Stimmung an ihrem Gruppentisch nicht auf sich abfärben zu lassen. Auch, wenn Angelina sich manchmal, wie Logan durch den Kesseldunst hindurch sah, an ihn zu wenden versuchte: Fred schaltete zu eigenem Genuss auf stumm. Auch George, der beinahe zu spät in die Klassenräume gehetzt kam, blickte außerordentlich gequält drein. Als hätte er die ganzen Punkte, die Fred von Angelina an den Kopf geworfen bekommen hatte, selbst erkannt und sich selbst gescholten.

„Alles okay?", raunte Logan ihm zu, als sie sich ihm am Ende der Doppelstunde auf dem Weg zum Verwandlungsklassenraum anschloss. Fred war an ihnen vorbeigerauscht, wieder in einer hitzigen Diskussion mit Angelina vertieft.

Länger als für einen Atemzug traute Logan sich nicht, zu George hinaufzuschielen, der neben ihr her trottete als hätte man ihm so eben erzählt, jemand schaffe für dieses Jahr die Weihnachtsferien ab.

In jedem seiner folgenden Worte lag ein tiefer, ergebener Seufzer. Und wenn das Geplapper der Schüler, als sie die große Halle passierten, nicht so donnernd laut gewesen wäre, wäre sie sich sicher gewesen, dass George ganz klar und deutlich gesagt hatte: „Fred ist immer alles so egal, solange er sein Ding durchzieht. Aber meine Scheiße, mit meinem eigenen Blut zu schreiben macht mich nicht wirklich glücklich."

Und mit dieser Erkenntnis schwieg er den restlichen Vormittag, bis in ihre Geschichtsstunde bei Bins hinein. Die entpuppte sich dann als so zäh, dass Logan sich kaum anders zu beschäftigen wusste, als alle paar Minuten mit schwindender Hoffnung auf den Kompass in ihrer Umhangtasche zu schielen. In waghalsigen Momenten und zwischen langen Klassenraumgängen zog sie ihn manchmal hervor, wenn aberwitzige Hoffnung sie packte. Doch wann immer sie darauf sah: Seit ihrer Ankunft in Hogwarts hatte sich nichts geändert. Er drehte sich bloß weiterhin unerbittlich um sich selbst. Belanglos, wie oft sie ihn im Laufe des Tages noch hervorzog.

„Die beiden müssen sich auch immer in Schwierigkeiten bringen", befand Naome, als sie nach Zauberkunst die große Halle betraten und Logan den Kompass grade wieder klammheimlich in ihre Tasche zurück gleiten ließ. Obwohl sie ihn die letzte Stunde beinahe umklammert gehalten hatte, war er kalt geblieben. Als strahle sie keine körperliche Wärme aus. 

Die Geschichte zu Fred und Georges Streich mitsamt seinen Folgen hatte sich derweil binnen weniger Stunden durch die Gänge gezogen und Logan sah ihnen nach, als sie sich ihre Teller unter die Arme klemmten und aus der großen Halle streunten. Wortkarg. Untypisch.

Dabei war Freds Miene zu grantig, um ihnen hinterher zu rufen, also ließ Logan sich zum Ravenclawtisch mitziehen und prompt ablenken: Von Corben, der an den Zwillingen vorbei in die Halle geschossen kam - und ungebremst zu ihnen auf die Bank schlitterte.

„Leute", keuchte er und seine dunklen Strähnen hingen ihm bis in die Stirn. „Bei Merlins pinker Unterhose, seht ihr das?"

Brixton erstarrte mit seinen Händen über der Auflaufkelle und hob seinen Blick.

„Bitte sag mir, dass es die süße Hufflepuff ist, der du so fasziniert hinterher starrst, und nicht Flitwick."

Mit trommelnden Fingern ließ Corben ein Kopfrucken sehen. Geradewegs an der süßen Hufflepuff mit dunkler Lockenpracht vorbei. „Nein, Flitwick - sieh mal, was er in der Hand hält!"

Vollkommen unberührt zog Naome ihre Käsekruste vom Kinn und beugte sich an den Schülerreihen vorbei, um einen Blick auf ihren Lehrer zu erhaschen, der in ein Gespräch mit Professour Sprout vertieft war.

„Briefe?" Anne musterte den Packen Pergament unter Flitwicks Arm.

Naome stöhnte. „Corben. Wie oft noch?" Ihr Besteck klirrte. „Du kannst den Lehrern keine Liebesbriefe schreiben, sie stehen eh schon auf dich -"

„Sei still", fauchte Corben ihr zu, auch wenn er sich ein Grinsen verkneifen musste. Er lehnte nun so penetrant in ihrer Mitte, dass Logan zwischen ihm und Brixton bloß Zentimeter zum Atmen blieb. „Ich mein den blauen Umschlag. Der ist vom Ligavorstand."

Abwartend hob Naome ihre Brauen, doch nichts folgte. Außer Corbens ekstatischer Blick, der zwischen ihnen hin und her tanzte.

„Erklärst du das jetzt noch, oder muss ich mir eine Reaktion ausdenken?"

Corben verzog ungeduldig das Gesicht. „Sie werden ankündigen, welche Spieler für ein Stipendium in Frage kommen."

Als hätte er das bloß gleich sagen müssen, klatschte Naome in die Hände: „Corbs. Wenn sie kein Auge auf dich geworfen haben, wären sie dämlich!"

Corben selbst war da jedoch anderer Meinung. Da es nämlich bloß noch knappe drei Wochen bis zum ersten Saisonspiel waren, hatte er tatsächlich für die letzten beiden Sonntage zusätzliche Trainingsstunden angesetzt. Und die Drucklast, die er sich selber auflud, seitdem ihm der Briefumschlag unter Flitwicks Arm aufgefallen war, wuchs mit jedem verstreichenden Tag.

„Wundert mich gar nicht, dass er so nervös wird", erklärte Cho Chang am Abend, als sie bei Dämmerungseinbruch zum Quidditchfeld aufbrachen. Der verräterische Duft just servierten Abendessens und frisch gebackener Käsekruste verfolgte sie wie eine ferne Erinnerung an wärmere Abende.

Tina rümpfte ihre Nase. „Ein klein wenig besessen war er ja schon immer."

„Naja ich denk, er checkt erst jetzt, wie ernst es für ihn werden könnte." Cho schielte den steinernen Lehmpfad hinab; Corbens Silhouette war schon lange im Schatten des Quidditchfeldes verschwunden. „Wenn die Scouts wirklich wegen ihm kommen, muss er verdammt gut spielen. Deshalb -"

„Dreht er am Rad", vollendete Logan, als sie die Kabinen erreichten, aus denen die Fetzen trägen Lebens drang. Flux drückte sie Cho einen Nimbus in die Hand; der Besenschrank ertrank vor den grellen Scheinwerfern des Quidditchplatzes zu einem krummen Fleck.

„Apropos am Rad drehen", murrte Tina, als sie ihren Besen entgegennahm, und nickte Richtung Spielfeld, „da kenn ich noch so wen."

„Nein, keine Widerrede!"

Als hätte Angelina Tinas Missgunst gerochen, tauchte ihre grelle Stimme über dem Frieden der Ländereien auf. Ihre dumpfen Schritte hatten sich mit dem Schmatzen des Rasens angekündigt und ihr dunkles Haar wallte majestätisch hinter ihr her, als sie mit der Spielballkiste im Schlepptau um die Ecke bog.

„Aber Angie, wir trainieren sogar Freitags!" Freds Stimme klang als hätte sie ihm seinen geliebten Lakritzstangenvorrat entwendet. „Und heut waren wir extra früher, was willst du denn noch?"

„McLaggen lässt seine Mannschaft sogar am Wochenende auflaufen!" Obwohl gut gesittet, würdigte Angelina den drei Ravenclaws keines Blickes, als sie sich ihre Sporttasche fester surrte. Die Spielballkiste landete unten im Besenschrank, ein Rumpeln folgte. „Seid froh, dass ich euch nur drei Einheiten in der Woche abverlange!"

Katie stöhnte hinter ihr her, noch bevor Angelina auf dem Absatz kehrt machte, um in den Abendwind zu entschwinden.

„Danke."

Fred und George waren neben ihnen zum Stehen gekommen und obwohl Georges besorgter Blick Angelina folgte, schielte Fred bloß spöttisch zu Logan hinab; seine Arme strafften sich fest vor seiner Brust.

„Hey, da können wir ja wohl nichts für!"

Mit einem theatralischen Blick schob George sich zum Besenschrank vorbei, doch Fred beugte sich bloß scherzhaft an sie heran: „Kannst du deinen Trainerfreund nicht vielleicht einfach zügeln?"

Entblößt plusterte Logan ihre Wangen. „Er ist nicht mein -", gegen Freds Grinsen war sie machtlos „ach vergiss es."

Dabei zeigte er bloß eine wegwerfende Handbewegung. „Ich weiß auch nicht, warum er plötzlich das Maß aller Dinge ist. Ist ja nicht so, als wäre er gut. Und ist ja nicht so, als wären wir  nicht um Längen besser."

„Das ist doch nur, weil Angelina um den Platz in der Liga bangt." George hatte den Schrank herzhaft zufallen lassen, wieder purzelten Besen durch die Gegend. Corbens höhnische Stimme wob durch Logans Hinterkopf - Wenn ich jemals wieder das Chaos der Gryffindors beseitigen muss, krieg ich die Krise!

Hinter Georges Schulter konnte sie Tina und Cho in die Umkleiden huschen sehen, allerdings war es der herausfordernde Blick in Freds Miene und Georges Unbeirrtheit, die sie bei ihnen hielten: „McGonagall hat ihr heute gesteckt, dass die Scouts vielleicht beim Spiel dabei sein werden."

„Das vermutet Corben auch."

Fred, dessen Blick an Logans Nimbus hinab geglitten waren, hielt abrupt inne. „Super, dann wird das ja ein spaßiges Ereignis."

Logan lachte: „Nur, wenn verlieren für dich spaßig ist."

Prompt kickte er den knochigen Schweif ihres Besens gegen ihr Schienbein.

„Ziemlich loses Mundwerk für jemanden, der uns noch nie spielen gesehen hat."

„Dito."

Freds Augen schmälerten sich. Vor Belustigung, wie Logan sah, und für einen Moment erschien es, als hätte es seine schlechte Laune vom heutigen Morgen nicht gegeben. Und, als hielten sie ihr Wortgefecht lediglich im Stummen ab. Bis Fred sich amüsiert umwandte, und sich seinen Rucksack wieder über den Arm warf.

„Wie geht es euch eigentlich?" Logan hatte es sich nicht verkneifen können. Fred verharrte noch vor der Umkleidekabine, George war äußerst an seinem Pullover interessiert. „Wart ihr schon bei Umbridge?"

Und dann waren beide ziemlich schnell:

„Ach komm, Logan -"

„Noch haben wir die Hände eines Adonis!"

Georges dürre Finger tanzten munter durch die drückender werdende Dunkelheit. Trotz seines erzwungenen Humors blieb die Stimmung zwischen ihnen kalt, als hätte er den Schalter sowieso nicht mehr umlegen können, als wäre nun endgültig der Winter eingebrochen.

Letztendlich antwortete Logan nur auf Fred: „Was denn, ich mach mir nur sorgen?"

Er schnaubte gegen den Kragen seiner Jacke. „Dann kannst du damit aufhören."

„Würd mir leichter fallen, wenn ihr euch nicht in Schwierigkeiten bringen würdet."

„Logan?"

Die Jungenumkleide öffnete sich mit einem Knarzen; wie vom Blitz getroffen sprang Fred beiseite. In dem dunsenen Schein der Kabine reckte Corben sich gegen den Nachteinbruch. Sein Feuerblitz tanzte auf seiner Schulter.

„Wir fangen gleich an."

Sie musste blinzeln, um sich daran zu erinnern, dass er wirklich existierte. Und um zu wissen, warum sie eigentlich hier war.

Freds Pfeifen kam aus der Ferne, als hätte sie mit Corbens Erscheinen den Griff zu ihm verloren. Als sie nicht hingesehen hatte, hatte er sich den Weg hinauf geschlichen; die Lichter des Schlosses begrüßten ihn schon fast. Das Grinsen, das seine Lippen umspielte, war nicht echt. Der Hohn in seinen Augen schon.

„Schnell, da scheint wer seinen Jägerstar zu brauchen."

Die Grimasse, an der Logan sich versuchte, erreichte ihre Augen nicht. Trotzdem ließ sie Fred und George zurück, noch bevor das Donnern ihres Herzens lauter hätte werden können.

Auch, wenn sie sich beeilte, kam sie zu spät auf das Quidditchfeld gehastet. Doch Corben überging diese Tatsache ohne einen seiner sonst so typischen Kommentare, die Cho schon einige Male über sich hatte ergehen lassen müssen. Der Rest der Mannschaft war bereits in der Luft und der Rasen unter ihnen wurde von den schwebenden Scheinwerfern erleuchtet. Corben hob den Blick von seinem Klemmbrett, als er die feuchten Erde unter Logans Fußsohlen hörte und Erleichterung schob sich auf seine Miene.

„Wurd Zeit." Sie bemühte sich an einem unschuldigen Lächeln, ihr Kapitän ließ es allerdings nicht zu, dass sie sich wortlos an ihm vorbei schlängelte: „Ist alles gut? Du wirkst mir zu abwesend."

„Alles bestens", entgegnete sie mit einer unwirschen Handbewegung und machte Anstalten, sich auf ihren Nimbus zu schwingen. Corben behielt seinen prüfenden Blick.

„Was auch immer es ist, das dich all die Zeitungen durchsuchen lässt, Logan, es -", für einen Moment sah es aus, als würde er ihren Besen festhalten wollen, damit sie nicht losflog, ließ es aber. „Hör zu, das klingt jetzt vielleicht bescheuert, weil wir uns nicht kennen, aber wenn deine Augenringe noch größer werden, fang ich an mir Sorgen -"

„Schon gut." Logans Blick folgte ihren Mannschaftskollegen in der Luft. Dann stieß sie sich sanft vom Boden ab, so dass sie auf Corbens Augenhöhe schwebte.

„Ist nur viel", sagte sie dann, „Schule, die Neue sein, Umbridge und ihre Nachsitztaktiken. Aber mir gehts gut."

Corben räusperte sich, als wolle er sichergehen, dass sie auch wirklich zuhörte: „Du weißt schon, dass du dir um die Weasleys nicht zu viele Gedanken verschwenden solltest, richtig? Das sind sie nicht wert."

Auf Logans Lippen zog sich ein Grinsen.

„Witzig." Sie stieg einige Zentimeter weiter höher. „Genau dasselbe haben sie auch über dich gesagt."

Corben lachte und folgte ihr in den dunklen Abendhimmel hinauf.

Nach diesem Training war Corbens Stimme erstmals nicht heiser, als er sie in die Kabinen schickte. Ihnen gelang ein Spielzug, an dem sie zuvor immer gescheitert waren und Cho schaffte glatt drei Bilansky-Bluffs, bevor sie das erste Mal vom Besen rutschte und, ohne sich dabei weh zu tun, mit der Schulter voran auf dem Rasen aufschlug. Die Rede, die Corben am Ende hielt, streckte sich in die Länge und so war es viertel nach zehn, als Logan in ihren Schlafsaal kam.

Der Kompass ruhte genau an ein und derselben Stelle, wo sie ihn jeden Abend zurück ließ und auch heute Nacht, genau so wie auch in den vergangenen Tagen, rotierte die Nadel um sich selbst. Und wie so häufig nach ihrem Training ließ sie ihn in ihre Umhangstasche gleiten, bevor sie schlafen ging.

Professor Dolores Jane Umbridge hatte ihren Unterrichtsstil derweil nicht verändert. Mittlerweile, wo die einzelnen Schüler aus ihrem Kurs aufgehört hatten, sich zu beschweren, verlief die Zeit in ihrem stickigen und nach Rosenparfüm duftenden Klassenzimmer zäh. Am Ende jeder Stunde hatte sich eine neue Schicht Hornhaut auf Logans Schreibfinger gebildet.

Wie an jedem Tag konnte Logan es auch am kommenden Morgen nicht lassen, auf ihrem Weg in den Ostturm und anschließend ins Schlossinnere immer wieder einen Blick auf den Kompass zu werfen. Dabei war die Nadel so beharrlich wie immer. Sie deutete zum See, dann zum Nordturm, dann zum Schlosstor. Und drehte sich dabei im Kreis.

Auch, als Professor Umbridge an diesem Tag den Unterricht mit ihrem üblichen Hüsteln begann, war der Kompass noch immer unentschlossen, die Nadel etwas wackelig. Mit einem Seufzen ließ Logan ihn zurück in ihre Tasche gleiten und schrieb stattdessen.

Sie war gerade dabei gewesen, einen Punkt unter den vierzehnten Absatz zu setzen, als ein Rumpeln die Stille zerschnitt.

Alle Blicke huschten zu Umbridge, die sich aufreckte, die Augen starr auf die Klassenraumtür geheftet. Dann folgte ein erneutes Rumpeln, wie das Scheppern einer umgefallenen Rüstung und ein grelles Lachen, das verdächtig stark nach einem der Geister klang: Einem rundlich kleinen, den Logan erst einmal gesehen hatte, wie er George im Vorbeigehen ein High-Five gab.

Auf Umbridges Ausdruck schob sich Erzürnen und als ein weiteres Krachen, nun aus dem Raum neben ihnen, erklang, durchquerte sie mit strengem Absatzklackern die mittlere Gangreihe, öffnete die Tür und verschwand hinaus. Alle sahen ihr nach. Kein Flüstern brach aus.

Einzig und allein Logan hätte beinahe aufgeschrien. Doch sie konnte ihre Überraschung gerade noch so in einem stummen Zusammenzucken verbergen, was bloß Anne aufsehen ließ.

Nebenan schrie Umbridge gegen eine gackernde Stimme an, aber Logan sah nicht mehr hin. Ihre Umhangstache hatte angefangen, gegen ihren Oberschenkel zu vibrieren. Sie schnappte den Kompass. Die Nadel drehte sich nicht mehr.

Stattdessen stand sie nun an einer exakten Stelle, deutete quer durch den Klassenraum, zitterte als stünde sie unter Strom. Das ganze Gehäuse summte in Logans Hand.

Annes erschrockenes „Was ist das denn?", ignorierte sie und folgte stattdessen der Richtung der Nadel. Denn zum ersten Mal seitdem sie überhaupt entschieden auf etwas zeigte, deutete sie nicht mehr auf Logan selbst und drehte sich auch nicht mehr im Kreis. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft im Grimmauldplatz zeigte der Kompass einen Weg. Einen Weg, und nicht auf eine Person. Nicht auf sie selbst und auch nicht auf Corben, der hinter Logan saß und an dem die Nadel wenige Millimeter vorbei schnitt. Sie zeigte zur Tür.

Dolores Jane Umbridge hatte die Miesere mit Peeves dem Poltergeist nach fünf Minuten des Geschreis im Griff. Bloß der noch etwas nasse Saum ihres Umhangs und ihre säuerlich zusammengepressten Lippen ließen vermuten, dass sie ein Wasserbombe abbekommen hatte. Genau so wie der extragroße Berg an Hausaufgaben, die sie ihnen zum Ende der Stunde auftrug.

Logan konnte sich darüber gar nicht wirklich aufregen. Ihre Finger hatten ununterbrochen um den leise rappelnden Kompass gelegen. Und endlich, als Umbridge sie in die Freiheit entließ, täuschte sie ihren Freunden eine Rückgabe für die Bücherei vor und hastete in die entsprechende Richtung davon, bis keiner ihrer Mitschüler mehr hinter ihr war.

Dann hob sie den Kompass augenblicklich vor ihre Nase. Die Nadel bebte nun nicht mehr, sie schien sich sicher zu sein. Und sie zeigte unmittelbar geradeaus.

Logan folgte dem Kompass eine ganze Weile lang, doch kein einziges Mal bereute der kleine Zeiger auch nur irgendeine seiner Entscheidungen. Sie stolperte Treppen hinunter, hastete Biegungen entlang, rauschte an der großen Halle vorbei, aus der es verführerisch gut nach Kartoffelgratin duftete.

Doch sie ließ sich nicht beirren, eilte weiter. Den ersten Stock entlang, in den Südflügel, um eine Ecke an der Statuen-Gruppe dreier Hexen vorbei, entlang am Wandvorhang von Helga Hufflepuff, geradewegs weiter zu -

„Wow, Logan, Vorsicht!"

Roberts Stimme erklang, kurz nachdem sie miteinander kollidiert waren und ein stechender Schmerz breitete sich dort aus, wo Logan in seinen Oberarm gedonnert war. Erschrocken sah sie auf.

„Rob sorry, ich war -"

„Wahnsinn, ist das ein Wegweiser?", jauchzte er, sein Blick war auf den Kompass gerichtet, der immer noch vor Logans Nase schwebte. „Die Dinger sind der Wahnsinn, sie - Sag mal, warum dreht er sich im Kreis?"

Überrascht folgte Logan seinem Blick. Er hatte recht.

Enttäuschung flutete sie. Die Nadel hatte aufgehört still zu stehen und surrte wieder in altbekannter Gewohnheit um sich selbst.

„Ich weiß nicht", stöhnte sie und rüttelte an dem Gehäuse. „Bis grade hat er noch wohin gezeigt."

Rob lachte. „Wer weiß, vielleicht war ich dein Ziel?"

Sie wusste, dass es ein Scherz sein sollte, doch sie konnte seine Amüsanz nicht erwidern.

Rob überging diese ungewohnte Reaktion: „Ist eigentlich ganz gut so, ich wollte sowieso noch mit dir reden." Er rückte sich die lederne Umhängetasche auf seiner Schulter zurecht. „Also eigentlich wollte ich nur, naja, wegen Flint. Er hat heute mit dieser Bulstrode laut drüber diskutiert, was er so alles über dich zu wissen glaubt und -" Robs Wangen plusterten sich und verzerrten dabei seine Muttermale „- das ist echt mies."

Logan starrte ihn an. „Rob -"

„Aber mach dir keinen Kopf. Das ist so seine Masche, er will dich nur aus dem Quidditchteam ekeln, aber -" Er runzelte die Stirn. „Du kanntest Maden, nehm ich an?"

Ein klein wenig überrascht, dass er sie beim Vornamen nannte und nicht auf 'diese Bolton' auswich, straffte Logan ihre Schultern.

„Ein wenig." Insgeheim fragte sie sich, ob er und Corben manchmal über sie sprachen. „So wie du deine Mitschüler kennst."

„Oh, die meisten meiner Mitschüler sind mir zuwider", lachte Rob und wäre da nicht diese kecke Falte zwischen seinen Augenbrauen gewesen, hätte sie ihn vielleicht ernst genommen. „Aber falls ich ihn wieder Mist quatschen höre, lass ich ihn Schnecken spucken. Oder Kröten. Was wär dir lieber?"

Logan überlegte. Ernsthaft. „Gehen auch Ratten?"

Rob lachte.

„Danke", beteuerte sie. Und das meinte sie auch tatsächlich so.

Mit einer unwirschen Handbewegung wich Rob ihr aus – und schielte dann wieder zurück zu dem Kompass, den Logan noch immer nicht aus ihrem Sichtfeld nahm.

Sie standen irgendwo im zweiten Stock, gar nicht so weit vom Innenhof und vermutlich hatte er gerade Kräuterkunde hinter sich gelassen, denn sein Haar sah war zerzaust und an seiner Schulter klebten welke Ahornblätter. Der eine Tunnel an seinem linken Ohr fehlte.

„Rob?", brach Logan die Stille, in der sie beide fesselnden Gedanken hinterher gehangen hatten.

Rob hob erwartungsvoll seinen Blick – Hm?

„Letztens hast du von dem Ausbruch aus Askaban erzählt. Du weißt nicht zufällig mehr zu den Gerüchten um Du-Weißt-Schon-Wen, oder?"

„Oh, da ist wohl jemand auf den Geschmack brandheißer Insider-Infos gekommen", scherzte er, verkniff sich aber einen weiteren Witz und ergänzte: „Nein, mehr weiß ich leider nicht." Er vergrub die Hände in den Umhangtaschen. „Aber ich kann mich umhören." Und dann: „Soll ich das Ding mal checken?"

Er deutete auf den Kompass in Logans Hand, um den sich ihre Finger geschlossen hatten, als fürchte sie, er würde ihr entfliegen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie ihn präsentierte wie eine just ergatterte Trophäe.

„Ich bastel gern an magischen Sachen rum, ich hab den Antrieb von Corbens Feuerblitz gemacht."

Logan entwich ein verblüfftes Auflachen. „Ach, deswegen startet der so durch?"

Rob schnaubte. „Na klar, oder dachtest du etwa, Corbs wäre so ein übertrieben guter Flieger? Im Leben nicht." Er fuhr sich durch das wellige Haar. „Also das Angebot steht."

Nachdenklich musterte Logan den kleinen, rastlosen Gegenstand in ihrer Hand und sah dann wieder zu dem neugierig dreinschauenden Slytherin empor.

„Das musst du wirklich nicht."

„Hey ich machs echt gerne." Als er sich etwas weiter vorbeugte, um die Holzverkleidung zu mustern, wehte der Duft seiner letzten Zigarette zu ihr hervor, fast schon wieder erstickt von beißender Minze. „In einer Woche kannst du ihn wiederhaben. Oder in zwei, falls Sinistra uns wieder so viele Hausaufgaben gibt."

Zweifelnd, aber auch mit der Erkenntnis, dass sie alleine nicht mehr viel an dem Ding machen konnte, schob sie den Kompass Rob entgegen.

„Ich habs schon mit Bruchflüchen versucht", erklärte sie ihm. „Also zumindest mit denen, die ich beherrsche. Passiert rein gar nichts. Er reagiert auch nicht auf Accio, das ist seltsam. Und selbst, wenn du ihn in Flammen setzt, bleibt er kalt."

„Du hast ihn in Flammen gesetzt?", wiederholte Rob belustigt und fischte den Kompass aus ihrem Griff. Logan ließ ein desinteressiertes Achselzucken sehen. Im Grimmauldplatz hatte sie kaum etwas unversucht gelassen, aber da hatte er sich ja auch noch nicht im Kreis gedreht. Rob sah nun zu ihr. „Woher hast du ihn?"

„Von meinem Dad."

Der schöne und doch so nutzlose Kompass verschwand in der ledernen Jacke, die sich Rob über seine Umhängetasche geworfen hatte.

Langsam setzte er sich in Bewegung, vermutlich in Richtung der großen Halle, und Logan folgte ihm.

„Die Todesser", warf sie dabei ein, bevor sich Stille um sie legen konnte, „von denen deine Ma weiß. Die schon im Sommer aus Askaban geflohen sind. Weißt du, wer es war?"

Rob lugte interessiert zu ihr hinüber, seine gerunzelte Stirn zeichnete sich unscharf am Rande ihres Blickfeldes ab.

„Das weiß kaum wer." Robs Sohlen schlurften über den Steinboden. „Die Info verlässt die innersten Kreise des Ministeriums nicht." Und wieder schlich sich Begeisterung auf seine Mine. „Aber ich kann nachforschen. Und wenn ich was weiß, sag ich dir sofort bescheid."


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Und da bin ich wieder. Glaubt ihr, es war die Richtige Entscheidung, Rob den Kompass anzuvertrauen?  War er auf verschobene Art und Weise wirklich das Ziel?

Und wie arg freut ihr euch auf das Quidditchspiel? Ganz wenig Kapitel noch, I'm counting the days.

Am Samstag formt sich unser Kompass-Trio und wir nähern uns ein paar Antworten.

Bis dahin: Be kind to others.

Tausend Dank für all die Liebe und gute Laune, die ihr mir hier ständig schenkt. It means a lot

Ganz ganz viel Liebe, Ally x

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