05| altes stirbt.
„Das kommt ja mal überhaupt sowas von gar nicht in Frage!"
Das patzte Maden nicht nur an diesem Abend schonungslos in Tonks Gesicht, sondern sie sagte es genauso fünfzehn Stunden später, als sie im Salon des Grimmauldplatzes stand.
„Maden, hör uns doch zu, du wirst keine Möglichkeit haben -"
„Ich werde nicht meine Identität wechseln, mein ganzes Leben fallen lassen." Sie schrie nicht, auch wenn sie es gekonnt hätte. Sie sprach schneidend, in nachdrücklichem Tonfall und die unzähligen Augenpaare, die ihr entgegen traten, regten sich nicht. „Ich bin siebzehn, ihr habt sie doch nicht mehr alle."
Niemand der Anwesenden saß. Sie alle waren um den langen Holztisch herum erstarrt, bloß Sirius Black neben ihr ließ seine langen Finger über eine Stuhllehne gleiten und machte den Anschein als suche er nach den passendsten Worten. Doch sie blieben aus.
Es war keine Stunde vergangen, seitdem Maden Bolton und Nymphadora Tonks durch den Kamin des Grimmauldplatzes hinein in ein äußerst stickiges Wohnzimmer geschlittert waren und ebenso lange war es auch her, dass sich die vielen bekannten und fremden Gesichter im Salon aufgereiht hatten. Keiner saß, es war zu entscheidend. Und Albus Dumbledore war nicht da.
Maden hatte Zeit gehabt, über dieses Angebot nachzudenken und natürlich wusste sie, warum es ihr überhaupt gemacht worden war. Doch das würde sie vorerst nicht auszusprechen wagen. Es war als lähmte allein der Gedanke all ihre Gliedmaßen.
Beinahe alle Mitglieder des Ordens, von deren Existenz sie bisher erfahren hatte, waren versammelt und all die fremden Gestalten, die sich ihr bei ihrem Erscheinen nicht vorgestellt hatten - darunter ein rothaariger Mann, der sie mit wachen Augen musterte - schenkten ihr nichts weiter als ungeteilte Aufmerksamkeit. Es war eine ihr vollkommen fremde Runde und im ersten Moment hatte es ironischer Weise so geklungen, als wäre der Beschluss über das Kommende eine Entscheidung des Kollektivs. Dabei war es bloß die ihre.
Nymphadora hatte sie vor fünfzehn Stunden von ihrem Angebot in Kenntnis gesetzt. Maden hatte nicht viel tun können als die Bedeutung dessen zu verstehen. Langsam. Es war ihr offensichtlich, dass sie nicht zurück konnte, schließlich gab es keinen Ort, der sie empfangen mochte, fernab dieses Landes. Ihr Name wanderte noch immer durch die Zeilen der Zeitungen und es musste unendlich viele Leute geben, die ihr Gesicht noch lange nicht vergessen hatten. Und auch, wenn sie sich noch lebhaft an die ersten Abende erinnerte, an denen sie nur hatte fliehen wollen, hatte sie diesen Gedanken längst aus ihrem Kopf verbannt. Sie war die einzige Person, die womöglich noch verstehen konnte, wofür ihre Familie gestorben war und sich den Geschehnissen zu entziehen erschien ihr wie Verrat.
Doch ihren eigenen Tod zu inszenieren, diese Vorstellung schmerzte nahezu genauso viel. Besonders wenn sie an die wenigen Personen dachte, die es noch gab, und die trauern würden, ohne je die Wahrheit zu erfahren. Ihre besten Freunde Reed und Thormen waren nur zwei davon.
„Wir machen das nicht aus Freude, Maden", hauchte plötzlich der Rothaarige in Ministeriumsrobe. „Das ist wirklich die einzige Option, die wir sehen, um -"
„Die einzige Option die ihr seht, oder die Albus Dumbledore sieht?"
„Die einzige Option, die ich sehe", korrigierte eine Stimme neben ihr und es war Sirius Black, der endlich aufgehört hatte, die knochigen Finger gegen das morsche Holz vor sich zu trommeln. Eine gewisse Strenge lag um seine schmalen Lippen und die hohe Stirn fiel hinter seinem schwarzen Haar in etliche Falten. Maden wünschte sich, sie wäre hier geblieben.
Doch Sirius' Blick war starr, als er sagte: „Es war mein Vorschlag und von daher solltest du mich anhören." Er setzte sich auf und in diesem Raum gab es nur sie. „Du kennst meine ganze Geschichte nicht, aber du weißt genug, um zu verstehen, dass ich diesen Ort seit nunmehr zwei Jahren nicht verlassen kann. Dass ich nirgendwohin kann. Und dasselbe können wir dir nicht zumuten. Ein Leben im Untergrund." In seinen Worten lag Dringlichkeit, als er ihr eine Hand auf die Schulter legte. „Du kannst versuchen, dir ein neues Leben aufzubauen, hier. Aber nicht als Maden Bolton."
„Das hier ist aber nicht mein Krieg", flüsterte sie und war dabei beinahe so leise, dass nur Sirius sie vernehmen konnte.
„Das wissen wir." Er ließ seine Hände von ihr gleiten. „Und gerade deshalb wollen wir dich von ihm verschonen."
Und mit dem nächsten Atemzug war die Luft in ihrer Lunge schmerzlich kalt. Sie wusste, dass sie ihre Entscheidung viel zu lange schon getroffen hatte. Und doch war es womöglich der tückische Glaube an Hoffnung, der sie hielt.
„Du wirst nicht eines Tages, nach unzähligen Jahren, heimkehren können. Alle halten dich für eine Mörderin, die nicht vergessen wird, bis ihr Fall beendet ist", sagte Remus Lupin mit einer Schicksalsergebenheit, die nun auch Maden verstand. „Und du kannst nicht nach Hogwarts gehen, mit deinem Gesicht auf dem Titelbild."
Ihre Nasenflügel dehnten sich und ihre Fingernägel bohrten sich in ihr eigenes Fleisch. Es war ein krampfhafter Versuch, besonnen zu bleiben. „Wer wird es sein? Wer wird für mich sterben?"
„Audrey Rockwood", kam es von Kingsley Shacklebolt, der seinen Hut abgenommen hatte und mit kahlem Kopf wesentlich unscheinbarer aussah als er wirklich war. „Eine Todesserin, deren Leiche man vor vier Tagen gefunden hat."
Maden verstand seinen Blick und auch die Worte, die er nicht zu ihr sprach - Es ist okay.
„Wer wird sie verwandeln?"
„Meine Wenigkeit." Der Mann am Ende der Runde, beinahe verborgen von den dunklen Vorhängen um ihn herum, trat einen Schritt vor. Sein langes, schweres Haar schwenkte vor die schmale Hakennase und seine Lippen kräuselten sich zu etwas, das äußerst hämisch erschien. „Ich braue eine etwas abgewandelte Form des Vielsafttrankes, dessen Wirkung über drei Wochen hinweg gesichert und jeglichen Prüfungen über gefestigt ist. Es wird nicht auffallen."
Wie auch an dem Tag ihres Erscheinens umgab etwas Kühles Severus Snape und er klang als gäbe er seine Überzeugung nicht freiwillig. Und dennoch hob er den Kopf, sah in das blanke Gesicht des jungen Mädchens und sprach mit einer Zuversicht, die ihm selbst missfiel: „Sie sind in sicheren Händen, Miss Bolton. Abgesehen von einer Strähne Ihren Haares werden Sie nicht weiter involviert sein."
Vielleicht hätte dies Maden beruhigen sollen, doch das tat es nicht. Zu sterben, egal in welcher Form, hatte womöglich niemals etwas Beruhigendes an sich.
Maden verstand allerdings auch, dass sie keine andere Wahl hatte. Und, dass die Chancen, ihre Unschuld zu beweisen, mit jedem Tag weiter und weiter schwanden. An manchen Abenden berichtete ihr Tonks, dass Kingsley wieder für Nachforschungen nach Thurles gereist war und dass sie in der Ruine ihres Hauses nichts fanden.
Und mit jedem Mal, bei dem sie die Sonne über Norwich aufgehen sah, wusste sie mehr und mehr, dass sie zu ihrem alten Leben so schnell nicht würde zurückkehren können.
Die Entscheidung dazu, die endgültige Bestätigung und der feste Beschluss, dass Maden Bolton sterben musste, folgte jedoch drei Tage nach der Versammlung im Grimmauldplatz.
Maden balancierte gerade mit ihren Sohlen auf dem kalten Metall der Türschwelle, die sie von dem Rest der Norwicher Dachgeschosswohnung trennte. Das Holz der Zimmertür presste sich gegen ihre Schulterblätter und die warme Essensluft aus dem Wohnzimmer drang gemeinsam mit flüsternden Stimmen an sie heran. Draußen war längst die Dunkelheit eingebrochen.
„Das darf nicht passieren, Remus", konnte sie Tonks hören, deren sonst so pinkes Haar seit ihrer Heimkehr vor wenigen Stunden aschfahl und brüchig geworden war. Wenn sie sich noch immer nicht von ihrem Platz geregt hatte, saß sie nun auf dem ausgesessenen Stoffsofa und starrte fest auf das Porzellanservice, aus dem heißer Wasserdampf in die warme Zimmerluft empor stob. „Wenn eine Eule ihren Weg hierher findet, dann ist es für das Ministerium auch nicht mehr schwer."
„Eulen sind manchmal instinktiv verlässlicher als so mancher Aufspürzauber", erwiderte Remus Lupin und Maden wünschte sich, sie und Tonks hätten ihm glauben können. „Niemand kann sie hier bei dir finden."
Maden starrte auf den alten Holzkäfig, der auf dem Fenstersims gegenüber von ihr ruhte und der von dem spärlichen Licht der Straßenlampe draußen in grobe Umrisse geworfen war. Der Waldkautz darin schlief. Den Kopf unter einem großen, kräftig braunen Flügel geklemmt, atmete er leise.
„Ich erneuere die Schutzzauber täglich." Plumpe Verzweiflung schwang in jeder von Tonks' Silben mit. „Sie sollte nicht zu finden sein. Erst recht nicht von einem dummen Vogel -"
Maden wusste, was es war, das zwischen ihren Zeilen mitklang. Sie hatten den Schutzzaubern des Ordens vertraut. Doch nun döste ein Waldkautz aus Irland in einem alten, sporadischen Käfig und war der lebende Beweis all ihrer Unsicherheit. Denn auch in Madens Brust schlug leise und klammheimlich die Panik.
„Was hat er überhaupt gebracht?"
Der Brief in Madens Hand war schrecklich warm.
„Eine Nachricht. Von einer Freundin." Das Klirren von Tonks Teetasse, die etwas zu ungeschickt auf einem Holztisch abgestellt wurde, erfüllte die Wohnung. „Das Tier muss ewig unterwegs gewesen sein, es hat einen halben Liter Wasser geschluckt, ohne zu atmen."
Der Waldkautz regte sich kaum, als Maden die Tür zu ihrem kleinen Schlafzimmer endgültig schloss. Das Bettgestell knarrte und sie musterte ihn, den Vogel hinter dem Holz, der gar nicht mehr so aussah wie noch vor ein paar Wochen, als sie ihn manchmal durch warme Frühlingsabende zu ihnen in den Schlafsaal hatte fliegen sehen. Ihre beste Freundin Reed hatte ihn von ihrem älteren Bruder, der bei der irischen Zaubererbank im Vorstand arbeitete, zum guten Ergebnis ihrer ZAG-Prüfungen geschenkt bekommen und seitdem kaum ein Tier mehr verehrt. Von da an hatte Theodore der Waldkauz jeden Morgen die neueste Zeitungsausgabe so knapp zwischen sie fallen lassen, dass er mit seinem Tiefflug beinahe den halben Frühstückstisch abgeräumt hatte.
Heute war Maden zum ersten Mal froh gewesen, ihn zu sehen, als er mit einem lauten Schnarren die Krallen gegen das Küchenfenster gehämmert hatte.
Der Brief, den er gebracht hatte, war zerknittert gewesen und die Tinte verlaufen. Das hatte Maden verwundert, denn um Norwich herum hatte es seit mindestens zehn Tagen kein einziges Mal mehr geregnet. Und nun schimmerte die Nachricht ihrer besten Freundin in der Dunkelheit und sie las sie, wohl wissend, dass sie nie würde antworten können.
M.
Es ist jetzt das dritte Mal, dass ich Theo losschicke. Aber ich sag ihm diesmal wirklich, dass er dich unbedingt finden soll. Die letzten Male ist er nach ein paar Tagen immer wiedergekehrt, ohne meine Nachrichten losgeworden zu sein.
Ich weiß nicht wo du bist, wo du dich versteckst oder wie viel Angst du hast. Aber Thormen und ich machen uns Sorgen. Eigentlich auch meine ganze Familie und jeder andere, den du kennst. Wir wissen, dass du es nicht getan hast. Diese Pappnasen von Ministerium denken nie drüber nach, dass jemand anders 'nen Zauberstab in die Hand nehmen kann.
Falls du diesen Brief bekommst, bitte antworte. Ich möchte nur wissen, dass es dir gut geht. Und wenn du wohin musst, kannst du jeder Zeit zu mir. Oscar sagt, er will keine Mörderin verstecken aber zwischen dem ganzen Krempel in unserem Keller fällst du sowieso nicht auf.
Ich vermisse dich. Komm heim.
R.
Es war spät in der Nacht, als Remus Lupins schwere Schritte schließlich wieder auf dem Flurboden knarrten und Maden lag schon lange unter der dünnen Bettdecke, den starren Blick ziellos in der Schwärze um sich verloren. Theodore war in den vergangenen Stunden kein einziges Mal aufgewacht.
„Du dummer Vogel", wisperte sie in die Stille zu ihm, auch wenn sie es gar nicht so meinte. „Hättest du dich nicht verirren und mich einfach überfliegen können?"
Durch die dünne Wand aus Putz drang das Rascheln eines Mantels und das Schließen einer Tür. Nymphadora Tonks fuhr sich mit den Händen durch ihr offenes, noch immer schütteres Haar.
„Es ist gut, wenn wir die Angelegenheit schnell erledigen", hörte Maden Remus Lupin sagen und salzige Tränen breiteten sich in ihren Augenwinkeln aus, während sie den Hinterkopf in die Kissen drückte. „Mit einer anderen Identität kann sie in den Grimmauldplatz zurück. Und dann wird sie auch niemand mehr unter dem Namen Maden Bolton finden können."
Und Maden wünschte sich, sie wäre gar nicht dort gewesen. Würde all den Mitgliedern des Ordens nicht eine solche Last auferlegen und erst recht nicht Tonks - der guten Tonks, mit dem Früchtetee, der guten Laune, den Ohrwürmern. Der freien Tonks, die nur jemanden lieben wollte.
„Sie muss nach Hogwarts. Sie hat keine Wahl."
Auch Lupin sprach nun mit einer Besorgnis, die er bei seiner Ankunft vor einiger Weile noch nicht getragen hatte. Aber vielleicht, das wusste Maden, hatte er recht. Denn um den Grimmauldplatz lagen mehr Schutzzauber als um die irische Zaubererbank und auch, wenn es staubig war und der klobige Hauself schrecklich zetrig, wäre die Kompanie von Sirius Black mit seinen trockenen Witzen und düsterem Alltagshumor eine willkommene Abwechslung zu den stillen Morgenden in Norwich.
„Vielleicht muntern die Weasley-Kinder sie auf. Und sie sind unser erster Bestandstest, wie gut ihre neue Identität täuschen lässt."
Maden erfuhr nie, was Albus Dumbledore zu Theodores plötzlichem Auftauchen in Tonks Wohnung sagte und auch nicht dazu, dass sie doch eigentlich unter ihrer alten Personenangaben hätte unauffindbar sein sollen. Doch der Waldkautz war störrisch, das wusste sie, als sie ihn am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang aus ihrem Zimmerfenster frei ließ. Es brauchte drei strenge Armschüttler, bis sich der Vogel zum Aufbruch ermutigen ließ. Vorher hatte er noch verlangend mit seinem freien Bein gegen ihre Fingerspitzen geschnippt. Doch eine Nachricht würde es nicht geben. Nicht von Maden an Reed. Denn schon bald war Maden Bolton tot.
Das besiegelte sie am kommenden Abend. Tonks war mit einer schweren, braunen Akte aus dem Kamin gestiegen und von der Arbeit wiedergekehrt. Jetzt saßen sie am Küchentisch und schwiegen einander an.
Einen Moment zumindest, den Maden brauchte, um mit ihren Fingern über die vielen Zettel, Bescheinigungen und Ergründungen zu streichen - eine Geburtsurkunde mit einem anderen Datum, anderen Eltern, anderen Geschwistern.
„Eric?" Das war das erste, was sie sagte und ihre Stimme klang seltsam fremd.
Überrascht sah Tonks auf und folgte ihrem Blick - „Ja. Dein Bruder. Falls jemand fragt."
„Und Ainsley ist -"
„Ein irischer Muggelnachname. Du bist Halbblut. Und mit mir verwandt." Tonks verschränkte selbstzufrieden die Arme vor der Brust. „Ich deck dir den Rücken, wenn es brenzlich wird. Meine Eltern auch."
Eigentlich hätte Maden gerne antworten wollen, dass es nicht nötig war. Doch das war es.
„Dein Hogwarts-Bescheid kommt in einigen Tagen. Dumbledore wird einrichten, dass du für die Häuserverteilung nicht vor der Schule zu stehen hast."
Sie raffte die Dokumente zusammen, so dass nun ein zerknickter Zettel oben lag, der aussah als wäre er durch zahllose Hände gereicht worden.
„Und wenn das hinter uns ist, kehrst du in den Grimmauldplatz zurück. Die Weasleys werden dir gefallen, die sind super."
Maden hatte das Gefühl, ihr schwirrte der Kopf, während Tonks sorglos durch die Akte blätterte. Denn alles, was sie tun konnte, war auf den Namen zu starren, der fein säuberlich auf einem dunklen Pergament aufgetragen worden war und der von nun an ihr gehörte: Logan Ainsley.
Erst mit Tonks' Fingerschnippen wurde sie aus ihrer Trance wach - Hm?
„Ein Haar von dir." Tonks musterte sie nun aus neugierigem Blick. „Mehr brauchen wir nicht."
Der Morgen, an dem man ihren leblosen Körper fand, war wolkenlos und erfüllt von dem grotesken Zwitschern zahlreicher Vögel. Es war ein fahles Gesicht, das zu den beiden Auroren des irischen Ministeriums empor starrte, wenige Stunden, nachdem ein Muggel sie im Wald gefunden hatte. Ein silbriger Patronus würde daraufhin in das Büro des irischen Abteilungsleiters huschen und Verstärkung anfordern, um die Leiche inmitten des dichten Waldes irgendwo südlich von Galway zu bergen.
Fußspuren, die man in den folgenden Wochen niemandem mehr würde zuordnen können, zeugten von sanften Schritten von der schmalen Lichtung weg und trockene Blätter würden noch ewig in Madens langen Haaren kleben.
Und während kalte Hände Maden Bolton von ihrem Totenbett aus dunstenen Zweigen empor hievten, sah ein anderes Mädchen, fernab des Geschehens, mit ruhigem Atem dabei zu, wie silberne Farbkleckse auf den Keramikboden einer Dusche tropften. Madens Lippen zitterten, als sie das blaue Handtuch von ihrem Kopf zog und nun bloß noch schulterlange Strähnen ihr dünnes Kinn kitzelten. Viel zu blond. Viel zu fremd.
Ein regungsloser Arm wurde unter eine dunkle Plane geschoben. Rasende Schreibfedern sausten um die Köpfe der Auroren und beißender Gestank brannte in ihren Nasen. Sie war tot.
Dort war etwas heimisches in ihrem eigenen Blick, fand Maden, als sie aus der Dusche trat. Norwich, vierhundert Kilometer weiter östlich von dort, wo man ihre Leiche fand. Heimisch, auch wenn das Mädchen, das sie ansah, fremd war. Fremd, weil Maden Bolton sie von nun an verlassen hatte. In den kommenden Stunden würde die neue Farbe in ihrem Haar intensiver und die neue Brille auf ihrer Nase zu Gewohnheit werden. Sie würde neue Kleidung tragen und einen anderen Namen wahren. Sie würde sich einen Koffer anschaffen und Hab und Gut sammeln, bevor ihr Brief aus Hogwarts kam. Und bloß ein dunkler Rucksack in der Ecke des kleinen Zimmers, irgendwo inmitten Norwichs, sollte daran erinnern, dass Maden Bolton einst hier gewesen war.
Die Haut um ihre Finger war eingerissen, Erdklumpen klebten unter ihren Nägeln. Einer der Auroren hob den toten Körper, gehüllt in dunkles Plastik, empor.
Es war Maden schwer gefallen, dieser Abschied, und ganz heimlich hatte sie in diesem Badezimmer vor dem beschlagenen Spiegel sogar geweint. Geweint um ein Mädchen, das sie nun nicht mehr war.
So ganz genau hatte sie allerdings nicht gewusst, wann es so weit sein und ob es ihnen auch wirklich gelingen würde. Kein Mitglied des Ordens, nicht einmal Tonks, sprach mit ihr über den Fortschritt ihres Plans. Alles geschah außerhalb ihres Wissens. Zur Sicherheit.
Und so fiel beides letzten Endes auf denselben Tag: Der Tag, an dem Maden Bolton starb, und das gleich auf zwei verschiedene Arten, ohne es einmal wirklich getan zu haben.
Ein irischer Auror lehnte über ihrem leblosen Körper, der doch eigentlich gar nicht ihrer war und ihm dennoch schrecklich glich. Er stand über ihr, sah auf die trockenen Lippen und die kalte Haut, sprach zu einem der vielen Heiler neben dem Tisch - Es ist sie, zweifellos?
Ein Nicken folgte, gemeinsam mit einer ausführlichen Krankenakte - Kein falscher Zauber, kein magischer Eingriff konnte festgestellt werden. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass sie es nicht ist. Selbstmord.
Bis mit einem Schlag eine schwere Ausgabe des Tagespropheten auf den Küchentisch fiel; vor die Nase eines jungen Mädchens, das sich abrupt an ihrem Toast verschluckte. Ihre Haare waren nun kurz, blond. Mit einer Brille, hellen Augen - Maden Bolton war lange verblasst, Logan Ainsley lebte. Und in diesem Moment beugte sie sich über das Titelblatt, das Tonks ihr vor die Nase schob. Das Profil einer Toten prangte mitten auf, gemeinsam mit vier simplen Worten: Das Ende der Angst.
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Logan Ainsley, an den Namen müsst ihr euch von jetzt an wohl gewöhnen. Das hier ist bisher irgendwie mein liebstes Kapitel.
1. Meint ihr, dass sie mit ihrer neuen Identität irgendwann auffliegen wird?
2. Wenn ja, wer findet es raus und wie schnell?
3. In welches Hogwarts-Haus würde Maden eurer Meinung nach passen?
4. Glaubt ihr, es ist gut, dass Maden Reed nicht geantwortet hat?
Es geht zurück in den Grimmauldplatz, nächsten Dienstag. Auftritt: Die Weasley-Zwillinge. Endlich.
Bis dahin: An apple a day keeps the doctor away.
Ganz viel Liebe, Al
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