//MÄDELSGESPRÄCHE UND ZAUBERSTÄBE//
»UND DIESES, ÄHM, Kwimmitsch oder wie das heißt, ist so eine Art Sport?«, fragte Amy, als sie sich durch die gebrauchten Schuluniformen wühlte. Sie hatte es nicht schwer. In ihrer Größe waren noch einige mehr da, als in den kleineren Größen. Die gingen die letzten Tage sicher alle weg, als die künftigen Erstklässler hier einkaufen waren.
»Quidditch. Ja, das ist der Sport unter Hexen und Zauberern«, verkündete Olive voller Begeisterung. »Wir alle lieben es einfach. Na ja, außer ein paar wenige aus Slytherin.«
»Tom?«, fragte Amy und Olive nickte nur abschätzig. »Aber Joe, den wir eben getroffen haben, der ist einer der besten Spieler, die Gryffindor je hatte. Du kannst ihn ja mal am Spielfeldrand anfeuern, wenn die Saison wieder losgeht. Er ist der Hüter und muss aufpassen, dass die Jäger den roten Ball, also den Quaffel nicht in einen der gegnerischen Torringe werfen. Meist gelingt ihm das richtig gut. Kann aber natürlich sein, dass du ihn ein wenig ablenkst.«
»Ich? Ihn ablenken? Was, wieso? Wie kommst du darauf? Ich werde mich ganz still verhalten«, stotterte Amy und spürte, wie sie rot anlief.
»Ha! Dachte ich es mir doch. Du wirst rot! Ist schon 'n fescher Bursche, der Joe, nicht wahr? Seinetwegen tauchen auch Mädchen beim Spiel auf, die sich sonst nicht sonderlich für Quidditch interessieren«, kicherte Olive.
»Keine Ahnung, was du meinst. Ähm, können wir dann diese Uniformen einmal anprobieren?«, lenkte Amy möglichst schnell vom Thema Joe ab. Sie wusste natürlich genau, was Olive meinte. Doch Amy hatte sich vorgenommen, einen klaren Kopf zu behalten in dieser Geschichte, um ihre Doppelgängerin zu finden. Dabei konnte sie sich nicht von irgendwelchen Zauberschülern ablenken lassen und wenn sie noch so süße Grübchen hatten.
Nach einer geschlagenen Stunde kamen Olive und Amy wieder aus dem Gebrauchtwarenladen heraus. Neben den aufgelisteten Klamotten, hatten sie auch noch einige andere Dinge mitgenommen, wie eine gebrauchte Messingwaage und sogar zwei Bücher. Fantastische Tierwesen und wo sie zu finden von Newt Scamander darf sie jetzt ihr Eigen nennen, genau so wie Tausend Zauberkräuter und -pilze von Phyllida Spore.
»Vielleicht finde ich darin irgendetwas, dass die Krankheit meiner Mutter lindern kann«, murmelte Amy still vor sich hin, als sie in dem Kräuterbuch blätterte.
Olive hatte das zum Glück nicht gehört, denn Amy wollte den heiteren Tag nicht mit noch mehr traurigen Details aus ihrem Leben trüben. Sie hatte ihrer Mutter und Elaine versprochen, dass sie dieses Jahr genießen wolle.
»Dort vorne sind die Jungs«, sagte Olive und zeigte auf ein weiteres Geschäft in der Winkelgasse. Ollivander – gute Zauberstäbe seit 382 v. Chr. stand in abgeblätterter Goldschrift darüber.
»Das ist aber nicht seit dieser Zeit immer ein und derselbe Ollivander gewesen, oder?«, fragte Amy und fühlte sich erneut wie gerade erst auf dem Planeten gelandet.
Ihre Freunde lachten amüsiert.
»Doch, natürlich. Hatten wir nicht erwähnt, dass wir Zauberer mindestens zehntausend Jahre alt werden? Wir sind auch alle bereits dreihundertundzwölf«, sagte Dion und nickte selbstgefällig.
»Ach, kommt schon. Ich mag zwar mit Abstand die muggeligste Person hier sein, aber alles glaube ich euch auch nicht«, sagte Amy und schaute ihre Freunde skeptisch an.
»Nein, Amy. Lass dir nichts erzählen. Das ist heute ein Nachfahre des ersten Ollivanders, der damals mit den Römern hierherkam und seither die besten Zauberstäbe in Britannien herstellte«, klärte Olive die Situation auf.
»Garrick Ollivander leitet das Geschäft seit 18 Jahren und hat seitdem jedem neuen Zauberschüler seinen Zauberstab gegeben«, ergänzte Joe und zusammen betraten sie den mickrigen, staubigen Laden.
An den Wänden waren überall deckenhohe Regale, die vollgestopft waren mit kleinen, länglichen Kisten. Viele von ihnen waren mit Spinnweben verziert. Offenbar wollten manche Stäbe sich nicht so gut verkaufen lassen wie andere.
»Guten Tag, die jungen Herrschaften. Wie kann ich Ihnen zu Diensten sein?«, fragte ein freundlicher Herr, ungefähr ende dreißig. »Oh, Joseph Attenborough! Pappel, zwölfeinhalb Zoll, Kern aus Drachenherzfaser, biegsam. Nicht wahr?«
Amy verstand zum tausendsten Mal die Welt nicht, aber sie verkniff sich weitere Fragen. Die Lösung des Rätsels zog Joe neben ihr jedoch sogleich hervor. Seinen Zauberstab.
»Und er leistet immer noch besten Dienst, Mr Ollivander«, verkündete Joe stolz und ließ ein paar Kisten herumschweben, um sie in passende Freiräume in den Regalen abzulegen.
»Danke sehr. Die lagen mir schon die ganze Zeit vor den Füßen rum. Kam einfach nicht dazu, sie wegzuräumen. So viele Schulanfänger sind das wieder derzeit«, rechtfertigte sich Mr Ollivander für seine Unordnung im Laden. »Und was ist mit Ihnen, junge Dame? Ich kann mich an jeden Zauberstab erinnern, den ich verkauft habe und an wen ich ihn verkauft habe. Aber zu Ihnen fällt mir nichts ein. Seltsam. Haben Sie ihren von jemand anderen gekauft? Ich denke, dann sind Sie damit unzufrieden. Alles andere ist gar nicht möglich!« Ollivander lachte verschmitzt und kratzte sich anschließend nachdenklich an seiner Stirn. Seine hellen Augen begutachteten Amy von Kopf bis Fuß, doch er schien keine Erinnerung zu ihrem Antlitz finden zu können.
»Ich habe noch keinen Zauberstab, Sir«, sagte Amy und war etwas verwundert, dass Ollivander sie nicht auch für ihre Doppelgängerin hielt. Bislang waren Tom Riddle und er die einzigen Personen, die sie sofort als jemand anderes erkannten. »Ich könnte aber einen gebrauchen, wenn es nichts ausmacht.«
»Wenns nichts ausmacht, sagt sie!«, jubelte Ollivander und klatschte in die Hände. »Natürlich macht es was aus. Sieben goldene Galleonen, um genau zu sein. Aber keine Sorge. Bislang haben wir immer eine Lösung gefunden.«
»Ich habe Geld, Mr«, sagte Amy. »Ich dachte nur, weil ich schon so, nun, alt bin und –«
»Lass gut sein, junge Dame. Ihre Geschichte interessiert mich weniger. Die Hauptsache ist, dass sich Ihr künftiger Zauberstab für Sie interessiert«, sagte Ollivander und begann seine Regale suchend zu durchforsten.
»Mein Zauberstab interessiert sich für mich?«
»Ganz recht. Der Zauberstab wählt den Zauberer. Oder in Ihrem Fall die Hexe. Hier. Probieren Sie den mal. Fichte, elf Zoll, Einhornhaar, elastisch und handlich in zierlichen Frauenhänden.«
Amy nahm das lange Stück Holz in die rechte Hand und überlegte, was sie denn nun tun sollte, um ihn auszuprobieren.
»Schwing ihn einfach mal ein wenig herum, Amy«, schlug Olive vor.
Amy tat dies, ohne auf die Wirkung dessen vorbereitet zu sein, und diese lies anschließend alle Anwesenden gehörig zusammenschrecken. Ein blauer Lichtblitz wirbelte aus der Spitze des Stabes hervor und streifte Ollivanders Haaransatz, der daraufhin schwarz verkohlt aussah.
»Das war eindeutig nicht der richtige Stab«, schlussfolgerte Ollivander und packte den Stab wieder zurück ins Regal, um gleich darauf mit einem weiteren zurückzukommen. »Probieren Sie den. Birke. Zehneinviertel Zoll. Ebenfalls mit Einhornhaar im Kern, aber nicht ganz so biegsam. Dafür sehr griffig, wie ich finde. Einen Ähnlichen habe ich vor ein paar Jahren einem Mädchen verkauft, dass mich ein wenig an Sie erinnert, jetzt wo ich darüber nachdenke. Amanda Owens hieß die Kleine.«
»Ja, so heiße ich auch. Fragen Sie nicht. Das ist eine lange Geschichte«, sagte Amy und nahm den zweiten Zauberstab in die Hand, um ihn zu probieren.
Unter Ollivanders verstörtem Blick spürte Amy eine seltsame Wärme von ihrer Hand aufsteigen. Dann wirbelte sie den Stab durch die Luft, so wie sie es eben mit dem anderen getan hatte. Dieses Mal brachte sie die Zuschauer jedoch zum Staunen. Ein Strom grüner und silberner Funken schoss aus der Spitze hervor und ließ funkelnde Lichtreflexe an den Regalen entlangtanzen.
»Was ich sagte! Gut, sehr gut. Wir haben Ihren Stab gefunden. Oder wie gesagt, Ihr Stab hat Sie gefunden.« Mr Ollivander war ganz aus dem Häuschen und packte den Stab mit einem breiten Lächeln zurück in die Schatulle.
Amy, deren Knie zitterten, bezahlte, bedankte sich und ging mit einem seltsamen Gefühl in der Magengegend aus dem Geschäft.
»Was war das gerade da drin?«, fragte sie und atmete tief durch. »Habe ich eben gezaubert, bewusst gezaubert?«
»Ja, hast du! Herzlichen Glückwunsch, Amy. Jetzt bist du eine echte Hexe mit einem richtigen Zauberstab!«, klatschte Olive und umarmte sie.
»Und meine mysteriöse Doppelgängerin hat einen ähnlichen Stab? Welch ein Zufall«, sagte Amy und schaute sich ihre neue Errungenschaft neugierig an.
»Vielleicht hast du doch mehr mit ihr gemeinsam, als du denkst«, meinte Dion.
»Das hoffe ich nicht«, mischte sich Joe in das Gespräch ein. »Bisher gefällt mir die neue Amanda Owens viel besser als die alte.«
Amy spürte, wie sie erneut rot wurde, und konnte Olives triumphierendes Grinsen sehen.
»Gehen wir noch etwas essen und dann besorgen wir den Rest an Materialien«, schlug Dion vor und ging voraus in einen kleinen Imbissladen.
»Übernachtet ihr auch im Tropfenden Kessel? Dumbledore hat mir eine Notiz hinterlassen, dass dort ein Zimmer für mich reserviert wurde, sehe ich gerade.« Amy drehte auch die restlichen Seiten ihres Briefes um, um zu sehen, ob sich noch mehr Notizen darauf befanden. Aber dem war nicht so. Ab jetzt würde sie sich auf ihre Freunde verlassen müssen.
»Ja, Dion und ich übernachten dort«, antwortete Olive zu Amys Beruhigung. »Joe übernachtet über Eeylops Eulenkaufhaus. Seine Tante arbeitet da.«
»Das Geschäft, vor dem wir vorhin standen?«, fragte Amy und dachte an den schönen Uhu zurück.
»Nein, das war die Magische Menagerie, wo es noch allerhand anderes Getier gibt, als nur Posteulen. Wir sollten dort unbedingt noch mal hingehen. Mir geht diese Kröte nicht mehr aus dem Kopf«, schwärmte Olive.
»Du unkst auch so schon genug herum«, neckte sich Dion erneut mit ihr.
»Du bist gemein, Dion«, schmollte Olive und die Freunde mussten erneut herzhaft lachen.
Amy gefiel diese gemeinsame Zeit mit Gleichaltrigen. Und sie genoss jeden Augenblick in der Zaubererwelt. Sie konnte es anfangs nicht glauben, aber sie fühlte sich zum ersten Mal wieder so richtig glücklich und frei.
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